568 (frühere Nr. 77). Vorlage (J.-Nr. 35. K. W.) - zur
Beschlußfassung —, betreffend einen Nachtrag zu
dem mit dem Herrn Baurath Hobrecht geschloffe
nen Vertrage vom 17 Mai 1873.
In der Anlage übersenden wir der Stadtverordneten-Versammlung den
Entwurf zu einem Nachtrage zu dem mü dem Herrn Baurath Hobrecht
abgeschlossenen Vertrage vom 17. Mai 1873, fowie Abschrift jene« Ver
trages selbst. Wir bemerken hinsichtlich des Nachtrages zunächst im All«
gemeinen Folgendes-
Der ursprüngliche Vertrag vom 17. Mai 1873 verpflichtet in erster
Linie den Herrn Hobrecht (§. 1) zur Ausführung des Radialsystems III.
und (§. 2) bedingungsweise auch zur Ausführung der Radialsysteme I.,
II., IV. und V., wenn nämlich seitens der Stadtgemeinde die Inangriff
nahme dieser Systeme während der Bauzeit für Radialsystem III. be
schlossen werden sollte. Diese Bedingung ist eingetreten, denn vor Voll-
endung des Baues des Radialsystems III. beschloß die Stadtgemeinde (1875)
an die AuSsührung der übrigen vorgenannten Systeme zu gehen, und dem
gemäß hat auch Herr Bauraih Hobrecht damals die Ausführung über
nommen und leitet dieselbe noch gegenwärtig.
Hiernach möchte es auf den ersten Blick für die Stadtgemeinde wenig
stens überflüssig erscheinen, da die Ausführung der Radialsystcme I., II.,
IV. und V. durch Herrn Baurath Hobrecht schon auf Grund des §. 2
de« Haupivenrages gesichert erscheint, noch zu demselben Zweck einen be
sonderen Nachtragsverrrag zu machen. Dennoch aber liegt eine solche Noth
wendigkeit auch für die Siadtgemeinde vor; denn der §. 2 des Haupt
vertrages verpflichtet den Baurath Hobrecht zur Ausführung der jetzt in
Bau begriffenen Systeme nur in dem Umfange, wie jener Vertrag ihm
die Ausführung des Systems III. zur Pflicht macht; und wir haben schon
bei einer anderen Gelegenheit, als es sich um Zahlung der für Vollendung
des Radialsystems III. ausgesetzten Bauprämie handelte, mit unserer Vor
lage vom 24. April 1878 gezeigt, daß der Baurath Hobrecht beim
Radialsystem III. umfangreiche Mehrarbeiten theils über den Anschlag,
theils über den Vertrag hinaus geleistet hatte. Ganz dasselbe Verhältniß
stellt sich demnach auch heraus bei der auf Grund des §. 2 des Haupt-
verirages übernommenen AuSsührung der vier übrigen Systeme, so daß
wenn die Stadtgemeinde diese Mehrarbeiten durch den Herrn Hobrecht
will ausführen lassen, sie gezwungen ist, mit ihm einen neuen Vertrag
oder einen Nachtrag zum Hauptvertrage einzugehen; daß aber jene Mehr
arbeiten zweckmäßig nur durch den Herrn Hobrecht ausgeführt werden
können, zeigt sich klar, wenn man sie einzeln durchgeht. Im Wesentlichen
rst es zunächst und hauptsächlich die AuSsührung der Vertheilungsleitungen
und Entwässerungsanlagen (Aptirung) auf den Rieselfeldern, dann die
Planirung der Felder selbst, die Leitung der Hausanschlüsse und des Be
triebes der Pumpstationen bis zur definitiven Uebernahme seitens der Stadt,
wogegen die Legung einer längeren Druckrohrleitung (statt 4500 m durch
schnittlich 12—14 000 m) und das Berechnen und Ausstellen einer ver
mehrten und verstärkten Dampfmaschinenanlage aus den Pumpstationen —
welches beides nothwendig wurde, da die Rieselfelder in einer größeren
Enljernung von Berlin erworben wurden, als der Anschlag annahm —
als weniger wichtig und schwierig zurücktritt.
Die §§. 1—4 des Nachtragsvertrages enthalten daher die Verpflich
tung des Herrn Bauralh Hobrecht, nicht blos die Radialsysteme I., II.,
IV. und V. nach den Bestimmungen und dem Umfange des Hauptver-
irages auszuführen, sondern dabei die voraufgesührten Mehrarbeiten, sowie
etwa über den Anschlag hinaus sich als nothwendig und zweckmäßig her
ausstellende Leistungen und überhaupt Alles vorzunehmen, was das Inter
esse dieser Systeme erheischt.
