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Volume No. 8 (83-101), 4. Februar 1893

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1893 (Public Domain)

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Streitpunkte prinzipieller Art in Frage kamen, eine gemeinschaftliche. 
Die Antragsteller betonten, daß die Gemeindekrankenversicherung ihre 
Mitglieder nicht schlechter stellen dürfe, wie dies Seitens der Orts- 
krankenkassen und freien Hilfskassen, die den gestellten Anträgen gemäß 
verfahren, geschehe. Wenn der §. 6 des Krankenversicherungs 
gesetzes ein Sterbegeld auch nicht aufführe und von einer Kranken 
unterstützung auf die Dauer von 13 Wochen spreche, so seien hierdurch 
nur die Mindestleistungen festgestellt, deren Erhöhung gemäß der ge 
stellten Anträge angezeigt und zulässig sei. 
Demgegenüber wurde geltend gemacht, daß nach Sinn und Wort 
laut des Gesetzes die Gemeindekrankenversicherung lediglich eine 
kommunale, von dem Gemeindevorstand verwaltete Einrichtung sei, die 
eine eigene Kasse habe, die aber keine organisirte Krankenkasse im Sinne 
des Krankenversicherungsgesetzes sei. Die Gemeindekrankcnverstcherung 
solle die Bildung von Ortskrankenkassen nicht entbehrlich machen oder 
mit diesen konkurriren, sondern solle nach positiver Gesetzesvorschrift 
nur subsidiär und aushilfsweise eintreten. Wenn auch der §. 6 des 
Gesetzes nur die Mindestleistungen feststelle, so enthalte der §. 6 a die 
Aufführung der sämmtlichen Ermächtigungen der Gemeinden, diese 
Leistungen zu Gunsten oder zu Ungunsten der Mitglieder zu modi- 
fizircn. Befugnisse auf Erweiterung der Leistungen, die nicht besonders 
aufgeführt sind — und dies treffe auf die gestellten Anträge zu — 
könne die Gemeinde hiernach nicht ausüben, weshalb sich ein materielles 
Eingehen auf den Inhalt der Abänderungsvorschläge erübrige, diese 
vielmehr als gesetzlich unzulässig zu verwerfen seien. 
Die Majorität stellte sich auf den Boden dieser Auffassung und 
lehnte die gestellten Anträge ab. 
Zu §. 12 des Regulativs wurde folgende Fassung beantragt: 
Die freiwillig beigetretenen Personen haben vom Tage 
des Beitritts ab gerechnet auf Krankcnunterstützung Anspruch. 
Ein anderer Antrag ging dahin, diesen Personen nach 2 Wochen 
vom Tage des Beitritts ab gerechnet Anspruch auf Krankengeld zu 
gewähren. 
Allseitig wurde anerkannt, daß die im Regulativ enthaltene Frist 
von 6 Wochen zu weit ginge. Wenn auch im alten Regulativ diese 
Frist enthalten sei, so war dies durch die Ungewißheit gerechtfertigt, 
in welcher man sich hinsichtlich der von der Gemeinde selbst zu machen 
den Aufwendungen befand. Es habe sich nun herausgestellt, daß diese 
Aufwendungen verhältnißmäßig unbedeutend seien. Um die Mitglieder 
einerseits in nicht zu langer Frist in den Genuß der Mitgliederrechte 
zu setzen und die Kasse andererseits vor Simulation und Mißbrauch 
durch Beitritt im letzten Moment zu schützen, sei ein Zeitraum von 
2 Wochen geboten, aber auch ausreichend. 
Hierauf wurde entgegnet, daß die Befürchtung von Simulationen 
übertrieben sei und daß der Beitritt einer kranken Person bereits durch 
§. ö des Regulativs wirkungslos gemacht sei. 
Dieser letzteren Ausführung wurde entgegengehalten, daß es viel 
fach schwierig sei, die eingetretene Erkrankung im Momente des 
Beitritts festzustellen. 
