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Anstalt beschäftigten Lehrer — wie dies im vergangenen
Winter ganz besonders der Fall gewesen wäre — häufig
von rheumatischen Leiden befallen.
Der Direktor habe schon vor längeren Jahren wieder
holt auf diesen Uebelstand aufmerksam gemacht und um
Abhülfe desselben gebeten, seine Bitte sei aber unerfüllt
geblieben. Das Lehrerkollegium bäte deshalb,
der Magistrat wolle den beregten Uebelständen dadurch
Abhülfe schaffen, daß die Portalöffnung in der Doro
theenstraße, sowie die Durchfahrt nach dem Hofe mit
festen Thüren abgeschlossen werden und als Eingang
die Thür benutzt werde, welche von der Charlotten
straße am Turngebäude vorüber zum Hofe führe, wie
bei Gelegenheit der Durchlcgung der Charlottenstraße
vom Direktor wiederum erfolglos beantragt worden sei.
Da bis jetzt der Magistrat nicht geneigt gewesen wäre,
dieser Bitte Gehör zu schenken, bei der eingetretenen kalten
Witterung aber die in der Petition erwähnten Uebelstände
sich wiederum in empfindlicher Weise geltend machten, so
glauben die Unterzeichner der gegenwärtigen Eingabe einer
unabweisbaren Pflicht gegen ihre Schüler, deren Familien
und gegen sich selbst zu genügen, wenn sie ihr Gesuch
nunmehr an die Stadtverordneten-Versammlung richten.
Im Ausschüsse wurde die Petition unter Betheiligung des Herrn
Magistrats-Vertreters eingehend erörtert und von einigen Seiten der
Meinung Ausdruck gegeben, daß die beschriebenen Uebelstände doch
tvohl nicht in dem angegebenen Umfange vorhanden sein könnten, da
die Anstalt seit 18 Jahren bestehe und früher Klagen der bezeichneten
Art nicht erhoben worden waren, auch der Gesundheitszustand der
Schüler, wie Rückfragen ergeben hätten, ein normaler sei. Die großen
Portalöffnungen seien s. Z. wohl gerade zur Erzielung einer gründ
lichen Ventilation für erforderlich erachtet worden, da die Höfe der
beiden an fraglicher Stelle befindlichen Lehranstalten verhältnißmäßig
sehr klein seien. Die Beseitigung der vorhandenen schweren Gitter-
thüren würde nur mit großen Kosten möglich sein und das Ansehen
des von vornherein auf diese Portalöffnungen berechneten Baues stören,
ohne Gewähr dafür zu bieten, daß an Stelle des vorhandenen Uebel
standes nicht ein anderer eingetauscht werde. Zug sei überall, auch
im Rathhaussaale und in anderen Gebäuden. Im Friedrich-Werderschen
Gymnasium würde der Uebelstand bei größerer Benutzung der Seiten
treppen weniger empfunden werden, vielleicht könnten die Gitterthüren
auch, wie im Rathhause, verglast werden, doch würde man sich in
diesem Falle wohl auf einen größeren Scheibenbruch gefaßt machen
müssen, da die Eingänge dort nicht wie im Rathhause von einem
Portier bcwactt werden. Die Zimmertemperatur von 14° werde in
den Schulen bei Beginn des Unterrichts immer als ausreichend erachtet,
da die Wärme bei Füllung der Klassen schnell steige.
Uebrigens sei, wie von dem Herrn Magistratsvertreter mitgetheilt
wurde, die Angelegenheit, da eine gleiche Petition auch dorthin gelangt
wäre, schon Gegenstand eingehender Erörterung beim Magistrat und
werde beabsichtigt, bei der nächsten Baubercisung zu prüfen, ob und
wie weit Abhülfe geschaffen werden könne.
Die Benutzung der Thür in der Charlottenstraße als Eingang
wurde, da sie nur sehr schmal sei, als eine Unmöglichkeit bezeichnet.
Andererseits wurde die Petition für begründet erachtet und Ab
hülfe der beklagten Uebelstände sowohl für erforderlich, als auch aus
führbar bezeichnet und unter Widerlegung der entgegenstehenden Ein
wände beantragt, die Petition dem Magistrat zur Berücksichtigung
zu überweisen.
Dieser Antrag wurde bei der Abstimmung zum Beschluß erhoben
und die Berichterstattung dem Stadtv. vr. Friedemann übertragen.
2. (J.-Rr. 89) Petition des fortschrittlichen Vereins
„Waldeck", um Stellungnahme der Stadtverord
neten-Versammlung gegen die Einführung einer
Tabakfabrikatsteuer.
Der Vorstand des obenbezeichneten Vereins bringt durch
die vorliegende Eingabe die nachstehende, in der Sitzung
dieses Vereins vom 29. November er. gefaßte Resolution
zur Kenntniß der Versammlung:
„Der fortschrittliche Verein „Waldeck" zu Berlin
ersucht die Berliner Stadtverordneten-Versammlung,
gegen die geplante Tabakfabrikatsteuer Stellung zu
nehmen, da die Einführung derselben Tausende von
Berliner Existenzen vernichten würde und auf das
gesammte Leben Berlins in ungünstigster Weise ein
wirken müßte."
