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IV. Bezüglich der verordneten Stiftung bestimme ich weiter
Folgendes:
1. Dieselbe soll den Namen führen:
„Jagor-Stistuiig zur Vermehrung nützlicher Kenntnisse und
Fertigkeiten", und ihren Sitz in Berlin haben. Es soll
angestrebt werden, für dieselbe die Rechte einer juristischen
Person zu erlangen.
2. Die selbstständige Verwaltung der Stiftung soll durch ein
Kuratorium erfolgen, welches aus neun Mitgliedern besteht:
von den letzteren sollen drei dem hiesigen Magistrat mit
Einschluß des Oberbürgermeisters, zwei der hiesigen Stadt-
verordnelen-Bersammlung, eines der Körperschaft der hiesigen
Universität, eines der Königlichen Akademie der Wissen
schaften, eines der Technischen Hochschule, eines dem Verein
zur Beförderung des Gewerbefleißes Hierselbst angehören.
Die Wahl der einzelnen Mitglieder soll den betreffenden
Körperschaften zustehen.
Das Amt der Kuratoren soll ein Ehrenamt sein und als
solches unentgeltlich verwaltet werden.
Die Oberaufsicht über die Stiftung soll dem Magistrat
zustehen.
4. Derselbe Hai das Statut für die Stiftung festzustellen, und
dasselbe, >oenn nöthig, gerichtlich zu verlautbaren.
Das Statut kann durch das Kuratorium, unter Zu-
stimmung des Magistrats jeder Zeit abgeändert werden.
5. Das Grundvermögen der Stiftung darf niemals angegriffen
werden.
Aus den jährlichen Einkünften desselben sind zunächst die
Unkosten der Verwaltung zu bestreiten, aus dem dann
noch verbleibenden Theile der Einkünfte erhält die Stadt-
gemeinde Berlin ein Zehntel.
Das klebrige ist zur Errichtung der Zwecke der Stiftung
zu verwenden.
Es soll nicht erforderlich sein, daß die vorstehend bezeichneten
Mittel jährlich zur Verwendung kommen, solches soll vielmehr stets
nur dann geschehen, wenn, wie unter III näher bestimmt, die An
nahme begründet ist, daß durch die Verwendung die Zwecke der
Stiftung Förderung finden werden. Bietet sich dazu keine Gelegenheit,
dann soll die Verwaltung nur gehalten sein, das Bestehen der
Stiftung und ihren Zweck in angemessener Weise und in angemessenen
Zwischenräumen bekannt zu machen, und wenn auch das keinen Er
folg hat, dann soll sie berechtigt sein, solche ersparte Einkünfte dem
Grundvermögen zuzuschreiben. Die so zugeschriebenen Beträge sollen
aber später wieder zur Verwendung gelangen dürfen, wenn die Ver-
waltung aus besonderen Gründen es zur Erreichung des Zwecks der
Stiftung für angemessen erachtet, in ihren Leistungen den Betrag der
jährlich'zur Verfügung stehenden Mittel zu überschreiten.
Sollte von den hier unter IV getroffenen Bestimmungen die eine
oder die andere sich aus thatsächlichen oder rechtlichen Gründen als
unausführbar erweisen, dann soll die Verwaltung berechtigt sein, im
Einverständnis; mit dem hiesigen Magistrat, die ausfallende Be
stimmung durch eine entsprechende andere zu ersetzen. Tritt die Noth
Wendigkeit einer solchen Aenderung vor der Konstituirung des Kura
toriums ein, dann ist der Magistrat als Vertreter meiner Erbin
allein zur Vornahme derselben befugt.
V. Zn Exekutoren dieses meines letzten Willens und der etwaigen
Nachträge zu denselben ernenne ich:
1. meinen Bruder Philipp Ja gor,
2. Herrn Justizrath Franz Arndts,
3. Herrn Professor Dr. Gustav Fritsch.
Ich substituire denselben:
1. Herrn Stadtrath E. Friedet,
2. Herrn Dr. Otto Olshausen,
3. Herrn Ministerial-Direktor Panl Fischer,
und zwar dergestalt, daß diese Substituten, in der Reihenfolge, in
welcher sie hier genannt sind, in die Stelle derjenigen ernannten
Testamenisexekutorcn treten, welche das Amt nicht übernehmen können
oder wollen, oder welche nach dessen Uebernahme später aus dem
selben ausscheiden.
VI. Für den Fall, daß die Stadt Berlin die ihr von mir an
getragene Erbschaft nicht annehmen kann oder will, ernenne ich die
Universität Straßburg an ihrer Stelle zu niciuer Universalcrbin.
