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Volume No. 58 (485), 19. September 1882 Anlage: Anlagen zu Nr. 485 der Vorlagen

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1882 (Public Domain)

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Es würde vielmehr in der Weise vorzugehen sein, daß zuvörderst 
die definitive Feststellung neuer geeigneter Wahlbezirke, sowie die Aus 
stellung der Wählerlisten bezw. alle sonstigen zur Vornahme der Wahl 
erforderlichen Vorbereitungen vorgenommen werden, und daß in diesen 
neu festgestellten Wahlbezirken demnächst unmittelbar nach Auflösung 
der Stadtverordneten-Versammlung die Neuwahlen stattfinden. 
Die Vornahme der Abgrenzung neuer Communalwahlbezirke fällt 
nach ß. 14 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 den Magistraten zu; 
die den letzteren so gewährte Befugniß aber schließt die Verpflichtung 
ein, mit solchen Abgrenzungen, sobald sie im öffentlichen Interesse er 
forderlich werden, in sachgemäßer Weise thatsächlich vorzugehen. 
Was den in Folge meiner Aufforderung vom 6. December v. I. 
unterm 22. desselben Monats vorgelegten vorläufigen Entwurf eines 
Tableaus neuer Communalwahlbezirke anlangt, so wird in demselben 
auf die nach den gegenwärtigen Steuerleistungen der Berliner Gemeinde 
wähler rechnungsmäßig ermittelten Durchschnittszahlen ein zu entschei 
dendes Gewicht gelegt, während anscheinend der Gesichtspunkt thunlichster 
Festhaltung der sich aus historischer Entstehung und Interessengemein 
schaft ergebenden Stadttheilsbegrenzungen dagegen zu sehr in den 
Hintergrund getreten ist. 
Wenn nach §. 14 der Städteordnung die Grenzen der Communal 
wahlbezirke nach Maßgabe der Zahl der stimmfähigen Bürger festgesetzt 
werden sollen, so schließt das doch keineswegs aus, daß daneben — 
wie dies bei der erstmaligen Abgrenzung der Berliner Wahlbezirke 
thatsächlich geschehen ist — ein erhebliches Gewicht auch auf eine natur 
gemäße innere Zusammengehörigkeit der betreffenden einzelnen Bezirke 
gelegt werde. Es muß vielmehr, da die Zahl der stimmfähigen Bürger 
der einzelnen Wahlabtheilungen und die Vertheilung derselben; auf 
die verschiedenen Stadtgegenden unausgesetzten erheblichen Schwankungen 
unterworfen sind, eine ausschließliche Berücksichtigung nur jenes ersteren 
Gesichtspunktes gerade auch zu dauernder Sicherung des Nächstliegenden 
Zweckes als nicht geeignet erscheinen. 
Gleichartige Erwägungen aber führen ferner dahin, ein erheblicheres 
Gewicht auch darauf zu legen, daß die Wahlbezirke für die Wähler der 
verschiedenen Abtheilungen in ihren Begrenzungen auch in der Folge, 
soweit möglich und grundsätzlich zusammenfallen. Die von dem Magistrat 
in Aussicht genommene Zahl von je 14 Wahlbezirken erscheint für die 
erste und zweite Abtheilung der Wähler nicht unangemessen, für die 
dritte Abtheilung mit Rücksicht auf die große Zahl der derselben ange 
hörenden Wähler dagegen unzureichend. 
Auf Grund dieser Erwägungen ist für sachgemäß zu erachten, daß 
einerseits nach Maßgabe der gegenwärtigen Zahl der stimmfähigen 
Bürger, andererseits aber unter Berücksichtigung der historischen Ent 
stehung und innern Zusammengehörigkeit der einzelnen Stadttheile je 
14 Wahlbezirke gleichmäßig für die beiden ersten Wahlabtheilungen 
gebildet und die so sich ergebenden Bezirke für die Wahlen der dritten 
Abtheilung durchweg in 3 Unterbezirke getheilt werden. Es würde 
durch eine derartige Eintheilung auch den in der Stadtverordneten- 
Versammlung bei Berathung dieses Gegenstandes am 23. März d. I. 
hervorgetretenen Anschauungen im Wesentlichen Rechnung getragen 
werden. 
