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Volume No. 26 (420-447), 1907/05/11

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1907 (Public Domain)

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sie etwas weniger an barem Gelde bezögen, als die Aerzte an 
den Krankenhäusern der Nachbarorte, diesen gegenüber als Aerzte 
II. Klaffe gelten könnten, würde wohl kauni jemand ernstlich be 
haupten können, denn das Wissen und die Tüchtigkeit eines Arztes 
richte sich doch nicht immer nach seinen Einnahmen. Diesen Aus- 
führungen stimmte der andere der Herrn Magistratsvertreter zu und 
erklärte noch, daß sich die Assistenzärzte in den städtischen Kranken 
häusern gewissermaßen in einer Durchgangsstellung befänden, da ihre 
Tätigkeit nur auf 3 Jahre in Aussicht genommen wäre. Ebensowenig 
könnte ein so großer Unterschied zwischen der Tätigkeit der älteren 
Asststenzärzte gegenüber der der jüngeren festgesetzt werden, um den 
älteren Aerzten nach 1 1 / 2 Jahren eine Gehaltserhöhung auf 1500 Jt 
zuzubilligen. Die Besoldung von 1 200 Jt pro Jahr könnte man 
wohl als ausreichend bezeichnen, denn das. was in den letzten Jahren 
so teuer geworden wäre, nämlich Lebensmittel und Wohnung, würde 
ihnen ja frei gewährt. Die Aerzte am Kaiser Friedrich Kinderkranken- 
hause mit den Aerzten an den übrigen städtischen Krankenhäusern in 
der Besoldung gleichzustellen, läge durchaus kein Grund vor. Sie 
hätten eben wesentlich weniger Betieu zu versehen und also wesentlich 
weniger zu tun. In der Abteilung für Diphtherickranke wären 
z. B. 13 Betten nicht belegt und von den 240 verfügbaren Betten 
wären 63 Betten frei. Hierdurch wäre doch ersichtlich, daß die 
Arbeitsleistung dieser Aerzte bedeutend geringer wäre und eine noch 
weitere Aufbesserung der Besoldung und völlige Gleichstellung mit 
den übrigen Assistenzärzten nicht angängig wäre. 
Ein inzwischen gestellter Antrag: 
die Sitzung zu vertagen, damit die Direktoren der städtischen Kranken 
häuser zur nächsten Sitzung eingeladen werden könnten, wurde nach 
kurzer Beratung abgelehnt! 
Zur Sache selbst wurde weiter von verschiedenen Ausschußmit 
gliedern angeführt, daß eine Erhöhung der Bezüge der Assistenzärzte 
nach l’/a Jahren auf 1500 Jt wohl zu wünschen wäre, denn die 
Aerzte hätten gewiffermaßen ein Recht nach 7 Jahren Studium und 
einem 1—2jährigen Volontärarztdienst zu fordern, daß, nachdem sie 
auch als Affistenzärzte der Stadt etwas Ersprießliches geleistet hätten, 
sie nach l 1 /., Jahren eine Zulage erhielten. Es könnte sonst leicht 
eintreten, daß sie für minderwertige Aerzte gegenüber ihren Kollegen 
im Vororte gehalten würden. Ihnen aber die Zulage aus dem Grunde zu 
verweigern, weil sie noch durch Ausfertigen von Gutachten einen kleinen 
Nebenverdienst hätten, sei doch nicht angängig, da die Aerzte sicherlich 
diese Gutachten in der schon kurz bemessenen freien Zeit anfertigen 
müßten. Auch sollte man bedenken, daß durch die Gehaltserhöhung 
die Autorität der älteren Assistenzärzte gegenüber den jüngeren in 
gewissem Sinne gestärkt würde. Was nun die Aerzte an dem 
Kinderkrankenhause anbeträfe, so wäre es ja nicht ihr freier Wille, 
wenn sie weniger zu tun hätten. Dies läge in der Art der Er 
krankungen. die eine strenge Isolierung der Kranken notwendig machten. 
Außerdem hätten diese Aerzte ebenfalls doch den ganzen Tag hindurch 
den Kranken ihre Dienste zu widmen. 
Der Herr Oberbürgermeister erwiderte auf die Ausführungen, 
daß immer darüber Klage geführt würde, daß die Anzahl der Aerzte 
in den städtischen Krankenhäusern nicht ausreichend wären. Dies 
träfe aber durchaus nicht zu. In einer großen medizinischen Ver- 
sammlung wäre als Ziel der Bestrebungen der Aerzte aufgestellt 
worden, daß auf 50 Betten ein Arzt käme. Der Magistrat wäre 
diesem Grundsätze durchaus nachgekommen, ja er wäre noch darüber 
hinausgegangen, indem er die leitenden Aerzte bei dieser Berechnung 
ausgeschlossen hätte und nur 1 Assistenzarzt auf 50 Betten rechnete. 
