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Der vorgerückten Zeit wegen wurde die weitere Berathung über
die §8- 2 und 3 für heute abgebrochen. Der Vorsitzende ersuchte die
Mitglieder, die von ihnen beabsichtigten Abänderungsvorschläge ihm
baldmöglichst schriftlich einzureichen, damit dieselben vervielfältigt und
noch vor der nächsten Sitzung den Mitgliedern zugesandt werden
können.
v. w. o.
Stryck.
Zu Nr. 1«7.
II.
Verhandelt Berlin, den 23. Februar 1885.
Anwesend:
Stadtv. Dr. Stryck, Vorsitzender,
- Scheiding,
- Weiß I,
- Salge,
- Geiter,
- Reichnow,
- Wieck,
- Heyden,
- Schaefer,
- Oechelhäuser,
- Jrmisch,
- Meyer I.
Als Magistrats-Kommissarius:
Herr Stadtbaurath Blankenstein.
Es fehlten:
Herr Stadtv. Hanke, ]
- - Franke, > entschuldigt.
- - Gerth, J
Der Vorsitzende eröffnete die heutige Verhandlung, nachdem das
Protokoll der vorigen Sitzung vorgelesen und genehmigt worden war,
mit der Mittheilung, daß dem Ausschüsse inzwischen überwiesen
worden seien:
a) eine Resolution des Dorotheenstädtischen Bezirksvereins vom
18. d. Mts., durch welche die städtischen Behörden ersucht
werden, der neuen Bauordnung in ihrer vorliegenden Fassung
die Zustimmung zu versagen, weil dieselbe eine schwere
Schädigung der Interessen der gesammten Berliner Be
völkerung herbeiführen würde,
d) ein Gesuch des Maurermeisters C. Rabitz, Scharnhorst-
ftraße 7, vom 8. d. Mts., dahingehend, in die Bauordnung
die Bestimmung aufzunehmen, daß Wände, resp. Decken auch
nach D. R.-Patent 4 590 und 3 789 angenommen werden
können.
Diese Schriftstücke werden bei der weiteren Berathung in Er
wägung gezogen werden.
Hiernächst wurde die Diskussion fortgesetzt. Mit Bezug darauf,
daß sich unter den von Mitgliedern des Ausschusses schriftlich ein
gebrachten Abänderungsanträgen auch solche befinden, welche aus den
bereits durchberathenen §. 1 von Einfluß sind, beschloß der Ausschuß,
über diesen Paragraph nochmals in Verhandlung zu treten.
Die Alinea 1, 2 und 3 wurden unverändert, das Alinea 4 in
der, in der vorigen Sitzung beschlossenen Fassung angenommen,
dagegen ries die Bestimmung ini Alinea 5, nach welcher Wohngebäude
nur innerhalb der ersten 50 m hinter der Baufluchtlinie errichtet werden
dürfen, wieder eine eingehendere Debatte hervor.
Auf der einen Seite ging die Ansicht dahin, daß, wenn man
mehr das allgemeine sanitäre Interesse, als das einiger Bauspekulanten
im Auge behalten wolle, keine Veranlassung vorliege, über die 50 m
bei Wohngebäuden hinauszugehen. In der Wirklichkeit stelle sich die
Sache auch so, daß eine nur verhältnißmäßig geringe Anzahl von
Grundstücken in einer größeren Entfernung als 50 m hinter der Bau
flucht bebaut seien, während bei den meisten Grundstücken die Be
bauung mit Wohngebäuden mit 40 m abschließe und der dann etwa
noch frei bleibende Theil mit kleinen Remisen, Ställen oder Fabrik
gebäuden besetzt werde. Erst in den letzten Jahren, als die neue Bau
ordnung mit ihren schärferen Bestimmungen drohte, seien Grund und
Boden ganz außerordentlich und sicherlich nicht zum Wohle der Be
völkerung ausgenutzt worden, und um eine derartige Wiederholung
für die Zukunft unmöglich zu machen, um Licht und Luft zu schaffen,
sei die Bestimmung wegen der 50 m wohl annehmbar, nur müßten,
wie dies in dem alten Entwurf auch zum Ausdruck gekommen, in
besonderen Fällen Ausnahmen gestattet sein. Von diesem Gesichts
punkte aus wurde die Annahme des Alinea 5 nach dem alten Entwurf
empfohlen.
Andererseits glaubte man wiederholt darauf Hinweisen zu sollen,
daß die Bauordnung wenigstens einigermaßen auch das Interesse der
Stadt im Auge behalten müsse. Nun sei bereits ausgesprochen worden,
daß bei Ausrechthaltung der tiefeinschneidcnden Bestimmungen der
neuen Bauordnung, insbesondere derjenigen wegen des Bauens hinter
der Fluchtlinie und wegen der Vs, resp. *U Bebauung, die Stadt sich
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ganz enorm ausdehnen und sich in Folge dessen recht bald ein Be
dürfniß nach neuen Straßen Herausstellen werde, deren Anlagekosten
von der gesammten Bevölkerung durch Steuern aufgebracht werden
müßten. Dies sei ein so schwerwiegendes Moment, daß die städtischen
Behörden alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel zur Anwendung
bringen sollten, damit die bereits mehrfach erwähnten Bestimmungen
nicht in Kraft treten.
