Die beiden Anleihen de 1846 und 1849 würden nämlich nach einem
gemeinschaftlichen Amortisationsplane getilgt und cs befänden sich die
Loose derselben in einem Ziehnngsrade, aus welchem die planmäßigen
Amortisationsraten alljährlich gezogen werden. Bei den Ziehungen habe
es sich nun bisher derartig getroffen, daß ü 6onto der Anleihe de 1846
mehr gezogen und getilgt worden sei, als solches nach dem Verhältniß
des ursprünglichen Kapitalsbetrages der beiden Anleihen nothwendig war,
während bei der Anleihe de 1849 um so viel weniger gezogen und ge
tilgt »ordcn sei. Diese Differenz würde sich zwar, wenn mit der plan
mäßigen Tilgnag fortgefahren würde, späterhin von selbst wieder aus
gleichen Wenn aber die Kündigung und Rückzahlung der Anleihe de
1846 erfolgen sollte, so würden sich Schwierigkeiten ergeben und es sei
daher auch mit Rücksicht auf diese eigenthümlichen Verhältnisse gewiß
gerechtfertigt, die Rückzahlung der Anleihe vom Jahre 1849 gleichzeitig
in Erwägung zu ziehen.
Wie auch bezüglich der übrigen Anleihen die Entscheidung der Frage
wegen Eonvertirung derselben ausfallen möge, jedenfalls wolle er schon
'jetzt den Antrag stellen, die Anleihe de 1878 von der Eonvertirung aus
zunehmen. Diese Anleihe sei noch nicht vollständig begeben, sondern noch
etwa zum dritten Theile, wenn auch nur in den auf 4 pCt. herabgesetzten
Anleihescheinen vorhanden. Wenn auch den Communalbehörden formell
das Recht zustehe, die Eonvertirung der Anleihe auf 4 pCt. zu beschließen,
so läge es doch in der Billigkeit, solches nicht zu thun.
Im klebrigen sei der Zeitpunkt für die Umwandlung des Zinsfußes
der Anleihen insofern ein günstiger, als mit Ausnahme einer Anleihe,
für welche noch längere Zeit Zinscoupons laufen, für die sonstigen An
leihen im nächsten Jahre neue Zinsscheinbogen ausgereicht werden müßten.
Ferner machte der Herr Vorsitzende davon Mittheilung, daß bereits
zwei Bewerbungen zur Uebernahme der mit der Eonvertirung verbundenen
finanziellen Operationen eingegangen seien und zwar die eine von einem
aus 10 namhaften Firmen gebildeten Consortium unter Führung der
Königlichen Generaldirection der Seehandlungssocietät, die andere von
dem Banquier Jacob Land an.
Nachdem in Folge einer Anfrage eines Mitgliedes über die Natur
der aus dem Reichsinvalidensonds entnommenen Anleihe noch mitgetheilt
worden war, daß diese Anleihe weder kündbar noch convertirbar sei, wurde
in die 'Generaldebatte über die zur Berathung stehende Frage eingetreten.
Die Mehrzahl der Mitglieder war im Allgemeinen darüber einig,
daß die zeitigen Verhältnisse des Geldmarktes dazu benutzt werden sollen,
eine Eonvertirung vorzunehmen.
Es wurde ausgeführt, daß, nachdem von verschiedenen Städten in
dieser Beziehung bereits vorgegangen worden sei, Berlin nicht zurück
bleiben könne, sondern ebenfalls dahin streben müsse, eine Ersparniß an
Anleihezinsen und somit eine Verringerung der allgemeinen Lasten her-
beizuführen. Wenn auch einzelne kleinere Leute durch die vorzunehmende
Maßregel Einbuße in ihren Einnahmen erleiden würden, so könne man
sich hierdurch nicht beirren lassen. Das Herabgehen des Geldwerthes er
zeuge einen allgemeinen Druck, unter dem Jedermann zu leiden habe und
dessen Folgen Jeder tragen müsse. Die Einwohnerschaft Berlins habe
durch die Eonvertirung Nutzen zu erwarten und dies müsse maßgebend
und für die Beurtheilung der vorliegenden Frage entscheidend sein.
Andererseits wurde hiergegen bemerkt, daß der durch die Herabsetzung
des Zinsfußes zu erhoffende Nutzen für die Stadt-Hauptkasse nicht so
groß sei, um die Durchführung einer so schwer wiegenden Maßregel,
welche hauptsächlich die Berliner Bevölkerung schädige, zu rechtfertigen.
Die betreffenden Besitzer von Berliner Stadtobligationen würden sich
von den städtischen Anleihen zurückziehen und andere Papiere erwerben,
die höhere Zinsen tragen, z. B. ausländische Actien oder Jndustriepapiere,
die aber nicht so sicher seien und bei d«ien oft Verluste einzutreten
pstegen. Wenn übrigens die Verhältnisse des Geldmarktes wie es den
Anschein habe, sich noch mehr verschlechtern und das Geld noch mehr im
Werthe sinken sollten, so sei es gewiß praktischer die Convertirungsfrage
auf ein bis zwei Jahre auszusetzen, dann aber sofort die Herabsetzung
des Zinsfußes auf lJ/zpCt. zu beschließen.
