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Volume No. 4 (99-105), 13. Januar 1900

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1900 (Public Domain)

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sein müssen. Ich führe an. daß während des ersten Halbjahres des 
vollen Betriebes der Anstalr Herzberge zu Lichtenberg in das ent 
sprechende Männerhans (Pflegehans» bei 160 durchschnittlicher Be 
legung neu eintraten 103 Kranke. Es starben von den in diesem 
Zeitraum dort Behandelten 40 Männer. Dabei sind keineswegs etwa 
die von ansteckenden Krankheiten (insbesondere von Tuberkulose) Be 
fallenen grundsätzlich dorthin verlegt worden. Aber die Hilfsbedürftig 
keil, zu welcher bestimmte Gehirnleiden führen, ist eben eine sehr be 
trächtliche und zwingt — namentlich auch mit Rücksicht auf die 
Tuberkulose — zur durchgreifenden Anwendung aller die Reinlichkeit 
im iveiteren Sinne fördernden Matzregeln. 
Die erörterten Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung der Staub- 
ansammlung, ferner die Förderung guten Lichts und hellen Anstrichs 
gelten auch für die Räume der oberen Stockwerke, welche guten Holz 
sntzboden erhalten (natürlich mit Ausnahme der Badestube, Küche, 
Klosets u. s. w.». Eine Vergitterung der Fenster in den den Kranken 
zugänglichen Räumen aller Stockwerke kann durch die schon erwähnten 
dreitheiligen oder durch sonstwie gegen zu weites Oeffnen gesicherten 
Fenster ersetzt werden. An die Lüftung werden natürlich hier große 
Ansprüche gestellt. 
Der Mittelbau enthält ein Dachgeschoß ohne besondere Badeein- 
richtung, aber mit kleiner Spülküche und genügendem Kloset, 2 Schlaf 
zimmer, 1 Tag- und 1 Arbeitsraum: Korridor dient als Eßraum. 
»Fenster!) Im Obergeschoß kommt die Errichtung einer Trockenkammer 
in Frage. 
In den beiden seitlichen Dachgeschossen ist, falls dieselbe nicht im 
offenen Hause oder sonst in der inneren Anstalt unterzubringen ist, 
für eine Arztwohnung und getrennt für die eines verheiratheten Ober 
Wärters Platz, auf der anderen Seite für Reservezimmer, event, ein 
größerer Raum als eine für Tuberkulose einzurichtende (Hilfs-) Station 
iiud für Materialienraum. (Wasserleitung, Klosets, Beleuchtung u. s. w. 
auch für diese Räume.) 
Die Bodenfläche ist im Erdgeschoß auf zirka 0 qm pro Belt zu 
berechnen, im ersten Stock bis 7,5 gm, in den Schlafsälen des Ober 
baues 6 gm. 
Im Fraitenhause 01 find die drei einfeiistrigen Zimmer im 
Eckrisaliten noch als leichte Einzelräume einzurichten. 
Während bis hierher die Männer- und Frauenseite im Ganzen 
symmetrisch angenommen werden konnte, verschiebt sich von jetzt ab das 
Verhältniß, weil nur ein kleiner Bruchtheil der Frauen in den Land 
häusern Unterkunft findet. Für die Frauen sind noch 190 Plätze, für 
die Männer noch rund 100 Plätze erforderlich.*) 
Es soll deshalb die Frauenseite ein Krankenhaus mehr enthalten, 
wodurch zugleich der Verschiedenheit des Bedürfnisses der Geschlechter 
in Bezug auf Bettlägerige, Unruhige in der Gestaltung der Häuser 
leichter Rechnung getragen werden kann. Der dadurch auf der 
Frauenseite mehr in Anspruch genommene Raum kann auf der 
Männerseite für ein Werkstattgebäude benutzt iverdeu, welches an sich 
dieser Seite zugehört. Auch kann von den möglicher Weise verschieden 
groß zu gestaltenden Küchen- und Wäschereigebäuden das umfäng 
lichere (event, auch der Eiskeller, Speisewagenschuppen ». s. w.) hierher 
oder hier einragend gelegt werden, wenn dieselben nicht in die Mittel 
achse gebracht werden. 
