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die manchen Vater, namentlich solchen, der mehrere Kinder in dasselbe
Gymnasium re. schicke, veranlasien könnte, seine wohlbefähigten Kinder
dem Gymnasium zu entziehen und der Realschule zuzuführen, lediglich
aus diesem finanziellen Grunde. Es bewahrheite sich durchaus nicht,
daß nur die Besitzenden ihre Kinder in die Gymnasien schickten; die
jährlichen Schnlprogramme wiesen nach, daß sehr viele Eltern
namentlich des mittleren und des Kleinbürgerstandes ihre befähigten
Kinder die Gymnasien. Realgymnasien und Oberrealschulen besuchen
ließen.
Ein weiterer Redner bat hierauf den Herrn Stadt-Schulrath, den
Magistrat zur Zurückziehung des auf die Erhöhung des Schulgeldes
bezüglichen Theiles II seiner Vorlage zu veranlassen.
Die Herren Magistrats-Vertreter indesien betonten wiederholt, daß
der Magistrat diesmal dem Beispiele des Staates habe folgen und
eine Schulgelderhöhung habe vorschlagen müssen, weil die jetzige
inanzlage es nicht anders zulasse. Einen etwaigen Rückgang der
requenz befürchte der Magistrat daraus nicht, wie denn auch der
damalige Rückgang in der Frequenz nicht eine Folge der Erhöhung
des Schulgeldes gewesen, sondern herbeigeführt worden sei durch
Gründung der zahlreichen Gymnasien im Westen und vor Allem durch
Gründung der Realschulen. Eine anderweite Deckung für die von
ihm vorgeschlagene Erhöhung der Oberlehrergehälter habe der Magistrat
nicht, zumal ihm gegenwärtig auch jegliche Ueberschüsse fehlten.
Es wurde nunmehr bei einer Anwesenheit von 13 Mitgliedern,
wie folgt, abgestimmt:
II. a) die Magistratsvorlage — siehe Protokoll I vom 9. 9. 02 —
abgelehnt mit 10 gegen 3 Stimmen,
b) - 10 - 3
c) einstimmig abgelehnt,
d) abgelehnt mit 10 gegen 3 Stimmen,
e) * - 10 - 3 - —
III. des Magistratsantrages (Verwendung der Ueberschüsse aus
der Schulgelderhöhung) ist erledigt durch die Absümmung
zu II -
IV. (Freischule). Hier wurde beantragt: statt „1. Juli" zu
setzen: „1. Oktober". Mit diesem Antrage wurde IV ein
stimmig angenommen.
V. (Regulativ).
Die hierzu vorliegende Petition des Herrn Predigers Seydel
wurde für erledigt erklärt, da die neuen Festsetzungen auf den Petenten
nicht zuträfen, ihm vielmehr seine Vergünstigungen erhalten blieben. —
Es wurde ausgeführt, daß das Regulativ der Versammlung zur
Kenntnißnahme und Beschlußfassung vorgelegt sei, ohne daß die
Punkte näher bezeichnet wären, über welche ein Beschluß gewünscht
werde.
Der Herr Stadt-Schulrath entgegnete hierauf, daß der Versammlung
überall die Beschlußfassung zustehe, wo die Finanzfrage in Betracht
komme, daß sie aber nur Kenntniß zu nehmen habe von Fragen
verwaltungstechnischer An.
Von Seiten eines Ausschußmitgliedes wurde nunmehrbeantragt, statt
„Kenntniß zu nehmen" zu setzen „die Versammlung genehmigt
das ihr vorgelegte jc.".
Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen.
Eine zweite Lesung über die Schulgeldfrage wurde nicht gewünscht,
dagegen wurde die Vertagung akzeptirt zwecks deinnächstiges Vernehmen
der zweiten Lesung bezüglich der Gehaltsfrage.
G. w. o.
Cassel. Dr. Preuß.
Zu Nr. »60.
III.
Berlin, den 14. Oktober 1902.
Anwesend:
Stadtverordneter Cassel, Vorsitzender,
- Kreitling, Vorsitzender-Stellvertreter,
> Buchow,
. Dabei,
- Galland,
- Giese,
Dr. Glatzel,
. Dr. Landau,
. Dr. Preuß,
. Rosenow,
Hugo Sachs (II),
> Singer.
Anwesend als Magistrats-Vertreter:
Stadt-Schulrath Dr. Gerstenberg.
Es fehlten:
Stadtverordneter Barth, entschuldigt,
. Dr. Bernstein, entschuldigt,
» Bruns.
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit der Mittheilung, daß
der Herr Stadt-Schulrath Dr. Voigt leider durch Krankheit auf vor
aussichtlich längere Zeit verhindert sein werde, seinen Berufspstjchten
nachzugehen. Er habe indeß geglaubt, die weitere Ausschußberathung
nicht auf diese unbestimmte Zeit vertagen zu sollen und deshalb den
Ausschuß zu heute einberufen.
Wie bereits im Protokolle der erste» Sitzung wiedergegeben, er
suche der Magistrat um folgende Beschlußsasiung:
I. Die Stadtverordneten Versammlung beschließt, den Ober
lehrern an den städtischen Gymnasien, Realgymnasien, Ober
realschulen, Realschulen und höheren Mädchenschulen vom
1. Juli 1902 ab folgendes Dienstcinkommen zu gewähren:
1. Anfangsgehalt 2 700 ^, Höchstgehalt 5 100 zu er
reichen nach 21 Dienstjahren in 7 Steigungen und zwar
mit 500 JC nacb 3, mit 400 JC nach 6 Dienstjahren
und mit 300 JC nach 9, 12, 15, 18, 21 Dienstjayren.
