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Mit den Borschlägen der Subkommission einverstanden, bemerken
wir zunächst, daß wir den ad 6 gestellten Antrag,
für die Nichtinnehaltung und für die obne Genehmigung
der Behörde vorgenommenen Fahrplanänderungen Kon
ventionalstrafen festzusetzen,
von vornherein von der weiteren Berathung ausgeschlossen haben, weil
wir zwar verträgsmäßig ein Recht auf Genehmigung des Fahrplans
haben, gesetzlich aber uns eine Mitwirkung bei Feststellung desselben
nicht zusteht und andrerseits die Polizei-Behörde in der Lage ist, auch
wider Willen der Gemeindebehörde den Fahrplan zu bestimmen, so daß
die Pferdebahn - Gesellschaft unter Umstünden polizeilich gezwungen
werden kann, wider unseren Willen den Fahrplan zu ändern bezüglich
aufzustellen. Es ist daher mit gutem Bedacht die Festsetzung einer
Strafe auf Fahrten nach einem von uns nicht genehmigten Fahrplane
von uns nicht erfolgt, während wir sie bei Fahrten nach einem von
uns nicht genehmigten Tarife haben eintreten lassen, da bei der Fest
setzung der Tarife die Polizei-Behörden ohne Uebereinstimmung des
Gemeindevorstandes nicht beschließen können.
Was die übrigen Anträge anlangt, so haben wir auf dieselben
folgendes zu erwidern:
Zu 1 und 2. Nach den mit der Großen Berliner Pferdeeisenbahn-
Aktiengesellschaft gepflogenen Verhandlungen werden bis auf weiteres
versuchsweise folgende Verkehrseinrichtungen getroffen werden:
1. Vom Bahnhof Gesundbrunnen werden 2 Wagen, der erste
um 5 Uhr, der zweite um 5 Uhr 15 Min. über das Rosen-
thaler Thor nach dem Oranienburger Thor abgelassen. Fahr
zeit 28 Minuten. Der erste Wagen fährt um 5 Uhr 35 Min.,
der zweite um 5 Uhr 50 Min. vom Oranienburger Thor
nach dem Gesundbrunnen zurück.
2. Im Anschluß an diesen Verkehr werden nach Ankunft der
Wagen vom Gesundbrunnen, vom Rosenthaler Thor zwei
Wagen, der erste um 5 Uhr 21 Min., der zweite um 5 Uhr
36 Min. nach Moabit (Stromstraße) abgelassen, wo dieselben
um 5 Uhr 50 Min. bezw. um 6 Uhr 5 Min. eintreffen.
3. Vom Bahnhof Müllerstraße werden 2 Wagen, der erste um
5 Uhr, der zweite um 5 Uhr 15 Min. nach der Weidendammer
Brücke abgelassen.
Dieselben gewähren Anschluß:
a) nach Moabit durch Umsteigen in die Frühwagen Rosen
thaler Thor — Moabit (zu 2), welche an der Ecke der
Chaussee- und Jnvalidenstraße um 5 Uhr 31 Min. und
5 Uhr 46 Min. eintreffen,
b) nach dem Rosenthaler Thore durch Umsteigen in die
vom Oranienburger Thor um 5 Uhr 35 Min. und
5 Uhr 50 Min. (zu 1) nach dem Gesundbrunnen zurück
fahrenden Frühwagen.
4. Von Rixdorf nach dem Halleschen Thor werden 2 Wagen,
der erste um 5 Uhr 10 Min., der zweite um 6 Uhr 10 Min.
abgelassen.
5. Vom Bahnhof Brandenburgstraße werden 2 Wagen, der erste
um 5 Uhr 19 Min., der zweite um 5 Uhr 34 Min. auf der
Ringbahn nach dem Landsberger Thor abgelassen.
Aus diesem Betriebe ergeben sich die in dem beiliegenden Fahr
plane zusammengestellten Frühwagcnverkehre. Mit Eröffnung des
Betriebs nach dem Winterfahrplan verkehren sämmtliche vorbezeichnete
Frühwagen je eine Stunde später.