Indem ich den Magistrat hiernach ergebenst ersuche, ein den gegebenen 
Gesichtspunkten entsprechendes anderweites Wahlbezirkstableau gefälligst 
ausstellen und vorlegen zu wollen, bemerke ich schließlich, daß auf eine 
möglichste Beschleunigung dieser Angelegenheit entschiedenes Gewicht 
gelegt wird und sehe deshalb einer gefälligen Mittheilung über den 
weiteren Verlauf derselben jedenfalls binnen 3 Wochen ergebenst entgegen. 
Der Oberpräsident, Staatsminister 
gez. Achenbach. 
An den Magistrat zu Berlin. 
II. 
Berlin, den 11. Juni 1882. 
Die uns in dem geehrten Erlaß vom 31. Mai er. (O. P. 4779) 
durch Euer Excellenz im Aufträge des Herrn Ministers des Innern 
gemachte Eröffnung: 
daß das Königliche Staatsministerium die Absicht habe, auf 
Grund des §. 79 der Städteordnung bei Sr. Majestät dem 
Könige die Auflösung der hiesigen Stadtverordneten-Versamm 
lung zu beantragen, um die demnächst erforderlichen Neuwahlen 
in verändert abgegrenzten Wahlbezirken stattfinden zu lassen, 
hat uns mit ernster Besorgniß erfüllt. Wir würden die Pflichten gegen 
das große Gemeinwesen, dessen Verwaltung uns obliegt, zu verletzen 
glauben, wenn wir mit dem Aussprechen dieser Besorgniß zurückhielten. 
Sie entspringt aus unserer Auffassung einerseits der rechtlichen Fragen, 
welche bei jener Maßregel erwogen werden müssen, andererseits der 
thatsächlichen Folgen, welche die Ergreifung derselben herbeiführen 
würde. 
In Betreff der für die Rechtsfragen in Betracht kommenden ge 
setzlichen Bestimmungen geht der Herr Minister des Innern von der 
Ansicht aus, daß der 8-79 der Städteordnung vom 30. Mai 1853 
nicht lediglich als ein eine „Strafmaßregel" vorsehendes Gesetz zu be 
trachten sei, und daß die Fassung des §. 21 al. 3 eine Anwendung 
lediglich auf die regelmäßigen Ergänzungs- und Ersatzwahlen, nicht 
aber auf die im Falle des 8-79 anzuordnenden Neuwahlen zulasse. 
Wir meinen, daß das Eine wie das Andere mit guten Gründen 
bestritten werden kann. 
Was zunächst die Bedeutung des 8-79 betrifft, so spricht unseres 
Erachtens schon die Stellung, welche er in dem Gesetze einnimnit, für 
eine entgegengesetzte Auffassung. Der 8- 77 behandelt die Fälle, in 
welchen die nächste Aufsichtsbehörde befugt sein soll, die Beanstandung 
von Beschlüssen der Stadtverordneten-Versammlung durch den Vorstand 
der Stadtgemeinde herbeizuführen; 8- 78 giebt ihr das Recht, in ge 
wissen vom Gesetz bestimmten Fällen der Stadtkasse gegen den Willen 
der Stadtverordneten Ausgaben aufzuerlegen;, 8- 79 endlich giebt dem 
Könige das Recht, auf Antrag des Staatsministeriums die Auflösung 
einer Stadtverordneten-Versammlung zu verordnen. 
