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Volume No. 10 (71-79, 3. Februar 1881

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1881 (Public Domain)

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TA. Vorlage (I.-Nr. 141. C. B.) —, betreffend die Thei 
lung der bisher in Bezug auf die SchiedSmannS- 
gefchäfte zusammen verwalteten Stadtbezirke 
203 und 204. 
Die Stadtbezirke 203 und 204, welche räumlich eine bedeutende 
Ausdehnung haben nnd von denen der Stadtbezirk 204 schon im Jahre 
1876 eine Civilbevölkerung von ca. 6 000 Seelen hatte, standen bisher 
unter gemeinsamer schiedsmännischer Verwaltung. 
Die angeführten Umstände und die immer mehr fortschreitende Be 
bauung in den genannten Stadtbezirken machen es aber dringend noth 
wendig, jedem derselben eigene schicdsmännische Verwaltung zu geben. 
Die Stadtverordnelen-Versammlung ersuchen wir daher, für den 
Stadtbezirk 204 die Neuwahl eines Schiedsmannes und eines Schieds- 
manns-Stellvertreters herbeiführen zu wollen, wobei wir bemerken, daß 
für den 203. Stadtbezirk die jetzigen Schiedsmannsbeamten des Gesammt- 
bezirks 203/204 in Funktion bleiben, weil deren Wohnung im 203. Stadt 
bezirk belegen ist. 
Berlin, den 26. Januar 1881. 
Magistrat hiesiger König!. Haupt- und Residenzstadt, 
gez. von Forckenbeck. 
74. 'Vorlage (I.-Nr. 273. F. B.) — zur Beschlupfas- 
sung —, betreffend die (Errichtung von Trichinen- 
schauamtern. 
Die allgemeine Trichinenschau in Berlin ist durch die Polizeiverord 
nung vom 16. August 1879 vom I. October desselben Jahres ab ein 
geführt worden. Sie besteht mithin gegenwärtig sechszehn Monate. 
Daß diese Maßregel eine durchaus nothwendige und gerechtfertigte 
war, bedarf wohl keines eingehenden Nachweises. Es ist noch allgemein 
in der Erinnerung, daß vor der Einführung der obligatorischen Trichinen 
schau auch in unserer Stadt eine recht erhebliche Zahl von Fällen der 
Trichinosis constatirt worden ist und daß mehrfach ganze Gruppen von 
Personen von dieser schmerzlichen und lebensgefährlichen Krankheit er 
griffen worden sind. 
Durch die Schau selbst hat sich, wenn die Erfahrungen größerer 
Kreise in Betracht gezogen werden, ergeben, daß unter tausend Schweinen 
etwa sich ein trichinenhaltiges vorfindet, so daß, wenn dies Verhältniß 
festgehalten wird, in Berlin, wenn mehr als 200 000 Schweine jährlich 
geschlachtet werden, mehr als 200 trichinenhaltige Schweine durchschnittlich 
in jedem Jahre gesunden werden können. Dem Vernehmen nach sind 
auch im verflossenen Jahre thatsächlich durch die Trichinenschau 150 trichi 
nöse Schweine ermittelt worden. Möglicherweise ist der Satz von ein 
pro Mille noch zu niedrig gegriffen, da schwerlich behauptet werden kann, 
daß die noch neue Einrichtung der Trichinenschau irgendwo schon ganz 
zweckmäßig organisirt ist. Volle Garantie dafür, daß alle trichinösen 
Schweine sicher ermittelt werden, scheint sie bis jetzt nirgends zu ge 
währen. 
Es ist bekannt, daß in Berlin unter den Fleischnahrungsmitteln das 
Schweinefleisch eine sehr hervorragende Stelle einnimmt und daß sehr viel 
mehr Schweinefleisch genossen wird, als in irgend einer anderen großen 
Stadt. ES ist daher leicht begreiflich, daß die Behörde, welche die Ge- 
sundheitspolizci verwaltet, ihre besondere Aufmerksamkeit der Trichinenschau 
zuwendet. Aber auch die städtischen Behörden haben alle Veranlassung, 
energisch dahin zu wirken, daß jeder Gefahr, welche dem Menschen aus 
dem Genuß trichinenhaltigen Fleisches erwachsen kann, durch eine möglichst 
gut organisirte und sichere Trichinenschau vorgebeugt wird. Sie werden, 
wenn ihre Mitwirkung durch die Polizeibehörde in Anspruch genommen 
wird, dieselbe nicht versagen können und wollen. 
