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Volume No. 29 (254-273), 3. April 1886

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1886 (Public Domain)

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unisomehr die Uebereinstimmung Wohlderselben zu finden, als durch 
deren Beschluß vom 7. Juni 1883, Protokoll Nr. 12, eine solche Vor 
lage als erwünscht bezeichnet worden ist. 
Der erwäbnte Beschluß lautet wörtlich: 
Die Stadtverordneten-Versammlung ersucht den Magistrat: 
1. pp. 
2. ihr — sobald es die Verhältnisse gestatten — eine Vor 
lage zu machen, um in Ergänzung des bereits erlassenen 
Gemeindebeschlusscs, betreffend die Einführung des Schlacht- 
zwanges in Berlin, gemäß der durch Artikel I, §. 2, 
Nr. 2 und 3 des Gesetzes vom 9. März 1881 ertheilten 
Vollmacht, weitere statutarische Anordnungen dahin zu 
treffen, daß 
a) alles nicht in dem öffentlichen Schlachthause auf dem 
Central-Viehhofe ausgeschlachtete frische Fleisch in dem 
Gemeindebczirk Berlin nicht eher feilgeboten werden 
darf, bis es einer Untersuchung durch Sachverständige 
gegen eine zur Gemcindekasse fließende Gebühr unter 
zogen ist, 
b) in Gastwirthschaften und Speisewirthschaften frisches 
Fleisch, welches von auswärts bezogen ist, nicht eher 
zum Genusse zubereitet werden darf, bis es einer 
gleichen Untersuchung unterzogen ist. 
Die Gründe, welche die Ergänzung des Ortsstatuts angezeigt er 
scheinen lassen, sind sehr verschiedener Natur. 
An der Spitze steht selbstverständlich das Interesse, welches über 
haupt zum Schlachtzwange geführt hat, die Fürsorge für die Gesund 
heit der Bevölkerung. Nach dieser Richtung hin haben wir uns über 
zeugen müssen, daß die vorhandenen Bestimmungen, so sehr sic sich 
auch bewährt haben, nicht vollständig ausreichen, um dem Publikum 
eine volle Gewähr dafür zu geben, daß alles von ihm gekaufte Fleisch 
einer sachverständigen Untersuchung unterzogen ist. 
Zwar bestimmt 8. 3 des Gemeindebeschlusscs vom 15./>6. Juni 1882 
daß das nicht auf dem städtischen Central-Schlachthofe ausgeschlachtete 
frische Fleisch gesondert feilgeboten werden müsse. Es sollte damit 
jedem Consumentcn die Möglichkeit gegeben werden, nur auf dem 
hiesigen Schlachthof ausgeschlachtetes Fleisch, welches in Betreff der 
Untersuchung volle Sicherheit gewährt, zu kaufen, alles übrige Fleisch 
aber zurückzuweisen. Es hat sich indessen gezeigt, daß diese Vorschrift 
noch auf sehr große «Schwierigkeiten stößt und ihren Zweck nicht voll 
erfüllen kann. Fast alle diejenigen hiesigen Händler, welche Fleisch 
verkaufen, führen, mit wenigen Ausnahmen, mindestens zu gewissen 
Zeiten in ihren Läden sowohl, als auf den Märkten neben dem von 
dem Berliner Schlachthofe herrührenden Fleisch anderes Fleisch, das 
nach Berlin importirt ist. Sie alle haben kein Interesse, das importirte 
Fleisch von dem hiesigen Fleisch streng zu unterscheiden: thäten sie 
dies, so würde sich bald ein Preisunterschied zum Nachtheil des 
importirten Fleisches herausstellen. Dazu kommt — was die tägliche 
Erfahrung zeigt — daß bei dem beschränkten Raume der einzelnen 
Verkaufsstände auf den Märkten und bei der fast beseitigten Erkennbar 
keit der zerkleinerten Fleischstücke eine Kontrolle nicht nur überaus 
schwierig, sondern sogar ganz unmöglich ist und demzufolge die zahl 
reichen Fälle, in welchen aus Vorsatz oder Versehen gegen die Vor 
schrift verstoßen wird, sich nicht feststellen lassen, also auch nicht be 
straft werden können. Hierdurch wird aber jede Bürgschaft für den 
Käufer, daß ihm gesunde Waare geliefert werde, aufgehoben. 