Bei der Berathung der Frage, welche Anleihen von der Eonvertirung
berührt werden sollen, wurde von einer Seite hervorgehoben, daß man
hierbei die Billigkeit nicht ganz aus den Augen lassen möge. Wie all
gemein bekannt, seien die Stadtanleihescheine über pari ausgegeben worden
und die Stadt habe das Agio gewonnen
Nachdem im vergangenen Jahre von der Stadtverordneten-Versamm-
lung der Beschluß gefaßt worden sei, die Eonvertirung der städtischen
Anleihen nicht auszuführen, hätten sich viele Personen im guten Glauben
darauf, daß eine Zinsermäßigung in längerer Zeit nicht eintreten werde,
bestimmen lassen, ihr Geld in Stadtobligationen anzulegen und solche
zu hohen Coursen angekauft. Man werde hierauf Rücksicht nehmen
müssen und es sei billig und gerecht, die neueren Anleihen nicht in die
Eonvertirung hineinzuziehen, sich vielmehr auf die noch nach der Thaler-
Währung lautenden Anleihen zu beschränken.
Von anderer Seite wurde dagegen ausgeführt, daß der Stadt-
Hanptkasse ein möglichst großer Vortheil mit der Durchführung der Maß
regel zugeführt werden müsse und daß es sich daher empfehle, alle An
leihen und namentlich auch die neueste vom Jahre 1878 in 4proccntige
umzuwandeln mit alleiniger Ausnahme derjenigen Anleihen, deren Rück
zahlung beschlossen werden sollte. Ferner wurde ein Vorschlag dahin ge
macht, die Anleihen zu unificiren dergestalt, daß sämmtliche Anleihen zur
Rückzahlung aufgekündigt werden und die Einlösung mit Hilfe einer
neuen Anleihe ü 4 pCt. bewirkt werde.
Gegen letzteren Vorschlag wurde hauptsächlich eingewendet, daß
hierzu die Genehmigung der Staatsbehörden wohl nicht zu erlangen sein
würde. Die verschiedenen städtischen Anleihen hätten besondere staatlich
genehmigte Amortisationspläne und erfolge die Tilgung theils zu 1 pCt.,
theils zu 2 pCt. des ursprünglichen Kapitalbetrages. Durch die Auf
nahme einer neuen Anleihe würden die Tilgungspläne verändert werden
müssen und es sei unter den gegenwärtigen Verhältnissen gewiß wenig
Hoffnung vorhanden, daß dies von den vorgesetzten Behörden gut ge
heißen werden würde. Mit Rücksicht hierauf möge man auf den vor
geschlagenen Plan nicht eingehen, sondern lediglich bei der Frage der
Eonvertirung stehen bleiben.
Ebenso wurde die Kostenfrage angeregt und wurde hierbei die Ansicht
vertreten, daß vielleicht das Geschäft ohne besondere Kosten für die Stadt
gemeinde durchgeführt werden könne. Insbesondere werde bei dem zeitigen
Stande des Courses der städtischen Anleihen eine Convertirungsprämie
nicht zu gewähren sein.
Bon einem Mitgliede wurde darauf hingewiesen, daß es nach der
Fassung des Privilegiums über die Anleihe de 1846 zweifelhaft sei, ob diese
zur Rückzahlung aufgekündigt werden könne. Der Herr Vorsitzende theilte
darauf mit, daß in dem Patente stehe, daß die Gläubiger zur Kündigung
nicht berechtigt feien und daß man daher der Stadtgemeinde gewiß mit
Recht die Befugniß zur Aufkündigung vindiciren könne. Diese Anleihe
sei übrigens bereits im Jahre 1852 in Gemeinschaft mit der Anleihe
de 1849 convertirt worden, wobei ebenfalls die Kündigung der Obli
gationen, ohne auf Widerstand gestoßen zu sein, ausgesprochen worden sei.
Nachdem der Herr Vorsitzende ferner auf Anfrage noch mitgetheilt
hatte, daß die letzten Stücke der Anleihe de 1876 erst im Jahre 1879
zur Verausgabung gekommen seien, wurde die Debatte geschlossen und
zur Abstimmung geschritten.
Es wurde beschlossen:
1. die Anleihe de 1846 aufzukündigen und zurückzuzahlen,
2. die Eonvertirung der Anleihen de 1849 und 1855 vorzu
nehmen, indeß nur dann, wenn nicht eine Rückzahlung derselben
stattfinden könne, was vorzuziehen sei,
3. die Eonvertirung der Anleihen de 1876 und 1878 abzulehnen,
dagegen
4. die Eonvertirung der Anleihen de 1866, 1869, 1870 und 1875
eintreten zu lassen,
5. die nach den vorstehenden Beschlüssen zu convertirenden An
leihen zu einem und demselben Zeitpunkte aufzurufen.
Zugleich wurde beschlossen, in Aussicht zu nehmen, daß das Con-
vertirungsgeschäft bis zum 1. October d. I. stattzufinden habe, daß eine
Convertirungsprämie nicht gezahlt werbe und daß diejenigen Zinsbeträge,
welche dadurch entstehen, daß die gekündigten Obligationen und Stadt
anleihescheine nicht rechtzeitig zur Einlösung präfcntirt werden, der Stadt
gemeinde verbleiben.
Herr Stadtverordneter Loewe beantragte schließlich, eine Nach
weisung darüber anfertigen zu lassen, in welchen Quantitäten und zu
welchen Terminen die Anleihe de 1876 begeben worden sei.
a. u. s.
gez. Runge. Misch. Wolfs.
Zu Nr »3«.
Die Versammlung wolle beschließen:
Den Inhabern der gekündigten Obligationen de 1846,
1849 und 1855 wird, sobald sich dieselben in einer zu be
stimmenden Frist dazu bereit erklären, aus den Beständen der
Stadt-Hauptkasse der gleiche Betrag 4procentiger Anleihescheine
de 1878 im Umtausch ausgeliefert.
Hierbei können zur Ausgleichung Baarzahlungen bis auf
Höhe von 50 </fi. zum Course al pari stattfinden.
Berlin, den 21. Mai 1881.
gez. Jacobs.