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ordnung Vorschriften darüber hineinkommen, werde darauf in der
Kanalifationsordnung Bezug genommen. Zweckmäßig sei es aber,
die Bestimmung des Nutzungswertes in eine dieser beiden Ordnungen
festzulegen.
Einige Redner erklärten sich dafür, daß Vorschriften über die
Berechnung des Nutzungswertes in die hier zur Beratung stehende
Grundsteuerordnung aufgenommen werden, andere sprachen sich da-
gegen aus.
Schließlich wurde der Antrag, die 88 3 bis 9 aus dem Entwurf
der Grundsteuerordnung zu streichen bei 'der Abstinimung angenommen
mit dem Vorbehalt, wenn nötig, in den Schlußparagraphen der
Steuerordnung 1 einen Hinweis dahin aufzunehnicn, daß die Para
graphen der bisherigen Grundsteuerordnung so lange in Kraft bleiben
sollten, bis die neue Kanalisationsgebührenordnung entsprechende Be
stimmungen aufgenommen habe.
Die erste Lesung der Steuerordnung I (Grundsteuerordnung)
wurde als geschlossen erklärt und zur Beratung der Steuerordnung II
eine neue Sitzung auf Dienstag, den 23. Oktober 1906, abends
6 Uhr, angesetzt.
V. w. o.
Langerhans.
Zu 181.
III.
Verhandelt Berlin, den 23. Oktober 1906.
Anwesend:
Sämtliche Mitglieder des Ausschusses bis auf den beurlaubten Stadt
verordneten Kaemps.
Seitens des Magistrats:
Oberbürgermeister Kirschner,
Kämmerer und Stadlrat Dr. Steiniger,
Stadtrat Tonrbiö.
Der Vorsitzende gab nach Eröffnung der Sitzung dem Ausschuß
von dem Eingang einer Vorstellung des Verbandes der Geschäfts
und Jndustriehausbesitzer Kenntnis, in der gebeten wird, für den
Fall der Umgestaltung der Grundsteuerordnung den Maßstab des
Ictztjährigen Nutzertrages beizubehalten, von der Einführung einer
Wertzuwachssteuer aber gänzlich abzusehen.
Bevor mit der Generaldebatte über die Steuerordnung II be
gonnen wurde, ging zur Geschäftsordnung der Antrag ein
eine allgemeine Vorbesprechung nicht stattfinden zu lassen, oder
sie, falls es noch nötig sein sollte, am Schluß der Beratung der
einzelnen Paragraphen vorzunehmen.
Dieser Antrag wurde nach kurzer Besprechung abgelehnt, und
es wurde beschlossen, in die Generaldiskussion einzutreten.
Der erste Redner äußerte sich dahin:
Die Wertzuwachssteucr stehe in gewissem Zusammenhange mit
der Wohnungsfrage und entstamme dem Grundgedanken, daß den
Eigentümern von Ackerland an der Weichbildgrenze Berlins Millionen
in den Schoß fallen, ohne daß sie der Stadt dafür entsprechende
Steuern zu zahlen brauchen. Der vorgeschlagene Aufbau der Wert-
zuwachssteuer gehe aber insofern von falschen Gesichtspunkten aus,
als jeder Gewinn über 10 pCt. beim Grundstücksverkauf getroffen
werden solle. Bauplätze befänden sich jetzt nur noch in Händen von
Großgrundbesitzern, die weiter warten, bis sie die gewünschten Kauf-
preise für ihr Land erhalten: diese Eigentümer treffe die neue Steuer-
ordnung nicht. Das Hauptgewicht sei auf den unverdienten Wert
zuwachs zu legen, dessen Berechnung allerdings mit Schwierigkeiten
verbunden sei.' Sehr schwer sei z. B. die Festsetzung der Wert
steigerung, wenn von einer Terraingesellschaft ein Haus an einen
ihrer Bauhandwerker verkauft werde. Dem Hausbesitzer sollen nach
8 9 beim Verkauf die Aufwendungen für das Haus in Anrechnung
gebracht werden: wenn nun ein Haus oft hintereinander den Eigen-
tümer wechsele, wie könne da festgestellt werden, wer die emzelncn
Aufwendunden gemacht habe. Die allgemeine Annahme, daß
die Grundstückswerte steigen, treffe auch nicht für alle Gebäude der
Stadt zu, wie Redner an einigen Beispielen von Hausverkäufen in
den letzten Jahren erläuterte: ebenso stiegen auch nicht immer die
Mieten, in den letzten 10 Jahren seien sie sogar etwas geringer ge-
worden, wenn man die allgemeinen Verhältnisie betrachte. Jetzt zahle
man beim Kauf eines Grundstücks schon 1 pCt. Stempel, die Auf-
lassungskosten, 1 pCt. Umsatzsteuer und die Vermittlergebühren. Ob
angesichts dieser Belastung des Grundbesitzes ihm noch eine neue
Steuer aufzuerlegen sei, erscheine sehr zweifelhaft. Auch sei zu erwägen,
daß mancher es verstehen werde, die Vorschriften der Steuerordnung
mit Erfolg zu umgehen.
