587
«84. Vorlage (J.-Nr. ,965. K. A.) - zur Beschluß-
faffung —, betreffend die Bewilligung eiueS Bei
trages zu den Kosten des Baues der Neuen
Kirche.
Der Stadtverordneten-Versammlung überreichen wir in der Anlage
Abschrift eines Gesuches des Gemeinde-Kirchcnrathes der Neuen Kirche vom
3t. October cr. um Bewilligung eines Palronatsbeitrages von 40 000,.#
zu den Kosten des Umbaues ihres Kirchengebäudes. Bereits in einem
früheren Schreiben vom 15. März 187l>, worin unsere Genehmigung
zur Ausführung des Baues nach dem angelegten Plan nachgesucht wurde,
hatte der Gemeinde.Kirchcnrath unter Hinweis auf seine unzureichenden
Mittel gebeten, ihm einen recht reichlich bemessenen Patronats beitrag zu
gewähren. Er hatte ausgeführt, daß ein bloßer, auf das Nothwendigste,
die Herstellung des Daches und die innere Erneuerung der höchst bau
fällig gewordenen Kirche, beschränkter Reparaturbau einen Kostenaufwand
von etwa 50 000 jft. nöthig machen würde, ohne doch den Eindruck eines
würdigen kirchlichen Gebäudes zu erreichen, und daß wieder, wenn der
Neubau im Stile und als Längenfortsetzung des deutschen Domes fest
gestellt werden solle, die dazu erforderliche Summe von 450 000 jft. nur
etwa zum dritten Theile aus den eigenen Mitteln der Kirche aufzubringen
sei, während der von dem Baumeister v. d. Hude entworfene, vom Ge
heimrath Hitzig geprüfte und empfohlene Umbau im Kostenanschläge mit
206 500 hi. abschließe. Erst nach längeren commissarischen Verhand
lungen, an denen auch Vertreter des Consistoriums und des Cultus wie
des Ministeriums für öffentliche Arbeiten theilgenommen, haben wir unter
besonderer Berücksichtigung des Kostenpunktes von dem durch unseren tech
nischen Rath vorgeschlagenen vollständigen Neubau Abstand genommen
und am t8. Juni v. I. unsere Zustimmung zu dem v. d. Hude'schen
Bauproject gegeben. Nachdem hierzu auch auf Befürwortung des Evan
gelischen Oberkirchenrathes die Allerhöchste Genehmigung ertheilt worden,
hat in diesem Jahre der Umbau begonnen und soll zum nächsten Jahre
vollendet sein.
In der Eingangs gedachten Vorstellung vom 31. October cr. speci-
ficirt jetzt der Gemeinde-Kirchenrath die Gesammtkosten, einschließlich der
früher noch nicht veranschlagten Kosten für Kanzel, Altar, Orgel, innere
Einrichtung und Architektenhonorar auf 249 000 Ji. und weist nach, daß
sein gesammter disponibler Kapitalbestand 214 750 betrage, so daß,
wenn die Stadt einen Patronatsbeilrag von 40 000 jfi. bewillige, der
Kirche nur noch ein verschwindender Bruchtheil ihres Kapitalvermögens
verbleibe.
Unter diesen Umständen wird sich die Stadtgemeinde der Gewährung
eines Geschenkes in der angegebenen Höhe nicht entziehen können, und
dies um so weniger, als an Stelle der alten, geschmacklosen Kirche ein
dem schönsten Platze Berlins entsprechenderer und würdigerer Bau
treten wird.
Der Jerusalemskirche haben wir in neuester Zeit gleichfalls 40 000 iAC.
zum Umbau gewährt, ebenso der Nicolaikirche 30 000 JÜ., der Zwölf
apostelkirche 30 000 <M„ und so früher noch ähnliche Beträge. Die jetzt
der Neuen Kirche zu bewilligenden 40 000 Ji. können aus dem Fonds
der 300 000 Jfi. im Specialetat Nr. 50 pro 1. April 1881/82 zu un
vorhergesehenen Ausgaben, bei dem bis zum 8. d. M. erst über 85 714
verfügt ist, entnommen werden.
Unser ergebener Antrag geht dahin, zu beschließen:
Die Stadtverordneten-Versammlung bewilligt dem Gemeinde-
Kirchenralh der Neuen Kirche zur Deckung der durch den Um
bau des Kirchengebäudes entstehenden Kosten einen Beitrag von
40 000 c/#, welche aus dem Fonds für unvorhergesehene Aus
gaben zu entnehmen sind.
Berlin, den 26. November 1881.
Magistrat hiesiger König!. Haupt- und Residenzstadt,
gez. von Forckenbeck.
Zu Nr. «84.
Der verehrliche Magistrat als Patron unserer Kirche hat durch sein
Schreiben vom 18. Juni 1880, früher geltend gemachte und in com
missarischen Verhandlungen erörterte Bedenken aufgebend, die Genehmi
gung dazu ertheilt, daß die Neue Kirche nach dem Project des Herrn Re
gierungsbaumeister ö v. d. Hude neu gebaut werde. Auf Grund einer
Allerhöchsten Entschließung vom 30. März d.' I. haben daun auch der
Evangelische Ober-Kirchenrath und das Königliche Cousistvrium der Provinz
Brandenburg durch die Verfügungen vom 27. und 30. April cr. die
Reconstruction unseres Kirchengebäudes nach dem v. d. Hude'schen Bau
plan gutgeheißen.
