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Volume No. 6 (44-48), 24. Januar 1885

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1885 (Public Domain)

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46. Vorlage — (J.-Nr. 3 348 G. S. 84) zur Beschluß 
fassung —, betreffend die Verstärkung der städtischen 
Gewerbe-Deputation um 7 Mitglieder. 
Wir ersuchen die Stadtverordneten-Versammlung, zu beschließen: 
die durch Gemeindebeschluß vom 25^Seplember 1879 auf 
Grund des §. 59 der Städte-Ordnung vom 30. Mai 1853 
eingesetzte städtische Gewerbe-Deputation wird um 7 Mitglieder, 
wovon 3 dem Magistrats -Collegio, 
2 der Stadtverordneten-Versammlung 
angehören und weitere 2 Mitglieder aus der Zahl der stimm 
fähigen Bürger gewählt werden, verstärkt. 
Begründung. 
In unserer Vorlage vom 16. August 1879 (472, Nr. 81 der 
Drucksachen des Jahres 1879) haben wir die Nothwendigkeit der Bil 
dung einer eigenen neuen städtischen Verwaltungs-Deputation, 
in deren Geschäftskreis alle Gewerbe-Angelegenheiten städtischer 
Zuständigkeit oder Mitwirkung, einschließlich des gesammten 
gewerblichen Hilfskassenwesens, fallen, 
in eingehender Begründung dargelegt. Der stenographische Bericht 
über die Plenar-Verhandlung der Stadtverordneten-Versammlung vom 
25. September 1879, in welcher unsere Vorlage zur Annahme ge 
langte, ergiebt das volle Einverständniß Wohlderselben mit den unserer 
seits für die Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Einsetzung der 
neuen städtischen Verwaltungs-Abtheilung beigebrachten Motiven. — 
Die Gewerbe-Deputation besteht nach dem angezogenen Gemeinde 
beschluß zur Zeit aus 8 Stadtverordneten, 8 Bürgerpedutirten und 
5 Magistrats-Mitgliedern. — 
Die Gründe, welche zur Einsetzung der gedachten gemischten 
Deputation im Jahre 1879 geführt haben, bestehen heut zu Tage 
nicht nur fort, sondern haben sich in allen Beziehungen verstärkt. 
Vor Allem sind die Geschäfte derselben gewachsen. In steigendem 
Maße hat sich seit dem Jahre 1879 die Reichsgesetzgebung sowohl, 
wie die Landesverwaltung der Einwirkung auf die Verhältnisse der 
arbeitenden Klassen — dem socialpolitischcn Gebiet — zugewendet. 
Im Jahre 1881 wurde das Reichsgesetz vom 18. Juli 1881, 
betreffend die Abänderung der Gewerbe-Ordnung, publicirt. Dasselbe 
hat eine völlige Umgestaltung des Jnnungswesens zur Folge und 
zum Zweck. 
Abgesehen von mehreren seit dem Jahre 1881 reichsgesetzlich vor 
genommenen Abänderungen noch anderer Titel der Gewerbe-Ordnung 
vom 21. Juni 1869, ist jenes, die Reorganisation der Innungen 
betreffende Reichsgesetz durch die Novelle vom 8. December 1884 — 
welche unter gewissen Voraussetzungen die Rechte und Befugnisse der 
Innungen noch über den Rahmen des Reichsgesetzes vom 18. Juli 
1881 erweitert — ergänzt. Die Bethätigung der in erster Instanz 
durch uns zu beauffichtigenden gewerblichen Körperschaften hat hiernach 
ein wesentlich erweitertes Feld erhalten. 
Das gewerbliche Hilfskassenwesen hat durch das Reichsgesetz, 
betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883, 
eine gänzliche Umgestaltung erfahren. Die zweite noch bedeutsamere 
Stufe der durch das Reich beschlossenen socialpolitischcn Gesetzgebung 
— die Unfallversicherung der Arbeiter —, welche das Reichsgesetz vom 
6. Juli 1884 verordnet, ruht ganz wesentlich auf der zweckmäßigen 
Organisation des gewerblichen Hilfskassenwesens. 
Aber auch abgesehen von jenem Zusammenhang der Kranken 
versicherung mit der Unfallversicherung der Arbeiter ist eine nachhaltige, 
zweckmäßige Ordnung des Krankenkassenwesens schon für sich allein 
von hervorragendster Wichtigkeit für die Betheiligten. 