Es kämen z. B. im Krankenhause Friedrichshain auf 800 Betten gleich 
17 Assistenzärzte, am Urban auf 650 Betten — 13 Assistenz 
ärzte, im Virchow - Krankenhause auf 1250 Betten — 28 Assistenz 
ärzte und im Krankenhause Gitschinerstraße auf 140 Betten 
gleich 3 Assistenzärzte. Diese Zahlen sollten doch 
beweisen, daß von einer Uebcrlastung der Assistenzärzte nicht ge 
sprochen werden kann, und daß ein Arzt, der weniger zu tun hätte, 
einem Kollegen, der zufällig einmal überbürdet wäre, seine Dienste 
anböte, wäre doch ein nicht unbilliges Verlangen, Auch hätten die 
Aerzte im allgemeinen eine viel zu ideale Auffassung von ihrem 
Berufe und immer noch wäre es ein Wunsch jedes Arztes, Assistenz 
arzt an einem Berliner Krankenhause unter der autoritativen Leitung 
eines seiner berühmten Direktoren zu werden. Sie blickten eben 
immer noch zu ihren Direktoren und leitenden Aerzten wie Schüler 
zum Meister auf und wären nur durch eine gewisse agitatorische Be 
wegung gezwungen worden, mit ihrer Stellung unzufrieden zu sein. 
Aber auch sachlich wäre eine weitere Erhöhung der Bezüge der 
Assistenzärzte nicht begründet. Sie hätten neben einer guten Wohnung 
eine mustergültige Verpflegung und bekämen noch dazu ein Bar 
honorar von 100 Jt monatlich. Das wäre doch auskömmlich für 
jeniand, der durch diese seine Tätigkeit die Möglichkeit habe, zu 
lernen und später eine materiell gute Karriere zu machen. Man 
könnte ihnen doch kein Gehalt gewähren, welches so hoch sei, daß sie 
in den 3 Jahren ihrer Assistenzarztzeit nun gleich einen Teil der 
Auslagen wieder herauswirtschaften, die ihnen das teure Studium 
verursacht hätte. Wenn man davon Abstand genommen hätte, 
nach l'/z Jahren eine Erhöhung in den Bezügen der Affistenzärzte 
eintreten zu lassen, so wäre dies geschehen, weil die Verantwortung 
der jüngeren Aerzte die gleich große mit den der älteren Assistenzärzte 
wäre. Leisteten die älteren nach V/ 2 Jahren wirklich mehr als die 
jüngeren, so hätten sie eben während dieser Zeit durch ihre Be 
schäftigung im städtischen Dienst mehr hinzugelernt. Vergleiche man 
die Besoldung der Assistenzärzte mit der Bezahlung ähnlicher Beamten, 
so müßte uian zugeben, daß absolut kein Bedürfnis vorliege, eine 
weitere Erhöhung der Gehälter eintreten zu lassen. Wegen der Aerzte 
an dem Kaiser Friedrich-Krankenhause wären nochmals Erhebungen 
im Gange, um festzustellen, ob es nicht möglich märe, einen Ausgleich 
in der Dauer der Beschäftigung dieser Aerzte herbeizuführen und somit 
eine Gleichstellung in der Besoldung vielleicht zu ermöglichen. Bis 
jetzt wäre dies aber nicht angängig gewesen, da seitens der zuständigen 
Verwaltung auf die wiederholten Vorstellungen, die Aerzte an dem 
Kinderkrankenhause gleichmäßig voll zu beschäftigen, stets eine Ab- 
lehnung erfolgt sei. Was aber von den Assistenzärzten zu sagen 
wäre, fände in noch erhöhtem Maße auf die Volontärärzte An 
wendung. Diese kämen vor allen Dingen zu den städtijchen An 
stalten, um zu lernen und könnten zufrieden sein, daß ihnen hierzu 
Gelegenheit geboten würde. Zugegeben aber, daß ein Bescheid auf 
die Eingaben -der Assistenzärzte erst sehr spät erfolgt sei, so sollte 
man auch bedenken, daß die Forderungen der Aerzte in fast allen 
Punkten erfüllt worden wären, weiter aber zu gehen, nich für zweck 
mäßig gehalten werden könnte. 
