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Volume No. 55 (475-523), 29. August 1885

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1885 (Public Domain)

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Mit den Borschlägen der Subkommission einverstanden, bemerken 
wir zunächst, daß wir den ad 6 gestellten Antrag, 
für die Nichtinnehaltung und für die obne Genehmigung 
der Behörde vorgenommenen Fahrplanänderungen Kon 
ventionalstrafen festzusetzen, 
von vornherein von der weiteren Berathung ausgeschlossen haben, weil 
wir zwar verträgsmäßig ein Recht auf Genehmigung des Fahrplans 
haben, gesetzlich aber uns eine Mitwirkung bei Feststellung desselben 
nicht zusteht und andrerseits die Polizei-Behörde in der Lage ist, auch 
wider Willen der Gemeindebehörde den Fahrplan zu bestimmen, so daß 
die Pferdebahn - Gesellschaft unter Umstünden polizeilich gezwungen 
werden kann, wider unseren Willen den Fahrplan zu ändern bezüglich 
aufzustellen. Es ist daher mit gutem Bedacht die Festsetzung einer 
Strafe auf Fahrten nach einem von uns nicht genehmigten Fahrplane 
von uns nicht erfolgt, während wir sie bei Fahrten nach einem von 
uns nicht genehmigten Tarife haben eintreten lassen, da bei der Fest 
setzung der Tarife die Polizei-Behörden ohne Uebereinstimmung des 
Gemeindevorstandes nicht beschließen können. 
Was die übrigen Anträge anlangt, so haben wir auf dieselben 
folgendes zu erwidern: 
Zu 1 und 2. Nach den mit der Großen Berliner Pferdeeisenbahn- 
Aktiengesellschaft gepflogenen Verhandlungen werden bis auf weiteres 
versuchsweise folgende Verkehrseinrichtungen getroffen werden: 
1. Vom Bahnhof Gesundbrunnen werden 2 Wagen, der erste 
um 5 Uhr, der zweite um 5 Uhr 15 Min. über das Rosen- 
thaler Thor nach dem Oranienburger Thor abgelassen. Fahr 
zeit 28 Minuten. Der erste Wagen fährt um 5 Uhr 35 Min., 
der zweite um 5 Uhr 50 Min. vom Oranienburger Thor 
nach dem Gesundbrunnen zurück. 
2. Im Anschluß an diesen Verkehr werden nach Ankunft der 
Wagen vom Gesundbrunnen, vom Rosenthaler Thor zwei 
Wagen, der erste um 5 Uhr 21 Min., der zweite um 5 Uhr 
36 Min. nach Moabit (Stromstraße) abgelassen, wo dieselben 
um 5 Uhr 50 Min. bezw. um 6 Uhr 5 Min. eintreffen. 
3. Vom Bahnhof Müllerstraße werden 2 Wagen, der erste um 
5 Uhr, der zweite um 5 Uhr 15 Min. nach der Weidendammer 
Brücke abgelassen. 
Dieselben gewähren Anschluß: 
a) nach Moabit durch Umsteigen in die Frühwagen Rosen 
thaler Thor — Moabit (zu 2), welche an der Ecke der 
Chaussee- und Jnvalidenstraße um 5 Uhr 31 Min. und 
5 Uhr 46 Min. eintreffen, 
b) nach dem Rosenthaler Thore durch Umsteigen in die 
vom Oranienburger Thor um 5 Uhr 35 Min. und 
5 Uhr 50 Min. (zu 1) nach dem Gesundbrunnen zurück 
fahrenden Frühwagen. 
4. Von Rixdorf nach dem Halleschen Thor werden 2 Wagen, 
der erste um 5 Uhr 10 Min., der zweite um 6 Uhr 10 Min. 
abgelassen. 
5. Vom Bahnhof Brandenburgstraße werden 2 Wagen, der erste 
um 5 Uhr 19 Min., der zweite um 5 Uhr 34 Min. auf der 
Ringbahn nach dem Landsberger Thor abgelassen. 
Aus diesem Betriebe ergeben sich die in dem beiliegenden Fahr 
plane zusammengestellten Frühwagcnverkehre. Mit Eröffnung des 
Betriebs nach dem Winterfahrplan verkehren sämmtliche vorbezeichnete 
Frühwagen je eine Stunde später. 
