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Druck von Gebrüder Grunert, Berlin.
zu lassen und vielleicht hierdurch die ungemein schädliche Verheimlichung
der Krankheit zu begünstigen, und hierdurch wiederum die schleunige
Rückkehr des Betroffenen zur Arbeit verlangsamen, würden wir für
fehlerhaft halten.
Andererseits würde es nicht entsprechend sein, Geschlechtskranke
und Trunkfällige bezüglich des Krankengeldes den unverschuldet
Erkrankten völlig gleich zu stellen.
Wir halten es hiernach für angemessen, Jenen, sofern sie in
ihrer Wohnung behandelt werden, nur die Hälfte des Krankengeldes
zukommen zu lassen, welches unverschuldet Erkrankte beziehen; d. i.:
männlichen Erwachsenen pro Tag . . . 60 ^
weiblichen - - - ... 38 -
jugendlichen männlichen Arbeitern pro Tag 33 -
- weiblichen - - - 25 -
Wir glauben endlich, daß es sich empfiehlt, hinsichtlich der
schuldhaft Erkrankten aller Kategorien fest zu setzen, daß, sofern ihre
Heilung nur im Krankenhause zweckmäßig und rasch erfolgen kann,
die Verwaltung ermächtigt sei, solches anzuordnen.
In diesem Falle wird irgend welche baare Krankenunterstützung
nicht gewährt. Unsere Befugniß dies anzuordnen ergiebt sich aus dem
dritten Absatz des Z. 6, wonach wir befugt sind, schuldhaft Erkrankten
überhaupt kein Krankengeld zu gewähren.
In diesem Falle wird irgend welche baare Krankenunterstützung
nicht gewährt. Unsere Befugniß, dieß anzuordnen, ergiebt sich aus dem
dritten Absatz des §. 6, wonach wir befugt sind, schuldhaft Erkrankten
überhaupt kein Krankengeld zu gewähren.
Aus diesen Erwägungen und im Uebrigen gestützt auf die §§. 6
und 7 des Reichsgesetzes sind die Bestimmungen des §. 13 des Ent
wurfes hervorgegangen.
2. Zu II. unseres Antrages vermögen wir nur Folgendes
anzuführen:
Ueber den für die neue Einrichtung erforderlichen Geld
bedarf fehlt es an jeder Grundlage der Beurtheilung. Wir
glauben zwar, daß die Zahl der versicherungspflichtigen
Personen, welche der Gemeindekrankenversicherung zufallen
werden, keine sehr große sein wird. Welchen Umfang der
durch das Gesetz gewährleistete freiwillige Beitritt zu der
neuen Institution haben wird, ist heute nicht zu schätzen.
Gleichwohl kann die neue Einrichtung für den Anbeginn
nicht völlig ohne Betriebsmittel gelassen werden.
Sobald Erfahrungen über den Geldbedarf der Gemeinde-
krankenversicherung vorhanden sein werden, welche sich indeß
erst im Laufe des kommenden Kalenderjahres gewinnen
lassen werden, werden wir den entsprechenden Geldbetrag
etatisiren. Für den Anfang blieb nichts übrig, als ein durch
ganz allgemeine Schätzung ermitteltes Pauschquantum —
welches wir auf 10 000 JC beziffert haben — anzugeben,
um dessen Bewilligung und zur Dispositionsstellung, vor
behaltlich speciellen RechnungsnachweiscS wir ersuchen.
3. Zu HI. bemerken wir schließlich noch:
Da unsere Gewcrbedcputation nach dem Communalbeschluß
vom Z^ijsteKer 1879 unter 9lnbcrn aud) mit bet
Verwaltung des gesummten gewerblichen Hülfskassenwesens
betraut ist, so liegt es in der Natur der Sache, die Gemeinde-
krankenversicherung — als Hilfs-Einrichtung der Kranken
versicherung der Arbeiter, welche mit den organisirten Kassen
untrennbar verbunden ist, — jener Verwaltungs-Deputation
zuzuweisen.
Wir fügen zwei Anlagen:
A. Entwurf zu einem Regulativ, betreffend die Gemeindekranken
versicherung in der Stadt Berlin,
B. Zusammenstellung derjenigen Bestimmungen des Rcichsgesetzes,
betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni
1883, welche sich auf die Gemcindekrankenversicherung beziehen,
Berlin, den 15. November 1884.
Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt,
gez. v. Forckenbeck.
Berlin, den 17. November 1884.
Der Stadtverordneten - Vorsteher.
Dr. Straßmann.