Vielfach wird die Behauptung aufgestellt, und namentlich von 
den auswärtigen Schlächtern zu begründen gesucht, daß das auswärts 
ausgeschlachtete Fleisch auch untersucht werde und als ebenso gesund 
anzusehen sei, als das von dem hiesigen Central-Schlachthof herrührende. 
Diese Behauptung ist durchaus unrichtig. Es ist nicht wahr, daß 
alles auswärts ausgeschlachtete Fleisch untersucht wird; es findet 
vielmehr eine vollständige sachverständige Untersuchung der lebenden 
und der geschlachteten Thiere fast nur in großen und mittleren Städten 
statt und auch da nur in ausreichendem Maße, wo Schlachthäuser 
vorhanden sind. Selbst die Trichinenschau ist nicht einmal überall 
verbreitet und oft wird sie in ganz ungenügender Weise durchgeführt. 
Dagegen giebt es, wie durch amtliche Organe festgestellt worden ist, 
in vielen Orten, namentlich der weiteren Umgegend Berlins, Schlacht 
stätten, in denen für den Konsum der Hauptstadt Vieh aller Art, 
welches mit mehr oder weniger schlimmer Krankheit behaftet ist, ge 
schlachtet wird, ohne daß es möglich ist, dem entgegen zu treten. Es 
ist ein altes, oft als wahr nachgewiesenes Wort, daß in einem gewissen 
Kreise um unsere Stadt kaum ein Schlachtthier an einer Krankheit 
verendet. Leider muß auß.rdcm gesagt werden, daß der 8- 4 des 
Gemeindebeschlusses, welcher den hier ansässigen Schlächtern untersagt, 
das von ihnen innerhalb von 8 km im Umkreise des Weichbildes der 
Stadt geschlachtete frische Fleisch hier feilzubieten, fortgesetzt über 
treten wird. 
Wir haben zwar bereits eine ganze Reihe von Contravenicnten 
zur Verfolgung und Bestrafung bringen können; in der Mehrzahl der 
Fälle pflegt das aber nicht zu gelingen, weil Entdeckung und Ueber- 
sührung zu viel Schwierigkeit bietet. 
Es ist anzunehmen, daß die Coutravcntionen wesentlich um des 
willen begangen werden, weil die hiesigen Schlächter, welche außerhalb 
schlachten, dies nur thun, um der Beschlagnahme erkrankter Schlacht- 
thiere, die sie zerstückeln und in einzelnen Theilen verkaufen wollen, 
zu entgehen. Namentlich handelt es sich dabei sehr oft um finnige 
Schweine, aber auch um andere Thiere, namentlich um kranke Rinder. 
Daß nur ein Theil der Aufgabe, welche die Stadt bei Einführung 
des Schlachtzwanges sich gestellt hak, gelöst wird, wenn allein das im 
öffentlichen Schlachthause ausgeschlachtete Fleisch untersucht wird, ist 
klar. ES wird damit bei weitem nicht das, was erstrebt werden muß, 
erreicht, nämlich die Beseitigung alles ungesunden und oft auch ekel 
haften Fleisches. Nur wenn die große Masse des eingeführten Fleisches 
ebenfalls untersucht wird, kann dem wünschcnswerthcn Ziele mindestens 
sehr nahe gekommen werden. 
Endlich glauben wir auch, daß die von uns in Aussicht ge 
nommene Maßregel der Gerechtigkeit und Billigkeit entspricht und 
machen wir uns in dieser Beziehung die Gründe,' welche die Inter 
essenten des Schlächtergewerbes dafür einsetzen, zu eigen. 
