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Volume No. 11 (191), 1907/03/02

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1907 (Public Domain)

dieselbe schwer bedrückt werden. Durch Einführung der Wertzuwachs- 
steuer solle nun eine weitere empfindliche Belastung des Grundbesitzes 
eintreten. Dies gehe entschieden zu weit und es müsse hiergegen Front 
gemacht werden. Sei es nicht möglich die Wertzuwachssteuer durch 
Ablehnung zu beseitigen, so müsse zur Beseitigung einer Doppel 
besteuerung wenigstens der obige Antrag angenommen und bestimmt 
werden, daß alles was an dieser letzteren Steuer bezahlt worden auf 
die Umsatzsteuer verrechnet wird. Es sei dies ein Akt ausgleichender 
Gerechtigkeit, welcher die neue Belastung der Hausbesitzer abzuschwächen 
geeignet sei. 
Andererseits wurde bemerkt, daß, wenn es gelingen sollte, den 
obigen Antrag durchzubringen, damit der finanzielle Effekt der Wert- 
zuwachssteuer vernichtet werden würde. Die Erträge der neuen 
Steuer würden in diesem Falle sich derartig verringern, daß es sich 
kaum empfehlen dürfte, die Steuer überhaupt einzuführen. Den Be- 
griffen der Gerechtigkeit entspreche es keineswegs, wenn nach dem 
Antrage verfahren werde, da bei einem guten Geschäfte, wo also ein 
Wertzuwachs vorliege, eine Anrechnung stattfinde und weniger oder 
gar keine Umsatzsteuer zu entrichten sein würde, während bei einem 
schlechten Geschäft, wo also kein Wertzuwachs vorhanden sei, die volle 
Umsatzsteuer gezahlt werden müsse. 
Wolle man dem Grundbesitz entgegenkommen, so dürfe man nicht 
individualisieren und eine Anrechnung im Einzelfall festlegen, vielmehr 
würde man dann eine Bestimmung treffen müssen, wie solche im § 15 
der Steuerordnung von Köln enthalten sei, die dahin gehe, daß bei 
Erreichung eines gewissen Steuerbetrages der Prozentsatz der Umsatz 
steuer für das folgende Jahr herabzusetzen ist. Eine derartige Maß 
regel komme allen Grundbesitzern zugut und entspräche am besten der 
Gerechtigkeit. Seitens des Herrn Magistratsvertrelers wurde an 
schließend hieran hervorgehoben, daß, wenn man auf diese Anregung 
eingehen wolle, man auch gleiche Vorbedingungen schaffen und zunächst 
die hohen Sätze der Kölner Steuerordnung für Berlin einführen und 
namentlich die Umsatzsteuer für sämtliche Grundstücke auf 2 pCt. er- 
höhen müßte. Was den Umsatz der Grundstücke anlangt, so seien nach 
dem in Arbeit befindlichen Verwaltungsbericht der Steuerdeputation 
ini Jahre 1905 umgesetzt worden: 1 575 bebaute Grundstücke im Werte 
von 479 512 177 JC mit einem Umsatzsteuersoll von 4 765 461 J6 und 
808 unbebaute Grundstücke im Werte von 93 439 854 Jt und einem 
Steuersoll von 1 836 068 M, zusammen also 2 378 Grundstücke im 
Werte von 572 952 032 Jt und einem Steuersoll von 6 601 530 M. 
Hiernach würde es vielleicht zulässig sein, nach Schaffung gleicher 
Bedingungen wie bei Köln, zu bestrmmen, daß bei einem Erträgnis 
von 4 Millionen Mark Umsatzsteuer eine Herabsetzung des Prozent 
satzes um 1/2 pCt. stattfinden könne. 
Von anderer Seite bemerkte man, daß die Umsatzsteuer den 
Käufer, die Wertzuwachssteucr dagegen den Verkäufer treffen solle; 
schon aus diesem Grunde verbiete es sich, auf den gestellten Antrag 
einzugehen. Privatim könnten dergleichen Abmachungen wohl ge 
troffen werden, von Stadtwegen aber dürfe man nicht zulassen, daß 
eine Anrechnung der Wertzuwachssteuer auf die Umsatzsteuer statt 
finde. Beide Steuern seien auch ganz anders geartet und nicht mit 
einander zu vergleichen. Bei der Wertzuwachssteucr müsse man sich 
stets vor Augen halten, daß durch dieselbe eine Beteiligung der Stadt- 
gemeinde an dem Uebergewinn bei Grundstücksverkäufen geschaffen 
werden solle. Dies erscheine auch insofern gerechtfertigt, als der 
Uebergewinn dem Grundstücksbesitzer fast regelmäßig ohne irgend 
welche Aufwendungen zugewachsen sei, während die Stadtgemeinde 
durch ihre Veranstaltungen und durch ihr Wachstum die Steigerung 
des Wertes des Grundbesitzes herbeiführe. 