Um diese Mitwirkung handelt es sich gegenwärtig; das Königliche 
Polizei-Präsidium erachtet es für wünschcnswerth, daß die Trichinenschau 
eine städtische Einrichtung werde. 
Der neue städtische Centralviehhof soll am 1. März d. I. eröffnet 
werden und es sind die dazu erforderlichen Einrichtungen seitens der ge 
mischten Deputation größtenlheils bereits getroffen, theils eingeleitet. Es 
wird aber auch der Erlaß polizeilicher Vorschriften für die neue städtische 
Anstalt erforderlich, welche nicht nur den Markt-, sondern auch den Schlacht 
verkehr und namentlich auch die in den städtischen Schlachthäusern einzu 
richtende Trichinenschau berühren. Seitens des Königlichen Polizei-Prä- 
diums war der Vorschlag gemacht worden, über die zu erlassenden 
Polizeiverordnungen commiffarische Verhandlungen stattfinden zu laffen, 
und wir sind gern auf diesen Vorschlag eingegangen. 
Die Commissarien des Königlichen Polizei-Präsidiums haben nun in 
den angesetzten Conferenzen mitgetheilt, daß es nicht ausreiche, die 
Trichinenschau auf dem städtischen Vieh- und Schlachthofe wesentlich besser, 
als sie jetzt überall in der Stadt sei, zu gestalten, daß es vielmehr darauf 
ankomme, die Trichinenschau in Berlin überhaupt zu verbessern und neu 
zu organisiren. Sie haben hinzugefügt, daß die nothwendige Reform nur 
dann in durchaus beftiedigender und der Sache entsprechender Weise durch 
geführt werden könne, wenn mit der Herstellung von Trichinenschauämtern 
vorgegangen werde. 
Im Einverständnis mit der Deputation für den Bau des städtischen 
Viehhoss haben auch wir anerkennen müssen, daß die gegenwärtige Ein 
richtung der Trichinenschau große Mängel hat und daß diesen Mängeln 
nur dann gründlich abgeholfen werden kann, wenn Trichinenschauämtcr als 
öffentliche Einrichtungen hergestellt werden. 
Die gegenwärtige Einrichtung besteht darin, daß die Stadt durch das 
Königliche Polizei-Präsidium in eine Anzahl Schaubezirke (gegenwärtig 20) 
getheilt ist und daß für jeden Schaubezirk Personen, welche von dem Kö 
niglichen Polizei-Präsidium als dazu qualisicirt erachtet werden, als öffent 
liche Trichinenschauer bestellt worden sind. Zwischen den Trichinenschauern 
eines und desselben Bezirks findet kein Zusammenhang statt; jeder 
Trichinenschauer arbeitet selbstständig nach Maßgabe der Bestimmungen 
der Polizeivcrordnung und der etwa ertheilten Anweisungen Die Aufsicht 
über die Trichinenschauer wird wesentlich durch die Executivpolizei und die 
Stadtphysici ausgeübt. Jedem, der ein Schwein schlachtet, steht es frei, 
sich unter denjenigen Fleischbeschauern, welche für seinen Schaubezirk be 
stellt sind, denjenigen, welchen er will, frei zu wählen. 
Die Schaugebühr ist zwar auf eine Mark für jedes untersuchte 
Schwein festgestellt, bezüglich auf eine halbe Mark für diejenigen Schweine, 
welche auf dem Actienviehhof geschlachtet werden. Es findet aber fast 
allgemein eine Ermäßigung der Schaugebühr durch freie Uebereinkunft der 
Schlachtenden und namentlich der Schlächter mit den herangezogenen 
Trichinenschauern statt, so daß oft kaum die Hälfte der normalen Gebühr 
gezahlt zu werden pflegt. 
