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Volume No. 79 (696-717), 29. November 1884

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1884 (Public Domain)

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ganz hervorragenden Einfluß auf die Begrenzung der Schadenfeuer 
gehabt durch die größere Manövrirfähigkeit und größere Löschwirkung 
im Vergleich zu den bisherigen gewöhnlichen Löschzügen. 
Der Versuchslöschzug wird nachstehend in Bezug auf seine Aus 
rüstung und seine Vorzüge gegenüber den bisherigen Löschzügen kurz 
charakterisirt. 
Den Zug bilden folgende 3 Fahrzeuge: 
1. Eine zweispännigc Gas- und Dampfspritze mit 1 Ober- 
Maschinisten, 1 Heizer, 2 Feuermännern, 1 Fahrer, welche 
bei einer Leistungsfähigkeit von ca. 500 Liter Wasser pro 
Minute in jedem Moment dadurch betriebsfähig ist, daß 
die Dampfpumpe durch einen auf dem Fahrzeug mitgeführten 
Vorrath an flüssiger Kohlensäure in Betrieb gesetzt werden 
kann, bis sich der zum dauernden Betriebe erforderliche Dampf 
druck entwickelt hat. Das für einen etwa 4 stündigen Betrieb 
erforderliche Brennmaterial wird auf der Spritze selbst mit 
geführt. 
2. Ein zweispänniger Tender (Wassertender) mit 1 Oberfeuer 
mann, 4 Feuermännern, 1 Fahrer, welcher das für den 
ersten Angriff erforderliche Wasser (etwa 850 Liter), das 
Schlauchmaterial für 2 Angriffs-Schlauchleitungen, sämmtliches 
Geräth für die Wasserversorgung aus der Wasserleitung, den 
öffentlichen Brunnen und den öffentlichen Wasserläufen, sowie 
2 Hakenleitern führt. 
3. Ein zweispänniger Geräthewagen mit 1 Oberfeuermann, 
4 Feuermännern, I Fahrer, welcher eine mechanische Leiter 
und diejenigen Geräthschaften mitfährt, welche gegenwärtig 
theils auf dem Personenwagen, theils auf dem Utcnsilien- 
wagen untergebracht sind. 
Die mechanische Leiter kann bis zu 24 Meter Höhe und zwar 
nach jeder Richtung hin, sowie in jeder beliebigen Steigung überall 
da verwendet werden, wo der Raum zur Aufstellung des Fahrzeuges 
selbst vorhanden ist. 
Ein Vergleich dieses Löschzuges mit den bisherigen Löschzügcn 
— aus Spritze, Wasserwagen und Personenwagen bestehend — ergiebt 
folgende Vorzüge bei mindestens gleicher, wenn nicht gar größerer 
Schnelligkeit des ersten Angriffs: 
1. Es kann ein Schlauch-Angriff und ein Rettungsmanöver 
zu gleicher Zeit ausgeführt werden, während mit dem bisherigen 
Löschzug nur entweder das Eine oder das Andere geschehen 
konnte. 
2. Das Rettungsmanöver kann sich in jedes Stockwerk und selbst 
auf das Dach erstrecken ohne Behinderung durch auskragende 
Gesimse, weit überstehende Dächer und verstellte Fenster, 
was mit den Hakenleitern allein unmöglich ist. 
3. Die mechanische Leiter ermöglicht die Herstellung von stabilen 
und leicht passirbaren Angriffswegen gegen das Feuer, unab 
hängig von den Treppen-Anlagen. 
4. Jeder Zug kann ein Schadenfeuer mit 2 Schlauchleitungen 
zugleich angreifen, wobei sich die Löschkraft für jeden Schlauch 
bis auf 250 Liter Wasser pro Minute nach Bedarf steigern 
läßt, während der bisherige Löschzug bei längerer Arbeits 
dauer nur einen Schlauch mit höchstens 150 Liter Wasser 
pro Minute zu versehen vermag. 
5. Die Arbeitskraft zur Zuführung des Wassers, der Dampf, 
behält selbst bei der andauerndsten Löscharbeit seine ursprüng 
liche Energie, während die Druckmannschaften bei mehr 
stündiger Arbeit unabweislich einer Ablösung bedürfen. 
