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Volume No. 31 (555-569), 31. Mai 1902

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1902 (Public Domain)

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nuten Sitten, weil man dem Arbeiter ein ihm durch Gesetz zustehendes 
Recht nehme. 
Hierauf wurde erwidert, daß 1. von einer Gesetzwidrigkeit keine 
Rede sein könne, weil der tz 616 zwingendes Recht nicht sei, 2. ein 
Verstoß gegen die guten Sitten nicht vorliege, weil der Magistrat an 
Stelle des dispositiven §616 andere — weitgehendere — Dispositionen 
treffe. 
Nach Schlufi der Debatte wurde Nr. I der Magistrats- 
Verfügung unverändert angenommen. 
Hierauf wurde übergegangen zu Nr. 2 der Magiftratsverfügung, 
welche lautet: 
2. In Krankheitsfällen ist das Lohn stets nur nach Abzug des 
Krankengeldes und in der Regel nicht länger als 4 Wochen 
zu gewähren. 
Der Ausschuß hat diese Nr. 2 in erster Lesung in folgender 
Fassung angenommen (Protokoll Nr. II): 
2. In Fällen unverschuldeter Krankheit ist der Lohn stets nur 
nach Abzug des Krankengeldes und in der Regel nicht länger 
als 4 Wochen zu gewähren. Falls der Arbeiter seit länger 
als ein Jahr im städtischen Dienst sich befindet, ist ein 
Zeitraum von 6 Wochen zu gewähren. 
Von einer Seite wurde erklärt, daß man in diesem Stadium der 
Berathung die diesbezüglichen Anträge erster Lesung nicht wieder auf. 
nehmen wolle, daß man sich deren Einbringung für das Plenum 
aber vorbehalte. Es werde heute nur beantragt, das Wort „un 
verschuldete" zu streichen, da im entgegengesetzten Falle die Auslegung 
dieses Begriffes wieder von der Ansicht der Nachgeordneten Instanzen 
abhängig gemacht werde. Das Wort „unverschuldet" sei überflüssig, 
iveil es selbstverständlich sei, daß nur von einem unverschuldeten 
Hinderniß die Rede sein könne. 
Es wurde entgegnet, daß dieser Begriff aus dem aufzuhebenden 
8 616 entnommen sei und daher nicht entbehrt werden könne. 
Es wurde über folgende Anträge, wie folgt, abgestimmt: 
a) In Fällen unverschuldeter Krankheit ist der Lohn stets nur 
nach Abzug des Krankengeldes und in der Regel nicht länger 
als 4 Wochen zu gewähren: 
angenommen. 
d) In Satz 2 hinter „ist" zu setzen: „der Lohn mindestens 
für einen": 
angenommen. 
o) Satz 2 mit vorstehender Einfügung zu b: 
' angenommen. 
d) In Nr. 2 zwischen dem ersten und zweiten Satz zu setzen: 
Zieht sich der Arbeiter die Krankheit durch den Dienst, 
insbesondere durch einen Unfall im Dienst zu, so ist der 
Lohn in der Regel bis zur Genesung zu zahlen: 
abgelehnt. 
Nr. 2 der Magistratsverfügung erhält nach obiger Abstimmung 
folgende Fassung: 
2. „In Fällen unverschuldeter Krankheit ist der Lohn 
stets nur nach Abzug des Krankengeldes und in der 
Regel nicht länger als vier Wochen zu gewähren. 
Jalls der Arbeiter seit länger als ein Jahr im 
städtischen Dienste sich befindet, ist derLohn mindestens 
für einen Zeitraum von sechs Wochen zu gewähren." 
Nr. 3 der Magistratsverfügung lautet: 
3. In Fällen der militärischen Einziehung zu den 12—14 Tage 
» währenden Landwehrübungen ist das Lohn nach Abzug der 
reichsgesetzlichen Unterstützungen fortzuzahlen. Bei der Ein 
berufung zu den Reserve- oder anderen längeren Uebungen 
ist das Arbeitsverhältniß aufzulösen. 
Diese Nr. 3 hat nach den Beschlüssen der ersten Lesung (Protokoll II) 
folgende Fassung erhalten: 
3. In Fällen der militärischen Einziehung zu den 12—14 Tage 
währenden Landwehrübungen ist der Lohn nach Abzug der 
reichsgesetzlichen Unterstützungen fortzuzahlen. Verheirathete 