Im Ausschüsse wurde zunächst die Ansicht vertreten, daß diese
Angelegenheit nicht vor das Forum der Stadtverordneten-Versammlung
gehöre, sondern an die als Volksvertretung berufene Stelle, den Reichs
tag, zu richten gewesen wäre, da es sich nicht um ausschließlich kom
munale Interessen, sondern um ein allgemeines Landesinteresse handele.
Andererseits wurde dagegen ausgeführt, daß es hierselbst ca. 500 Fabrik
betriebe der Tabakindustrie meist kleiner Art gebe, daß die nach Ein
führung der Steuer voraussichtlich eintretende Abnahme des Konsums
von nicht zu unterschätzender Bedeutung für einen großen Theil der
Bevölkerung Berlins sein würde und daß ein spezifisches Interesse für
die Stadt noch insofern vorliege, als zu erwarten sei, daß ein Rückgang
der Tabakindustrie auch eine nachtheilige Wirkung auf die Jmmobilien-
wertbe haben werde. Es erscheine daher wohl angezeigt, dem Petitum
beizutretcn und der Versammlung eine demselben entsprechende Beschluß
fassung vorzuschlagen.
Di« Mehrheit des Ausschusses schloß sich diesen Ausführungen
an, und Letzterer beschloß demgeniäß, der Versammlung zu empfehlen,
das vorliegende Gesuch dem Magistrat behufs Einreichung
einer Petition in Gemeinschaft mit der Stadtverordneten-
Versammlung gegen den eingebrachten Tabaksteuergcsctz-Entwurf
zur Berücksichtigung zu überweisen.
Berichterstatter: Stadtv. Sachs II.
III.
Die Einsender der nachstehend aufgeführten vier Petitionen haben
den Justanzenzug noch nicht erschöpft, die Letzteren werden daher nach
§. 31, Absatz 3 der Geschäftsordnung, auö diesem formellen Grunde
zur Erörterung im Plenum für ungeeignet erachtet:
1. (I.-Nr. 78) Petition des Architekten Wernicke,
Kaiserstr. 36», um Anerkennung seines Anspruchs
auf eine Entschädigung für die Bauleitung des
Erweiterungsbaues des Hauses Poststr. 16.
2. (J.-Nr. 82) Petition des Or. mvcl. Werner, Thurm
straße 28, betreffend die erfolgte Erbauung einer
neuen Mauer in der Stromstraßc vor dem
Grundstücke der Aktienbrauerci Moabit auf Vor
gartenland.
Die Petition ad 1 ist zunächst an den Magistrat, die
Petition ad 2 zunächst an die städtische Bau-Deputation,
Abtheilung II, zu richten.
3. (J.-Rr. 88) Petition der technischen Lehrerinnen
an den Gemeindeschulcn um feste Anstellung.
Die Petentinnen theilen auf den ihnen ertheilten
Bescheid der Versammlung vom 9. November cr. (Prot. 26
8. 5) mit, daß sie ein gleiches Gesuch am 18. September
d. Js. der städtischen Schnl-Deputation unterbreitet hätten.
Da eine Entscheidung der letzteren noch nicht getroffen,
so haben die Petentinnen eine solche zuvörderst abzuwarten.
Event, haben dieselben ein erneutes Gesuch zunächst an
den Magistrat zu richten.
4. (I -Nr. 91) Petition der Deutschen Gesellschaft
für öffentliche Gesundheitspflege, betreffend die
Ausdehnung der obligatorischen Fleischschau auch
auf das von den Besitzern gewisser Gast- und
Speisewirthschaften von auswärts eingeführte
frische Fleisch.
Die Petition ist zugleich dem Magistrat zugegangen,dessen
Bescheid die Petentin zunächst ebenfalls abwarten wolle.
IV.
(J.-Nr. 80) Petition des Vereins der Schweine-
Engros-Schlächter Berlins, um Herabsetzung der
Schlacht- und Schaugebühr für Schweine bei Fest
stellung des nächstjährigen Haushalt-Etats.
Der Ausschuß empfiehlt, die Petition bei Berathung
des Etats für den städtischen Schlachthof zu erledigen
und dieselbe zu dem Zwecke s. Zt. event, dem zur Vor-
berathung des Stadthaushall-Etats pro 1. April 1894/95
einzusetzenden Ausschüsse zu überweisen.
Die außerdem auf der Tagesordnung befindlich gewesene
(J.-Nr. 90) Petition des Bankiers N. N. um Er
stattung von, durch Doppelbesteuerung zuviel
gezahlter Gemeinde-Einkommensteuer,
wurde vertagt, uni zur Berathung über dieselbe in nächster
Sitzung vom Magistrat die Absendung eines Magistrats-
Vertreters zu erbitten.
V. w. o.
G. Bauke.
«38.
Berlin, den 4. Dezember 1893.
Der Stadtverordneten-Versammlung übersenden wir in Gemäßheit
des Beschlusses Wohlderselben vom 4. Mai 1893 die Akten über die
am 13., 14. und 15. November d. Js. vollzogenen Ergänzungs- bezw.
Ersatzwahlen, soweit solche vollendet find, zur weiteren Veranlassung
mit dem Ersuchen um gefällige Rückgabe nach gemachtem Gebrauch,
ergebenst.