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nuten Sitten, weil man dem Arbeiter ein ihm durch Gesetz zustehendes
Recht nehme.
Hierauf wurde erwidert, daß 1. von einer Gesetzwidrigkeit keine
Rede sein könne, weil der tz 616 zwingendes Recht nicht sei, 2. ein
Verstoß gegen die guten Sitten nicht vorliege, weil der Magistrat an
Stelle des dispositiven §616 andere — weitgehendere — Dispositionen
treffe.
Nach Schlufi der Debatte wurde Nr. I der Magistrats-
Verfügung unverändert angenommen.
Hierauf wurde übergegangen zu Nr. 2 der Magiftratsverfügung,
welche lautet:
2. In Krankheitsfällen ist das Lohn stets nur nach Abzug des
Krankengeldes und in der Regel nicht länger als 4 Wochen
zu gewähren.
Der Ausschuß hat diese Nr. 2 in erster Lesung in folgender
Fassung angenommen (Protokoll Nr. II):
2. In Fällen unverschuldeter Krankheit ist der Lohn stets nur
nach Abzug des Krankengeldes und in der Regel nicht länger
als 4 Wochen zu gewähren. Falls der Arbeiter seit länger
als ein Jahr im städtischen Dienst sich befindet, ist ein
Zeitraum von 6 Wochen zu gewähren.
Von einer Seite wurde erklärt, daß man in diesem Stadium der
Berathung die diesbezüglichen Anträge erster Lesung nicht wieder auf.
nehmen wolle, daß man sich deren Einbringung für das Plenum
aber vorbehalte. Es werde heute nur beantragt, das Wort „un
verschuldete" zu streichen, da im entgegengesetzten Falle die Auslegung
dieses Begriffes wieder von der Ansicht der Nachgeordneten Instanzen
abhängig gemacht werde. Das Wort „unverschuldet" sei überflüssig,
iveil es selbstverständlich sei, daß nur von einem unverschuldeten
Hinderniß die Rede sein könne.
Es wurde entgegnet, daß dieser Begriff aus dem aufzuhebenden
8 616 entnommen sei und daher nicht entbehrt werden könne.
Es wurde über folgende Anträge, wie folgt, abgestimmt:
a) In Fällen unverschuldeter Krankheit ist der Lohn stets nur
nach Abzug des Krankengeldes und in der Regel nicht länger
als 4 Wochen zu gewähren:
angenommen.
d) In Satz 2 hinter „ist" zu setzen: „der Lohn mindestens
für einen":
angenommen.
o) Satz 2 mit vorstehender Einfügung zu b:
' angenommen.
d) In Nr. 2 zwischen dem ersten und zweiten Satz zu setzen:
Zieht sich der Arbeiter die Krankheit durch den Dienst,
insbesondere durch einen Unfall im Dienst zu, so ist der
Lohn in der Regel bis zur Genesung zu zahlen:
abgelehnt.
Nr. 2 der Magistratsverfügung erhält nach obiger Abstimmung
folgende Fassung:
2. „In Fällen unverschuldeter Krankheit ist der Lohn
stets nur nach Abzug des Krankengeldes und in der
Regel nicht länger als vier Wochen zu gewähren.
Jalls der Arbeiter seit länger als ein Jahr im
städtischen Dienste sich befindet, ist derLohn mindestens
für einen Zeitraum von sechs Wochen zu gewähren."
Nr. 3 der Magistratsverfügung lautet:
3. In Fällen der militärischen Einziehung zu den 12—14 Tage
» währenden Landwehrübungen ist das Lohn nach Abzug der
reichsgesetzlichen Unterstützungen fortzuzahlen. Bei der Ein
berufung zu den Reserve- oder anderen längeren Uebungen
ist das Arbeitsverhältniß aufzulösen.
Diese Nr. 3 hat nach den Beschlüssen der ersten Lesung (Protokoll II)
folgende Fassung erhalten:
3. In Fällen der militärischen Einziehung zu den 12—14 Tage
währenden Landwehrübungen ist der Lohn nach Abzug der
reichsgesetzlichen Unterstützungen fortzuzahlen. Verheirathete
Reservisten, welche über 2 Jahre im städtischen Dienst stehen,
erhalten bei längeren Friedensübungen während 4 Wochen
die Hälfte ihres Lohnes.
