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X 29.
(478—479.)
AorLagen
für die
Stadtverordneten-Versammlung zu Berlin.
478. Protokolle des Ausschusses zur Borberathung der An
träge des Stadtverordneten Rosenow und Genossen
(Drucksache 415) und des Stadtverordneten Augustin
und Genoffen (Drucksache 416), betreffend die Gewährung
materieller Hilfe an die durch Wolkenbruch geschädigten
Bewohner Berlins, wo eine Nothlage vorliegt.
I.
Verhandelt Berlin, den 21. April 1902.
Anwesend:
Stadtverordnctcn-Vorstehcr Dr. Langerhans, Vorsitzender,
Stadtverordneter Buchow,
- Cassel,
Hintze,
- Kreitling,
- Licbenow,
- Raaz,
° Rast,
. Rosenow,
- Hugo Sachs (II),
- Singer,
- Solmitz,
- Zubeil.
Von Seiten des Magistrats:
der Oberbürgermeister Kirschner, der Stadt-Bauralh Krause und der
Stadtrath Münsterberg.
Entschuldigt:
Sradtvcrorducten-Vorstelser.Stellocrlreter Michelct,
Stadtverordneter K a e ni p f.
Ani Beginn der heutigen Sitzung des durch Beschluß der Vcr-
iainmlung vom 17. d. Mts. — Protokoll 10 — zur Vorberathnng
der obenbezeichneten Angelegenheit eingesetzten Ausschusses theilte der
Vorsitzende mit, daß zwei Anträge eingegangen seien, wovon der
eine, wie folgt, lautet:
Zur materiellen Hilfsleistung für die durch das Unwetter
geschädigten Einwohner Berlins, welche dadurch in eine Noth
lage gerathen und bedürftig sind, ersucht die Stadtverordneten-
Versammlung den Magistrat:
1. die Bildung eines Hilfskomitees zum Zweck von Geld-
sammlungen und Unterstützungen zu veranlassen,
2. diesem Koniitec Geldmittel bis zur Höhe von 500 000 M
zur Verfügung zu stellen,
3. die städtischen Organe (Bczirksvorstehcr u. s. w.) der Haupt
sächlich geschädigten Stadtbezirke aufzufordern, die Arbeiten
des Hilfskomitees durch Feststellung der Schäden bezw.
Berichte thatkräftig zu unterstützen.
Ter zweite Antrag gehe dahin:
Versammlung »volle beschließen.
den Magistrat zu ersuchen schleunigst ein freies Komitee ins
Leben zu rufen, welches die Aufgabe hat, die durch die
Ueberschwemmung am 14. April d. Js. in Noth gerathenen
Einwohner von Berlin zu unterstützen.
Die Stadtverordneten - Versammlung ermächtigt den
Magistrat diesem Komitee aus dem Fonds für unvorher
gesehene Ausgaben 50000 M zu überweisen.
Der Vorsitzende brachte ferner zur Kenntniß des Ausschusses, daß
ein Gesuch der Kaufleute Hermann und Gustav Wolfs, Inhaber
der Firma Gebrüder Wolfs, Jnvalidenstraße 134, eingegangen sei,
worin dieselben angesichts des erlittenen enormen Schadens, der ihre
wirthschaftliche Weiterexistenz durchaus in Frage stelle, bitten, ihnen
bei Vertheilung von zu diesem Zweck bereit gestellten Entschädigungs-
Fonds eine weitmöglichste Berücksichtigung zu Theil werden zu lassen.
In Beziehung auf die gestellten Anträge ivurde ausgeführt, daß
durch dieselben gewissermaßen ein Progranim gegeben iverde» solle,
über die Art und Weise, wie die nothwendige Hilfsaktion ins Leben
zu rufen sei. Vor allen Dingen würde erforderlich sein, die Theil
nahme weiter Kreise der Bürgerschaft für die Angelegenheit wachzu
rufen, ein Hilfskoiuitee zu bilden und sich mit einem Aufruf an die
stets opferwilligen und zur Wohlthätigkeit bereiten Einwohner Berlins
zu wenden, durch Spendung von Beiträgen zur Linderung der Noth
beizutragen. Die eigentliche Arbeit, ivie die Ermittelung und Prüfung
der Schäden, Vertheilung der Unterstützungen ec., würde durch den zu
wählenden geschäftsführenden Ausschuß zu bewirken sein, dem eine
Anzahl von Lokalkomitees hilfreich zur Seite stehen müßte, die aus
städtischen Organen — Bezirksvorstehern, Armen- und Einschätzungs-
komMissions-Mitgliedern, Bezirks-Stadtverordneten u. s. w. — der
durch die Ueberschwemmung am stärksten betroffenen Stadttheilcn ge
bildet werden könnten.
Werde in dieser Weise vorgegangen, so liege eine sichere Gewähr
dafür vor, daß die Hilfsaktion etwas Ersprießliches leisten iverde.
Was den Kreis der zu unterstützenden Personen anlangt, so dürfe
derselbe nicht zu eng gezogen werden: es würde verkehrt sein, wenn
mau sich lediglich auf die sogenannten kleinen Leute beschränken
wollte. Auch den besser situirten Bürgern, Kaufleuten und Hand
werkern werde man in Fällen, wo dieselben durch die Wassersnoth
in wirthschaftliche Bedrängniß gerathen oder vielleicht gar dem Ruin
nahe gebracht seien, hilfreiche Hand reichen müssen, um sie wieder er
werbsfähig zu machen.
Die beantragte Summe von 500000./# werde für den Anfang aus
reichend sein. Sie geringer zu benieffen, erscheine nicht zweckmäßig,
da hierdurch auf die Thätigkeit des Hilfskomitees lähnieud eingewirkt
werden würde.
Von anderer Seite wurde anschließend hieran noch ausgeführt,
daß die Bildung eines freien Hilfskomitees auch aus dem Grunde
nothwendig fei, um den zu gewährenden Unterstützungen das Merk
mal der Armenunterstützungen zu nehmen und den bedachten Personen
das Wahlrecht zu erhalten. Im Uebrigen wurde dafür eingetreten,
daß die den, Komitee aus städtischen Mitteln zur Verfügung zu
stellende Summe auf vorläufig 50 000 Ji — wie der zweite Antrag
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