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Der Kursstand der Berliner Stadtanleihe sei bisher immer etwas
niedriger gewesen als der der Staatspapiere, und werde daher nicht
darauf gerechnet werden können, daß eine 3 1 /» pCt. Stadtanleihe den
Kurs der 3'/- pCt. Staatsanleihe erreichen werde. Es frage sich
nun, ob man annehmen könne, daß der Zinsfuß von 3*/, pEt. ein
dem jetzigen Geldmärkte entsprechender sei. Andererseits aber seien die
städtischen Behörden, die sogleich mit der Herabsetzung des Zinsfußes,
der erst recht langweilig wirken kann, vorgegangen, wenn es möglich
gewesen sei, sondern sie hätten immer so lange damit gewartet, bis
sie geboten gewesen und sich nicht mehr gut verschieben ließ. Er, der
Vorsitzende, spreche sich auch jetzt noch für die Festhaltung des Zins
fußes von 4pCt. aus. Von verschiedenen Seiten wurde es ebenfalls
als nicht richtig bezeichnet, wenn die Kommunalbehörden schon jetzt
eine 3 Vs procentige Anleihe beschließen würden; der von dem Staate
mit einer solchen Anleihe unternommene sehr kleine Versuch könne nach
den Wahrnehmungen, welche hinsichtlich dieser Anleihe an der Börse
gemacht würden, der Kommune keine Veranlassung geben, in gleicher
Weise vorzugehen. Das Risiko bei der Festsetzung eines Zinsfußes
von 3 1 /» pSt. sei zu groß, namentlich wenn es sich um Aufnahme einer
größeren Anleihe handele. Die Stadtgemeinde sei schon einmal ge
nöthigt gewesen, den Zinsfuß einer 3V- procentigen Anleihe recht stark
zu erhöhen.
Für eine Anleihe ä 3V» PCt. werde jetzt höchstens eine Valuta
von 97, Andere meinen nur 96pEt., zu erlangen sein, während für
eine 4 procentige Anleihe voraussichtlich 102 pEt. erzielt werden
würden.
Diese Kursdifferenz rechtfertige die Entschließung für eine 4 pro-
centige Anleihe vollkommen, denn der Gewinn von mindesteus 5 pEt.
repräsentire eine respectable Summe, von welcher man auch noch die
Zinsen in Betracht ziehen müßte.
Für diese 5 pCt- nebst Zinsen kann man, wenn berücksichtigt
werde, daß in den ersten vier bis fünf Jahren nicht amortisirt werden
würde, sehr bequem mindestens 12 Jahre hindurch V- pSt. mehr
Zinsen geben. Stelle man die Summe gegenüber, welche einerseits
für eine 3V> pSt. bezw. 4 pSt. Anleihe erzielt werde, andererseits
für die Verzinsung und Amortisation einer jeden Anleihe aufzuwenden
sei, so ergebe sich, daß die letztere Summe bei der 4 pCt. Anleihe
verhältnißmäßig niedriger sei. Man sollte sich deshalb für die letztere
Anleihe entschließen, deren Konvertirung, wenn sie sich als gerecht
fertigt erzeigen sollte, sodann zur geeigneten Zeit erfolgen könnte. Ein
Bedenken gegen die letztere Maßnahme könne man durchaus nicht
haben, da eine solche durch die Kündbarkeit der Anleihe immer vor
behalten sei. Wenn also nach einer Reihe von Jahren mit der Kon
vertirung vorgegangen werden sollte, so würde darin keineswegs eine
auffällige oder nicht gerechte Maßnahme erblickt werden können, über
dies sei es ja dann der Kommune immer noch unbenommen, in Rück
sicht auf den erzielten Gewinn eine Prämie zu bewilligen. Sollte sich
aber ergeben, daß die Konventrung schon in nächster Zeit vorgenommen
werden könnte, wo die Anleihe noch nicht vollständig begeben sei, so
würde, ebenso wie dies mit der 4pSt. Anleihe äo 1878 geschehen,
der noch vorhandene Bestand von Anleihescheinen auf 3V» pSt. ab*
zustempeln fein.
Für eine 3V>pSt. Anleihe wurde geltend gemacht, daß es durch
aus vermieden werden müsse, jetzt eine Anleihe zu einem Zinsfüße zu
beschließen, dessen Herabsetzung in naher Zeit zu erwarten stehe; der
Zug sei nach einem billigeren Zinsfuß hin. Es würde ei» solcher von
3V- pSt. nach der gegenwärtigen Lage des Geldmarktes ein ange
messener und eine mit 3*/, pSt. verzinsliche Anleihe für 97 pSt.
leicht unterzubringen sein.
Allerdings sei für eine vierprocentige Anleihe ein höherer Kurs
zu erzielen, dafür erfordere sie aber auch jährlich '/- Procent Zinsen
mehr.
Es käme auch in Betracht, daß diese Anleihe, wenn dieselbe unter
pari stände, nicht zum Nennwerthe eingelöst werden brauchte, indem
die erforderlichen Amortisationsquanten an der Börse angekauft werden
könnten, wodurch immer noch wieder der Kurs gestützt werden
würde.
Es wurde von anderer Seite das Bedenken angeregt, ob die
Staatsbehörde die Aufnahme einer 3 1 /» pSt. Anleihe genehmigen
werde, man würde, falls eine solche Anleihe beabsichtigt werde, erst
bei der zuständigen Stelle darüber anfragen müssen, ehe man einen
solchen Beschluß fasse.
Schließlich wurde über die gestellte Frage abgestimmt, und ergab
sich hierbei, daß neun Stimmen gegen sieben für die Festsetzung des
Zinsfußes auf 4 pSt. abgegeben wurden.
Hiermit wurde die Sitzung geschloffen.
a. u. s.
gez. Runge. Loewe. Sarre. Mamroth.
Stadthagen. Frentzel. Wolfs.
Berlin, den 23. Januar 1886.
Der Stadtverordneten-Vorsteher
Büchtemann.
Druck von Gebrüder Grunert, Berlm.