Der Herr Oberbürgermeister führte aus, daß die Wertzuwachs 
steuer die Grundbesitzer nicht als Regel treffe, sondern nur in den 
Fällen, wenn sie bei dem Verkauf ihrer Grundstücke ein gutes Ge 
schäft machen. Dabei seien die in Vorschlag gebrachten Steuersätze 
durchaus nicht hoch bemessen, weshalb es auch als ganz unzutreffend 
bezeichnet werden müsse, wenn in Grundbesitzerkreisen behauptet werde, 
daß die Wertzuwachssteuer gewissermaßen eine Konfiskation des Ver 
mögens bedeute. Um das Irrtümliche einer solchen Ansicht einzu- 
sehen, braucht man sich nur an einigen Beispielen die Wirkung der 
Steuer klar zu machen. Wenn z. B. ein Haus für 200000 M er 
worben worden und dasselbe innerhalb 5 Jahren für 220 000 Jt 
verkauft werde, so behalte der Verkäufer au dem Gewinn 19000 M 
und würde 1000 Jt an die Stadtgemeinde als Steuer abzugeben 
haben. Erziele er aber 400000^«, so betrage sein Gewinn 174 000 Jt 
und die Stadt erhalte 26 000 Jt Steuer. In beiden Fällen würde 
man dem Eigentümer zu einem so brillanten Geschäfte gratulieren 
können. Die Wertzuwachssteuer dürfe man nicht in einen Topf mit 
der Umsatzsteuer werfen; letztere treffe alle Grundstücksverkäufer, erstere 
aber nur diejenigen, die bei dem Verkauf einen besonderen Verdienst 
erzielen. 
Von einer Seite wurde hierzu noch hervorgehoben, daß bei dem 
Ankäufe eines Grundstücks im Werte von 200000 Jt erfahrungs 
mäßig in Berlin nur eine Anzahlung von etwa 50000 Jt geleistet 
werde. Der Besitzer erziele somit im ersteren Falle, der doch keines- 
wegs selten sei, auf eine Kapitalsanlage von 50 000 Jt einen Gewinn 
von 19 000 Jt, daß somit von einer Vermögenskonfiskation bei Ein 
führung der Wertzuwachssteucr keine Rede sein' könne, liegt hiernach 
auf der Hand. 
Von verschiedenen anderen Seiten wurde dagegen für Annahme 
des obigen Antrages eingetreten und ausgeführt, daß eine erneute 
Belastung der Grundbesitzer durch die Wertzuwachssteucr uni so un 
gerechtfertigter sei, als der Wertzuwachs bezw. der Verkaufsgcwinn 
schon durch die Einkommensteuer, die Staat und Kommune erhebe, 
getroffen werde. Der beim Verkauf eines Grundstücks erzielte Gewinn 
werde selbst dann, wenn es sich nicht um einen spekulativen Ankauf 
des Grundstücks, sondern lediglich um eine Kapilalsanlage handele, 
dem Einkommen hinzugeschlagen und zur Versteuerung gezogen. 
Hiernach erscheine es durchaus der Billigkeit entsprechend, der ko'llossalen 
Belastung der Grundbesitzer gegenüber einen Ausgleich dadurch zu 
schaffen, daß die gezahlte Wertzuwachssteuer auf die Umsatzsteuer zur 
Anrechnung gebracht wird. Die Steuer werde sich, ganz abgesehen 
davon, wer sie trage, ob Käufer oder Verkäufer, stets in dem Preise 
der Grundstücke ausdrücken, sie trage demgemäß zur Erhöhung der 
Grundstückswerte und der Mieten bei und werbe auch aus diesem 
Grunde abgewiesen werden müssen. Gelinge dies nicht, so werde 
wenigstens durch Annahme des Antrages die Wirkung der Wertzuwachs- 
steuer erheblich abgeschwächt, was im Interesse der Grundbesitzer nur 
zu wünschen sei. Nach erschöpfter Diskussion wurde zur Abstinimung 
über den Antrag geschritten, wobei derselbe mit 7 gegen 6 Stimmen 
zur Annahme gelangte. 