Die Majorität nahm schließlich den 8- 12 des Regulativs unter 
Ablehnung des Magistratsantrages in folgender Fassung an: 
Die freiwillig beigetretenen Personen haben erst nach Ab 
lauf von 2 Wochen, vom Tage des Beitritts ab gerechnet, 
auf Kranken-Unterstützung Anspruch. 
Eine lebhafte Debatte entspann sich bei 8- 14 des Regulativs. 
Es wurde folgender Antrag eingebracht: 
§. 14. Zur ärztlichen Behandlung stehen den Versicherten, 
soweit dieselben nicht einem Krankenhause überwiesen werden, 
die Aerzte beim Gewerkskrankenverein oder diejenigen Aerzte 
zur Verfügung, welche sich dem Verein der freigewählten 
Kassenärzte angeschlossen haben. 
Motivirt wurde dieser Antrag durch die geringe Zahl der Ge 
werkskrankenvereinsärzte im Vergleich zu der Zahl der im Verein der 
freigewählten Kassenärzte befindlichen Aerzte. Es wurde auf einen 
Bezirk im Osten exemplifizirt, in dem ein Gewerksvereinsarzt, dagegen 
31 freigewählte Kassenärzte sich befänden. Eine größere Zahl von 
Aerzten, an die sich der Kranke wenden könne, sei nicht bloß für ihn 
ersprießlicher, sondern käme durch die Ermöglichung einer sorgfältigeren 
und schnelleren Heilung der Kasse selbst zu Gute. 
Hierauf wurde entgegnet, daß das Institut des Gewerkskranken 
vereins sich bisher im Wesentlichen bewährt habe, daß bei der geringen 
Anzahl der hier in Betracht kommenden Personen keine Veranlassung 
vorliege, gerade bei der Gemeindekrankenversicherung das Verhältniß 
zu lösen, in welchem sich die Gemeinde zu dem Gewerkskrankenverein 
befinde. Ein solches Verhältniß bestehe zu dem Verein der freigewählten 
Kassenärzte nicht. Nach dem Antrage würde die Kasse alsdann doppelt 
zahlen müssen. Die nothwendige Kontrolle über die Krankmeldungen 
würde eine mangelhaftere werden. Die Kosten würden sich erheblich 
erhöhen. Wenn die Ortskrankenkassen, wie die Antragsteller ausführten, 
theilweise im Sinne des Antrages vorgingen, so könne dies nicht maß 
gebend sein für eine subsidiäre, aushilfsweise eintretende Institution, 
wie die Gcmeindekrankenversicherung. Ueberdies blieben auch nach dem 
Antrage diejenigen Aerzte unberücksichtigt, die sich dem Verein der frei 
gewählten Kassenärzte nicht angeschlossen haben. Die Antragsteller 
strichen hierauf in ihrem Antrage die Worte „die Aerzte beim Gewerks 
krankenverein oder". 
Nunmehr wurde der Antrag abgelehnt. 
Der Ausschuß beschloß hierauf, der Versammlung das neue 
Regulativ mit der alleinigen Abänderung des §. 12 in der von dem 
Ausschuß gewählten Fassung zur Annahme zu empfehlen. 
Zum Berichterstatter ist der Stadtv. Sachs II ernannt worden. 
a. u. s. 
G- Baute. Sachs II. 
84. Vorlage (J.-Nr. 119 E. V. 93) — zur Beschluß 
fassung —, betreffend die Miethung von Räumen 
im Hause Stralauerstr. 3/6 und die Beschaffung von 
Jnventarienstülken. 