Erwähnt sei hierbei noch (§. 3), daß Herr Hobrecht sich auch bereit
erklärt hat, wenn die Siadtgemeinde dies beschließt, die Herausgabe eines
Werkes über die Canalisation zu leiten.
Diesen Verpflichtungen gegenüber (§§. 1—4) ist im §. 5 die dem
Herrn Baurath Hobrecht zu gewährende Gegenleistung enthalten. So
wie sie dort sormulirt ist, stellt sie sich dar als das Resultat wiederholter
und eingehender Besprechungen mit dem Herrn Hobrecht, welcher darin
zum Theil seine Gegenforderung erblickt für die von ihm über seinen ur
sprünglichen Vertrag hinausgehenden neu übernommenen Verpflichtungen.
Was die einzelnen Positionen betrifft, so hat sich (§. 5 a.) Herr
Hobrecht bereit erklärt, für das Gehalt des Hauptvcrlrages auch für die Zu
kunft als Chefingenieur für Radialsystem I., II., IV. und V. zu fungiren;
und bei der Fuhrkostenenlschädigung (§. 5 b.) ist nur eine nicht bedeutende
Erhöhung gegen früher (3 000 jfi. gegen 2 100 <^£) um deswillen ein
getreten, weil einmal das Gebiet der Canalisation im Innern der Stadt,
welches nunmehr die Aussicht des Herrn Hobrecht erfordert, um rund
viermal größer als früher geworden ist, und ferner weil schon jetzt und in
Zukunft die sehr kostspieligen Fahrten nach den Rieselfeldern bei Falkenberg-
Bürknersfelde hinzukommen. Die Zahlung der erhöhten Entschädigung soll
erst vom 1. April 1879 ab beginnen, trotzdem schon über ein Jahr vorher
Herr Hobrecht die vier mehrerwähnten Systeme in Angriff genommen hat.
Lebhafte Erörterung hat jedoch die Frage hervorgerufen, ob als Gegen
leistung, analog wie im §. 12 des Hauplvertrages für Radialsystem III.
ceceinbart war, wiederum eine Bauprkimienzahlung festgesetzt werden sollte.
Hierbei muß erwähnt werden, baß nach dem bloßen Wortlaute des ß. 13
des Hauplvertrages eine Verpflichtung der Stadigemcinde zwar bezweifelt
werden kann, doch müßte hier in Betracht kommen die in der Vorlage des
Magistrats vom 10. Mai 1873, mit welcher er den Haupkvertraz im Ent-
würfe der Versammlung zur Zustimmung überschickt, enthaltene Motivirung
des ß. 13:
„Die Fassung des §. 13 war dadurch geboten, daß zur Zeit
nicht feststeht, ob die Ausführung anderer Radialsysteme während
der Ausführung der Canalisation für Radialsystem III. beliebt
werden wird. Geschieht es, so werden andere Beschlüsse nicht
nur wegen der Höhe der Prämie, sondern auch wegen der
dem Chefingenieur zu stellenden Fristen nöthig sein."
Die Erwägung, daß auch die Stadtverordneien-Versammlung dem §. 13
mit dieser Motivirung zustimmte, würde eine Rechtfertigung für die An-
siche abgeben, daß zwar im Hauptoertrage schon die Zahlung von Bau-
prämien für die jetzt im Bau begriffenen Systeme als Pflicht der Stadt
gemeinde ausgesprochen ist. und daß nur die Höhe der Prämien und die
Baufristen, an deren Junehaltung sie geknüpft werden sollten, noch späterer
Vereinbarung vorbehalten würde.
Und weitere Unterstützung würde diese Ansicht durch die Auffassung
der jetzt noch im Amt befindlichen Redacteure des Vertrages finden, welche
dahin geht, daß durch §. 13 nur gesagt werden sollte, baß nicht ohne
Weiteres für die übrigen Systeme eine gleich hohe Prämie wie bei Radial
system III. im §. 12 stipulirt wurde, weil nämlich, wie schon ebenfalls in
der oben erwähnten Vorlage des Magistrats an die Skadlverordnetcn-Ver«
sammlung vom 24. April 1878 ausgeführt ist, in jene Prämie für Radial
system III. auch die Honorirung von Arbeiten des Herrn Hobrecht mit
inbegriffen war, welche jener schon als Vorarbeiten zum Bau lange vor
Abschluß des Vertrages ohne Zahlung eines ihm längst versprochenen Ent
geltes seitens der Stadt geleistet halte.
