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sie etwas weniger an barem Gelde bezögen, als die Aerzte an
den Krankenhäusern der Nachbarorte, diesen gegenüber als Aerzte
II. Klaffe gelten könnten, würde wohl kauni jemand ernstlich be
haupten können, denn das Wissen und die Tüchtigkeit eines Arztes
richte sich doch nicht immer nach seinen Einnahmen. Diesen Aus-
führungen stimmte der andere der Herrn Magistratsvertreter zu und
erklärte noch, daß sich die Assistenzärzte in den städtischen Kranken
häusern gewissermaßen in einer Durchgangsstellung befänden, da ihre
Tätigkeit nur auf 3 Jahre in Aussicht genommen wäre. Ebensowenig
könnte ein so großer Unterschied zwischen der Tätigkeit der älteren
Asststenzärzte gegenüber der der jüngeren festgesetzt werden, um den
älteren Aerzten nach 1 1 / 2 Jahren eine Gehaltserhöhung auf 1500 Jt
zuzubilligen. Die Besoldung von 1 200 Jt pro Jahr könnte man
wohl als ausreichend bezeichnen, denn das. was in den letzten Jahren
so teuer geworden wäre, nämlich Lebensmittel und Wohnung, würde
ihnen ja frei gewährt. Die Aerzte am Kaiser Friedrich Kinderkranken-
hause mit den Aerzten an den übrigen städtischen Krankenhäusern in
der Besoldung gleichzustellen, läge durchaus kein Grund vor. Sie
hätten eben wesentlich weniger Betieu zu versehen und also wesentlich
weniger zu tun. In der Abteilung für Diphtherickranke wären
z. B. 13 Betten nicht belegt und von den 240 verfügbaren Betten
wären 63 Betten frei. Hierdurch wäre doch ersichtlich, daß die
Arbeitsleistung dieser Aerzte bedeutend geringer wäre und eine noch
weitere Aufbesserung der Besoldung und völlige Gleichstellung mit
den übrigen Assistenzärzten nicht angängig wäre.
Ein inzwischen gestellter Antrag:
die Sitzung zu vertagen, damit die Direktoren der städtischen Kranken
häuser zur nächsten Sitzung eingeladen werden könnten, wurde nach
kurzer Beratung abgelehnt!
Zur Sache selbst wurde weiter von verschiedenen Ausschußmit
gliedern angeführt, daß eine Erhöhung der Bezüge der Assistenzärzte
nach l’/a Jahren auf 1500 Jt wohl zu wünschen wäre, denn die
Aerzte hätten gewiffermaßen ein Recht nach 7 Jahren Studium und
einem 1—2jährigen Volontärarztdienst zu fordern, daß, nachdem sie
auch als Affistenzärzte der Stadt etwas Ersprießliches geleistet hätten,
sie nach l 1 /., Jahren eine Zulage erhielten. Es könnte sonst leicht
eintreten, daß sie für minderwertige Aerzte gegenüber ihren Kollegen
im Vororte gehalten würden. Ihnen aber die Zulage aus dem Grunde zu
verweigern, weil sie noch durch Ausfertigen von Gutachten einen kleinen
Nebenverdienst hätten, sei doch nicht angängig, da die Aerzte sicherlich
diese Gutachten in der schon kurz bemessenen freien Zeit anfertigen
müßten. Auch sollte man bedenken, daß durch die Gehaltserhöhung
die Autorität der älteren Assistenzärzte gegenüber den jüngeren in
gewissem Sinne gestärkt würde. Was nun die Aerzte an dem
Kinderkrankenhause anbeträfe, so wäre es ja nicht ihr freier Wille,
wenn sie weniger zu tun hätten. Dies läge in der Art der Er
krankungen. die eine strenge Isolierung der Kranken notwendig machten.
Außerdem hätten diese Aerzte ebenfalls doch den ganzen Tag hindurch
den Kranken ihre Dienste zu widmen.
Der Herr Oberbürgermeister erwiderte auf die Ausführungen,
daß immer darüber Klage geführt würde, daß die Anzahl der Aerzte
in den städtischen Krankenhäusern nicht ausreichend wären. Dies
träfe aber durchaus nicht zu. In einer großen medizinischen Ver-
sammlung wäre als Ziel der Bestrebungen der Aerzte aufgestellt
worden, daß auf 50 Betten ein Arzt käme. Der Magistrat wäre
diesem Grundsätze durchaus nachgekommen, ja er wäre noch darüber
hinausgegangen, indem er die leitenden Aerzte bei dieser Berechnung
ausgeschlossen hätte und nur 1 Assistenzarzt auf 50 Betten rechnete.