Der 8 1, gegen welchen von keiner Seite Einwendungen erhoben 
wurden, gelangte ebenfalls zur Annahme. 
Im 2 tritt mit Rücksicht auf das Gesetz über die Reichs 
erbschaftssteuer eine redaktionelle Aenderung ein. Die im Schlußsätze 
angezogenen Gesetzesbestimmungen kommen in Fortfall und statt der- 
selben ist zu sagen: „Reichserbschaftssteuer vom 3. Juni 1906, 
§§ 16—20." Im übrigen wurde der § 2 unverändert angenommen. 
In dem § 3 ist nachfolgende Bestimmung neu aufgenommen: 
In gleicher Weise wird bei Zwangsversteigerungen 
verfahren, wenn der Meistbietende seine Rechte einem 
Dritten abgetreten hat. 
Der Magistrat ist der Meinung, daß diese Bestimmung in die 
Neuordnung hineingebracht werden müsse, weil die Abgabe des Meist- 
gebotes den Eigentumswechsel ebenso vorbereitet, wie bei freiwilliger 
durch Zwischenverträge herbeigeführter Veräußerung der erste Vertrag. 
Hierzu liegt der Antrag vor, 
diese Bestimmung zu streichen. 
Zur Unterstützung wurde ausgeführt, daß die Verhältnisse hier 
doch anders lägen, als bei den Zwischenverträgen. Diese habe man 
mit der Umsatzsteuer treffen wollen, weil sie ein Handelsobjekt geworden 
seien und im Spekulationsintereffe geschloffen würden. Dagegen einen 
Bieter, der, um seine Hypothek zu retten, das verpfändete Grundstück 
im Zwangsverfahren erwerben müsse und dann bis zum Zuschlags 
termine noch einen Abnehmer des Grundstücks suche, mit der Umsatz 
steuer zu belegen, sei eine große Härte. Daß die Abtretung der Rechte 
aus dem Meistgebot Spekulationsinteressen nicht obwalteten, könne 
wohl als sicher angenommen werde». Auch der Staat berechne für 
solche Zwischenzessionen nicht den Kauf- sondern nur den Zessions 
stempel. 
Der Ausschuß trat diesen Ausführungen bei und er hat, nachdem 
noch darauf hingewiesen worden war, daß keine andere Steuerordnung 
eine derartige Bestimmung kenne, den gestellten Antrag angenommen 
und die neue Bestimmung gestrichen. 
Zu Absatz 3 des § 3 stellte der Herr Magistratsvertreter dem 
Ausschüsse zur Erwägung, ob man nicht auch die Beurkundung von 
Offerteerträgen mit der Umsatzsteuer belegen und eine entsprechende 
Ergänzung der Steuerordnung beschließen wolle. 
Nach kurzer Debatte, in welcher die rechtliche Bedeutung der 
Angebotserträge beleuchtet und ausgeführt wurde, daß eine Besteuerung 
solcher Verträge rechtlich nicht haltbar sein würde, ist der Vorschlag 
fallen gelassen. 
Der Ausschuß nahm hierauf den § 3 unter Fortfall des gestrichenen 
Absatzes unverändert an. 
Gegen den 8 4 fand sich nichts zu erinnern, weshalb seine 
Annahme erfolgte. 
Zn tz 5 nahm der Herr Magistratsvertreter bezug auf den Erlaß 
des Herrn Minister des Innern vom 7. Juli 1906 worin gesagt wird: 
„Was insbesondere die Einwirkung des Reichserbschaflssteuer- 
gesetzes vom 3. Juni 1906 — R.-G. Bl. Seite 620. 654 
— auf die Umsatzsteuer anlangt, so sollen nach 8 60 vom 
Tage des Inkrafttretens, d. h. vom 1. Juli 1906 an, die Vor 
schriften der Landesgesetzgebung, welche die Erhebung einer 
Abgabe von dem den Gegenstand der Erbschaftssteuer bildenden 
Erwerbe von Todeswegen sowie von Schenkungen unter Lebenden 
oder den über solche Schenkungen ausgestellten Urkunden betreffen, 
insoweit außer Kraft treten, als den Bundesstaaten nicht die Er 
hebung besonderer Abgaben überlassen ist. Hinsichtlich des Erwerbs 
von Todeswegen hatte die Verwalmngspraris schon bisher eine 
Umsatzsteuer ausgeschlossen (Ministerialcrlaß vom 13. Juni 1905, 
Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts vom 3. April 1906 — 
II. 757). Es wird die Umsatzsteuer nunmehr in Ansehung der
	        
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