Path:
Volume No. 25 (253-261), 15. April 1893

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1893 (Public Domain)

S18 
man dort lange Zeit hindurch nur im Schritt fahren könne und auch 
häufig gezwungen werde, anzuhalten, um die Passage für die Fuß 
gänger frei zu machen. Wenn die Straßen der Stadt Berlin sich 
dadurch Vortheilhaft von den Straßen der City unterschieden, daß sie 
dem Wagcnverkehr eine schnellere Fortbewegung gestatten, so sei dies 
eben ein glücklicher Zustand, an den die Berliner Bevölkerung gewöhnt 
sei und den sie als etwas Berechtigtes anerkenne. Speziell die König- 
straße genüge in ihrer jetzigen Breite dem Verkehr nicht, und wenn 
derselbe sich auch um ein Geringes vermindert habe, so fühle doch 
wohl Jeder die Nothwendigkeit heraus, daß hier, so lange es eben noch 
Zeit ist, etwas Durchgreifendes geschehen müsse. Man dürfe nicht 
vergessen, daß die Radialstraßen, welche auf den Alexanderplatz münden 
und ihre Fortsetzung in der Königstraße finden, sämmtlich breiter als 
letztere Straße sind, und daß die Fuhrleute sich nicht durch die Enge 
einer Straße abhalten lassen, sie zu passiren, wenn sie nur um einige 
Meter kürzer ist, als eine korrespondtrende Straße. Und eine Fahr 
ordnung für die hier in Betracht kommenden drei Brücken einzuführen, 
werde keine Erleichterung, sondern eine erhebliche Erschwerung des 
Verkehrs im Gefolge haben und allgemeine Interessen schädigen. 
Ferner sei von einer Verschönerung des Schlosses gesprochen und 
daraus die Forderung hergeleitet worden, das Königs. Hausministerium 
zu einem Beitrage zu den Kosten des Unternehmens anzugehen. Aller 
dings könne man eine Verschönerung des Schlosses bis zu einem gewissen 
Maaße zugestehen, wo aber habe die Stadt je bei Straßenverbreiterungen 
oder Anlage von Plätzen die Adjazenten zu Beiträgen herangezogen? 
Weder bei dem Lützowplatz, noch bei der Gertraudtenstraße, um Fälle 
aus der Gegenwart anzuführen, sei die Rede davon gewesen. Die 
Stadt habe, das sei wohs nicht zu leugnen, alle Veranlassung, der 
Vcrkehrsverbesserung und der Verschönerung im Zentrum der Stadt 
Vorschub zu leisten, und dürfe sich darin nicht beirren lassen, weil 
zufällig das Schloß Adjazent sei. Von diesem Gesichtspunkte aus sei 
der Magistrat bisher auch nicht auf den Gedanken gekommen, mit dem 
Hausministerium wegen Zahlung eines Beitrages in Verhandlung 
zu treten. 
Die Frage wegen der Anlage von Terrassen auf der Schloßseite 
sei in der Vorlage um deshalb nicht erwähnt worden, weil in der 
letzten Zeit von keiner Seite her eine Veranlassung dazu gegeben sei 
und auch keine Vermuthung auf ein Wiederauftreten derselben vorliege. 
Man werde auch zugeben müssen, daß bei der bedeutenden Architektur 
deö Schlosses eine Terrasse, die wegen der beiden vorhandenen Portale 
nicht einmal eine zusammenhängende Fläche bilden könnte, nicht zur 
Verschönerung desselben beitragen würde, sowie, daß derartige archi 
tektonische Bauwerke erkennbar bleiben und nicht durch Grünes ver 
schleiert werden sollten. Aus dieser Erkenntniß heraus sei nicht zu 
befürchten, daß die Terrassenfrage wieder auftauchen werde. Der 
Magistrat habe deshalb auch nicht die Absicht, diese Angelegenheit 
offiziell wieder anzuregen, und wisse kaum, von wem eine diesbezügliche 
Anfrage beantwortet werden sollte. Soviel stehe indessen fest, daß 
ohne Genehmigung der städtischen Behörden die Anlage von Terrassen 
auf dem der Stadt gehörigen Straßenterrain nicht möglich sei. 
Es sei ferner auf die für das Marstallgebäude entstehenden Vor 
theile hingewiesen und daraus gleichfalls das Verlangen nach einem 
Beitrage seitens des Hausministeriums hergeleitet worden. Darauf 
sei zu erwidern, daß andere, als die ortsstatutarischen Beiträge doch 
niemals bei derartigen Gelegenheiten gefordert würden. Anders sei 
es, wenn die Adjazenten dabei die Gelegenheit zu ertragbringenden 
Bauten erhielten, dann könne man wohl versuchen, Beiträge von ihnen 
zu erhalten. Durch die Niederlegung der Häuser am Schloßplatz 
werde der Nutzen, den das Marstallgebäude gewähre, doch um nichts 
vergrößert, von einem finanziellen Zuwachs zu demselben könne also 
nicht die Rede sein. Dagegen solle eine recht kostspielige Fa^ade nach 
den von Schlüter gefertigten Zeichnungen hergestellt werden. Daß 
diese Fayade im Einklang stehen werde mit derjenigen in der Breite- 
straße, sei wohl als selbstverständlich anzunehmen, und in solcher 
Ausführung werde sie dann eine wahrhafte Verschönerung der Stadt 
bilden. 
Was sodann den vom Magistrat vorgeschlagenen 5 m breiten 
Kolonnadengang betreffe, so könne nicht zugegeben werden, daß eine Unter 
brechung des Bürgersteigs in dieser Art etwas so ganz besonders Unan 
genehmes an sich habe. In oberitalienischen Städten, wo man dergleichen 
häufig vorfinde, gereichten sie in angemessener architektonischer Ausführung 
zur Zierde der Stadt. Finanziell werde die Anlage der Kolonnaden, 
wobei der Magistrat gegen ein Wiederaufleben der früheren Mühlen 
dammläden an dieser Stelle sicher Vorsorge treffen werde, am billigsten 
sein Wolle man jedoch das ganze Grundstück der alten Post erwerben, 
dann werde der Magistrat einem diesbezüglichen Beschlusse der Ver 
sammlung wohl nicht entgegen sein, und könne die Beschlußfassung 
über die Verwendung desselben ja einer späteren Zeit vorbehalten 
bleiben. Für jetzt komme es, worauf immer wieder hingewiesen werden 
müsse, darauf an, Entscheidung darüber zu treffen, ob die Brücke strom 
aufwärts um 2 m verbreitert oder ob der gegenwärtige, dem allge- 
meinen Vcrkehrsinteressc nicht entsprechende Zustand verewigt werden solle. 
In Bezug auf die Durchführung der Pferdebahn vom Rathhause 
nach dem Schloßplatz würden, nach Verbreiterung der Königstraße auf 
18 ui, Bedenken kaum erhoben werden können; das Königl. Polizei- 
Präsidium habe sich bisher nur wegen der Enge der Straße ablehnend 
dagegen verhalten. 
Schließlich wurde auch noch die Frage, ob der Magistrat bereits 
mit den betreffenden Grundstücksbesitzern verhandelt habe, verneinend 
beantwortet. Derartige Verhandlungen hätten, so wurde bemerkt, 
bisher in den seltensten Fällen zu einem greifbaren Resultat geführt, 
wenn der Stadt nicht das Expropriationsrecht zur Seite gestanden 
hätte. Erst jetzt habe man in der Angelegenheit wegen Verbreiterung 
der Gertraudtenstraße wieder die Erfahrung gemacht, wie hoch die 
Adjazenten anfänglich ihre Forderungen stellen, um sie später, wenn 
die Enteignung droht, ganz erheblich zu ermäßigen. Mil der er 
folgenden Genehmigung zur Feststellung einer neuen Baufluchtlinie 
erlange die Stadt übrigens auch das Recht zur Enteignung. 
Hiermit endete die heutige Verhandlung. Eine Beschlußfassung 
über die eingebrachten Anträge erfolgte nicht, dieselben sollen jedoch 
dem Magistrat mit dem Ersuchen um schriftliche Beantwortung über 
sandt werden. 
Diese Anträge lauten folgendermaßen: 
I. den Magistrat zu ersuchen, dem Ausschüsse eine Kostenberechnung 
unter Beifügung von Plänen (Skizzen für die einzelnen 
Mitglieder des Ausschusses) der bei der Verbreiterung des 
ganzen Straßenzuges in Frage kommenden Grundstücke mit 
Angabe der projektirten Baufluchtlinie vorzulegen 
1. über die Beseitigung der Häuser am Schloßplatz, 
2. über die Verbreiterung der Königstraße an der Nordseite, 
3. über die Verbreiterung der Königstraße an der Südseite 
a) unter Anlegung des Kolonnadenganges von Burg- 
bis Poststraße, 
i>) unter Beseitigung der alten Post nach der projektirten 
Baufluchtlinie, 
e) unter Festsetzung der Baufluchtlinie von Post- bis 
Spandauerstraße, 
ä) unter Abbruch der Häuser von Post- bis Spandauer 
straße; 
II. den Magistrat ferner um Auskunft zu ersuchen, 
a) ob mit dem Königl. Hausministerium über einen zu 
zahlenden Beitrag, bezw. eine anderweitige Unterstützung 
des Projektes in Verbindung getreten ist oder zu treten 
beabsichtigt wird, 
b) ob das Königl. Schloß einen eigenen Gutsbezirk bildet, 
c) wie die Finanzverhältnisse Berlins sich in der nächsten 
Zukunft, namentlich mit Rücksicht auf die projektirte Ein 
verleibung der Vororte voraussichtlich gestalten werden, 
d) ob die Genehmigung zur Durchlegung der Pferdebahn 
Rathhaus—Schloßplatz ertheilt werden wird; 
III. dem Magistrat mitzutheilen, daß es für erforderlich erachtet 
worden sei, durch direkte Verhandlungen mit den betreffenden 
Grundstücksbesitzern die Forderungen derselben festzustellen. 
v. w. o. 
Langerhans. Hütt. 
Zu Nr. 260. 
II. 
Verhandelt Berlin, den 22. März 1893. 
Anwesend: 
Stadtv.-Vorsteher vr. Langerhans, Vorsitzender, 
Stadtv. Baute, 
- Cassel. 
- Frentzel, 
- Heilmann, 
- Herbig, 
- Hütt, 
- Meyer I, 
- Sachs I, 
- S a ch s II, 
- Schem, 
- Seeger, 
- Seibert, 
- Seile. 
Als Vertreter des Magistrats: 
Stadtrath Voigt, 
- Meubrink, 
Stadtbaurath Ho brecht, 
Stadtbauinspektor Gottheiner. 
Es fehlte: 
Stadtv. vr. Hermes, entschuldigt. 
Die in der vorigen Sitzung des Ausschusses eingebrachten und dem 
Magistrat mit dem Ersuchen um Beantwortung übersandten Anträge 
sind von den Herren Magistrats-Kommissarien Voigt, Meubrink
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.