6. Die größere Löschwirkung und die erhöhte Manövrir- 
Fähigkeit erfordert trotzdem eine geringere Bedienungs 
mannschaft als der bisherige Löschzug, und zwar eine Wach 
besetzung incl. der Ablösung und Reserve von 30 Köpfen 
gegenüber einer Wachbcsetzung von 40 Köpfen für jeden 
einzelnen Löschzug. Dagegen müssen allerdings sämmtliche 
Mannschaften eine technische Vorbildung für den Löschdienst 
erhalten und höher zu löhnenden Auforderungen entsprechen, 
während dies bei den Druckmannschaften (der sogenannten 
Spritzenmänner) nicht in dem Umfange erforderlich ist, da 
dieselben der Hauptsache nach als rein mechanische Druckkraft 
zur Verwendung gelangen. 
Bei einer etwaigen allgemeinen Einführung der verbesserten 
Löschzüge würden daher die Spritzenmänner überhaupt in Wegfall 
kommen, gegenüber einer entsprechenden Vermehrung des technisch 
vorgebildeten Personals. 
Die sub 6 nachgewiesene Möglichkeit der Verminderung der 
personellen Kräfte für den einzelnen Löschzug bei gleichzeitiger 
Erhöhung der Wirksamkeit des letzteren ist es hauptsächlich gewesen, 
welche die Abtheilung veranlassen mußte, dem Gegenstände das regste 
und angestrengteste Interesse zuzuwenden. 
Die Vorschläge des diesseitigen „Promemoria, betreffend die Er 
höhung der Leistungsfähigkeit der Feuerwehr vom Jahre 1876", haben 
im Princip die Zustimmung des Königlichen Polizei-Präsidiums sowie 
der städtischen Behörden gefunden. 
Die Errichtung der NebendcpotS an der Apostel-Kirche, in der 
Odcrbergerstraße und in der Mciuelcrstraßc, sowie das Hauptdcpots in 
der Schöncbergcrstraße, ist im Wesentlichen auf der Grundlage dieser 
Vorschläge zur Ausführung gekommen. 
Bei der überaus schnellen Vermehrung sowohl der bebauten Grund 
stücke als auch der Bcvölkerungszahl erscheint es dringend geboten, die 
Gesammt-Organisatiou mit thunlichster Beschleunigung zu Ende zu 
führen, um allen Gebieten der Stadt einen möglichst gleichmäßigen 
Schutz gegen Feuergefahr zu gewähren. Es bedarf hierzu der Errichtung 
je eines Nebcndepots am Görlitzer Bahnhof; im Südosten nahe der 
Bärwald- und Urbanstraße; nordöstlich des Friedrichhaines, und der 
Vermehrung der Wachbcsetzung des Centraldepots, Lindciistraßc 41, 
um einen Löschzug. Letzteres ist bisher nur mit einem gewöhnlichen 
Löschzug und mit einem Dampfspritzciizug belegt, also ganz ebenso 
wie die übrigen 4 Hauptdcpots, während es dringend nothwendig ist, 
bei mehreren gleichzeitigen Feuern »och eine stets bereite Reserve zu 
haben. Die Zahl der Fälle, in denen mehrere Feuer gleichzeitig 
zur Meldung gekommen sind, hat sich naturgemäß in den letzten Jahren 
vermehrt und wird mit dem weiteren Anwachsen der Stadt auch für 
die Folge zunehmen. 
Unter Beibehaltung der bisherigen Löschzügc würde der jetzige 
Personal-Etat noch ausreichen, um das Nebendepot am Görlitzer- 
Bahnhof zu besetzen, während für die Besetzung der dann noch zu 
formirenden 3 Löschzüge unabweislich eine Erhöhung des Personal- 
Etats eintreten müßte, und zwar für jeden Löschzug um I Brand 
meister und 40 Mann, in Summa also rund um 130 000 Jt pro Jahr. 
Bei allgemeiner Einführung der neuen Löschzüge würde die 
Organisation dagegen zum Abschluß gebracht werden können, ohne 
irgend welche Erhöhung des Etats gegenüber dem Etat pro 1884/85. 