Es kämen z. B. im Krankenhause Friedrichshain auf 800 Betten gleich
17 Assistenzärzte, am Urban auf 650 Betten — 13 Assistenz
ärzte, im Virchow - Krankenhause auf 1250 Betten — 28 Assistenz
ärzte und im Krankenhause Gitschinerstraße auf 140 Betten
gleich 3 Assistenzärzte. Diese Zahlen sollten doch
beweisen, daß von einer Uebcrlastung der Assistenzärzte nicht ge
sprochen werden kann, und daß ein Arzt, der weniger zu tun hätte,
einem Kollegen, der zufällig einmal überbürdet wäre, seine Dienste
anböte, wäre doch ein nicht unbilliges Verlangen, Auch hätten die
Aerzte im allgemeinen eine viel zu ideale Auffassung von ihrem
Berufe und immer noch wäre es ein Wunsch jedes Arztes, Assistenz
arzt an einem Berliner Krankenhause unter der autoritativen Leitung
eines seiner berühmten Direktoren zu werden. Sie blickten eben
immer noch zu ihren Direktoren und leitenden Aerzten wie Schüler
zum Meister auf und wären nur durch eine gewisse agitatorische Be
wegung gezwungen worden, mit ihrer Stellung unzufrieden zu sein.
Aber auch sachlich wäre eine weitere Erhöhung der Bezüge der
Assistenzärzte nicht begründet. Sie hätten neben einer guten Wohnung
eine mustergültige Verpflegung und bekämen noch dazu ein Bar
honorar von 100 Jt monatlich. Das wäre doch auskömmlich für
jeniand, der durch diese seine Tätigkeit die Möglichkeit habe, zu
lernen und später eine materiell gute Karriere zu machen. Man
könnte ihnen doch kein Gehalt gewähren, welches so hoch sei, daß sie
in den 3 Jahren ihrer Assistenzarztzeit nun gleich einen Teil der
Auslagen wieder herauswirtschaften, die ihnen das teure Studium
verursacht hätte. Wenn man davon Abstand genommen hätte,
nach l'/z Jahren eine Erhöhung in den Bezügen der Affistenzärzte
eintreten zu lassen, so wäre dies geschehen, weil die Verantwortung
der jüngeren Aerzte die gleich große mit den der älteren Assistenzärzte
wäre. Leisteten die älteren nach V/ 2 Jahren wirklich mehr als die
jüngeren, so hätten sie eben während dieser Zeit durch ihre Be
schäftigung im städtischen Dienst mehr hinzugelernt. Vergleiche man
die Besoldung der Assistenzärzte mit der Bezahlung ähnlicher Beamten,
so müßte uian zugeben, daß absolut kein Bedürfnis vorliege, eine
weitere Erhöhung der Gehälter eintreten zu lassen. Wegen der Aerzte
an dem Kaiser Friedrich-Krankenhause wären nochmals Erhebungen
im Gange, um festzustellen, ob es nicht möglich märe, einen Ausgleich
in der Dauer der Beschäftigung dieser Aerzte herbeizuführen und somit
eine Gleichstellung in der Besoldung vielleicht zu ermöglichen. Bis
jetzt wäre dies aber nicht angängig gewesen, da seitens der zuständigen
Verwaltung auf die wiederholten Vorstellungen, die Aerzte an dem
Kinderkrankenhause gleichmäßig voll zu beschäftigen, stets eine Ab-
lehnung erfolgt sei. Was aber von den Assistenzärzten zu sagen
wäre, fände in noch erhöhtem Maße auf die Volontärärzte An
wendung. Diese kämen vor allen Dingen zu den städtijchen An
stalten, um zu lernen und könnten zufrieden sein, daß ihnen hierzu
Gelegenheit geboten würde. Zugegeben aber, daß ein Bescheid auf
die Eingaben -der Assistenzärzte erst sehr spät erfolgt sei, so sollte
man auch bedenken, daß die Forderungen der Aerzte in fast allen
Punkten erfüllt worden wären, weiter aber zu gehen, nich für zweck
mäßig gehalten werden könnte.
