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Volume No. 49 (363-367, 19.Juni 1882

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1882 (Public Domain)

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Motiv: Das Siechenhaus für Männer Stralauerstr. 58 
bietet bei richtiger Ausnutzung Gelegenheit, 300 Sieche unter- 
zubringen, während zur Zeit kaum Vs dieser Zahl dort Auf 
nahme findet. Bei dieser Sachlage erscheint es angemessen, 
sofern nicht für da« Haus Stralauerstr. 58 eine bestimmte 
anderweite, für das finanzielle Inter sse der Stadt vortheil- 
haftere Ausnutzung ermöglicht werden kann, von dem Bau 
eines Siechenhauses Abstand zu nehmen, vielmehr bei ein- 
tretendem Bedarf die vorhandenen Räumlichkeiten des Siechen 
hauses Stralauerstr. 58 zu verwenden. 
Der Vorsitzende bemerkte, daß so wenig in der Vorlage des Ma 
gistrats als in dem Berichte des Herrn Kämmerers, betreffend die neue 
Anleihe von 45 Millionen Mark, der Betrag angegeben sei, welcher auf 
die Errichtung des Siechenhauses verwendet werden soll. Es sei nur an 
gegeben, daß für den Bau eines zweiten Hospitals mit 400 Betten in 
Verbindung mit einem Sicchenhause zu 200 Betten ein Betrag von 
2 Millionen Mark angeliehen werden soll. Im Verhältniß zur Betten« 
zahl würden von dieser Summe auf das Siechenhaus 666 666% jfC. 
entfallen, welcher Betrag event, von der Anleihesumme abzusetzen fein 
würde. Außerdem würden bei der Annahme des Antrages die Worte 
„und Siechenhauses" sowohl in dem Magistratsantrage zu 1 als auch 
in dem Schlußpassus zu streichen sein. 
Demnächst wurde in die Berathung des Magistratsantrages und 
des vorstehenden Abänderungsantrages eingetreten. Der erstere lautet: 
Die Stadtverordneten-Versammlung erklärt sich damit ein 
verstanden : 
1. daß für die Fortführung der Kanalisation, die Herstellung 
fester Brücken, die Erweiterung der Wafferwerke, den Bau 
des Dienstgebäudes des Königlichen Polizei-Präsidiums, eines 
Krankenhauses im Süden der Stadt, mehrerer Markthallen 
und eines Hospitals und Siechenhauses, die Vollendung des 
Viehhofes und die Entschädigung der Schlachtberechtigten 
bei Einführung des Schlachtzwanges, sowie für die Be 
streitung von Kosten, welche in Folge der Ausführung der 
Stadtbahn erwachsen, eine Obligationenanleihe im Betrage 
von 45 Millionen Mark aufgenommen und für dieselbe die 
staatliche Genehmigung nachgesucht wird; 
2. daß die Verzinsung dieser Anleihe zu 4 pCt. jährlich erfolgt 
und die Zinszahlungstermine auf den 2. Januar und 1. Juli 
angesetzt werden; 
3. daß die Amortisation mit 1 pCt. jährlich des ursprünglichen 
Anleihecapitals und den ersparten Zinsen stattfindet und am 
1. Januar 1887 beginnt; 
4. daß die ausgegebenen Anleihescheine auf 5 000, 2 000, 1 000, 
500 und 200 o/ft. lauten und der Magistrat auch die Ge 
nehmigung zur Ausgabe von Anleihescheinen zu 100 ^ zu 
erwirken lucht; 
5. daß im klebrigen die bisherigen Anleihebedingungen bestehen 
bleiben. 
Die verfassungsmäßige Beschlußnahme über die Erweiterung 
der Wasserwerke, den Bau eines Krankenhauses im Süden der 
Stadt und eines Hospitals und Siechenhauses für Männer, 
über die in Folge der Erbauung der Stadtbahn nothwendig 
werdenden Straßenanlagen und die zu errichtenden Markthallen, 
sowie über die Ucberweisung der Anleihe aus die einzelnen An 
leihezwecke bleibt vorbehalten. 
Darüber, daß das Bedürfniß vorliegt, eine neue Obligationsanleihe 
aufzunehmen, war im Ausschuß, im Hinblick auf die bereits gefaßten 
Communalbcschlüsse, welche auf verschiedene hier in Betracht kommende 
Unternehmungen Bezug haben, Einverständniß vorhanden. Ferner war 
man darüber einig, daß es sich demnach nur um die Höhe der Anleihe 
sowie darum handeln könne, ob auch diejenigen Unternehmungen, für 
welche noch keine Communalbcschlüsse vorliegen, bei der Anleihe betheiligt 
werden sollen oder nicht. 