Für jeden Frühwagenverkehr werden Wochenbillets von besonderer 
Farbe nach beiliegendem Muster zum Preise von je 60 Pfennigen für 
die Verkehre (ohne Wagenwechsel) zu I bis incl. VI und unter A des 
Fahrplanes und von je 90 Pfennigen für die zusammengesetzten Verkehre 
unter B des Fahrplans ausgegeben, welche an den 6 Wochentagen zur 
je einmaligen Fahrt auf der einzelnen Linie, gleichviel in welcher 
Ausdehnung, berechtigen. Eine Rückerstattung für die Nichtbenutzung 
eines Wochenbillets oder für den Ausfall der Frühwagen an Feiertagen, 
die auf Wochentage fallen, wird nicht gewährt. Dieselben gelten nur 
für die Kalenderwoche, innerhalb deren sie gelöst sind, und nach Antritt 
der Fahrt, nur für die Person, welche sie in Benutzung genommen hat. 
Die Wochenbillets werden von den diensthabenden Schaffnern auf 
dem Frühwagen verkauft. 
Personen, ohne Unterschied des Standes, welche keine Wochenbillets 
gelöst haben, haben für die Benutzung der Frühwagen den fahrplan 
mäßigen Fahrpreis zu entrichten. 
Die polizeiliche Genehmigung für den Frühwagen-Verkehr wird 
demnächst durch die Direktion der Gesellschaft nachgesucht werden. 
Weiter zu gehen, nehmen wir zur Zeit noch Anstand. 
Wir werden die Resultate dieser ersten Versuche abwarten und 
behalten uns, je nach Ausfall derselben, unsere weiteren Ent 
scheidungen vor. 
Das Verlangen, daß der regelmäßige Betrieb schon um 5 Uhr 
Morgens beginne, und zwar Winter und Sommer gleichmäßig, sowie 
ausnahmslos durch die ganze Stadt, haben wir nicht gestellt, da wir 
ein Bedürfniß hierzu nicht anzuerkennen vermögen, im Uebrigen aber 
die Richtigkeit der Entgegnung der Pferdebahn-Direktion nicht verkennen 
können, daß zur Verwirklichung solchen Verlangens fast eine Ver 
doppelung der Beamtenzahl und des Pfcrdebestandes nothwendig wäre, 
da die erst spät nach Mitternacht für die Beamten und Pferde ein 
tretende Ruhe schon zwischen 3—4 Uhr Morgens wiederum erneueter 
Thätigkeit weichen müßte. 
Zu 3. Dem Antrage, durch Ausgabe von Tagesbillets den von 
der Arbeit zurückkehrenden Personen auch für die Abendstunden eine 
Ermäßigung des Fahrgeldes zu gewähren, verinögen wir nicht zuzu 
stimmen. 
Abgesehen von der nicht zu übersehenden Tragweite, welche die 
Einführung entsprechender Tagesbillets in finanzieller Beziehung für 
die Pferdehahn-Gcsellschaft haben würde, fallen bei diesem Antrage 
nicht diejenigen Faktoren inS Gewicht, welche für die Einrichtung von 
Frühwagen und für die Ermäßigung des Fahrpreises in den Morgen 
stunden insofern sprechen, als durch diese Einrichtung Zeit und Kraft 
der die Frühwagcn benutzenden Personen gespart werden sollen. Ein 
gleiches Bedürfniß liegt aber nach Schluß der Arbeitszeit, welcher 
überdies zu den verschiedensten Stunden stattfindet, nicht vor. 
Zu 4. Der Betrieb der Wagen ohne Kondukteure beschränkt sich 
zur Zeit auf die 10 Pf.-Außenstrecken Moabit—Charlottenbnrg und 
Tegeler Chaussee—Dalldorf, auf welchen gegenwärtig zusammen 6 Wagen 
verkehren. Die Frequenz aus diesen Bahnstrecken ist nach Angabe der 
Direktion der Pferdebahn-Gesellschaft eine so geringfügige, daß die 
Einnahmen selbst bei der jetzigen Einrichtung zur Deckung nur der 
Betriebskosten bei weitem nicht zureichen. 
Irgend welche Unbequemlichkeiten für das Publikum haben sich 
aus diesen Einrichtungen nicht ergeben. Dieselben sind übrigens in 
vielen deutschen, englischen und amerikanischen Städten, z. B. im 
dichtesten Verkehr von New-Aork seit jeher mit Erfolg durchgeführt; 
und da auch nicht zu erwarten steht, daß solche Unbequemlichkeiten bei 
einem Verkehr von so untergeordneter Bedeutung in Zukunft eintreten 
werden, io können wir uns von der Nothwendigkeit der Durchführung 
des gestellten Verlangens nicht überzeugen. 