Diese aus der Fassung des §. 13 sich ergebende Meinungsverschieden
heit kann aber füglich auf sich beruhen, da, wie vorher entwickelt, die Stadt
gemeinde dem Herrn Hobrecht gegenüber nicht mehr lediglich auf dem
Boden des Vertrages vom 13. Mai 1873 steht, sondern weil es sich um
neue Abmachungen handelt, durch welche zum Theil Arbeiten über den
Hauptvertrag hinaus übernommen und deren Honorirung festgesetzt werden
soll. Und der andere Theil verlangt, ganz abgesehen von seiner Auffassung
des §. 13, eine Honorirung durch Festsetzen von Bauprämien.
Die Höhe dieser Prämien nimmt nach dem Entwürfe stufenweise je
nach der Vollendungszeit der Radialsysteme ab. Bei Radialsystem III.
sind 30 000 gezahlt, jetzt sollen für das zuerst fertig werdende System
20 000 <AC„ für die beiden folgenden je 15 000 und endlich für das
letzte 10 000 jfC. gezahlt werden, eine Abstufung, tue darin ihre Berechti
gung findet, daß die Schwierigkeit der Aufgabe mit jedem Systeme, we
nigstens um etwas, durch die bei der Arbeit selbst gesammelten Erfahrun
gen geringer wird.
Im Ganzen würden hiernach Herrn Hobrecht 60 000 nalb
Vollendung sämmtlicher im Bau begnffener Systeme zu zahlen sein, eine
Summe, die vielleicht auf den ersten Blick hoch erscheinen möchte, in der
That aber geringer ist, als der Betrag, welchen Herr Baurath Hobrecht
zu fordern haben würde, wenn er für die über seine Verpflichtungen
hinausgehenden Mehrarbeiten nach der Hälfte oder dem dritten Theil der
sonst für Architekten üblichen Normalsätze liquidiren würde, wobei noch
außerdem die erheblichen Anschlagssummen in Rechnung gezogen weiden
müßten.
Die für die Vollendung der einzelnen Systeme genannten Fristen be
ruhen auf Auskunft des Herrn Hobrecht und werden nicht nur inne
gehalten werden, sondern die Vollendung wird voraussichtlich bei allen
Systemen schon früher eintreten.
Die beiden Schlußsätze des §. 5 des Entwurfes bedürfen ebenfalls
noch einer kurzen Erläuterung.
An sich möchte es schon selbstverständlich sein, daß. wenn die Fristen
inne gehalten werden, die Zahlung der Prämien ohne Weiteres zu erfolgen
hat, und der vorletzte Absatz ist nur aufgenommen, um jeden Irrthum —
daß etwa noch ein GemeindrbcsLluß nöthig wäre — von vornherein aus
zuschließen.
Auch der letzte Absatz möchte nach Lage der Gesetzgebung überflüssig
erscheinen; er hat aber auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Hobrecht
Aufnahme gefunden.
Endlich enthält der Entwurf in den §§. 7 und 8 nock Bestimmungen
für den Fall, daß die Stadtgemeinde die Ausführung der sogenannten
Außensysteme oder eines oder einzelner derselben beschließen sollte. Herr
Hobrecht übernimmt in diesem Falle ebenfalls die Aufstellung der Pro-
jecte und die Ausführung derselben, beziehungsweise ist die Stadtgemeinde
verpflichtet, diese Arbeiten Herrn Hobrecht zu übertragen, was letzteres
der weitaussehenden Verpflichtung des Herrn Hobrecht gegenüber nur
billig erscheinen kann. Aber auch sonst mußte dem anderen Theile ein
RücktriltSrccht von diesem Theile des Vertrages für den Fall zugebilligt
werden, daß er den Bau und die Abrechnung verschiedener ihm über
tragener Systeme vollendet hat, und die Stadtgemcindc aus irgend welchen
nicht absehbaren Gründen einen neuen Auftrag zur Projecliiung oder zum
Bau anderer Systeme nicht beschließt. Und sollte diese Unterbrechung
gerade in ein solches Stadium fallen, daß Herr Hobrecht im Entwürfe
oder am Ende der Projectirungsarbeiten sich befindet, so wird ihm für
diesen Fall, da er dann das Project nicht ausführt, zugebilligt werden
müssen, daß er für seine Vorarbeiten besonders liquidiren kann. Jetzt schon
etwa ein Pauschquantum festsetzen zu wollen, verbietet sich von selbst.