Von mehreren Seiten wurde in Beziehung auf die geschäftliche Be 
handlung der Angelegenheit verlangt, zum Zweck der Ermittelung und 
Festsetzung der Geldbedürsnisse, welche im Wege der Anleihe beschafft wer- 
den sollen, eine specielle Durchberathung der verschiedenen Positionen vor 
zunehmen, die Majorität glaubte aber hierauf aus dem Grunde nicht eingehen 
zu sollen, weil nach der Vorlage des Magistrats die verschiedenen Unterneh 
mungen mit bestimmten Beträgen bei der Anleihe nicht bethciligt werden 
sollen. Die endgültige Vertheilung der Gesammtsumme der aufzunehmeti- 
den Anleihe soll vielmehr behufs der Feststellung der Amortisationsbeiträge 
der einzelnen Verwaltungen erst nach der Verausgabung der Anleihe er 
folgen. Nach den Erfahrungen, welche man bei der Anleihe äs 1875 
gemacht habe, von welcher noch heute für die städtische Gasanstalt ein 
Betrag von 6 Millionen Mark zur Disposition stehe, der amortisirt 
werden müsse, könne man dieser Absicht des Magistrats nur beistimmen. 
Es sei trotz der sorgfältigsten Berechnungen nicht möglich, genau zu be 
stimmen, welche Mittel für die einzelnen Verwaltungen und Unter 
nehmungen in den nächsten Jahren gebraucht werden, daher könne es, 
wenn bestimmte Beträge für die verschiedenen Zwecke durch die Anleihe 
flüssig gemacht würden, leicht kommen, daß einer Verwaltung zu viel, der 
anderen zu wenig überwiesen werde. Für die Betheiligung bei der An 
leihe sei es daher genügend, daß die volle Ueberzeugung vorhanden ist, 
daß auf dem Gebiete, für welches extraordinaire Mittel beschafft werden 
sollen, in den nächsten Jahren auch in der That Ausgaben entstehen 
werden. Diese Ueberzeugung könne nur allein maßgebend sein, für be 
stimmte Summen dürfe man sich nicht binden. 
In Beziehung auf die Höhe der aufzunehmenden Anleihe wurde vom 
Ausschüsse als ein wesentliches Moment die Entscheidung der Frage an 
gesehen, für welche Jahre die außerordentlichen Geldbedürfnisse durch die 
Anleihe gedeckt werden sollen. Im Zusammenhang hiermit steht die Fest 
setzung des Termines, von welchem ab die Amortisation beginnen soll. 
Von einer Seite wurde daher beantragt, sich zunächst über die Fixirung 
des Zeitpunktes des Beginns der Amortisation schlüssig zu machen. 
Nach der Vorlage des Magistrats soll die Anleihe von 45 Millionen 
Mark die extraordinairen Geldbedürfnisse ans die Dauer von 3 Jahren, 
also bis Ende 1885 sicherstellen. Da der Beginn der Amortisation in 
dem auf die Verausgabung der Anleihe folgenden Jahre stattfinden soll, 
ist der 1. Jannar 1887 als Anfangstermin vom Magistrat vorgeschlagen 
worden. Im Ausschuß war man der Meinung, daß der Betrag von 
45 Millionen Mark in 3 Jahren nicht ausgegeben werden könne. Da- 
gegen würde dies in 4 Jahren wohl der Fall sein. 
Der Herr Kämmerer führte an, daß aus der neuen Anleihe unmittelbar 
nach ihrer Genehmigung und Herstellung bedeutende Summen gezahlt 
bezw. erstattet werden müßten, z. B. die Kaufgeldcr der neuen Rieselfelder 
von rot. 6 Millionen Mark, die Vorschüsse, welche die Wafferwerke der 
Kanalisationsverwaltung gegeben habe, sowie andere Ausgaben der Kanali- 
sationSverwaltung von ebenfalls rot. 6 Millionen Mark, ferner rot. 2 Mil 
lionen Mark für Brückenbauten und rot. 2 Millionen Mark für den An 
kauf der Grundstücke für die Markthalle an der Kaiser Wilhelmstraßc. 
Nach Abrechnung dieser Beträge verbleibe von der neuen Anleihe nur noch 
eine Summe von rot. 29 Millionen Mark, nnd habe der Magistrat an 
genommen, daß diese in 3 Jahren verwendet sein werde.) 