Es ist unserer Gewerbe-Deputation möglich gewesen, die Organi 
sation der Ortskrankenkassen mit dem gesetzlichen Termine des Inkraft 
tretens des Krankenversicherungs-Gesetzes vom 15. Juni 1883 — dem 
1. December 1884 — äußerlich zum Abschluß zu bringen. 
Die 66 organisirten Ortskrankenkassen und die bisher eingerichteten 
Betriebskassen, deren Verwaltung die Gewerbe-Deputation zu beauf 
sichtigen hat, enthalten nach den bisherigen Meldungen zusammen, bei 
mäßiger Rechnung 160 000 und mehr Mitglieder, d. h. das Doppelte 
der Mitgliederzahl des Jahres 1879. Eine die einschlagenden Zahlen 
verhältnisse veranschaulichende Tabelle ist dieser Vorlage beigefügt. 
Dabei mehrt sich die Anzahl der neu zu gründenden Kassen in 
jedem Monat. Der Verband der 66 organisirten Ortskrankenkassen 
im Gewerkskrankeuverein zur Ausübung der Krankenpflege wird den 
neuen Verhältnissen anzupassen sein. 
Die Geldangelegenheiten aller dieser Kassen und Verbände, deren 
innere Verwaltung, die ununterbrochene Fortbildung und Ausgestaltung 
aller dieser Neubildungen, bildet Geschäftszweige, bei deren Erledigung 
Gesetzeskenntniß und die dadurch bedingte richtige formale Behandlung 
im Interesse der Betheiligten nicht zu entbehren, aber nicht das allein 
Entscheidende sind. Vielmehr wird bei der großen Masse der zu 
treffenden Verfügungen die Kenntniß der konkretenVerhältnisse, derBedürf- 
nisse des in Betracht kommenden Gewerks von noch größerer Wichtigkeit 
sein. Sollen die vorliegenden sozialpolitischen Gesetze wohlthätig wirken, 
so muß deren Ausführung ebenso, wie im Gebiet der Stener- 
verwaltung, der Armen-, der Waisenpflege, des Schulwesens, nicht 
ausschließlich in den Händen der Berufsbeamten und specifischen 
Techniker liegen. Vielmehr muß die Betheiligung im Ehrenamt 
stehender Bürger, deren Kenntniß der praktischen Lebensverhältnisse, 
wie der Bedürfnisse des Einzelfalles hinzutreten. Wo diese Betheili 
gung fehlt, ist — wie auch sonst überall — die Gefahr vorhanden, 
daß an Stelle individueller und concreter Behandlung die mehr 
schablonenhafte bureaukratische Erledigung tritt, was, wenn irgendwo, 
bei den hier vorliegenden Angelegenheiten vermieden werden muß. — 
Der Umfang der hiernach schon im Gebiet des Krankenkassen 
wesens zu erledigenden Geschäfte — welche in absehbarer Zeit eher 
zu-, als abnehmen, welche ebenso auf Jahre hinaus Erledigung fordern 
werden, kündigt sich schon jetzt dadurch an, daß die in der Gewerbe 
deputation bestehende Commission für das gewerbliche Hilfskassenwesen 
im Jahre 1884 38 Sitzungen, das Comite des Gewerkskrankenvereins 
14 Sitzungen abgehalten hat. Alles dies zu einer Zeit, wo es nur 
galt, die jetzige Organisation einzuleiten und vorzubereiten, nicht, wie 
jetzt erforderlich, zu festigen, fortzuführen und zu überwachen. — 
Eine ähnlich gesteigerte Thätigkeit erfordert das Jnnungswesen, 
welches durch die neueste Gesetzgebung in engere Fühlung zur Gemeinde, 
als Auffichtsbehörde, gelangen muß. Wir führen in dieser Beziehung 
nur beispielsweise an, daß im abgelaufenen Quartal etwa 30 Innungs- 
Versammlungen stattgefunden haben, bei welchen die Anwesenheit eines 
Abgeordneten der Gemeindebehörde vorgeschrieben und erforderlich war. 