Für jeden Frühwagenverkehr werden Wochenbillets von besonderer
Farbe nach beiliegendem Muster zum Preise von je 60 Pfennigen für
die Verkehre (ohne Wagenwechsel) zu I bis incl. VI und unter A des
Fahrplanes und von je 90 Pfennigen für die zusammengesetzten Verkehre
unter B des Fahrplans ausgegeben, welche an den 6 Wochentagen zur
je einmaligen Fahrt auf der einzelnen Linie, gleichviel in welcher
Ausdehnung, berechtigen. Eine Rückerstattung für die Nichtbenutzung
eines Wochenbillets oder für den Ausfall der Frühwagen an Feiertagen,
die auf Wochentage fallen, wird nicht gewährt. Dieselben gelten nur
für die Kalenderwoche, innerhalb deren sie gelöst sind, und nach Antritt
der Fahrt, nur für die Person, welche sie in Benutzung genommen hat.
Die Wochenbillets werden von den diensthabenden Schaffnern auf
dem Frühwagen verkauft.
Personen, ohne Unterschied des Standes, welche keine Wochenbillets
gelöst haben, haben für die Benutzung der Frühwagen den fahrplan
mäßigen Fahrpreis zu entrichten.
Die polizeiliche Genehmigung für den Frühwagen-Verkehr wird
demnächst durch die Direktion der Gesellschaft nachgesucht werden.
Weiter zu gehen, nehmen wir zur Zeit noch Anstand.
Wir werden die Resultate dieser ersten Versuche abwarten und
behalten uns, je nach Ausfall derselben, unsere weiteren Ent
scheidungen vor.
Das Verlangen, daß der regelmäßige Betrieb schon um 5 Uhr
Morgens beginne, und zwar Winter und Sommer gleichmäßig, sowie
ausnahmslos durch die ganze Stadt, haben wir nicht gestellt, da wir
ein Bedürfniß hierzu nicht anzuerkennen vermögen, im Uebrigen aber
die Richtigkeit der Entgegnung der Pferdebahn-Direktion nicht verkennen
können, daß zur Verwirklichung solchen Verlangens fast eine Ver
doppelung der Beamtenzahl und des Pfcrdebestandes nothwendig wäre,
da die erst spät nach Mitternacht für die Beamten und Pferde ein
tretende Ruhe schon zwischen 3—4 Uhr Morgens wiederum erneueter
Thätigkeit weichen müßte.
Zu 3. Dem Antrage, durch Ausgabe von Tagesbillets den von
der Arbeit zurückkehrenden Personen auch für die Abendstunden eine
Ermäßigung des Fahrgeldes zu gewähren, verinögen wir nicht zuzu
stimmen.
Abgesehen von der nicht zu übersehenden Tragweite, welche die
Einführung entsprechender Tagesbillets in finanzieller Beziehung für
die Pferdehahn-Gcsellschaft haben würde, fallen bei diesem Antrage
nicht diejenigen Faktoren inS Gewicht, welche für die Einrichtung von
Frühwagen und für die Ermäßigung des Fahrpreises in den Morgen
stunden insofern sprechen, als durch diese Einrichtung Zeit und Kraft
der die Frühwagcn benutzenden Personen gespart werden sollen. Ein
gleiches Bedürfniß liegt aber nach Schluß der Arbeitszeit, welcher
überdies zu den verschiedensten Stunden stattfindet, nicht vor.
Zu 4. Der Betrieb der Wagen ohne Kondukteure beschränkt sich
zur Zeit auf die 10 Pf.-Außenstrecken Moabit—Charlottenbnrg und
Tegeler Chaussee—Dalldorf, auf welchen gegenwärtig zusammen 6 Wagen
verkehren. Die Frequenz aus diesen Bahnstrecken ist nach Angabe der
Direktion der Pferdebahn-Gesellschaft eine so geringfügige, daß die
Einnahmen selbst bei der jetzigen Einrichtung zur Deckung nur der
Betriebskosten bei weitem nicht zureichen.
Irgend welche Unbequemlichkeiten für das Publikum haben sich
aus diesen Einrichtungen nicht ergeben. Dieselben sind übrigens in
vielen deutschen, englischen und amerikanischen Städten, z. B. im
dichtesten Verkehr von New-Aork seit jeher mit Erfolg durchgeführt;
und da auch nicht zu erwarten steht, daß solche Unbequemlichkeiten bei
einem Verkehr von so untergeordneter Bedeutung in Zukunft eintreten
werden, io können wir uns von der Nothwendigkeit der Durchführung
des gestellten Verlangens nicht überzeugen.