Die Stadtverordneten-Versammlung ersuchen wir um folgende 
Beschlußfassung: 
Die Stadtverordneten-Versammlung erklärt sich damit 
einverstanden, daß: 
1. die auf dem hier beigefügten Plane mit rother Farbe 
bezeichneten Räume des I., II. und III. Stockwerks des 
Hauses Stralauerstr. 3/6 mit zusammen 966 qm Grund 
fläche vom 1. April 1893 bis zum 31. März 1898 zu 
Bureauzwecken gemiethet werden und zwar gegen Zahlung 
a) von 9 440 JC Miethe für das erste Jahr vom 1. April 
1893 bis 1. April 1894 und von 15 290 JC p. a. für 
die vier Jahre vom I. April 1894 bis 1. April 1898, 
b) von 5 pCt. der betreffenden Jahresmiethe für die Er 
wärmung der Räume durch die Zentralheizung des 
Hauses und 
o) von 4 ^ für die Lampenbrennstunde einschließlich 
Vorhaltung der für die Räume erforderlichen elektrischen 
Glühlampen und Elektrizitätsmesser 
a Conto der Spezial-Verwaltung 39 der Stadt-Haupt-Kaffe, 
2. die zur Beschaffung von Jnventarienstücken für das Ge 
werbegericht rc. erforderlichen Mittel bis auf Höhe von 
13 000 JC aus den Ueberschüssen des Rechnungsjahres 
1. April 1891/92 entnommen werden. 
Begründung. 
Ad 1. Die Stadtverordneten - Versammlung hat unsere Vorlage 
vom 23. Dezember v. I. (Nr. 1 040 von 1892), betteffend die 
Miethung von Lokalitäten im Hause Königstr. 1/6 rc. durch Beschluß 
vom 26. Januar 1893 (Prot. Nr. II) abgelehnt und uns ersucht, 
ihr einen neuen Antrag, betreffend Miethung von Räumen im Hause 
Stralauerstr. 3/6 auf Grund der Bier'schen Offerte, vorzulegen. Wir 
haben in Folge dessen mit der Berliner Weißbier-Brauerei und Malz 
fabrik Albert Bier als Eigenthümerin des Hauses Stralauerstr. 3/6 
von Neuem verhandelt und eine weitere Herabsetzung der ursprünglich 
zu hohen Forderungen erzielt. Wie wir in der Begründung unserer 
Vorlage vom 23. Dezember xr., auf welche wir hier ausdrücklich Bezug 
nehmen, ausgeführt haben, sind zur Aufnahme des am 10. April d. I. 
in Funktion tretenden neuen Gewerbegerichts und des zur Zeit 
im Erdgeschoß des Köllnischen Rathhauses befindlichen Bureaus oer 
Gewerbe-Deputation für Jnnungssachen und Fachschulen Räume mit 
rot. 590 qm Grundfläche zu miethen. Auch ist bei der Miethung 
darauf Bedacht zu nehmen, daß das bis zum 1 April 1894 in die 
rot. 360 qm Grundfläche enthaltenden Räume der I. Etage von 
Molkenmarkt 4 eingemiethete Bureau der Gewerbe-Deputatton für die 
Kranken-, Jnvaliditäts- und Altersversicherungs-Angelegenheiten mit 
den beiden anderen Bureaus dieser Deputation an derselben Stelle 
vereinigt werden kann. Im Ganzen wären hiernach am I. April 1894 
zur Aufnahme der sämmtlichen Bureaus der Gewerbe-Deputation 
Räume mit mindestens 950 qm Grundfläche erforderlich. 
Die Firma Bier bietet uns nun in ihrem Hause Stralauerstr. 3/6 
leere Räume mit 
520 qm im I. Stock 
280 - - II. - und 
166 - - III. - 
zusammen mit 966 qm Grundfläche 
zur Miethung auf 5 Jahre mit der Maßgabe an, daß sämmtliche 
Räume vom 1. April d. I. ab zur Verfügung gestellt werden, die 
Miethe aber für das erste Jahr April 1893/94 nur für die zunächst 
erforderlichen 590 qm mit 16 pro Quadratmeter zusammen also mit 
9 440 JC berechnet und verlangt wird. Erst vom 1. April 1894 ab 
wird der volle Miethspreis gefordert, und zwar für die 800 qm des 
I. und II. Stocks mit 16 JC und für die 166 qm des III. Stocks 
mit 15 JC pro Quadratmeter und Jahr, zusammen also mit 15 290 JC 
jährlich. Die sämmtlichen Räume sind von der städtischen Bauverwaltung 
ausgemessen worden und die Messungsresultate mit Blei in anliegender 
Zeichnung eingetragen.
	        
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