Einfacher wäre es. den unverdienten Wertzuwachs dadurch zu
besteuern, daß unbebautes Land höher zur Steuer herangezogen würde
als bebautes, dem stände nach 8 56 des Kommunalabgabengesetzes
nichts entgegen. Auf diese Weise würde dann auch die Baulust für
Wohnhäuser sich steigern. Ferner könnte auch eine Erhöhung der
Steuer auf Abrißhäuser eintreten. Jedenfalls sei die Einführung der
Wertzuwachssteuer in der vom Magistrat vorgeschlagenen Form durch-
aus unzweckmäßig.
Hierauf wurde erwidert, es sei richtig, daß die vorgelegte Sieuer-
ordnung den unverdienten Wertzuwachs nicht ausschließlich treffe, de»
verdienten von dem unverdienten zu unterscheiden, sei nämlich sehl-
schwierig. Trotzdem sei diese neue Steuer eine gerechte, wenn man
bedenke, welcher erhebliche Gewinn bei manchen Grundstücksverkäusen
erziel! werde. Irrig sei die Annahme, daß die Wertzuwachssteuer,
ordnung den Großgrundbesitz nickt treffe: auch eine Belastung der
Terrain, und Ballgesellschaften trete durch sic nicht ein. Beim Eigen
tumswechsel kleiner Häuser möge ein Gewinn über 10 pCt. kaum vor-
kommen, bei größeren Grundstücken, besonders in verkehrsreichen
Straßen, sei aber die Wertsteigerung eine sehr große, denn es habe
sich bekanntlich in den letzten 15 Jahren der Wert des Grund und
Bodens Berlins verdoppelt. Das Wachsen der Stadt, ja jede städtische
Aufwendung für die Straße komme in erster Linie deni Hauseigen-
tümer zu gute, daher sei es Pflicht der Stadt, den unverdienten Wert
zuwachs der Grundstücke mit Steuern zu belegen. Ändere Großstädte
und auch einige unserer Nachbargemeinden hätten diese Steuer ein-
geführt, die Hauptstadt dürfe deshalb sich nicht länger den Ertrag
dieser an und für sich gerechten Steuer entgehen laffen. Mittel und
Wege, eine gesetzliche Bestimmung zu umgehen, gebe es bei allen
Steuern, eine Ungerechtigkeit oder Hinterziehung bei der Wertzuwachs
steuer lasse sich durch strenge Handhabung des § 9 der Steuer-
ordnung II verhindern: Prozesse seien nicht zu vermeiden.