Die noch übrig bleibenden Kranken der Männerseite sind Personen, 
welche in Folge ihres Leidens nicht bettlägerig sind, aber größtentheils 
in ihrer Haltung nachlässiger, in ihrem Wesen lauter, als die in dem 
Hause A oder de» Landhäusern befindlichen rüstigen Kranken. Außer 
dem kommt noch eine kleine Klasse in Betracht, ivelche einer besonders 
genauen Aufsicht bedarf, weil sie zum Theil in Folge ihrer psychischen 
Leiden gewaltthätig und gefährlich sind, zum Theil wegen ihres ver 
brecherischen Vorlebens möglichst sicher in der Anstalt zurückgehalten 
werden müssen. 
Ich sehe in der ziveckmäßigeu Anordnung dieser Abtheilung eine 
der schwierigsten Aufgaben. Auch in solchem „Ueberwachungshause" 
müssen Abstufungen geschaffen iverdeu können, und es ist namentlich 
danach zu irachen, eine gewisse Zuverlässigkeit des mechanischen Ab 
schlusses zu vereinigen mit möglichst wenig gefängnißartiger Kahlheit, 
Eintönigkeit und Enge. Deshalb gehören in ein solches Haus nicht 
zu große und daher unwohnliche Räume bei recht übersichtlicher 
Anordnung, ferner Beschäftigungszimmer, freundliches Geräth und 
namentlich ist ein geräumiger, ausgiebiger, unter Umständen syste 
matische Körperbewegungen gestattender Garten erforderlich. Diesen 
Anforderungen hat man schon in der Anstalt Herzberge nach Kräften 
Rücksicht getragen und wird auf Grund der hier gemachten Er- 
iahrungeu noch Einiges bessern können. 
Es erscheint mir nun als ein günstiger Umstand, daß nach 
Bildung der bisher besprochenen sozusagen natürlichen Gruppen die 
Zahl der noch unterzubringenden Männer nach den vorliegenden 
Verhältnissen eine größere ist, nämlich 100 Köpfe. 
*) Natürlich treffen die folgenden Ausführungen bezüglich der Kranken- 
bäuser zunächst nur für eine neue Anstalt zu: beim Bau der nächstfolgenden 
Wird man den jetzt vorhandenen llebersckiuh an Frauen unter den bisher von 
der Stadt nur mittelbar Versorgten durch Herstellung eines weiteren Frauen 
Hauses noch berücksichtigen. 
Unter den in dem hiesigen Uebenvachungshause befindliche» 
50 Kranken sind Personen mit bedenklichem Lebenswandel in einer 
Menge vertreten, daß das ganze Gebäude besonders lest verwahrt 
werden mußte. Dadurch hat dasielbe ein von den übrigen, der 
mechanischen Sicherheitsmaßregeln ganz oder fast ganz entbehrenden 
Häusern sehr stark sich abhebendes Aussehen bekommen. Manche 
Kranke nun werden durch die Verbringung oder den Aufenthalt in 
diesem Hause bedrückt oder erregt. Weil sie nur im Nothfalle dorthin 
gelangen, ist es auch meist nicht leicht möglich, sie bald wieder zurück 
zunehmen, obgleich der Verbleib für einzelne Fälle Schwierigkeiten 
bietet. Es ist z. B. nur mit Mühe durchführbar, in einem so kleine» 
Gebäude Kranke vorübergehend mit Bettruhe zu behandeln. »Geringe 
Zahl, Aufsicht, Baulichkeit u. s. w.) 
Auf wirklich feste Gitter und Thürverschlüsse für den besonders 
zu verivahrenden Theil der nicht in die bisher beschriebene» Häuser 
gehörigen Personen völlig zu verzichten, ist nach dem Wesen derselben 
nicht möglich. Ich halte es jedoch mit Rücksicht ans den oben be 
rührten Einfluß solcher Vorrichtungen für nichl gleichgiltig, ob ein 
Gebäude durchweg eine derartige Beschaffenheit ausweist und ob 
öfter bestrafte Kranke den ganz überwiegenden, bas Hans gewisser 
maßen kennzeichnenden Bruchtheil der Insassen liefern. Dabei sei 
noch benierkt, daß eigentlich unruhige oder laute Kranke auf der 
Männerseite überhaupt nicht so zahlreich vorhanden zu sein pflegen, 
daß sie in einer größeren eigenen Abtheilung zusammengehalten 
werden müßten. »Bei den Frauen liegen, wie bereits erwähnt, die 
Verhältnisse anders.) 
