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Trottoir und Steinpflaster mit hinabgerissen habe", ist dahin richtig zu
stellen, daß die Versackung des Pflasters von der Verlegung von Wasser
leitungsröhren herrührt, bei welcher ein alter Kanal durchbrochen
worden ist; ebenso hängt der gemeldete Einsturz des Pflasters vor dem
Hause Brunnenstraße am Nosenthaler Thor, wo sogar „2 Frauen ver
schüttet, aber glücklich noch gerettet worden", mit einer alten außer
Thätigkeit gesetzten Anschlußleitung, welche nicht genügend vermauert
war, zusammen.
Das Sprengen von Kanalisationsröhren, wovon schon vielfach und
zu verschiedenen Zeiten in der Presse Mittheilung gemacht worden,
gehört vollständig in das Gebiet sensationeller Fabeln.
In einzelnen Gebieten, aus welchen Beschwerden laut geworden
sind, ist die Kanalisation noch nicht fertig und eine perfekte Funktionirung
derselben kann somit nicht erwartet werden. In dieser Beziehung ist
besonders zu beachten, daß die in den alten Rinnsteinen hoch hinaus
stehenden neuen Gullyroste vielfach die bestehende alte Rinnstein-Ent
wässerung hindern und erschweren, und daß durch diese alten Rinnstein
anlagen jetzt noch das Regenwasser den neuen Leitungen an Stellen
zugeführt wird, welche hierfür nicht bestimmt sind. —
II. Beurtheilung.
Angesichts der vorerwähnten Thatsachen, deren Umfang und Be
schaffenheit, ist — so beispielsweise nach meinem Bericht über eine
Sitzung des Hausbesitzervereins im Norden — die Ansicht ausgesprochen
worden, die Kanäle und Leitungen, mit einem Wort die ganze Kana
lisation sei zu klein dimensionirt.
Darüber ist Folgendes zu bemerken:
Für Berlin ist ein Regcnfall von Vs Zoll pro Stunde — 22,ss mm
bei Berechnung der Kanalisation zu Grunde gelegt worden, dabei jedoch
angenommen worden, daß in Folge von Verdunstung und Versickerung,
sowie von verlangsamtem Abfluß nur V- der durch diesen Regenfall
gebildeten Wasscrmcngc — V-« Zoll der Leitungen während der
Regendauer zufließt.
Für die Heftigkeit eines Regens, als eines Naturereignisses, giebt
es eine bekannte Grenze nicht; wo die Technik gegen die Fluthen an
zukämpfen hat, welche Wolkcnbrüchc verursachen, deren Intensität,
Dauer und Ausdehnung unbekannt ist, kann sie nicht jeder Möglichkeit
vorbeugen; sie muß sich daraus beschränken, innerhalb gewisser ange
nommener Grenzen zu bleiben und das Erreichbare zu thun; Damm
brüche, Ueberschwemmungen, Zerstörung von Dörfern, Gebäuden, Eisen
bahnen und Eisenbahndämmcn, Brücken rc. wiederholen sich vieler Orten
von Jahr zu Jahr.
Noch weniger giebt es eine bekannte Grenze für die Höhe des
Rcgenfalles in einer minimalen Zeitdauer, also etwa in einer Secunde;
alle Beobachtungen, welche gemacht worden sind, beziehen sich mit wenigen
Ausnahmen auf die Dauer eines Tages; eine Regenhöhc, welche danach
auf I Secunde, d. h. aus ^ Tagesregenhöhe repartirt wird,
ist aber wiederum so gering, daß aus ihr sicher eine Ueberfüllung der
Leitungen entstehen kann.
Nun existiren zwar auch einige Angaben, welche Regenhöhen in
kürzerer Frist, einer halben oder einer ganzen Stunde, mittheilen; es
sind diese Angaben aber aus in der Sache liegenden Gründen zumeist
sehr wenig zuverlässig.
Doch wenn auch diese Angaben zuverlässig wären, so erschöpfen
sic doch in keiner Weise die Frage, um die es sich handelt; cs müßte
sich vielmehr die Beantwortung auch darauf erstrecken, welche räum
liche Ausdehnung in einem zusammenhängenden Entwässerungsgebiet
ein solcher intensivster Regen hat, und welche absolute Dauer er bei
gleicher Intensität hat.