Soll die unverkennbare gesteigerte Regsamkeit und das mehr 
hervortretende Leben in den mit weitergehenden Vorrechten ausgestatteten 
Innungen den allgemeinen Interessen aller Betheiligten förderlich sein, 
so müssen die gesetzlich geordneten Beziehungen aller dieser Einzel- 
Korporationen, — welche sich nach und nach im Innungs-Ausschuß 
einen Kollcktivverband geschaffen haben, — zu der die Gesammt- 
Jnteresscn vertretenden Gemeindeverwaltung sorgfältig und nachhaltig 
aufrecht erhalten und soviel als möglich gefördert werden. 
Auch hier ist die Thätigkeit im Ehrenamt stehender Bürger nicht 
zu entbehren. 
Das eben Gesagte gilt in gleichem Maße von unseren gewerb 
lichen Fachbildungsanstalten, deren Fortschritte und Erweiterung nur 
durch das Zusammenwirken technischer Sachverständiger mit der 
Kenntniß und Lebenserfahrung jener Elemente gesichert werden können. 
Allein die Generalien der Gewerbedeputation, — also die all 
gemeinen und principiell zu behandelnden Sachen, — weisen nach 
einem uns vorliegenden amtlichen Ausweise seit October 1879 eine 
Vermehrung um das Vierfache nach. Weitere zahlenmäßige Nachweise 
über das außergewöhnliche Steigen der Geschäfte der Deputation 
stehen uns reichlich zu Gebote. Wir glauben aber für diese Thatsache 
schon im Vorstehenden Ausreichendes beigebracht zu haben. 
Die vorhandene Mitgliederzahl der Deputation — es sind deren 
wie schon gesagt — 21 — hat für die gesetzlich vorgeschriebene oder 
sonst unbedingt nothwendige Mitwirkung derselben bei Jnnungs- und 
sonstigen Versammlungen und für die Geschäfte der täglich laufenden 
Verwaltung nicht ausgereicht. 
Bei jeder, wesentlich aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehenden 
Verwaltungsdeputation finden sich Lücken und mehr oder minder an 
dauernde Manquements durch Krankheit oder sonstige anderweitige 
Behinderung der Mitglieder. Eine feste und relativ wenig veränderliche 
Gcschäftsvertheilung mit ebenso sicherer Substitution der Mitglieder 
unter einander, wie bei lediglich aus Berufsbeamten bestehenden 
Kollegien, lassen städtische Verwaltungskörper, bei welchen die Mehrzahl 
der Mitglieder im Ehrenamt steht, nicht völlig zu. Sie erfordern 
deshalb eine stärkere Mitgliederzahl als jene. 
Wir haben uns davon überzeugt, daß, wenn die Gewerbedeputation 
ihrer in unserer Vorlage vom 16. August 1879 eingehend dargelegten 
Aufgabe, deren Umfang nach den vorstehenden Ausführungen weit 
über unsere damaligen Erwartungen hinaus, sich gesteigert hat, gerecht 
werden soll, sie der durch uns vorgeschlagenen Verstärkung um weitere 
7 Mitglieder bedarf. 
Das Kollegium würde sonach aus 10 Stadtverordneten, ebenso 
viel Bürgerdeputirten und 8 Magistratsmitglicdern — gegen früher 
je 8 Stadtverordnete und Bürgerdeputirte sowie 5 Magistratsmit 
glieder — bestehen. 
Wir haben bei dieser in Aussicht genommenen Verstärkung den 
Magistrat mit drei Mitgliedern aus dem iGrunde bethciligt, weil 
einmal die Masse der laufenden, täglich zu erledigenden Verwaltungs 
sachen dies erfordert und andererseits eine Arbeitstheilung nach Materien 
geboten erscheint, bei welcher wieder die Mitglieder des Magistrats 
besonders in Anspruch zu nehmen sein werden. 
Wir haben nämlich eine feste Abgrenzung der Arbeiten der Deputation 
nach Abtheilungen — etwa für das Krankenversichcrungswesen, die 
Jnnungssachen, die Angelegenheiten des Fachbildungs-, Ausstellungs 
wesens, der Stiftungen u. a. m. mit der bestimmten Maßgabe in 
Aussicht genommen, daß dem Plenum die Berathung in allen wichtigeren, 
allgemeineren und grundsätzlich zu behandelnden Angelegenheiten ver 
bleiben muß. 
Hierdurch würden die Fachabtheilungen angemessen — aber bei 
der Unvermeidlichkeit von Behinderungen einzelner Mitglieder — eben
	        
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