Die Mängel, welche sich bei dieser Einrichtung herausstellen müssen, 
liegen auf der Hand. Unseres Erachtens sollte der Trichinenschauer dem 
Schlächter gegenüber so gestellt sein, daß er als beamtete Persönlichkeit zu 
erachten ist und in keiner Weise von dem Wohlwollen der Gewerbtreiben- 
den abhängt. Das ist indeß jetzt nicht der Fall. Der Charakter, welcher 
gegenwärtig den Trichiuenschauern beiwohnt, ist vorzugsweise der einer ihre 
Dienste anbietenden Person, welche, wenn sie nicht ohne Beschäftigung 
bleiben will, sich das Wohlwollen derjenigen, von denen sie beschäftigt 
werden kann, zu erringen und zu erhalten suchen muß. Außerdem will 
es uns scheinen, daß zur Zeit eine vollständig ausreichende und regel 
mäßige Controle der Trichinenschauer mit Anschluß an die bestehenden 
Bestimmungen nicht ausführbar ist und daß eine Garantie dafür, daß die 
Trichinenschau nicht flüchtig abgemacht wird, nicht gewonnen werden kann. 
Es ist sehr wohl möglich, daß die Mängel der bestehenden Einrich 
tung in den 16 Monaten des Bestehens der obligatorischen Trichinenschau 
in weit geringerem Maße hervorgetreten sind, als vielleicht erwartet wer 
den konnte. Dieser Umstand kann indeß nicht davon abhalten, sie sobald 
als möglich und von Grund aus zu beseitigen. 
Das Project, welches gegenwärtig vorliegt und das durch die neue 
Polizeiverordnung über die Trichinenschau 'durchgeführt werden soll, ist 
nun Folgendes: 
Es werden seitens der städtischen Behörden für den ganzen Stadt 
bezirk 11 Trichinenschauämter eingerichtet, von denen eins ausschließlich 
für den städtischen Vieh- und Schlachthof fungirt Für jedes Amt wird 
durch die städtische Verwaltung die erforderliche Zahl geprüfter Trichinen 
schauer berufen, welche nach den erlassenen Anweisungen die Trichinenschau 
auszuüben haben. Dieselben stehen unter der Leitung und Aufsicht be 
stellter Vorsteher, die dafür verantworlich sind, daß die Trichinenschau 
in regelmäßiger Weise erledigt wird und alle Fälle, in welchen Trichinen 
gefunden werden, zur Kennntniß der Behörden gelangen. Die Trichinen 
schauer kommen gar nicht mehr in Verkehr mit den schlachtenden Per 
sonen, namentlich den das Schlachtgewerbe treibenden selbstständigen Ge- 
werbtreibendeü. Sobald ein Schwein geschlachtet ist, nimmt ein an 
gestellter Probennehmer die vorschriftsmäßigen für die Untersuchung er 
forderlichen Proben, legt sie in ein mit einer Nummer versehenes Proben 
kästchen, befördert dasselbe in das Schauamt und überzieht es an den 
Vorsteher, der es an einen der Fleischbeschauer abgiebt, welcher nicht er 
fahren dars, wem das betreffende Schwein gehört. Findet der Trichinen 
schauer keine Trichinen, so meldet er dies, indem er es zugleich bescheinigt; 
sind Trichinen vorhanden, so macht er ebenfalls Anzeige, in welchem Fall 
der Vorsteher ebenfalls untersucht. Sind Vorsteher und Flcischbeschauer 
darüber einig, daß in den Proben Trichinen vorhanden sind, so wird die 
polizeiliche Beschlagnahme des geschlachteten Schweines veranlaßt; im 
Fall Beide nicht einig sind, erfolgt noch eine Prüfung durch den betreffen 
den Physikns. Die Schaugebühr wird auf eine Mark für jedes Schwein 
festgesetzt und von der Stadtgemeinde eingezogen. Aus derselben werden 
alle Kosten gedeckt. Es sind dies die Miethe für das Local des Schau 
amts, die Kosten der Reinigung, Heizung und Beleuchtung deffelben, das 
Gehalt der Vorsteher und Probennehmer, die Entschädigung der Trichinen- 
schauer, welche seitens der städtischen Behörde nach einem bestimmten 
Satze pro Schwein festgesetzt und gezahlt wird, die erwachsenden Kosten 
für Drucksachen, Papier u. s. w. 
Die Vortheile, welche diese neue Einrichtung bietet, sind folgende: 
Diejenigen Personen, welche Schweine schlachten lassen, kommen M 
den Trichinenschauern in keine Berührung mehr. Tie Trichinenschauer 
haben von ihnen keine Begünstigungen irgend einer Art mehr zu erwar 
ten, während sie jetzt bei den Schlachtenden die Ueberweisung zu unter-
	        
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