Von Bedeutung für die Kanalisation ist es dann ferner, ob bei
Beginn des Regens schon durch einen vorangegangenen Regenfall die
Leitungen gefüllt waren oder nicht rc. —
Aus diesen Betrachtungen ergeben sich eine Reihe von Combina
tionen, die mehr oder minder ungünstig sein können; das Maß der
ungünstigsten liegt, weil es eben unbekannt ist, außerhalb einer Berechnung.
Wollte man aber auch es als Aufgabe ansehen, jedem wolkenbruch
artigen Regen, er möge so heftig, so dauernd, so ausgedehnt sein, wie
er wolle, in den Dimensionen der Leitungen Rechnung zu tragen, so
würde man zwei Ucbelstände begegnen resp. diese Uebelstände schaffen,
welche mit größeren Nachtheilen, als sie ein gelegentlicher Rückstau er
zeugt, verknüpft sind
Als solche Uebclständc bezeichnen wir:
1. daß Leitungen, welche den denkbar größesten Wassermengen
genügen, d. h. also vielleicht in einer oder zwei Stunden im
Jahre den Vortheil bieten, daß sie groß genug sind, an den
übrigen Tagen des Jahres wegen ihrer unverhältnißmäßigen
Größe ungeeignet sind, das Minimum an Hauswasser in regen-
freier Zeit so abzuführen, daß sich nicht Sedimentirungen,
Verschlammungen, Fäulniß der Sedimente und damit sanitäre
Nachtheile ergeben;
2. daß wenigstens in einigermaßen größeren Entwässerungs-
gcbieten die gewöhnlichen Straßenbreiten zu gering sind, um
solche Leitungen, namentlich die Stammleitungen, aufnehmen
zu können; es sind beispielsweise hier Stammkanäle ausgeführt,
deren äußere Breite mehr als 5 m beträgt, und daraus möchte
sich wohl ergeben, daß die Zugrundelegung einer größeren
Regenmenge für die Berechnungen, als solche hierorts geschehen,
zu Dimensionen führen würde, welche entweder garnicht oder
nur mit den größten Schwierigkeiten, Nachtheilen und Kosten
festgehalten werden könnten.
Die Frage entsteht nun: welche Nachtheile können daraus entstehen,
daß die Leitungen nicht für die denkbar größeste Regenwassermenge
dimensionirt sind?
Nimmt man, wie hier, ein im Ganzen ebenes Terrain, hohen
Grund- und Flußwasserstand, damit ein minimales Gefälle und folge
richtig das ungünstigste Verhältniß für die Fortbewegung des Wassers
an, so ergiebt sich, daß die größeste Rückstauhöhe doch nur gleich der
Höhe bis zum Straßenterrain resp. ev. wenige Centimeter höher sein
kann. Es würden also auch in diesem Falle die Straßen und die
Häuser, soweit letztere über Straßenniveau stehen, vollständig ent
wässert werden; von der Entwässerung ausgeschlossen blieben die
unter Straßenniveau belegenen Gebäudetheile, die Keller. Doch auch
hier muß beachtet werden, daß der Fall fehlender Entwässerung, wenn
überhaupt, so doch nur ein oder einige Male im Jahre und dann meist
nur für die Dauer einer viertel oder halben Stunde eintritt.
Hierzu bemerken wir aber:
Die rechtliche Begründung der Forderung, jederzeit auch für Keller-
anlagen eine vollständige Entwässerung zu haben, fehlt unseres Er
achtens vollständig; wer in die Erde hineinbaut zu seinem Nutzen und
seinem Vortheil und zwar, wie es der Fall ist, unbefchränkt tief, event.
