/
M II.
U»l.)
Dortage
für die
Stadtverordnetenversammlung zn Berlin.
181. Protokolle des Ausschusses zur Borberatung der Vor
lage (Drucksache 50 von 1906), betreffend den Erlaff einer
Grundsteuerordnung nach dem Maffstabe des gemeinen
Werts und
einer revidierten Umsatzsteuerordnung unter Einfügung
einer Wertzuwachssteuer.
1.
Verhandelt Berlin, den 10. Oktober 1906.
Anwesend:
Stadtverordnetenvorsteher Dr. Langerhans, Vorsitzender,
Stadtverordneter Wallach, Stellvertreter des Vorsitzenden,
- Dr. Arons,
Cassel.
- Haberland,
- Heimann,
- Kaempf,
- Dr. Kuhlmann,
- Dr. Preuß,
- Reimann,
- Schloepke,
Weiß,
Werner:
seitens des Magistrats: V
Oberbürgermeister Kirschner,
Kämmerer und Stadtrat Dr. Steiniger.
Stadtrat Tourbis;
nicht anwesend:
Stadtverordneter Mommsen, beurlaubt,
- Singer.
Der durch Beschluß der Versammlung vom 31. Mai 1906 zur
Vorberatung der oben bezeichneten Vorlage gewählte Ausschuß hielt
heute seine erste Sitzung ab.
Der Vorsitzende teilte mit, daß außer den in der Versammlung
am 10. Mai 1906 zur Kenntnis gebrachten Eingaben gegen die Ein
führung einer Wertzuwachssteuer bezw. gegen die Vorlage überhaupt
noch eine Petition des Verbandes der Baugeschäfte von Berlin und
den Vororten vom 19. September d. Js. eingegangen sei, die sich
ebenfalls gegen die Wcrtzuwachssteuer ausspreche. Sodann bat er,
ohne Generaldiskussion in die Beratung der beiden Steuerordnungen
einzutreten und über die beiden eingegangenen Anträge auf Abänderung
einiger Bestimmungen sich bei den betreffenden Pharagraphen zu
äußern.
Auf den Widerspruch eines Ausschußmitgliedes gegen die Zu
lassung der Generaldebatte über die Steuerordnung II wurde beschlossen,
in die Beratung der Steuerordnung I ohne Generaldiskussion ein
zutreten vor der Besprechung der Steuerordnung II aber eine solche
stattfinden zu lassen.
Vor Beginn der eigentlichen Beratung erklärte der Herr Magistrats-
Vertreter, daß durch das Gesetz vom 24. Juli 1906, betreffend die
Dcklarierung des Kommunalabgabengesetzes, jetzt die Besteuerung
einzelner Grundstücksarten nach verschiedenen Normen und Sätzen
für zulässig erkläri sei.
Steuerordnung I.
Grundsteuerordnung der Stadtgemeinde Berlin.
Auf Grund der §§ 23, 25, 27, 69, 70 und 82 des Kommunal-
abgabengcsetzes vom 14. Juli 1893 wird mit Zustimmung der Stadt-
verordnetenversammlung folgende Steuerordnung erlassen:
8 1-
Vom 1. April 1907 ab wird von allen im Gemeindebezirke
belegenen bebauten und unbebauten Grundstücken, soweit ihnen nicht
nach § 24 des Kommunalabgabeugesetzes Befreiung von den Gemeinde-
steuern vom Grundbesitz zusteht, eine Gcmeindegrundsteuer nach den
Bestimmungen dieser Steuerordnung erhoben.
8 2.
Der Besteuerung wird der gemeine Wert der steuerpflichtigen
Grundstücke zugrunde gelegt.
AIs Grundstück ist die Gesamtheit der auf ein und demselben
gerichtlichen Grundbuchblatte eingetragenen Liegenschaften nebst darauf
befindlichen Baulichkeiten aller Art anzusehen. Ist das Titelblatt im
Grundbuche noch nicht auf das Kataster überführt, so gelten die in
ein und demselben Artikel der Grundsteuermutterrolle enthaltenen
Liegenschaften als eine Einheit.
Vorstehende beiden Paragraphen wurden debottclos angenommen.
