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251. Petitions-Ansschuft.
Verhandelt Berlin, den 24. April 1883.
Anwesend:
Stadtv. Banke, Vorsitzender,
- Bohm, Stellvertreter des Vorsitzenden,
- Reichnow,
- Haß,
- Jacobs,
- Fessel,
- Zippel,
- Dr. Kürten,
- Solon,
- Liebermann,
- Scharfer,
- Karsten,
- Herrmann,
- Siebmann.
Nicht anwesend:
Herr Stadtv. Franke, beurlaubt.
Als Magistrats-Kommissarien fungirten:
Herr Stadtrath Noeldechen,
- Stadtsyndikus Zelle,
- Stadtrath Voigt,
- - Romstaedt.
Der Ausschuß beschloß in seiner heutigen Sitzung, der Versamm
lung zu empfehlen, die nachstehend sub I und II aufgeführten Sachen
wie folgt zu erledigen:
I.
Durch Ucbergang zur Tagesordnung:
I. (J.-Nr. 3.) Petition des liberalen Vereins der
„Halleschen Thorbezirke", betreffend die Errichtung
einer höheren Lehranstalt für Knaben vor dem ehe
maligen Halleschen Thore.
Der liberale Verein der Halleschen Thorbezirke über
reicht der Versammlung Abschrift einer von ihm an den
Magistrat gerichteten Petition vorbezeichneten Inhalts zur
Kenntnißnahme.
In dem Petitum wird auf den Nothstand hingewiesen,
welcher in dem großen Stadttheile vor dem Halleschen
Thore diejenigen Eltern treffe, welche ihren schulpflichtigen
Söhnen eine über die Volksschule hinausgehende Bildung
zu Theil werden lassen möchten, da die Tcmpelhofer Vor
stadt mit fast 80 000 Einwohnern bis jetzt jeder höheren
Lehranstalt entbehre, eine Einschulung der Kinder in den,
von jenem Stadttheil aus ans nicht zu weiten Wegen
zu erreichenden derartigen Schulen aber wegen Ueberfüllüng
sehr erschwert sei. Die Petenten bitten, ungesäumt mit
der Errichtung der Klassen VI, V und IV, resp. mit den
Vorarbeiten zum Bau einer höheren Lehranstalt vor dem
Halleschen Thore vorzugehen, und wenn möglich, gleich
zeitig auch Vorbereitungsklassen zu eröffnen. Einer
späteren Erwägung möge vorbehalten bleiben, ob die
Fortführung der Anstalt als Gymnasium oder Realgym
nasium zweckdienlich erscheine, das Bedürfniß werde
höchstwahrscheinlich eine Doppelglicderung der Anstalt,
bezw. eine Theilung derselben in angegebener Weise fordern.
Der Ausschuß kann der Versammlung nicht empfehlen,
dem Petitum beizutreten. Die städtischen Behörden haben
in den letzten Jahren in ausgiebigster Weise für die Er
richtung neuer höherer Schulen, sowie für die Erweiterung
der bestehenden höheren Lehranstalten Sorge getragen und
die Komniune dürfte in nächster Zeit kaum in der Lage
sein, im Sinne der Petenten etwas zu thun.
2. (J.-Nr. 9.) Petition des Kaufmanns C. L. Mitan,
Posenerstr. 9, um Ausführung weiterer Straßen
durchbrüche in Verbindung mit der Anlegung der
Kaiser Wilhelmstraße.
Der Petent führt aus, daß durch die Anlegung der
Kaiser Wilhelmstraße und die Beseitigung der Königs
mauer unfern gelegene kleine Straßen in eine gewisse
Nothlage gerathen wären. Es seien dies vornehmlich die
im Zuge der neuen Kaiser Wilhelmstraße zwischen der
Hirten- und der Linienstraße befindlichen Straßen: die
Weydingcrstraße, die Koblankstraße und die Amalienstraße.
Der Eingang zu diesen Straßen von der Hirtenstraße aus
sei ein sehr unfteundlicher. Die Einfahrt zur Koblank
straße erfolge durch das Haus Hirtenstr. 7 unter einem
gemauerten, von den Passanten vielfach als Bedürfniß
anstalt benutzten Bogen, der nicht einmal so hoch sei, daß
ein mit Heu oder Stroh rc. beladener Wagen durchfahren
könne.
Diese und andere, in der Petition näher beschriebenen
Unzuträglichkeiten veranlassen den Petenten, nicht nur in
seinem, sondern auch im Interesse des ganzen Stadttheils
zu bitten, die Versammlung wolle durch weitere Straßen
durchbrüche, etwa in Verbindung mit der Kaiser Wilhelm
straße, eine baldige Abhülfe der geschilderten Nothstände
schaffen.
