ad JW 13,
(133.)
V
Vorlage,
welche den Zeitungen nicht mitgetheilt ist.
133. Vorlage (I. - Nr. 185 0. B. 86) - zur Beschluß
fassung —, betreffend die Bewilligung einer laufende»
Unterstützung.
Die Stadtverordneten - Versammlung ersuchen wir, folgenden
Beschluß zu fassen:
Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, daß
der Tochter des verstorbenen Assessors bei der Armen-
Direction Paul Schneider, Fräulein Auguste Schneider,
vom 1. März d. Js. ab eine jährliche Unterstützung von
900 JC so lange gezahlt werde, als dieselbe im unversorgten
und ledigen Stande verbleibt.
Begründung:
Der am 21. November v. Js. verstorbene Assessor der Armen-
Direction Paul Schneider hat 2 Kinder:
Auguste, geboren am 7. Juli 1861 und
Paul, geboren am 7. Juni 1863,
hinterlassen.
Das Gehalt des Verstorbenen betrug Anfangs 2 400 JC und
nach allmäliger Steigerung in den letzten Jahren incl. einer persönlichen
Zulage von 600 JC — 6 600 JC- Da der Verstorbene Vermögen
nicht besaß und neben der Bestreitung der Kosten für seinen Haushalt
und die Erziehung seiner Kinder noch unvermögende nahe Verwandte
unterstützte, so konnte er Ersparnisse für seine Kinder nicht machen
und hat außer dem Betrage einer Lebens-Versicherungs-Police von
3 300 JC Vermögen nicht hinterlassen.
Der Sohn ist Lithograph und wird sich für die Folge selbst
erhalten müssen, anders verhält es sich dagegen mit der Tochter; der
Zustand derselben läßt nach dem hier beigefügten ärztlichen Atteste des
Geheimen Sanitätsraths vr. Schulze vom 16. December v. Js., dem
sich das ebenfalls beigefügte Attest des Generalarztes a. D. vr. Hed inger
vom 17. desselben Monats im Wesentlichen anschließt, schlummernde
Lungentuberculose befürchten und muß Fräulein Schneider, um nicht
der Schwindsucht zum Opfer zu fallen, Anstrengungen und Entbehrungen
zu vermeiden suchen. — Einen selbstständigen Lebenserwerb hat
Fräulein Schneider nicht ergreifen können, da sie, in frühester
Kindheit der Mutter beraubt, nach Beendigung ihrer Erziehung dem
Vater die Wirthschaft geführt hat. — Durch dessen Tvd ist Fräulein
Schneider sehr hart betroffen und aus auskömmlichen Verhältnissen
in die drückendste Lage versetzt. Ihr Bruder ist noch ohne festen
Verdienst, überhaupt geistig wenig begabt und wird voraussichtlich nie
in der Lage sein, seiner Schwester helfend zur Seite zu stehen. Ver
wandte, welche Fräulein Schneider unterstützen könnten, hat dieselbe
nicht. Eine Tante, Schwester ihres Vaters, hat nur ein nothdürftiges
Auskommen.
Im Hinblick auf die lange, mehr als 32 jährige verdienstvolle
Thätigkeit des verstorbenen Assessors Schneider, welcher unter An
spannung aller seiner Kräfte unausgesetzt bis zu seiner schweren, den
Tod herbeiführenden Krankheit mit unermüdlichem Eifer seine Amts
pflichten erfüllt und der Armen-Vcrwaltung ersprießliche Dienste geleistet
hat, halten wir es für unsere Pflicht, für seine unterstützungsbedürftige
Tochter, Poststr. 8 wohnhaft, in der hiermit beantragten Weise
einzutreten.
Berlin, den 27. Januar 1886.
Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt,
gez. von Forckenbeck.
Berlin, den 20. Februar 1886.
Der Stadtverordneten-Vorsteher
Büchtemaun.
Druck von Gebrüder Grunert, Berlin.