Hierzu wurde heute der Antrag gestellt: '
„In Fällen militärischer Reserve- itnd Landwehrübungen
ist der Lohn fortzuzahlen."
Dieser Antrag wurde abgelehnt und Nr. 3 in der Fassung der
1. Lesung unverändert angenommen, wie folgt:
3. In Fällen der militärischen Einziehung zu den »2
bis 14 Tage währenden Landwehrübungen ist der
Lohn nach Abzug der reichsgesetzlichen Unter
stützungen fortzuzahlen. Verheirathete Reservisten,
welche über 2 Jahre im städtischen Dienst stehen,
erhalten bei längeren Friedensübungen während
4 Wochen die Hälfte ihres Lohnes.
Nr. 4 der Magiftratsverfügung lautet:
4. In allen anderen Fällen bleibt es der zuständigen Ner-
waltungs-Abtheilung überlassen, für eine nicht erhebliche Zeit
der Dienstversäumniß das Lohn oder Entgelt fortzuzahlen.
Diese Fassung hat der Ausschuß in seiner ersten Lesung (Pro
tokoll III) unverändert angenommen.
Hierzu wurden heute die in erster Lesung abgelehnten Anträge
Kontroll-Bersammlungen und Termine zwecks Beruhigung
der Arbeiter als Beispiel anzuführen und statt der Ber-
waltungs-Abtheilung dem Magistrats-Dezernenten die Ent
scheidung zu überlassen
wieder eingebracht, aber zurückgezogen, nachdem von anderer Seite
erklärt worden war, auf diese Erläuterungen und Zugeständnisse als
völlig belangslos verzichten und lieber gar keinen Zusatz haben zu
wollen.
Bei der Abstimmung wurde Nr. 4 der Magistratsverfügung un
verändert angenommen, wie folgt:
4. In allen anderen Fällen bleibt es der zuständigen
Berwaltungs-Abtheilung überlassen, für eine nicht
erhebliche Zeit der Dienstversäumnist den Lohn oder
das Entgelt fortzuzahlen.
Nr. 5 der Magistratsverfügung, welche in erster Lesung (Pro
tokoll III) ebenfalls ohne Aenderung angenommen war, gelangte auch
heute unverändert zur Annahme, wie folgt:
5. Bei denjenigen Bediensteten, welche neben dem Lohn
noch Kost und Wohnung erhalten, wie Wärter und
Wärterinnen in Kranken- und anderen Anstalten,
Hausdiener, Köchinnen u. s. w., bewendet es in
Krankheits- und Urlaubsfällen bei den zur Zeit in
Uebung befindlichen Grundsätzen.
Nunmehr wurde der in der ersten Lesung (Protokoll III sub O) ge
stellte, jedoch abgelehnte Antrag
„Der Ausschuß unterbreitet dem Magistrat den Wunsch,
die nachbezeichneten Vorschläge in Berücksichtigung zu ziehen
und die ergangene Verordnung mit den sich hiernach er
gebenden Aenderungen nochmals zu publiziren"
wieder eingebracht und gelangte heute unter gleichzeitiger Ablehnung
des Antrages Augustin und Genossen vom 5. Februar 1902 (Druck
sache 117) zur Annahme, sodaß der Ausschuß der Versammlung
folgende Beschlußfassung vorschlägt:
Die Versammlung lehnt den Antrag Augustin und Ge
nossen vom 5. Februar 1902 (Drucksache 117), welcher lautet:
„Die Stadtverordneten-Versammlung wolle beschließen:
den Magistrat zu ersuchen, die Verfügung vom 25. Oktober
1901, betreffend die Nichtanwendung des § 616 des
Bürgerlichen Gesetzbuches, außer Kraft zu setzen, und
den Magistrat zu ersuchen, der Versammlung eine
Vorlage zum Zweck anderweitiger Regelung der Materie
zu machen."
ab
und unterbreitet dem Magistrat den Wunsch, die nach-
bezeichneten Vorschläge in Berücksichtigung zu ziehen
und die ergangene Verordnung mit den sich hiernach
ergebenden Aenderungen nochmals zu publiziren: