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man dort lange Zeit hindurch nur im Schritt fahren könne und auch
häufig gezwungen werde, anzuhalten, um die Passage für die Fuß
gänger frei zu machen. Wenn die Straßen der Stadt Berlin sich
dadurch Vortheilhaft von den Straßen der City unterschieden, daß sie
dem Wagcnverkehr eine schnellere Fortbewegung gestatten, so sei dies
eben ein glücklicher Zustand, an den die Berliner Bevölkerung gewöhnt
sei und den sie als etwas Berechtigtes anerkenne. Speziell die König-
straße genüge in ihrer jetzigen Breite dem Verkehr nicht, und wenn
derselbe sich auch um ein Geringes vermindert habe, so fühle doch
wohl Jeder die Nothwendigkeit heraus, daß hier, so lange es eben noch
Zeit ist, etwas Durchgreifendes geschehen müsse. Man dürfe nicht
vergessen, daß die Radialstraßen, welche auf den Alexanderplatz münden
und ihre Fortsetzung in der Königstraße finden, sämmtlich breiter als
letztere Straße sind, und daß die Fuhrleute sich nicht durch die Enge
einer Straße abhalten lassen, sie zu passiren, wenn sie nur um einige
Meter kürzer ist, als eine korrespondtrende Straße. Und eine Fahr
ordnung für die hier in Betracht kommenden drei Brücken einzuführen,
werde keine Erleichterung, sondern eine erhebliche Erschwerung des
Verkehrs im Gefolge haben und allgemeine Interessen schädigen.
Ferner sei von einer Verschönerung des Schlosses gesprochen und
daraus die Forderung hergeleitet worden, das Königs. Hausministerium
zu einem Beitrage zu den Kosten des Unternehmens anzugehen. Aller
dings könne man eine Verschönerung des Schlosses bis zu einem gewissen
Maaße zugestehen, wo aber habe die Stadt je bei Straßenverbreiterungen
oder Anlage von Plätzen die Adjazenten zu Beiträgen herangezogen?
Weder bei dem Lützowplatz, noch bei der Gertraudtenstraße, um Fälle
aus der Gegenwart anzuführen, sei die Rede davon gewesen. Die
Stadt habe, das sei wohs nicht zu leugnen, alle Veranlassung, der
Vcrkehrsverbesserung und der Verschönerung im Zentrum der Stadt
Vorschub zu leisten, und dürfe sich darin nicht beirren lassen, weil
zufällig das Schloß Adjazent sei. Von diesem Gesichtspunkte aus sei
der Magistrat bisher auch nicht auf den Gedanken gekommen, mit dem
Hausministerium wegen Zahlung eines Beitrages in Verhandlung
zu treten.
Die Frage wegen der Anlage von Terrassen auf der Schloßseite
sei in der Vorlage um deshalb nicht erwähnt worden, weil in der
letzten Zeit von keiner Seite her eine Veranlassung dazu gegeben sei
und auch keine Vermuthung auf ein Wiederauftreten derselben vorliege.
Man werde auch zugeben müssen, daß bei der bedeutenden Architektur
deö Schlosses eine Terrasse, die wegen der beiden vorhandenen Portale
nicht einmal eine zusammenhängende Fläche bilden könnte, nicht zur
Verschönerung desselben beitragen würde, sowie, daß derartige archi
tektonische Bauwerke erkennbar bleiben und nicht durch Grünes ver
schleiert werden sollten. Aus dieser Erkenntniß heraus sei nicht zu
befürchten, daß die Terrassenfrage wieder auftauchen werde. Der
Magistrat habe deshalb auch nicht die Absicht, diese Angelegenheit
offiziell wieder anzuregen, und wisse kaum, von wem eine diesbezügliche
Anfrage beantwortet werden sollte. Soviel stehe indessen fest, daß
ohne Genehmigung der städtischen Behörden die Anlage von Terrassen
auf dem der Stadt gehörigen Straßenterrain nicht möglich sei.
Es sei ferner auf die für das Marstallgebäude entstehenden Vor
theile hingewiesen und daraus gleichfalls das Verlangen nach einem
Beitrage seitens des Hausministeriums hergeleitet worden. Darauf
sei zu erwidern, daß andere, als die ortsstatutarischen Beiträge doch
niemals bei derartigen Gelegenheiten gefordert würden. Anders sei
es, wenn die Adjazenten dabei die Gelegenheit zu ertragbringenden
Bauten erhielten, dann könne man wohl versuchen, Beiträge von ihnen
zu erhalten. Durch die Niederlegung der Häuser am Schloßplatz
werde der Nutzen, den das Marstallgebäude gewähre, doch um nichts
vergrößert, von einem finanziellen Zuwachs zu demselben könne also
nicht die Rede sein. Dagegen solle eine recht kostspielige Fa^ade nach
den von Schlüter gefertigten Zeichnungen hergestellt werden. Daß
diese Fayade im Einklang stehen werde mit derjenigen in der Breite-
straße, sei wohl als selbstverständlich anzunehmen, und in solcher
Ausführung werde sie dann eine wahrhafte Verschönerung der Stadt
bilden.
Was sodann den vom Magistrat vorgeschlagenen 5 m breiten
Kolonnadengang betreffe, so könne nicht zugegeben werden, daß eine Unter
brechung des Bürgersteigs in dieser Art etwas so ganz besonders Unan
genehmes an sich habe. In oberitalienischen Städten, wo man dergleichen
häufig vorfinde, gereichten sie in angemessener architektonischer Ausführung
zur Zierde der Stadt. Finanziell werde die Anlage der Kolonnaden,
wobei der Magistrat gegen ein Wiederaufleben der früheren Mühlen
dammläden an dieser Stelle sicher Vorsorge treffen werde, am billigsten
sein Wolle man jedoch das ganze Grundstück der alten Post erwerben,
dann werde der Magistrat einem diesbezüglichen Beschlusse der Ver
sammlung wohl nicht entgegen sein, und könne die Beschlußfassung
über die Verwendung desselben ja einer späteren Zeit vorbehalten
bleiben. Für jetzt komme es, worauf immer wieder hingewiesen werden
müsse, darauf an, Entscheidung darüber zu treffen, ob die Brücke strom
aufwärts um 2 m verbreitert oder ob der gegenwärtige, dem allge-
meinen Vcrkehrsinteressc nicht entsprechende Zustand verewigt werden solle.
In Bezug auf die Durchführung der Pferdebahn vom Rathhause
nach dem Schloßplatz würden, nach Verbreiterung der Königstraße auf
18 ui, Bedenken kaum erhoben werden können; das Königl. Polizei-
Präsidium habe sich bisher nur wegen der Enge der Straße ablehnend
dagegen verhalten.
Schließlich wurde auch noch die Frage, ob der Magistrat bereits
mit den betreffenden Grundstücksbesitzern verhandelt habe, verneinend
beantwortet. Derartige Verhandlungen hätten, so wurde bemerkt,
bisher in den seltensten Fällen zu einem greifbaren Resultat geführt,
wenn der Stadt nicht das Expropriationsrecht zur Seite gestanden
hätte. Erst jetzt habe man in der Angelegenheit wegen Verbreiterung
der Gertraudtenstraße wieder die Erfahrung gemacht, wie hoch die
Adjazenten anfänglich ihre Forderungen stellen, um sie später, wenn
die Enteignung droht, ganz erheblich zu ermäßigen. Mil der er
folgenden Genehmigung zur Feststellung einer neuen Baufluchtlinie
erlange die Stadt übrigens auch das Recht zur Enteignung.
Hiermit endete die heutige Verhandlung. Eine Beschlußfassung
über die eingebrachten Anträge erfolgte nicht, dieselben sollen jedoch
dem Magistrat mit dem Ersuchen um schriftliche Beantwortung über
sandt werden.
Diese Anträge lauten folgendermaßen:
I. den Magistrat zu ersuchen, dem Ausschüsse eine Kostenberechnung
unter Beifügung von Plänen (Skizzen für die einzelnen
Mitglieder des Ausschusses) der bei der Verbreiterung des
ganzen Straßenzuges in Frage kommenden Grundstücke mit
Angabe der projektirten Baufluchtlinie vorzulegen
1. über die Beseitigung der Häuser am Schloßplatz,
2. über die Verbreiterung der Königstraße an der Nordseite,
3. über die Verbreiterung der Königstraße an der Südseite
a) unter Anlegung des Kolonnadenganges von Burg-
bis Poststraße,
i>) unter Beseitigung der alten Post nach der projektirten
Baufluchtlinie,
e) unter Festsetzung der Baufluchtlinie von Post- bis
Spandauerstraße,
ä) unter Abbruch der Häuser von Post- bis Spandauer
straße;
II. den Magistrat ferner um Auskunft zu ersuchen,
a) ob mit dem Königl. Hausministerium über einen zu
zahlenden Beitrag, bezw. eine anderweitige Unterstützung
des Projektes in Verbindung getreten ist oder zu treten
beabsichtigt wird,
b) ob das Königl. Schloß einen eigenen Gutsbezirk bildet,
c) wie die Finanzverhältnisse Berlins sich in der nächsten
Zukunft, namentlich mit Rücksicht auf die projektirte Ein
verleibung der Vororte voraussichtlich gestalten werden,
d) ob die Genehmigung zur Durchlegung der Pferdebahn
Rathhaus—Schloßplatz ertheilt werden wird;
III. dem Magistrat mitzutheilen, daß es für erforderlich erachtet
worden sei, durch direkte Verhandlungen mit den betreffenden
Grundstücksbesitzern die Forderungen derselben festzustellen.
v. w. o.
Langerhans. Hütt.
Zu Nr. 260.
II.
Verhandelt Berlin, den 22. März 1893.
Anwesend:
Stadtv.-Vorsteher vr. Langerhans, Vorsitzender,
Stadtv. Baute,
- Cassel.
- Frentzel,
- Heilmann,
- Herbig,
- Hütt,
- Meyer I,
- Sachs I,
- S a ch s II,
- Schem,
- Seeger,
- Seibert,
- Seile.
Als Vertreter des Magistrats:
Stadtrath Voigt,
- Meubrink,
Stadtbaurath Ho brecht,
Stadtbauinspektor Gottheiner.
Es fehlte:
Stadtv. vr. Hermes, entschuldigt.
Die in der vorigen Sitzung des Ausschusses eingebrachten und dem
Magistrat mit dem Ersuchen um Beantwortung übersandten Anträge
sind von den Herren Magistrats-Kommissarien Voigt, Meubrink