Reservisten, welche über 2 Jahre im städtischen Dienst stehen, 
erhalten bei längeren Friedensübungen während 4 Wochen 
die Hälfte ihres Lohnes. 
Hierzu wurde heute der Antrag gestellt: ' 
„In Fällen militärischer Reserve- itnd Landwehrübungen 
ist der Lohn fortzuzahlen." 
Dieser Antrag wurde abgelehnt und Nr. 3 in der Fassung der 
1. Lesung unverändert angenommen, wie folgt: 
3. In Fällen der militärischen Einziehung zu den »2 
bis 14 Tage währenden Landwehrübungen ist der 
Lohn nach Abzug der reichsgesetzlichen Unter 
stützungen fortzuzahlen. Verheirathete Reservisten, 
welche über 2 Jahre im städtischen Dienst stehen, 
erhalten bei längeren Friedensübungen während 
4 Wochen die Hälfte ihres Lohnes. 
Nr. 4 der Magiftratsverfügung lautet: 
4. In allen anderen Fällen bleibt es der zuständigen Ner- 
waltungs-Abtheilung überlassen, für eine nicht erhebliche Zeit 
der Dienstversäumniß das Lohn oder Entgelt fortzuzahlen. 
Diese Fassung hat der Ausschuß in seiner ersten Lesung (Pro 
tokoll III) unverändert angenommen. 
Hierzu wurden heute die in erster Lesung abgelehnten Anträge 
Kontroll-Bersammlungen und Termine zwecks Beruhigung 
der Arbeiter als Beispiel anzuführen und statt der Ber- 
waltungs-Abtheilung dem Magistrats-Dezernenten die Ent 
scheidung zu überlassen 
wieder eingebracht, aber zurückgezogen, nachdem von anderer Seite 
erklärt worden war, auf diese Erläuterungen und Zugeständnisse als 
völlig belangslos verzichten und lieber gar keinen Zusatz haben zu 
wollen. 
Bei der Abstimmung wurde Nr. 4 der Magistratsverfügung un 
verändert angenommen, wie folgt: 
4. In allen anderen Fällen bleibt es der zuständigen 
Berwaltungs-Abtheilung überlassen, für eine nicht 
erhebliche Zeit der Dienstversäumnist den Lohn oder 
das Entgelt fortzuzahlen. 
Nr. 5 der Magistratsverfügung, welche in erster Lesung (Pro 
tokoll III) ebenfalls ohne Aenderung angenommen war, gelangte auch 
heute unverändert zur Annahme, wie folgt: 
5. Bei denjenigen Bediensteten, welche neben dem Lohn 
noch Kost und Wohnung erhalten, wie Wärter und 
Wärterinnen in Kranken- und anderen Anstalten, 
Hausdiener, Köchinnen u. s. w., bewendet es in 
Krankheits- und Urlaubsfällen bei den zur Zeit in 
Uebung befindlichen Grundsätzen. 
Nunmehr wurde der in der ersten Lesung (Protokoll III sub O) ge 
stellte, jedoch abgelehnte Antrag 
„Der Ausschuß unterbreitet dem Magistrat den Wunsch, 
die nachbezeichneten Vorschläge in Berücksichtigung zu ziehen 
und die ergangene Verordnung mit den sich hiernach er 
gebenden Aenderungen nochmals zu publiziren" 
wieder eingebracht und gelangte heute unter gleichzeitiger Ablehnung 
des Antrages Augustin und Genossen vom 5. Februar 1902 (Druck 
sache 117) zur Annahme, sodaß der Ausschuß der Versammlung 
folgende Beschlußfassung vorschlägt: 
Die Versammlung lehnt den Antrag Augustin und Ge 
nossen vom 5. Februar 1902 (Drucksache 117), welcher lautet: 
„Die Stadtverordneten-Versammlung wolle beschließen: 
den Magistrat zu ersuchen, die Verfügung vom 25. Oktober 
1901, betreffend die Nichtanwendung des § 616 des 
Bürgerlichen Gesetzbuches, außer Kraft zu setzen, und 
den Magistrat zu ersuchen, der Versammlung eine 
Vorlage zum Zweck anderweitiger Regelung der Materie 
zu machen." 
ab 
und unterbreitet dem Magistrat den Wunsch, die nach- 
bezeichneten Vorschläge in Berücksichtigung zu ziehen 
und die ergangene Verordnung mit den sich hiernach 
ergebenden Aenderungen nochmals zu publiziren:
	        
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