Die Majorität des Ausschusses hat demnächst beschlossen, dem
Alinea 5 folgende Fassung zu geben:
Wohngebäude dürfen in der Regel nur innerhalb der
ersten 60 in hinter der Bauflucht errichtet werden und dieses
Maaß muß in der Mitte der Straßenfront des Grundstücks
normal zu der Bauflucht gemessen werden. Erker und Vor
bauten sind über die Tiefe von 60 m hinaus zulässig. Das
über diese Tiefe hinaus verbleibende Restgrundstück kann bis
zu V» seiner Grundfläche bebaut werden, während der übrige
Theil als Hof oder Garten unbebaut liegen bleibt.
Alinea 6 wurde unverändert angenommen.
8- 2.
Absatz 1 enthält die hauptsächlichste Beschränkung. Die Gründe
dagegen sind bereits vorstehend und in dem ersten Protokoll angeführt
worden. Nach Maßgabe der Abstimmungen über die zum §. 2 vor
liegenden Abänderungsanträge wird für denselben folgende Fassung
vorgeschlagen:
Bis zur Tiefe von 60 m von der Bauflucht und senkrecht
zu derselben gemessen, dürfen bisher nicht bebaute Grund
stücke höchstens bis auf V* und bereits bebaut gewesene
Grundstücke bis auf 4 A> ihrer Grundfläche bebaut, resp.
wieder bebaut werden, während das letzte Viertel, bezw.
Fünftel als Hof oder Garten unbebaut liegen bleibt.
Das zu errichtende Gebäude muß — soweit nicht besondere
Zwecke Ausnahmen bedingen — auf höchstens 18 in durch
einen freien, auch nicht in den Stockwerken durch Vorbauten,
Umgänge, Gallerten u. s. w. beschränkten Hofraum unter
brochen werden, welcher
a) bei bereits bebauten, resp. bebaut gewesenen Grundstücken
mit einer Gesammtgrundfläche
bis 300 qm mindestens 40 qm,
von 300—450 qm mindestens . . . . 50 -
- 450—600 - und darüber mindestens 60 -
Größe mit einer kleinsten Abmessung von 5 m,
b) bei bisher nicht bebauten Grundstücken mit einer Gesammt
grundfläche
bis 400 qm mindestens . . 50 qm,
über 400 qm mindestens. . 60 -
Größe mit einer kleinsten Abmessung von 6 m
betragen muß. Bei Berechnung der Hofgröße, resp. des
Viertels oder Fünftels werden Gesimsvorsprünge nur bis zu
einer Ausladung von 30 cm nicht berücksichtigt.
Wird bei bebauten Grundstücken durch Anordnung von
einem oder mehreren Höfen das unbebaut zu lassende Viertel
oder Fünftel der Gesawmtfläche des Grundstücks nicht erreicht,
so ist entweder jener Hof, bezw. sind jene Höfe entsprechend
zu vergrößern oder weitere Höfe von der vorgedachten Art
anzulegen.
Für bereits bebaute Grundstücke von weniger als 240 qm
Grundfläche kann im Falle der Neubebauung ausnahmsweise
eine entsprechend geringere Hofgröße zugelassen werden.
Jedoch darf ein schon vorhandener Hof niemals unter das
oben angegebene Maaß von 40 qm verkleinert werden, auch
sind Ausnahmen für Grundstücke nicht zulässig, welche erst
nach dem Inkrafttreten dieser Bauordnung bis auf den oben
angegebenen Flächeninhalt verkleinert worden sind, ohne daß
letzteres im Wege der Enteignung geschehen ist.
Auf bereits bebaut gewesenen Eckgrundstücken ist für den
vordersten Hof eine Ermäßigung bis auf 32 qm bei einer
kleinsten Abmessung von 5,s m zulässig, während bei bisher
nicht bebauten Eckgrundstücken diese Ermäßigung nur bis auf
40 qm bei einer geringsten Abmessung von 6 m zulässig ist.
Ein schon vorhandener Hof darf jedoch nicht unter das Maaß
von 40 qm Fläche verkleinert werden.
Die Fronten aller hinteren Gebäude und Seitenflügel,
sowie die mit Fenstern versehenen Rückseiten der Vorder
gebäude müssen an einem, den bestehenden Bestimmungen
entsprechenden Hofraume oder Garten liegen, soweit dieselben
nicht nothwendigcrweise zur Beleuchtung derjenigen Gebäude
körper dienen, welche in ihrer Höhe über die in Höfen zu
lässige Fronthöhe hinaus erbaut werden dürfen. Bis zur
zulässigen Maximalhöhe können auch Fenster in solchen
Fronten angelegt werden, die durch Zurücktreten hinter die
Front oder von dem Nachbar (§. 4) über bebaute Grund
stücke errichtet werden.