Die drei Paragraphen bilden in diesem Zusammenhang einen 
Klimax sowohl in Betreff der zum Handeln berufenen Staatsorgane 
als der von ihnen vorzunehmenden Handlungen. Es erscheint der 
unbefangenen Auffassung nichts natürlicher, als daß nach dem Sinn 
des Gesetzes auch die thatsächlichen Voraussetzungen für diese Hand 
lungen einen Klimax bilden sollten, und daß wie die 88- 77 und 78, 
so auch der 8- 78 eine Verschuldung der Stadtverordneten voraussetzt 
und zwar eine schwerere, gegen die nur durch das radicale Mittel der 
Auflösung reagirt werden kann. 
Diese Auffassung — zu welcher wir nicht in Folge von Ein 
wendungen aus demSchooße der Stadtverordneten-Versammlung, sondern 
auf Grund unserer wiederholten sachlichen Erwägung gelangt sind — 
wird durch die Entstehungsgeschichte der ftaglichen gesetzlichen Be 
stimmung nicht widerlegt, sondern sehr wesentlich unterstützt. 
Eine dem 8-79 der jetzt geltenden Städteordnung analoge Be 
stimmung enthielt bereits die revidirte Städteordnung vom 17.März1831. 
8- 83 derselben lautet: 
Sollte eine Stadiverordneten-Versammlung fortwährend 
ihre Pflichten vernachlässigen und in Unordnung 
oder Partheiung verfallen, so werden Wir sie nach 
genauer Untersuchung auflösen, die Bildung einer neuen 
Versammlung nach Befinden wieder anordnen, und die 
Schuldigen auf gewisse Zeit oder für immer für unfähig zu 
einer neuen Wahl erklären. Außerdem bleibt in dazu ge 
eigneten Fällen die gerichtliche Rüge vorbehalten. 
Als demnächst im Jahre 1848 der erste Versuch zur Herstellung 
einer allgemeinen Gemeinde-Ordnung gemacht wurde, schlug der am 
13. August 1848 der zur Vereinbarung der Verfassung berufenen Ver 
sammlung vorgelegte Entwurf einer solchen im 8- 80 folgende Be 
stimmung vor: 
Der König kann einen Gemeindevorstand, einen Gemeinde- 
rath oder einen Sammt-Gemeinderath vorläufig seiner Ver 
richtungen entheben und dieselben besonderen Commissarien 
übertragen. Die schließliche Bestimmung erfolgt alsdann 
durch ein Gesetz. 
Die Gemeinde-Ordnung kam damals nicht, sondern erst im 
Jahre 1850 zu Staude. Die analoge, den Minister des Innern an 
die Stelle des Königs setzende Bestimmung (8- 143) lautet: 
Der Minister des Innern kann einen Gemeindevorstand, 
einen Gemeinderath oder Sammt-Gemeinderath vorläufig und 
auf höchstens ein Jahr seiner Verrichtungen entheben und 
dieselben besonderen Commissarien übertragen. Die schlicß- 
liche Bestimmung erfolgt alsdann durch ein Gesetz, dessen 
Entwurf den Kämmern, sobald dieselben versammelt sind, 
vorzulegen ist. 
Bei der Berathung in der Ersten Kammer war die betreffende, 
von der Commission derselben in wesentlicher Uebereinstimmung mit 
dem Regierungsentwurfe vorgeschlagene Bestimmung von dem Bericht 
erstatter unter Anderem mit folgenden Worten gerechtfertigt worden: 
Die Commission ist bei ihrer Fassung von der Ansicht 
ausgegangen, daß nicht bloß der Gemeinderath, sondern 
auch der Gemeindevorstand sich könne in eine solche 
flagrante Opposition gegen die Staatsprincipien 
versetzen, daß seine Verwaltung inhibirt werden 
müsse. 
(Stenogr. Berichte über die Verhandlungen der durch Aller 
höchstes Patent vom 5. December 1848 einberufenen Ersten 
Kammer Bd. 4. S. 1991.)
	        
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