2. Wohnungsgeldzuschuß 900 JC jährlich, welcher jedoch bei
der Pensionirung nur mit 492 JC anzurechnen ist, soweit
nicht für die vor Erlaß dieser Bestimmung angestellten
Oberlehrer ein höherer Betrag zur Anrechnung kommt.
3. Eine feste Zulage von 900 JC, zahlbar nach 9, 12 und
15 Dienstjahren mit je 300 JC.
Hierzu habe der Ausschuß in erster Lesung, wie folgt, beschlossen:
1. Anfangsgehalt 2 700 JC, Höchstgehalt 6 000^, zu erreichen
in 7 Steigungen, von denen die 4 ersten nach je 3 Jahren
mit je 600 JC und die 3 letzten ebenfalls nach je 3 Jahren
mit je 300 JC zu erreichen sind
— bei einer Anwesenheit von 11 Mitgliedern einstimmig
angenommen —, »
2. a) Wohnungsgeldzuschuß 1 000 JC
— bei einer Anwesenheit von 11 Mitgliedern ein-
sttmmig angenommen —,
l,l volle Pensionsfähigkeit dieser 1 000 JC
— ebenfalls mit Mehrheit angenommen —,
3. statt „1. Juli" zu setzen: „1. April 1902"
— bei einer Anwesenheit von 10 Mitgliedern einstimmig
angenommen —.
Zu der zweiten Lesung über die Gehaltsfrage wurde von einer
Seite ausgeführt, daß man nach reiflicher Ueberlegung Bedenken tragen
müsse, der Versammlung die Beschlüsse erster Lesung zur Annahme
zu empfehlen und zwar aus folgenden beiden Gründen:
Zunächst habe sich inzwischen herausgestellt, daß nicht — wie in
erster Lesung angenommen worden sei — die sogenannte Charlotten-
burger Skala bereits bestehe, sondern nur vorgeschlagen sei. Die
Charlottenburger Gehaltsregulirung sei dort ebenfalls einem Ausschüsse
überwiesen worden, dieser habe seine Sitzungen vertagt. Sodann
habe eine inzwischen aufgestellte Uebersicht ergeben, daß nach den
Beschlüssen der ersten Lesung in mehreren Stufen 500—600, ja 700 ,JC
Zulagen gewährt werden wurden.
Das zweite Bedenken sei, daß es nach weiterer reiflicher Ueber
legung nicht zweckmäßig erscheine, statt des Gehaltes den Wohnungs-
geldzuschuß zu erhöhend Es sei die Frage aufgetaucht, ob man das,
was man zur Verbesserung beitragen wolle, nicht sichtbarer gestalten
und vielleicht neben der Annahme der Magistratsskala eine Orts
zulage von 200 JC bewilligen sollte. Der finanzielle Effekt wäre kein
erheblich geringerer, als bei Annahme der Beschlüsse der ersten Lesung:
er mache bei 574 Oberlehrern im Ganzen nur 26 000 JC weniger
aus als die Beschlüsse erster Lesung mehr erfordern würden gegenüber
der Magistratsvorlage. Durch eine derartige Ortszulage würden
jedoch alle Oberlehrer vom ältesten bis zum jüngsten bedacht, während
nach der Magistratsvorlage die älteren nichts erhielten und nach dem
Beschlusse erster Lesung bei den jüngeren und in mittleren Jahren
eine zu große sprunghafte Erhöhung eintreten würde.
Hierauf wurde entgegnet, daß die Oberlehrer mit Gewährung
einer Ortszulage von 200 JC wohl zufrieden sein würden, aber es
müsse gleichzeitig doch betont werden, daß bei Annahme der Magistrats-
vorläge die Oberlehrer immer noch 1008 JC pensionsfähiges Gehalt
weniger beziehen würden als die Magistrats-Assessoren.
Bezüglich der Ortszulage wurden Bedenken geäußert. Von einer
Seite wurde ausgeführt, daß eine Ortszulage nur den am Orte
wohnhaften Oberlehrern zu Theil werden könnte. Man solle nicht die
Politik anderer Gemeinden unterstützen, die dahin gehe, nur für größere
und vornehme Wohnungen zu sorgen und sich auf diese Weise den
Zuzug von nur steuerkräftigen Bürgern zu sichern, steuerfreie Personen
und den Bau kleiner Wohnungen dagegen der Stadt Berlin zu über»
lassen. Diese Bedenken wurden von anderer Seite als nicht stichhaltig
bezeichnet und darauf hingewiesen, daß Berlin mit den umliegenden
Vororten und Städten schon jetzt ein gemeinsames Wirthschaftsgebiet
bilde und daß man die völlige endgilttge Verschmelzung nicht aushalten
könne und solle.
Von dritter Seite wurde der Berechtigung einer Orts- oder
Theuerungszulage überhaupt widersprochen, da einerseits es nicht Ge-
meindepflicht sein könne, die Lehrer für jede Steigerung der Lebens
mittelpreise schadlos zu halten, andererseits der Lebensunterhalt in