Auch von einigen Ausschußmitgliedern wurde bemerkt, daß der 
ideale Standpunkt der Aerzte durchaus notwendig und die rücksichts 
lose Vertretung ihrer materiellen Ansprüche sehr zu bedauern wäre. 
Sie hätten durch ihre Tätigkeit an den städtischen Krankenhäusern so 
viele Vorteile für ihren Beruf, daß die etwas geringere Besoldung 
gegen ihre Kollegen im Vororte nicht in die Wagschale fiele. 
Von anderer Seite wurde aber angeführt, daß entschieden mehr 
als 50 Kranke auf einen Arzt entfallen. Wenn man die Zahl der 
Kranken durch die Zahl der Assistenzärzte dividiere, so stimme aller- 
vings die Berechnung. Man könne aber nicht die Assistenzärzte, die 
z. B. in der Leichenkammer tätig seien, mitrechnen für den Kranken 
dienst, auch nicht den wachthabenden Arzt, oder den Arzt, der die 
Poliklinik bedient. Wenn früher übrigens ein Assistenzarzt aus 
50 Kranke genügt hätte, so läge der Grund darin, daß ihm mehrere 
Volontärärzte, die jetzt fehlten, zur Seite gestanden hätten. 
Bei der nunmehr erfolgten Abstimmung gelangten die vorstehend 
gestellten Anträge zur Annahme. 
Von Punkt 3 der Magistratsvorlage: 
Die Assistenzärzte erhalten nach einjähriger Tätigkeit, die vom Ein 
tritt in den städtischen Dienst als Volontärarzt ab gerechnet wird, 
einen Erholungsurlaub von jährlich vier Wochen nahm der Aus- 
schuß mit lebhafter Zustimmung Kenntnis: ebenso von Punkt 4. 
welcher folgendermaßen lautet: 
Die in den städtischen Krankenhäusern, welche als Haupt- 
wachen für das Rettungswesen dienen, eingehenden Honorare den 
Assistenzärzten, welche die Hilfe geleistet haben, zu überlassen. 
Zu Punkt 5 der Magistratsvorlage: wonach den Aerzten bei 
Erkrankungen, welche durch Ansteckung bei Ausübung des Dienstes 
entstehen, eine Entschädigung gemäß der Gemeindebeschlüsse vom 
16. Dezember 1897/9. Dezember 1898 und vom 29. Juli/6. Dezember 
1900 nebst Ausführungsanweisung vom 23. Februar 1899 gewährt 
werden soll, wurde folgende Resolution eingebracht: 
Allen im ärztlichen Dienste stehenden Personen ist bei Erkrankungen, 
die infolge Ausübung des Dienstes entstehen, eine Entschädigung 
zu gewähren, auf die die Gemeindebeschlüsse vom 16. Dezember 
1897/9. Dezember 1898 und v'om 29. Juli/6. Dezember 1900 
nebst der Ausführungsanweisung vom 23. Februar 1899 an 
zuwenden sind. 
Nach kurzer Debatte wurde diese Resolution angenommen. 
Demgemäß schlägt der Ausschuß der Versammlung in Abänderung 
des Magistratsantrages, welcher lautet: 
Die Versammlung erklärt sich mit der Erhöhung des Gehalts 
der Assistenzärzte an den städtischen Krankenhäusern im Friedrichs 
hain. Moabit, am Urban, Gitschiner Straße sowie am Rudolf 
Virchowkrankcnhause von 1020 auf 1200 Jt sowie des der 
Assistenzärzte am Kaiser und Kaiserin Friedrichkinderkrankenhause 
von 500 auf 750 Jt einverstanden. Sie bewilligt die zur Er 
höhung dieser Gehälter vom 1. April 1907 ab erforderlichen 
6 605 Jt, welche aus dem Dispositionsguantum des Spezialetals 49 
für 1907 zu entnehmen sind, 
folgende Beschlußfassung vor: 
In) Das Bargehalt der Assistenzärzte au den städtischen Kranken- 
Häusern wird auf 1200^ und nach I Va jähriger Tätigkeit auf 
1500 Jt jährlich festgesetzt bei freier Station, 
b) die Assistenzärzte am Kaiser und Kaiserin Friedrichkinder-' 
krankenhause werden den anderen Assistenzärzten gleichgestellt. 
0) den Volontärärzten wird eine Wohnungsentschädigung von 
monatlich 50 Jt neben freier Beköstigung, freier ärztlicher Be 
handlung und Arznei gewährt. Bei dem Virchowkcankenhause 
können Wohnungen nach der Verfügbarkeit gegeben werden,
	        
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