Nach den Beschlüssen der Kommunalbehörden wird die
Kaiser Wilhelmstraße vorläufig nur bis zur Münzstraße
ausgeführt. Eine Nothwendigkeit zur Weiterführung der
selben darüber hinaus bis zu den vorgenannten, wenig
frequentirten Straßen und zur Vornahme der von dem
Petenten beantragten, mit unberechenbaren Kosten ver
bundenen weiteren Straßendurchbrüche, kann für jetzt
nicht anerkannt werden.
(Wegen Verbreiterung rc. der Durchfahrt Hirtenstraße 7 siehe
aä II dieses Protokolls, laufende Nr. 3.)
3. (J.-Nr. 12.) Petition des Schachtmeisters F. E. Eckel
mann, Fehrbellinerstr. 43, um Auszahlung einer
angeblichen Restforderung.
Der Bittsteller, welcher während der Jahre 1872 bis
1877 in Submissionen Straßenregulirungsarbeiten für die
Stadt übernommen hatte und aus dieser Zeit her noch
Ansprüche auf angeblich vorenthaltene oder gekürzte Zah
lungen erhebt, ist dieserhalb bei dem Magistrbt einge
kommen, aber abgewiesen worden und richtete deshalb im
October v. I. ein hierauf bezügliches Gesuch an die
Stadtverordneten-Versammlung. Letztere ging auf Vor
schlag des Ausschusses für Petitionen am 30. November 1882
— cfr. Prot. Nr. 25 ü. 3 — über die Petition zur
Tagesordnung über. Mit dieser Entscheidung erklärt der
Petent jedoch nicht zufrieden sein zu können, weshalb er
in einer Reihe anderweiter, an die Versammlung gerich
teter Bittschriften sein Verlangen auf Befriedigung
wiederholt.
Der Ausschuß hat sich demzufolge noch einmal in ein
gehendster Weise mit der Sache beschäftigt und ist nach
dem Ausfall der durch ihn veranlaßten Prüfung der
Magistratsaktcn auch jetzt der Ueberzeugung, daß dem
Manne in keiner Beziehung Unrecht geschehen ist.
4. (J.-Nr. 18.) Petition des Waisenraths-Vorsitzenden
Mundt, Wicncrstr. 44, wegen Gewährung einer
Miethsentschädigung und Lieferung eines Acten-
regals für die Vorsteher der Gemeinde-Waiscnräthe.
Der Antragsteller hält zur ordnungsmäßigen Auf
bewahrung der Formulare, Journale und Akten der Ge-
meinde-Waisenräthc ein Regal und, namentlich in den
Außenbezirken, wo in Folge des schnellen Wechsels der
Bevölkerung der Besuch Seitens des Publikums ein zahl
reicher sei, ein besonderes Geschäftszimmer für die Vor
sitzenden der Gemeinde-Waiscnräthe erforderlich, weshalb
er bittet, denselben analog denen der Armenkommissionen
ein Aftenregal, sowie Gelder zur Haltung von Büreau-
Räumlichkeiten zu bewilligen.
Der Ausschuß glaubt das Petitum nicht unterstützen zu
sollen, da der Geschäftsumfang bei den Gemeinde-Waisen-
räthen seiner Meinung nach nicht so bedeutend ist, um eine
Bewilligung der erbetenen Subsidien gerechtfertigt er
scheinen zu lassen.
5. (J.-Nr. 19.) Petition der Hausvater-Wittwe N. N.
um Erhöhung ihrer Pension oder Gewährung einer
laufenden Unterstützung.
Der Ausschuß hat keine Veranlassung gefunden, das
Gesuch der bereits vom Magistrat abgewiesenen Bittstellerin
zu befürworten.
6. (J.-Nr. 20.) Petition der Wittwe bl. N. um Be
willigung einer Unterstützung.
Die Bittstellerin ist die Wittwe des ehemaligen Malers
und Zeichenlehrers rc. bl. bl., welchem die städtischen Behörden
zufolge Beschlusses der Versammlung vom 3. April 1879
— Prot. Nr. 14 — eine einmalige größere Beihülfe
bewilligten. Ueber ein von dem Genannten seiner Zeit
erneuertes derarftges Gesuch, sowie über die, von der
Wittwe später mehrfach eingereichten Unterstützungsanträge
ist die Versammlung bis auf eine, im Januar 1882 ein
gereichte Bittschrift wegen Gewährung einer Unterstützung
und um Erlaß der Steuern, welche durch Beschluß vom
16. Februar v. I. — Prot. Nr. 33 B. 3 — dem Magistrat
zur Verfügung überwiesen worden ist, stets zur Tages
ordnung übergegangen. Der Ausschuß kann nur empfehlen,
mit der vorliegenden neuen Petition in gleicher Weise r
verfahren.