Ueber die §§ 3 und 4 wurde zusammen verhandelt. Sie lauten:
8 3-
Behufs Feststellung des gemeinen Wertes ist der Nuyerirag der
Grundstücke zu ermitteln, welcher für den gcmeingewöhnlichen Gebrauch
oder die gemeingewöbnliche Nutzung in dem der Veranlagung voran
gegangenen Kalenderjahre ausgekommen oder durch Schätzung er
mittelt ist.
8 4.
Als Nutzertrag gilt der vereinbarte Pacht- oder Mietzins unter
Hinzurechnung des Geldwertes oller vom Mieter (Pächter) zum Vor
teile des Vermieters (Verpächters) übernommenen Ncbenleistungen, zu
welchen auch die vom Mieter (Pächter) übernommenen Steuern,
Feuerkasseubeiträge und Kanalisationsgebühren gerechnet werden. Von
der Gesamtmiele (Pacht) kann für Benutzung von Wasserleitungen,
für Flur- und Treppenbeleuchtung, für Müllabfuhr, Schornstein-,
Flur- und Treppcnreinigung. sowie für Poitierdienstc, ein Betrag bis
zu 8 vom Hundert in Abrechnung gebracht werden.
Der Abzug fällt weg, wenn der Mieter selbst diese Leistungen
neben der an den Eigentümer zu zahlenden Miete übernommen hat.
Die zwischen Mieter und Eigentümer vereinbarten Entschädigungen
für andere Leistungen des letzteren (z. B. Lieferung von elektrischer
oder Dampfkraft zu maschinellen Betrieben oder zur Heizung oder
Beleuchtung) unterliegen bezüglich ihrer Angemeffenheit der Prüfung
der Steuerdeputation.
Abzüge für Ausfälle an der vereinbarten Miete (Pacht) finden
nicht statt.
Zum § 4 war folgender Antrag eingegangen:
Zu streichen im Absatz 1 folgende Worte:
Von der Gesamtmiele (Pacht) usw. bis zum Schluß „Ab
rechnung gebracht werden" und Absatz 4.
und dafür zu setzen:
Von der Gcsamtmiete (Pacht) werden abgezogen die rechnungs
mäßig nachgewiesenen Ausgaben für Wasser. Flur- und Treppen-
reinigung, Verwalter, Portier, Kanalisation, Grundsteuer. Reno
vierung der Wohnungen und sonstige Reparaturen und Ausgaben
für Instandhaltung des Grundstücks.
Wird ein solcher spezieller Nachweis nicht geführt, so kann die
Steuerbehörde einen Betrag von 10 bis 15 v. H. je nach der Größe
und Art des Gebäudes von der Gesamtsumme in Abrechnung
bringen.
Der Modus vorstehender Berechnung kann nur von der Steuer
behörde für dasselbe Grundstück und denselben Eigentümer geändert
werden, niemals von dem letzteren ohne Zustimmung der Steuer-
vehörde.
Abzüge für länger als 3 Monate unvermietet stehende Räume
finden statt, dagegen nicht Ausfälle an der vereinbarten Miete.
Der Antragsteller begründete seinen Antrag und wies besonders
darauf hin, daß 8 v. H. der Miete als Unkosten längst nickt mehr
genügen. Bei Hauskäufen sei es üblich, 15 o. H. der Mietseinnahmeii
in Abgang zu stellen. Ein weiterer Mange! des Entwurfs sei der,
daß der Mietswerl leerstehender Wohnungen nicht in Betracht gezogen
würde.
Ei» Mitglied sprach sich dagegen aus, in den Entwurf die Art
der Festsetzung des gemeinen Wertes hineinzubringen. Diese Fest
setzung sei Sache des Steuerausschuffcs für Realsteuern, gegen dessen
Veranlagung der Hauseigentümer das Beschwerderecht habe. _ In
keinem Falle aber könnten leerstehende Wohnungen bei den Abzügen
Berücksichtigung finden.
Hierauf erklärte der Herr Magistratsvcrtreter, hier handele es
sich doch nur um Einschaltung der bisherigen Vorschriften über die
Ermittelung des Nutzungswertes als eines Hilfsmittels und die Er
weiterung der bisherigen Abzüge lasse den Fundamentaluntcrschied
zwischen Ertrags- und Einkommensteuer außer Acht, der zugefügte
Abzug der Grundsteuer entstamme der neuen Novelle zum Einkonimen
steuergesetz und zwischen Reparaturen und den neu zugefügten
1