Zu 5. Die Lösung der Aufgabe, in welcher Weise das Ein 
dringen der Zugluft in das Wageninnere beim Oeffnen der Vorder 
perronthür zu beseitigen ist, begegnet manchen Schwierigkeiten. 
Das Radikalmittel, das Stehen beim Kutscher zu verbieten, ist 
augenscheinlich mit einem zu erheblichen finanziellen Verlust verbunden, 
um in Frage zu kommen. Die Direktion der Großen Berliner Pferde 
bahn-Gesellschaft hat, um das Eindringen der Zugluft möglichst 
herabzumindern, seit Juni v. I. versuchsweise zunächst auf der Linie 
Kreuzberg—Behrenstraße durch Wegfall des rechten Vorderperron-Ver 
schlusses für die den Vorderperron benutzenden Fahrgäste einen 
direkten Verkehr zwischen Vorderperron und der Straße eingerichtet, 
wodurch die Oeffnung der Vorderperronthür unnöthig wird. 
Diese zwar nicht ganz ungefährliche Einrichtung, welche indessen 
der Polizei Veranlassung zur Beanstandung bisher nicht gegeben hat, 
ist vor Kurzem zu weiteren Versuchen auf die Wagen der Linie 
Gesundbrunnen—Molkcnmarkt ausgedehnt; die Pferdebahn-Direktion 
beabsichtigt, bei fortgesetzt günsftgem Ausfall, diese Einrichtung auch 
auf anderen Linien einzuführen. 
Außerdem wird mit der Einrichtung kleinerer Oeffnungen in den 
Wagenlhüren, durch welche das Zahlgeschäft bewirkt wird, vorgegangen; 
wir haben die Pferdebahn-Gesellschaft ersucht, diese Maßregel, welche 
sich, da wo sie schon besteht, nach unserer Auffassung bewährt hat, 
recht schnell allgemein zur Durchführung zu bringen. 
Die Einrichtung von Rauchkoupees erscheint uns nicht rathsam, 
da einerseits dadurch der Verkehr im Innern der Wagen erheblich 
beschränkt bezw. erschwert werden würde, andererseits aber durch die 
Plätze auf den Perrons reichlich Gelegenheit zum Rauchen während 
der im Allgemeinen nur kurzen Dauer der Benutzung der Wagen 
geboten ist. 
Zu 7. Die Einrichtung eines Eorrespondenz-Systcms ist nach 
einer Mittheilung der Direktion der Pferdebahn-Gesellschaft wiederholt 
Gegenstand der eingehendsten Erwägungen und Verhandlungen mit 
dem Königlichen Polizei-Präsivium gewesen. 
Man sei darüber klar geworden, so führt die Direttion aus, daß 
die Einführung eines derartigen Systems von der Entschließung über 
die Aufhebung und die weitere Ausbildung des Theilstrecken-Systems 
abhängig zu machen sei und man sich darüber zu entscheiden habe, 
welches von beiden Systemen für die hiesigen Verkehrsverhältnisse den 
Vorzug verdiene. 
Die Entscheidung sei für das Theilstrecken-System ausgefallen, 
weil darüber kein Zweifel obwaltete, daß mit diesen dem Bedürfnisse 
vollständig genügt würde und dasselbe insbesondere auch eine billigere 
Beförderung zulasse, als diese bei der Einrichtung des Korrespondenz- 
Systems geboten werden könne. Namentlich habe auch kein Zweifel 
darüber bestanden, daß der 10 Pf. - Tarif neben dem Korrespondenz- 
System nicht aufrecht zu erhalten sei und daß bei der dann noth 
wendig werdenden Erhöhung der Tarifsätze die fraglichen Vortheile 
aus dem letzteren System hinfällig werden würden 
Demnächst muß aber noch hervorgehoben werden, daß nach der 
Erklärung der Pferdebahn-Direktion bei den hiesigen Verkehrs-Ver 
hältnissen und den streng gehandhabten Polizei-Vorschriften über die 
Besetzung der Wagen cs nicht möglich ist, den Inhabern von Korre 
spondenzbillets die erforderlichen Anschlüsse (Plätze) an andere Linien 
zu garantiren und es sicher zu erwarten steht, daß sehr häufig mehrere
	        
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