Aus dem Kreise der Mitglieder ivurdc dann die Frage angeregt,
ob nicht eine Spekulationsgewinnsteuer das richtige wäre, ohne darauf
Rücksicht zu nehmen, daß dadurch der Bodenspekulation etwa Einhalt
getan werde. Terraingesellschaften verdienten bisweilen viel Geld,
seien aber beini Anwachsen einer Stadt unentbehrlich, weil der einzelne
für derartige Unternehmungen weder die nötigen Mittel noch den
erforderlichen Mut besitze. Sowohl der Umsatz- wie der Wertzuwachs
steuer hafte als einer Besteuerung einer besonderen Klaffe der Be
völkerung etwas Ungerechtes an,' und es sei zu befürchten, daß bei
Einführung dieser neuen Steuer noch mehr Erbitterung in die Kreise
der Grundbesitzer komme, denn dafür, daß sie wesentlichen Vorteil
von städtischen Einrichtungen, wie Pflasterung, Beleuchtung und
Kanalisation hätten, zahlten sie auch schon ihre besonderen Abgaben.
Nicht bloß die allgemeinen Verhältnisse hätten den Hauseigentümer
gehoben, sondern auch die Mühe, die er auf seinen Besitz verwende,
der Wertzuwachs eines Grundstücks sei also nicht immer ein un
verdienter; in gleicher Weise wie die Eigentümer hätten auch die
Warengeschäfte und der gesamte Handelsstand Vorteile vom Anwachsen
der Stadt. Warum solle immer nur der Grundbesitz besteuert werden?
Daß andere Städte die Wertzuwachssteucr eingeführt hätten, sei für
die Frage, ob sie überhaupt für Berlin gerechiferligk ist, gleichgültig.
Der vorgerückten Zeit wegen wurde die allgemeine Beratung ab
gebrochen und die nächste Sitzung auf Montag, den 5. November d. Js.,
abends 6 Uhr, vereinbart. Die noch auf der Rednerliste stehenden
Herren sollen dann zum Worte verstattet werden.
V. w. o.
Langerhans.
Zu 181.
IV.
Verhandelt Berlin, den 5. November 1906.
Anwesend:
Sämtliche Mitglieder des Ausschusses.
Seitens des Magistrats:
Oberbürgermeister Kirschner,
Stadtrat und Kämmerer Dr. Steiniger,
Tourbiö.
In der heutigen Sitzung wurde die allgemeine Besprechung der
Steuerordnung II fortgesetzt und zunächst denjenigen Rednern das
Wort erteilt, die sich hierzu schon in der Sitzung am 23. Oktober ge
meldet hatten.
Einer von diesen äußerte sich wie folgt:
Er sei zwar kein grundsätzlicher Gegner der Wertzuwachssteuer,
soweit es sich um den Besitz unbebauter Grundstücke handle, denn
diese könnten höher besteuert werden, keineswegs jedoch die bebauten.
Trotzdem erkläre er sich aus formellen Gründen gegen die Vorlage,
weil sie vom Magistrat nicht zunächst dem im Juli' d. Js. ergangenen
Kommunalabgabendeklarationsgesetze entsprechend bezüglich der Diffe-
renzierung der^ Steuern abgeändert worden sei. Die Hauptfrage sei
die, ob die Stadt überhaupt neue Steuern gebrauche. Das müsse
nach ihrer Finanzlage und besonders bei den hohen Ueberschüssen des
vergangenen Jahres verneint werden. Es liege also jetzt kaum ein
Anlaß vor, nach neuen Steuerquellen zu suchen: aber auch für die
Zukunft scheine die Wertzuwachssteucr nicht das fehlende Glied in der
Steuerkette zu sein. Er könne nicht zugeben, daß der Grundbesitz-
zuwachs steuerpflichtiger Bürger ein unverdienter sei, denn der Mehr
wert der Grundstücke erwachse nicht lediglich aus Leistungen der All
gemeinheit, im Gegenteil manchmal sogar aus deren Fehlern, wie
z. B. aus der Konvertierung und der Wohnungsnot. Dazu komme
die Tatsache, daß die Miete in den letzten 30 Jahren fast die gleiche
geblieben ist, der Grund- und Bodenwert sich dagegen in dieser Zeit