Die Anlage 1 veranschaulicht den Jahresetat, wie er sich nach 
vollständiger Durchführung der Gesammtorganisation unter Zugrunde 
legung der neuen Löschzüge gestaltet, unter Vergleich der einzelnen 
Positionen mit dem Etat pro 1884/85, wobei sich noch eine Ver 
minderung des ersteren um rund 15 000 JC herausstellt. 
Etwaige erläuternde Bemerkungen sind den bezüglichen Etats- 
Positionen unmittelbar beigefügt. Es wird hierbei nochmals hervor 
zuheben sein, daß die Löschwirkung jedes einzelnen Zuges auf mehr 
als das Doppelte der bisherigen Züge erhöht wird, während die 
Manövrir-Fähigkeit für Rettung von Menschenleben und für Her 
stellung von Angriffswegen zur Bekämpfung des Feuers über jeden 
Vergleich erhöht wird. 
Was nun die allmälige Ueberführung der jetzigen Ausrüstung in 
die Ausrüstung mit den neuen Geräthen anbetrifft, so liegen die 
Verhältnisse derart, daß auch hierfür besondere Geldbewilligungen 
nicht erforderlich sind. Diese Umgestaltung läßt sich vielmehr in 
einem Zeitraum von etwa 6 Jahren aus den Etatsmitteln bewirken, 
wenn dieselben auf diese Zeit in der Höhe zur Verfügung gestellt 
werden, wie sie der Etat pro 1884/85 ausweist und die vorhandenen 
Ersparnisse aus der Umgestaltung der Mieth-Gespanne in eigene 
Gespanne für den ersten Ankauf der neuen Löschgeräthe zur Ver 
fügung gestellt werden. 
Es ist selbstverständlich unmöglich, einen genau zutreffenden 
Anschlag für diese allmälige Umgestaltung anzustellen, da das Fort 
schreiten derselben in erster Linie von der Heranbildung der Bedienungs 
mannschaften abhängt; die Anlage 2 wird indessen immerhin ein 
annäherndes Bild über den Verlauf dieser Umgestaltung geben, unter 
der Voraussetzung, daß die Zustimmung der maßgebenden Behörden 
noch innerhalb der ersten 3 Monate des laufenden Etatsjahres erfolgt. 
Die vorstehende Denkschrift wird unter Hinweis auf die Anlagen 1 
und 2 in folgenden Anträgen resümirt: 
1. Es wird die Genehmigung ertheilt, die aus der Umgestaltung 
der Bespannung verfügbar gebliebene Summe von circa 
15 000 M, zur Anschaffung von Löschgeräthen neuer 
Konstruktion zu verwenden. 
2. Die Titel 3 bis 6, umfassend die Gehälter des Executiv- 
Personales, der Titel 9, Bekleidung, und der Titel 10, 
Bespannung, werden auf die Dauer von 6 Jahren in der 
für das Jahr 1884/85 besttmmten Höhe zur Verfügung 
gestellt mit der Ermächtigung, die Ersparnisse eines Jahres 
auf das folgende zu übertragen und zur Ueberführung in 
den Normal-Etat, Anlage 1, sowie zum Ankauf neuer Lösch 
geräthe zu verwenden. 
3. Es wird die Genehmigung ertheilt, den Erlös aus den nach 
und nach überzählig werdenden Löschgeräthen alter Kon 
struktion zur Beschaffung neuer Löschgeräthe zu verwende». - 
Der Abtheilung für Feuerwehr dürfte aufzugeben sein, während 
der Uebergangsperiode im Januar jeden Jahres einen specificirten 
Personal - Etat für das folgende Etatsjahr nach Maßgabe der bereits 
erfolgten Umgestaltung von Löschzügen vorzulegen, auf Grund dessen 
die Zahlungslisten für das betreffende Etatsjahr aufgestellt werden können. 
Berlin, den 3. April 1884. 
König!. Polizei-Präsidium, Abtheilung für Feuerwehr, 
gez. Witte, 
Major a. D. und Branddirector.
	        
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