Der Ausschuß verblieb aber bei seiner gegentheiligen Ansicht stehen 
und beschloß, als Zeitpunkt, von wo ab die Amortisation der Anleihe be 
ginnen soll, den 1. Januar 1888 festzusetzen und solchen der Versammlung 
zur Annahme zu empfehlen. 
Was die einzelnen bei der Anleihe zu betheiligenden Unternehmungen 
anlangt, so wurden, abgesehen von dem Sicchenhause, nur noch bezüglich 
der Wasserwerke und des Krankenhause« Bedenken erhoben. Hinsichtlich 
der Wasserwerke wurde bemerkt, daß dieselben voraussichtlich außerordent 
liche Geldmittel in Höhe von 2 600 000 At. zu den Neubauten in Tegel 
nicht bedürfen werden, da die Abschreibungsbeträge zu den Bauten mit 
verwendet werden können. Ein Antrag auf Ermäßigung des Anleihe- 
betrages wurde aber hieran nicht geknüpft. 
Ebenso wurde die Betheiligung des neuen Krankenhauses im Süden 
der Stadt an der Anleihe nicht weiter bemängelt, nachdem mitgetheilt 
war, daß der Bau desselben bereits von der Deputation für die Gesund 
heitspflege einstimmig beschlossen worden ist und deshalb in den nächsten 
Jahren Ausgaben für den Bau entstehen werden. 
Hinsichtlich der Erbauung eines Hospitals und Siechenhauses liegt 
dagegen der Eingangs gedachte Antrag vor, wonach der für die Errichtung 
des Siechenhauses zu 200 Betten in Aussicht genommene Betrag von der 
Anleihe abgesetzt bezw. bei einer anderen Position verrechnet werden soll. 
In dem Berichte des Herrn Kämmerers, betreffend die neue Stadt 
anleihe von 45 Millionen Mark, ist die Nothwendigkeit zur Erbauung 
eines zweiten großen Hospitals zu 4M Betten in Verbindung mit einem 
Sicchenhause zu 200 Betten in ausführlicher Weise dargelegt worden. 
Ebendaselbst sind auch die Gründe klargelegt worden, weshalb die Männer- 
Siechenanstalt in dem ehemaligen Waisenhause Stralauerstr. 58 nicht 
dauernd verbleiben kann. Diese Ausführungen wurden seitens des Herrn 
Kämmerers wiederholt, und gelangte der Ausschuß auf Grund derselben 
zu der Ueberzeugung, daß in der nächsten Zeit für den Bau des Siechen 
hauses Ausgaben nöthig sein werden, welche durch die Anleihe sicherge 
stellt werden müssen. 
Bei der Abstimmung wurde demnächst der gestellte Antrag abgelehnt 
und zugleich der Antrag des Magistrats zu 1 unverändert angenommen. 
Ebenso gelangte der Antrag zu 2 ohne Debatte zur Annahme. 
Bezüglich des Antrages zu 3 wurde von einer Seite um Aufklärung 
ersucht, woher es kommt, daß in der Vorlage des Magistrats vom 
31. März cr., um die Angemessenheit einer Amortisation von nur 1 pCt. 
darzuthun, gesagt wird, daß „eigentlich gewinnbringende Werke bei der 
Anleihe nicht betheiligt sind", während vom Magistrat bei anderen Ge 
legenheiten das Gegentheil, namentlich bezüglich der Markthalle an der 
Kaiser Wilhelmstraße behauptet werde. Der Centralviehhof und das 
Markthallenunternehmen seien doch eigentlich als gewinnbringende Anstalten 
anzusehen. 
Seitens des Herrn Kämmerers wurde hierauf erwidert, daß die für 
den Viehhof in Aussicht genommenen 2 Millionen Mark theils für die 
Vollendung des Biehhoss, theils zur Entschädigung der Besitzer von 
Schlachtstätten bei Einführung des Schlachtzwangcs bestimmt sind. 
Welche Summe für den letzteren Zweck gezahlt werden müsse, entziehe 
sich zur Zeit noch der Beurtheilung, für den Viehhof selbst werde aber 
kein zu hoher Betrag auszugeben sein. Nach dem Gesetze, betreffend die 
Errichtung von Schlachthäusern, dürfe der Betrieb des mit dem städtischen 
Biehhofe verbundenen Schlachthauses nicht zu einem gewinnbringenden 
gemacht werden.
	        
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