Auch diese soll verpflichtet sein, aus meinem Nachlasse die unter III
bezeichnete Stiftung errichten und dabei die unter IV getroffenen
Bestimmungen, sowie sie es den veränderten Vcrhältniffen entsprechend
erachtet, und soweit cs möglich ist, zur Ausführung zu bringen.
Bei entsprechendem Substitultonsfall gehen die Rechte und Pflichten,
welche nach diesem Testamente die Stadt Berlin haben würde, aus
diejenige Körperschaft über, welche meine Universalerbin wird.
In gleicher Weise sollen endlich meine Testamentsexekutoren zur
Errichtung der Stiftung verpflichtet sein, falls auch die Universität
Straßburg nicht meine Erbin werden möchte. Die durch die Errichtung
der Stiftung erwachsenen Kosten dürfen aus meinem Nachlasse ent
nommen werden.
VII. Ich vermache den nachbenannten Personen, Anstalten und
Gesellschaften die folgenden Legate, zahlbar frei von Kosten, Stempeln,
sechs Monate nach meinem Tode, und zwar:
A. Ich vermache auf Lebenszeit:
1. an meinen Bruder Philipp Jagor eine jährliche Rente
von 8000 JC (Achttausend Mark), zahlbar vierteljährlich
pränumerando,
2. an meines Bruders einzige Tochter Antonie Jagor, eine
nach deni Tode meines Bruders vierteljährlich pränumerando
zahlbare jährliche Rente von 2 000 JC (Zweitausend Mark).
B. Einmal zahlbar:
1. an die physikalische Gesellschaft Hierselbst 1 000 JC (Tausend
Mark),
2. an den Berliner Handwerker-Verein 1 000 (Tausend Mark),
3. an das Kunstgcwerbe-Mnseum in Berlin 1000 JC (Tausend
Mark),
4. an die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie
und Urgeschichte 1 000 JC (Tausend Mark),
5. an die Gesellschaft für Erdkunde Hierselbst 1000 JC
(Tausend Mark),
6. an den Deutschen Fischerei-Verein 1 000 JC (Tausend Mark),
7. an die Wittwe des Stadtraths Dr. Stört, Ivan, Therese,
geb. Bruns, 1000 M (Tausend Mark),
8. an die Wittwe des Professors Dr. Witte, Frau Helene,
geb. Bruns, 1000 Ji (Tausend Mark),
9. an Dr. Theodor Bruns in Coburg oder falls er mich
nicht überleben sollte, an seine Schwester Fräulein Pauline
Bruns 1000 JC (Tausend Mark),
10. an Fräulein Eugenie Rosenberger in Köthen 1000 JC
(Tausend Mark).
Die vorstehenden Legate und die spätcr von mir etwa noch zu
verordnenden sind frei von Erbschaftsstempel zu entrichten und soweit
bei den einzelnen nicht etwas Besonderes bestimmt ist, sechs Monate
nach meinem Tode zahlbar.
Sollte nach Berichtigung der vorstehenden und später von mir
zu stiftenden Legate der reine Betrag meines Nachlasses geringer sein
als 500000 JC (Fünfhunderttausend Mark), dann sind die jährlichen
Einkünfte desselben solange dem Kapitalvermögen zuzuschlagen, bis
dasselbe den genannten Betrag erreicht hat.
pp.
Berlin, 8. April 1886.
gez. Andreas Fedor Jagor.
Wir haben am 6. April 1900 beschlossen, unsererseits die Erbschaft
in den Nachlaß des Stifters dem Inhalt der Lckiftnngsurknndc gemäß
anzutreten.
Der Nachlaß umfaßt außer wissenschaftlichen Sammlungen und
einer Bücherei nach Schätzung der Testamentsvollzieher Effekten im
Werthe von etwa 1 Million Mark und läßt die baldige Errichtung
der Stiftung und Erfüllung ihrer Zwecke -als gesichert erscheinen.
Als Testamentsvollstrecker fungiren die Herren:
1. Geheimer Regierungsrath, Stadrath Dr. Friede!,
2. Geheimer Medizinalrath und Abtheilungschcf am Physiolo
gischen Institut Professor Dr. Fritsch,
3. Justizrath Arndts
— sämmtlich Hierselbst.
Wir ersuchen, den Beschluß zu fassen:
Die Versammlung ist mit dem Antritt der Erbschaft in
den Nachlaß des am 11. Februar 1900 zu Berlin ver
storbenen Dr. phil. Andreas Fedor Jagor, welcher zur
Begründung einer „Jagor-Stiftnng zur Vermehrung nützlicher
Kenntnisse und Fertigkeiten" bestimmt ist, durch die zur
Allcinerbin berufene Stadtgemeinde einverstanden.
Wir bemerken, daß die Frist für die etwaige Ausschlagung der
Erbschaft mit dem 20. April er. abläuft.
Berlin, den 12. April 1900.
Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt.
Kirschner.