Bon dem oberste» Gebote der Therapie ausgehend, alles den 
Kranke» Schädliche zu vermeiden, wird man daraus sinnen müsse», 
die unentbehrlichen Sicherheitsvorrichtungen möglichst wenig aus 
dringlich werden zu lassen. Wie bemerkt, »vird dies, wenngleich nur 
in bescheidenem Maße, dadurch ermöglicht, daß die besonders gesicherten 
Räume nicht ganz selbstständige Baulichkeiten darstellen. 
Die weiteren Vorzüge solcher Zusammenlegung sind klar. Sie 
ermöglicht es, den Kranken je nach seinem Zustande zeitweilig in eine 
etivas andere Umgebung zu versetzen, was sonst nur durch Verlegung 
in ein anderes und zwar eine größere Sicherheit überhaupt nicht 
mehr geivährendes Gebäude bewerkstelligt iverdeu kann. Wegen der 
größeren Gesammtzahl der Kranken läßt sich eher als bei kleinem Be 
stände die nöthige Gruppirung nach dem Verhalten der Kranken durch 
führen, insbesondere läßt sich viel eher eine Abtheilung herstellen, 
ivelche die Behandlung in oder außer Bett i» einem mit dem nöthige» 
Wartepersonal und den erforderlichen Einrichtungen ausgestatteten 
Bezirk für körperlich Erkrankte, für vorübergehend Aengstliche oder 
Selbstmordverdächtige in vollkommenerer Weise ermöglicht, ohne auf 
die äußere Sicherung zu verzichten. Schließlich stellt ein Haus für 
100 Kranke in mancher Hinsicht an Betrieb (Nackitwachen, Speise- 
zufuhr, Heizung n. s. w.» jedenfalls geringere Anforderungen als 
2 Häuser von je 50 Kranken und gewährt eine gewisse Entlastung 
des Personals, welches gerade in solchen Abtheilungen besondere 
Leistungsfähigkeit, Besonnenheit und Gewissenhaftigkeit entwickeln muß. 
Bon diesen Gesichtspunkten aus wird man für die noch übrigen 
100 Männer Anordnung treffen. 
5. Ueberwachungshails (D) für 100 Kranke. 
Es muß ein mit Sicherheitsvorrichtungen versehenes Gebäude 
sein und einen besonders festen Abschnitt enthalten, der vielleicht in sich 
vereinigt sein kann, aber äußerlich möglichst wenig sich abheben soll. 
Am zweckmäßigsten erscheint für das Haus die Bildung von 
vier getrennten Abtheilungen zu etwa 25 Kranken, von denen eine 
ganz besonders gesichert ist, während in einer anderen (im Erdgeschoß) 
das „Lazarett»" einzurichten ist. Kochküche, Badestnbe jc. können 
dabei für je 2 Abtheilungen gemeinsam sein. Zum Lazareth genügen 
4 Zimmer zu 6 Betten mit einem Zwischenzimmer wie auf der 
Aufnahme-Abtheilung, 1 Wasch- und Badezimmer an dem einen Ende 
gelegen und ein entsprechendes Kloset. 
Das lleberivachnngshans der Männer bedarf 4 fester und 4 ein- 
facher Einzelräume, außerdem aber einer größeren Anzahl (zirka 18) 
einfenstriger Zimmer. Sie müssen nicht nur als Schlafgelasse für 
besonders zu überwachende Kranke, sondern unter Umständen auch als 
Tagesaufenthalt für getrennt zu haltende geordnete Personen dienen. 
Man wird deshalb daran denken, etwa 2 Flügelbanten herzustellen 
und in diese auch je 1 Kloset und Pissoir nebst Beienraum zu ver 
legen. Die Zahl der erforderlichen kleineren (ein- oder ausnahms 
weise zweifenstrigen» Räume erhöht sich noch dadurch, daß das Warte 
personal — etwa 18 Personen — darin Platz finden mnß, einzelne auch 
als Arbeitsräume benutzt werden sollen. Ob die Feuenoache, 4 Per 
sonen, hierher zu verlegen und für sie ein Raum vorzubehalten sein 
»vird, bleibt der späteren Erörterung vorbehalten. 
Als Raum wird in den gewöhnlichen Schlafsälen (> qm bei 
mindestens 4 m lichter Höhe berechnet. Die Tagräume dürfen hier 
nicht zu knapp im Raum bemessen sein, dabei wegen der Aufsicht nur 
übersichtlich liegen. Das Lazareth braucht für das Bett 7,5 qm Grund 
fläche: ein besonderer Tagraum außer dem Zwischenzimmer bezw. 
dem Korridor fällt hier weg.
	        
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