Auch von einigen Ausschußmitgliedern wurde bemerkt, daß der
ideale Standpunkt der Aerzte durchaus notwendig und die rücksichts
lose Vertretung ihrer materiellen Ansprüche sehr zu bedauern wäre.
Sie hätten durch ihre Tätigkeit an den städtischen Krankenhäusern so
viele Vorteile für ihren Beruf, daß die etwas geringere Besoldung
gegen ihre Kollegen im Vororte nicht in die Wagschale fiele.
Von anderer Seite wurde aber angeführt, daß entschieden mehr
als 50 Kranke auf einen Arzt entfallen. Wenn man die Zahl der
Kranken durch die Zahl der Assistenzärzte dividiere, so stimme aller-
vings die Berechnung. Man könne aber nicht die Assistenzärzte, die
z. B. in der Leichenkammer tätig seien, mitrechnen für den Kranken
dienst, auch nicht den wachthabenden Arzt, oder den Arzt, der die
Poliklinik bedient. Wenn früher übrigens ein Assistenzarzt aus
50 Kranke genügt hätte, so läge der Grund darin, daß ihm mehrere
Volontärärzte, die jetzt fehlten, zur Seite gestanden hätten.
Bei der nunmehr erfolgten Abstimmung gelangten die vorstehend
gestellten Anträge zur Annahme.
Von Punkt 3 der Magistratsvorlage:
Die Assistenzärzte erhalten nach einjähriger Tätigkeit, die vom Ein
tritt in den städtischen Dienst als Volontärarzt ab gerechnet wird,
einen Erholungsurlaub von jährlich vier Wochen nahm der Aus-
schuß mit lebhafter Zustimmung Kenntnis: ebenso von Punkt 4.
welcher folgendermaßen lautet:
Die in den städtischen Krankenhäusern, welche als Haupt-
wachen für das Rettungswesen dienen, eingehenden Honorare den
Assistenzärzten, welche die Hilfe geleistet haben, zu überlassen.
Zu Punkt 5 der Magistratsvorlage: wonach den Aerzten bei
Erkrankungen, welche durch Ansteckung bei Ausübung des Dienstes
entstehen, eine Entschädigung gemäß der Gemeindebeschlüsse vom
16. Dezember 1897/9. Dezember 1898 und vom 29. Juli/6. Dezember
1900 nebst Ausführungsanweisung vom 23. Februar 1899 gewährt
werden soll, wurde folgende Resolution eingebracht:
Allen im ärztlichen Dienste stehenden Personen ist bei Erkrankungen,
die infolge Ausübung des Dienstes entstehen, eine Entschädigung
zu gewähren, auf die die Gemeindebeschlüsse vom 16. Dezember
1897/9. Dezember 1898 und v'om 29. Juli/6. Dezember 1900
nebst der Ausführungsanweisung vom 23. Februar 1899 an
zuwenden sind.
Nach kurzer Debatte wurde diese Resolution angenommen.
Demgemäß schlägt der Ausschuß der Versammlung in Abänderung
des Magistratsantrages, welcher lautet:
Die Versammlung erklärt sich mit der Erhöhung des Gehalts
der Assistenzärzte an den städtischen Krankenhäusern im Friedrichs
hain. Moabit, am Urban, Gitschiner Straße sowie am Rudolf
Virchowkrankcnhause von 1020 auf 1200 Jt sowie des der
Assistenzärzte am Kaiser und Kaiserin Friedrichkinderkrankenhause
von 500 auf 750 Jt einverstanden. Sie bewilligt die zur Er
höhung dieser Gehälter vom 1. April 1907 ab erforderlichen
6 605 Jt, welche aus dem Dispositionsguantum des Spezialetals 49
für 1907 zu entnehmen sind,
folgende Beschlußfassung vor:
In) Das Bargehalt der Assistenzärzte au den städtischen Kranken-
Häusern wird auf 1200^ und nach I Va jähriger Tätigkeit auf
1500 Jt jährlich festgesetzt bei freier Station,
b) die Assistenzärzte am Kaiser und Kaiserin Friedrichkinder-'
krankenhause werden den anderen Assistenzärzten gleichgestellt.
0) den Volontärärzten wird eine Wohnungsentschädigung von
monatlich 50 Jt neben freier Beköstigung, freier ärztlicher Be
handlung und Arznei gewährt. Bei dem Virchowkcankenhause
können Wohnungen nach der Verfügbarkeit gegeben werden,