Zu 5. Die Lösung der Aufgabe, in welcher Weise das Ein
dringen der Zugluft in das Wageninnere beim Oeffnen der Vorder
perronthür zu beseitigen ist, begegnet manchen Schwierigkeiten.
Das Radikalmittel, das Stehen beim Kutscher zu verbieten, ist
augenscheinlich mit einem zu erheblichen finanziellen Verlust verbunden,
um in Frage zu kommen. Die Direktion der Großen Berliner Pferde
bahn-Gesellschaft hat, um das Eindringen der Zugluft möglichst
herabzumindern, seit Juni v. I. versuchsweise zunächst auf der Linie
Kreuzberg—Behrenstraße durch Wegfall des rechten Vorderperron-Ver
schlusses für die den Vorderperron benutzenden Fahrgäste einen
direkten Verkehr zwischen Vorderperron und der Straße eingerichtet,
wodurch die Oeffnung der Vorderperronthür unnöthig wird.
Diese zwar nicht ganz ungefährliche Einrichtung, welche indessen
der Polizei Veranlassung zur Beanstandung bisher nicht gegeben hat,
ist vor Kurzem zu weiteren Versuchen auf die Wagen der Linie
Gesundbrunnen—Molkcnmarkt ausgedehnt; die Pferdebahn-Direktion
beabsichtigt, bei fortgesetzt günsftgem Ausfall, diese Einrichtung auch
auf anderen Linien einzuführen.
Außerdem wird mit der Einrichtung kleinerer Oeffnungen in den
Wagenlhüren, durch welche das Zahlgeschäft bewirkt wird, vorgegangen;
wir haben die Pferdebahn-Gesellschaft ersucht, diese Maßregel, welche
sich, da wo sie schon besteht, nach unserer Auffassung bewährt hat,
recht schnell allgemein zur Durchführung zu bringen.
Die Einrichtung von Rauchkoupees erscheint uns nicht rathsam,
da einerseits dadurch der Verkehr im Innern der Wagen erheblich
beschränkt bezw. erschwert werden würde, andererseits aber durch die
Plätze auf den Perrons reichlich Gelegenheit zum Rauchen während
der im Allgemeinen nur kurzen Dauer der Benutzung der Wagen
geboten ist.
Zu 7. Die Einrichtung eines Eorrespondenz-Systcms ist nach
einer Mittheilung der Direktion der Pferdebahn-Gesellschaft wiederholt
Gegenstand der eingehendsten Erwägungen und Verhandlungen mit
dem Königlichen Polizei-Präsivium gewesen.
Man sei darüber klar geworden, so führt die Direttion aus, daß
die Einführung eines derartigen Systems von der Entschließung über
die Aufhebung und die weitere Ausbildung des Theilstrecken-Systems
abhängig zu machen sei und man sich darüber zu entscheiden habe,
welches von beiden Systemen für die hiesigen Verkehrsverhältnisse den
Vorzug verdiene.
Die Entscheidung sei für das Theilstrecken-System ausgefallen,
weil darüber kein Zweifel obwaltete, daß mit diesen dem Bedürfnisse
vollständig genügt würde und dasselbe insbesondere auch eine billigere
Beförderung zulasse, als diese bei der Einrichtung des Korrespondenz-
Systems geboten werden könne. Namentlich habe auch kein Zweifel
darüber bestanden, daß der 10 Pf. - Tarif neben dem Korrespondenz-
System nicht aufrecht zu erhalten sei und daß bei der dann noth
wendig werdenden Erhöhung der Tarifsätze die fraglichen Vortheile
aus dem letzteren System hinfällig werden würden
Demnächst muß aber noch hervorgehoben werden, daß nach der
Erklärung der Pferdebahn-Direktion bei den hiesigen Verkehrs-Ver
hältnissen und den streng gehandhabten Polizei-Vorschriften über die
Besetzung der Wagen cs nicht möglich ist, den Inhabern von Korre
spondenzbillets die erforderlichen Anschlüsse (Plätze) an andere Linien
zu garantiren und es sicher zu erwarten steht, daß sehr häufig mehrere