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(337.)
Vorlage
für die
Stadtl'erordukten-Bersammlunq zu Berlin.
337. Angelegenheit, betreffend die Tegeler Waffer-
werke.
I.
Gutachtliche Aeußerung
des Landesgeologen Professor Dr. G. Berendt
zur Beantwortung der von dem Ausschüsse der Stadtverordneten-Ver-
sammlung für die Vorberathung der Tegeler Wasserangelegenheit im
Schreiben vom 27. April 1881 gestellten Fragen.
Ad 1. „Ist es möglich, durch abessynische Brunnen die zur Versorgung
der Stadt Berlin (von Tegel her) erforderliche Wassermenge zu
erhalten?"
Die Frage ist füglich in zwei Theile zu zerfallen:
a) Ist das in der Gegend von Tegel durch Brunnen erschließbare
Grundwasser seiner Quantität nach ausreichend zur Versorgung
der Stadt Berlin von dieser Seite her?
b) Ist solche Entnahme bczw. Zuführung des Wassers zu dem
Reservoir durch abessynische Brunnen (Rohrbrunnen) aus-
führbar?
Der letztere Theil der Frage ist ein 'rein technischer und durch die
Herren Ho brecht und Veitmeycr in Folge dessen auch beantwortet
worden.
Der erstere Theil muß vom geognostischen Standpunkte dahin be
antwortet werden, daß der unterirdische Wasserzufluß zu der in Rede
stehenden Localität am Tegeler See, weil diese bezw. die ganze Jungfern
haide in der Mitte des von Dalldorf bis Charlottenburg in seiner Breite
zu bemessenden Spreethalcs liegt, ein mehr als ausreichender ist und bei
der vollkommenen Durchlässigkeit des in der Hauptsache nur aus Sand
schichten bestehenden Bodens, in welchem undurchlässige Schichten, wie die
Brunnenabsinkungen derzeit bewiesen haben, nur als stellen- und strecken-
weise Einlagerungen vorkommen, auch ein ungehinderter, so daß an eine
allgemeine Senkung dieses Grundwasserspiegels in längerer oder kürzerer
Zeit nicht zu denken ist.
In Folge dessen wird es nur von der, aus derLeistungs-
fähigkeit eines Rohrbrunnens zu berechnenden Zahl und der
genügenden aus dem Wirkungsgebiet eines Brunnens zu
bemessenden Entfernung und Vertheilung solcher Rohr
brunnen abhängen die zur Versorgung der Stadt Berlin
(von Tegel her) erforderliche Wassermenge zu erhalten.
Ad 2. „Ist begründete Aussicht vorhanden, daß das Wasser aus den
abessynischen Brunnen algenfrei sein wird?"
Zur Beantwortung dieser Frage handelt es sich bei anerkannt all
gemeiner Unkenntniß der Verbreitungsart von Orenotbrix polyspora
zunächst um die Vorfragen:
a) Lebt die gen. Alge im Grundwasser irgend welcher Boden
schichten oder ist dieselbe innerhalb der letzteren in keimfähigen
Sporen vorhanden?
b) Wird dieselbe durch den gewöhnlichen Grundwasserzug ver
breitet?
c) Kann dieselbe durch künstlich gesteigerten Wasserzufluß bei An
spannung der Brunnen irgend woher in dieselben hineingezogen
werden?
2 a) In Uebereinstimmung mit meinen Auslassungen in den Ver
handlungen des Curatorinms vom Herbste bezw. Winter 1878/79 und
meiner schriftlichen Aeußerung vom 8. Februar 1879 kann ich nur wieder
holen, daß durch alle bisher gepflogenen Verhandlungen und Unter
suchungen kein im mindesten stichhaltiger Grund beigebracht ist zu der
wiederholt von mir als irrig bezeichneten Ansicht, daß djc Algen bezw.
die Sporen derselben aus den durch die Brunnen erschlossenen Boden
schichten stammen. Es ist im Gegentheil vom geognostischen Stand-
punkte nach wie vor meine Ueberzeugung, daß dies nicht der Fall ist,
weil diese Bodenschichten schon in ihrem oberen Theile, als dem Altalluvium
angehörig, betreffs ihres Alters nach Jahrtausenden zählen, in ihrem
unteren größeren Theile sogar zu den Diluvialbildungen gehören, welche
in eine noch weiter zurückliegende Zeit weisen, in eine Zeit, wo Schmelz»
waffer des Binnenlandeises uns hier wenig oder gar keine Spuren von
Organismen, geschweige denn noch jetzt lebensfähige Keime hinterlassen
haben.
Es ist zudem gegenüber dem Mangel eines jeden gegentheiligen Be
weises um so mehr zu beachten, daß die Untersuchungen der von dem
Curatorium damit beauftragten Herren Brefeld und Zopf (Bericht vom
Jahre 1879) ausdrücklich constatiren:
(Seite 5) daß in der oberen Bodenschicht mit ihrer Vege
tation die Orenotbrix poly8poia nicht aufzufinden ge
wesen,
Seite 6) daß die Crenothrix in den nach Angabe der ver
einigten 3 Sachverständigen, der Herren H obrecht, Veit
meier und Berendt neben den beiden für Entwickelung der
Crenothrix scheinbar günstigsten Brunnen Nr. 13 und 23 an-
gesetzten 4 Rohrbrunnen*) sich bis zu einer Tiefe von 8 bezw.
14,4, 19,8 und 20 w nicht hat auffinden lassen, erst
unterhalb genannter Tiefen sich allmälig im Waffer angefunden
und demnächst reichlicher entwickelt hat.
Es ist ferner zu beachten, daß die einstimmige Ansicht der genannten
3 Sachverständigen laut Gutachtens vom 10. Juni 1879 dahin geht,
(ibid. 8. 3) daß eine Einschleppung solcher Spuren und Sporen
von Crenothrix, wie sie sich, mit Ausnahme nur einer Probe
aus mittlerer Tiefe, erst gegen den Schluß der Bohrung gezeigt
haben, bei dem Character der Bohrarbeiten, der Wasserent
nahme rc. kaum zu vermeiden ist, ja daß sie, wenn eine Ver
breitung der Crenothrix, wie bei unzähligen anderen Orga
nismen durch Vermittelung der Luft stattfinden sollte, sich in
jedem offenen Bohrloch allmälig zeigen müßte.
Für die erstgenannte Art der Verbreitung, durch Ein
schleppung bei der Bohrarbeit spricht am besten die von den
Herren Brefeld und Zopf ausgeführte Untersuchung der
Wasser von den beiden Abessyniern neben Brunnen 4 (s. Anm.),
bei welchen eine solche Verunreinigung von den Sachverständigen
vermuthet und die Heranziehung zur Untersuchung daher be
anstandet wurde. Nach letzterer fand sich die Crenothrix hier
denn auch bereits bei 2 bezw. 2,75 m und zwar sogleich „ziemlich
reichlich".
Wenn somit die von mir vertretene Ansicht, daß die Crenothrix weder
im Grundwasser des Bodens lebt noch in Sporen innerhalb des Bodens
ursprünglich vorhanden ist, bisher durch keine Beobachlung erschüttert oder
auch nur unwahrscheinlich gemacht ist, so hängt damit die Beantwortung
der Vorftage 2 b eng zusammen.
2 d) Lebt die Crenothrix oder deren Keime innerhalb der Boden-
*) Die 2 Abefspnier bei Brunnen 4 sind noch vor der Untersuchung von
den genannten Sachverständige» als nicht maßgebend für dieselbe bezeichnet
worden und hätten füglich bei Beurtheilung der Frage überhaupt fortgelasien
werden müssen