Wenn wir auch nur ungern und mit Widerstreben dem freien 
Verkehr Schranken setzen mögen, so kann doch selbstverständlich von 
uns nicht so weit gegangen werden, daß die auswärtigen Interessenten 
vor den hiesigen begünstigt werden, und daß wir von den Letzteren 
Bürgschaften für die sanitären Verhältnisse der Stadt verlangen, die 
wir Jenen erlassen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die aus 
wärtigen Gewerbetreibenden, welche nicht untersuchen lassen und des 
halb die Gebühren der Untersuchung, das Schlachtgeld, und was weit 
mehr in Betracht kommt, die anderweitigen durch das Schlachten auf 
dem städtffchen Central-Schlachthofe erwachsenden Unkosten, sowie den 
Verlust bei beanstandetem und konfiscirtcm Fleische zu tragen haben, 
ihre Waare billiger als die hiesigen Schlächter absetzen können und 
daß letztere mit gewisser Berechtigung fürchten, schließlich nicht mehr 
voll konkurrenzfähig bleiben zu können So wird zwar nicht ent 
schuldigt, aber doch erklärlich, daß die hiesigen Schlächter sich oft ver 
führen lassen, in der oben geschilderten Weise gegen das Orisstatat 
zu verstoßen und es kaun auch nicht Wunder nehmen, wenn, was 
bereits in mehreren Fällen geschehen ist, hiesige Schlächter, um dem 
§• 4 des Gemeindebeschlusscs zu entgehen, ihren Wohnsitz aus Berlin 
hinaus verlegen. 
Wenn dieses letztere auch für sich allein nicht bestimmend auf die 
Entschlüsse der städtischen Verwaltung wirken darf, so bleibt doch 
immerhin zu beachten, daß, wenn dem jetzigen Zustande ein Ende nicht 
gemacht ivird, die auswärtigen Schlachtungen noch zunehmen können 
und damit einer Abnahme der Schlachtungen auf dem städtischen 
Schlachthofe und sodann auch eine Erhöhung der Schlachtgelder her 
beigeführt wird, wodurch die hiesigen Gewerbetreibenden noch nach 
drücklicher geschädigt werden würden. 
Eine eingehende Koutrole darüber, daß alles importirte Fleisch 
vor dem Verkauf zur Untersuchung vorgelegt wird, dürfte sich erst 
dann in vollem Maße erreichen lassen, ivenu der Fleischverkanf von 
den offenen Märkten durchweg in die Markthallen verlegt sein wird, 
so daß also die Errichtung der Markthallen auch für die Durch 
führung des Schlachztwanges als letztes Glied der Kette sich den bis 
her ergriffenen Maßregeln anreihen wird. 
Aber wenn zunächst auch nur erst vier Markthallen in's Leben 
treten können und wenn die übrigen nothwendigen Untersuchungs 
stationen in der Nähe der großen Märkte eingerichtet werden, so wird 
damit doch schon die Untersuchung des von auswärts eingeführten 
Fleisches sehr erleichtert. 
Wir beabsichtigen deshalb mit der Einführung der in Rede 
stehenden Maßregel sobald als möglich nach der Eröffnung der Markt 
hallen vorzugehen. Die Untersuchung gleichzeitig mit der Eröffnung 
dieser Etablissements stattfinden zu lassen, erscheint indeß nicht möglich, 
weil zunächst Erfahrungen darüber gesammelt werden müssen, ii» 
welcher Weise die Markthallen den Fleischimport umgestalten werden, 
— was zweifellos der Fall sein wird — um dementsprechend die er 
forderlichen Einrichtungen zweckmäßig treffen zu können. Als äußersten 
Termin haben wir den 1. October er. in Aussicht genommen, wir 
hoffen aber, daß mit der Untersuchung schon früher wird begonnen 
werden können. 
Eine weitere Ergänzung des Gemeindebeschlusscs vom 15./16. Juni 
v. I. auch noch im Sinne des §. 2 Nr. 3 des Gesetzes, wonach iu 
Gast- und Speisewirthschaften frisches, von auswärts bezogenes Fleisch 
nicht eher zum Genusse zubereitet werden darf, bis es einer Unter 
suchung unterzogen ist, können wir trotz des oben angeführten Be 
schlusses der Stadtverordneten-Versammlung vom 7. Juni 1883 zur 
Zeit nicht empfehlen. Gewiß wäre auch diese Untersuchung, für welche 
das Polizei-Präsidium und der Herr Ober-Präsident eingetreten sind, 
erwünscht, aber wir können uns der Ueberzeugung nicht verschließen, 
daß dieselbe in Berlin zur Zeit ganz unmöglich ist, weil es gegen 
wärtig noch an einer gesetzlichen Grundlage fehlt, die Restaurateure 
zwangsweise dazu anzuhalten, daß sie das von ihnen zum Genuß in 
ihren Restaurationen bestimmte Fleisch rechtzeitig in die Untersuchuugs- 
stationen bringen. Da die Untersuchung des Fleisches vor der Zu 
bereitung in der Restauration erfolgen muß, so würde, da die Prüfung 
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