Keller über Keller, kann nicht von der Kommune verlangen, daß sie,
um auch hier zu entwässern, Unmögliches leiste oder mindestens un
erhörte Kosten der Gesammtheit zu Gunsten Einzelner auferlege; wenn
das Recht eines Einzelnen, in die Tiefe hineinzubauen, ein unbeschränktes
ist, so kann es keine Pflicht Anderer geben, mit diefem Rechte gleichen
Schritt zu halten. Vortheilhaft aber ist im öffentlichen Interesse eine
derartige Kellerbenutzung gewiß nicht, welche in derselben eine besondere
Entwässerungsanlage nöthig macht, namentlich liegt gewiß kein Grund
vor, dem Unwesen der Kellerwohnungen mit Küchenausgüssen und
Closets in irgend einer Weise Vorschub zu leisten. Dementsprechend
wird hier in einem jeden Consens für Anschluß einer Hausleitung
generell die Bedingung aufgenommen, daß bis zu einer gewissen abso
luten Höhe, — wechselnd in verschiedenen Stadttheilen, in Radial-
System I bis zu -ff 4 m
tt II n " -ff 4 m
n HI ff ft 1 3,5 m
w IV » „ -ff 3,5 m
„ V „ „ -ff 4,6 m
— überhaupt keine Ausgüsse rc. angelegt werden dürfen, zwischen dieser
absoluten Höhe aber und dem Straßenniveau Ausgüsfe rc. nur angelegt
werden können, wenn sich der Hausbesitzer durch entsprechende Konstruk-
ffonen gegen den Rückstau der Effluvien in das Gebäude schützt.
Erwägt man also, daß Mangels einer bekannten äußersten Grenze
für die Höhe des Rcgenfalles eine allen Fällen entsprechende Dimcn-
fionirung der Leitungen überhaupt unmöglich erscheint, — daß event,
aber eine solche Dimensionirung mit Nachtheilen verknüpft sein würde,
welche die erwarteten Vortheile übersteigen, — daß einer unterirdischen
Entwässerung immer nur die Aufgabe gestellt werden kann, die Straßen
und die Grundstücke über Terrain jederzeit zu entwässern, daß aber
auch erfahrungsmäßig bei den in der Berliner Kanalisation angewen
deten Dimensionen im Allgemeinen alle Keller während des ganzen
Jahres mit Ausnahme weniger Stunden thatsächlich entwässern, so
kann dem Urtheil, daß die Leitungen nicht genügend dimensionirt seien,
nicht beigetreten werden.
Schließlich darf der Umstand nicht unerwähnt bleiben, daß die
rapid zunehmende Zahl asphaltirter Straßen und solcher mit Holz
pflaster oder bestem cemcntirten Steinpflaster in Menge und Geschwin
digkeit des von demselben abfließenden Regcnwassers eine nachthcilige
Aenderung für die Kanalisation herbeiführt, auf welche wenigstens bei
dem Projectiren derselben nicht gerechnet war.
Was die Straßenleitungen anbetrifft, so kann heute und gerade
nach den Erfahrungen dieses Jahres, welches denselben wohl die
äußersten Zumuthungcn gemacht hat, mit Befriedigung konstatirt werden,
daß sie sich nicht allein vollkommen intact erhalten haben, sondern auch,
daß sie die ihnen zugeführten außerordentlichen Regenwassermengen
leicht und schnell bewältigt und abgeführt haben. Der zur Dichtung
der Muffen in den Thonrohrleitungcn verwendete Thon hat sich nach
den gemachten Beobachtungen bei vielfachen gelegentlichen Ausgrabungen
behufs Ausführung später beantragter Hausanschlußlcitungen als voll
ständig unverletzt, als dicht und überhaupt als zweckentsprechend gezeigt;
es setzt freilich die Anwendung von Thondichtungen bei Röhren unter
einem gewissen Druck (hierorts etwa V- Atmosphäre) einen entsprechen
den äußeren Gegendruck des Erdreichs, in welches das Rohr ein
gebettet ist, voraus; wo dieser Erddruck fehlt, oder durch anderweitige
Bauausführungen (Verlegung von Gas- und Wasscrleitungsröhren
namentlich) vermindert wird, kann bei den Straßenleitungen so gut
wie bei den Hausanschlußleitungen ein Hinausdrücken des Thones und
damit ein Undichtwerden der Muffe eintreten. Doch muß hier bemerkt
werden, daß der Thon, welcher zur Dichtung der Muffen verwendet
am
Damm-
mühlen-
Pcgel