Der Bau befindet sich in vollem Gange, nachdem die entbehrlich
werdenden und nicht mehr verwendbaren Theile des bisherigen Gebäudes
abgetragen worden sind. Die Gemeinde wendet sich nunmehr durch den
unterzeichneten Kirchenrath an den verehrlichen Btagistrat der Stadt, ihren
Patron, mit der Bitte, ihr aus verfügbaren Mitteln einen angemessenen
Beitrag zu den Baukosten bewilligen und diese Bewilligung bei der Stadt-
verordncten-Vcrsammlung befürworten zu wollen. Das Project des Um
baues ist dem Magistrat aus den Verhandlungen genau bekannt. Zur
Veranschaulichung deS Bildes, welches nach Vollendung dcS BaueS das
Aeußcre und Innere der Kirche darbieten werden, gestatten wir uns,
einige photographische Darstellungen beizufügen. Es wird danach keinem
Zweifel unterzogen werden können, daß daS Gebäude eine würdige, auch
dem ästhetischen Bedürfnisse seiner künftigen Besucher genügende Stätte
des Gottesdienstes werden und daß es dem GcnSdarmenmarkt, dessen
Gesammteindrücke bisher durch die ungewöhnliche Form und Geschmack
losigkeit der alten Kirche traurig entstellt wurde, zu einer wirklichen Zierde
gereichen wird.
Der Bau entspricht somit neben den besonderen Zwecken unserer Ge
meinde auch einem öffentlichen Interesse der Stadt. Die Kosten des Baues
werden rund 250 000 betragen. Nach dem mit dem Bauunternehmer
Herrn Karchow bereits abgeschlossenen, in der Ausführung begriffenen
Vertrage werden nämlich für den eigentlichen Bau, d. h. alle diejenigen
Materiallieferungen und Arbeitsleistungen, von welchen nicht weiter unten
besonders die Rede ist, zu zahlen sein 205 700 t /fC
Außerdem werden erforderlich:
1. für Kanzel und Altar zusammen 8 000 c/fC
für sonstige Gegenstände der inneren Einrich
tung und Ausrüstung in decorativer Beziehung 5 300 -
das dem bauleitenden und für den Bau verantwort
lichen Architecten vertragsmäßig zu gewährende
auf 4.« pCt. der Bausumme bemessene Honorar
mit 10 000 »
die Koste» zur Beschaffung einer neuen Orgel
zum Ersatz des alten, nicht mehr verwerthbaren
Werkes mit 20 000
2.
3.
4.
zusammen 249 000
oder abgerundet wie oben 250 000 <JC. Diesem Geldbedarf stehen folgende
verfügbare Kapitalien gegenüber:
Zu einem besonderen Kirchenbanfonds hat die Gemeinde bis jetzt
einen in Effecten angelegten Kapitalbestand von
angesammelt.
Zu demselben tritt das sonstige Kapitalvermögen der
Kirchengemeinde, welches besteht-
a) in ausstehenden Hypothekenforderungen zur
Höhe von
b) in Effecten zum Werthe von
77 400 JC
61200
76 150
der gesammte disponible Bestand an Baukapital beziffert
sich danach auf 214 750 ,/fC.
und es ergiebt sich hieraus, daß die Kirchengemeinde selbst für den Fall
der erhofften Bewilligung eines Patronatsbeitrages von etwa 40000 *4C.
genöthigt ist, ihr gesammtes Kapitalvermögen, vielleicht mit Ausnahme
eines verschwindenden Bruchtheils, für den Neubau herzugeben.
Wir versuchen es nicht, auf irgend einen Rechtsanspruch gegenüber
der Stadtgemeinde zu fußen, so bestritten das hier einschlagende Kirchen-
baurccht der Mark in jedem Punkte bekanntlich ist.
Wir wenden uns an die Vertretung der Stadt vielmehr lediglich in
der Gewißheit, daß sie an der würdigen Wiederherstellung eines schon
aus Gründen der Sicherheit nicht mehr haltbaren Kirchengebäudes und
an einer, dem geläuterten Geschmack der Zeit besser entsprechenden Ge-
staltung eines ihrer Hauptplätze ein lebhaftes Interesse nimmt. Wir
sind ferner überzeugt, daß der Magistrat in der Stellung des Patrons
und als solcher nach der Definition der Gesetze zur Sorge und für die
Erhaltung und Vertheidigung unserer Kirche berufen, mit uns der Ansicht
ist: die Kirchengemeinde bringe für die Erneuerung ihrer Gotteshäuser ein
ausreichendes Opfer, wenn sie ihr ganzes Kapitalvermögen für diesen
Zweck widmet. Ihr Vermögen wird sich dann zunächst auf das Grund
stück Kroncnstr. 70 und die Kirchhofsantheile beschränken, deren Revenuen
zu ihrem erheblichsten Theile durch den jährlichen Ausgabeetat absorbirt
werden. __
Wir dürfen endlich darauf Bezug nehmen, daß die Stadtbehördcn
bei dem Bau der Dorotheenstädtischen, der Zwölf-Apostel-, der Nicolai-
uud der Jerusalemskirche ihren Antheil au der Erneuerung und Erhaltung
der gottesdienstlichen Gebäude der Stadt durch namhafte Zuwendungen
unter voller Zustimmung der Bürgerschaft bekundet haben.
Wir sprechen darum, in der Zuversicht der Gewährung, die gehor
samste Bitte aus:
der Magistrat wolle der Gemeinde der Neuen Kirche als einen
Patronatsbcitrag zu den Kosten des Umbaues ihres Kirchen
gebäudes aus den Mitteln der Stadtgemeinde die Summe von
Vierzig Tausend Mark bewilligen.
Berlin, den 31. October 1881.
Der Gemeinde-Kirchenrath der Neuen Kirche,
gez. l>. Lisco.
Prediger.