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Volume No. 109 (625-634), 6. December1879

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1879 (Public Domain)

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(625—634.) 
Vorlagen 
für die 
Stadtverordneten-Versammlung zu Berlin. 
623. Protokolle des Ausschusses zur Dorberathung 
der Vorlage, betreffend das öffentliche Anschlag 
wesen (Drucksache 38L). 
I. 
Verhandelt Berlin, den 21. November 1879. 
Anwesend: 
Stadtverordneten-Vorsteher Di-. Straßmann, Vorsitzender, 
Stadtverordneter Meyn, 
- Dr. Horwitz, 
- Dr. Stryck, 
Flesche, 
- Scheiding, 
. Grabe, 
- Reichnow, 
- Dr Kürten, 
- Misch, 
- Schmidt I., 
- Schmidt I!., 
- Krause, 
Herr Stadtrath Voigt. 
Entschu ldigt: 
Herr Stadtverordnelen-Borsteyer-Stellvertreter Vollgold. 
- Stadtverordneter Kochhann. 
Der Ausschuß hat seine heutige Berathung, ohne sich jedoch auf eine 
generelle Discussion der Vorlage näher einzulassen, damit begonnen, zu 
constatiren, daß die Litfaß'schen Erben rechtlich verflichtet sind, den der 
Stadt gehörigen Grund und Boden, auf dem gegenwärtig die Anschlag 
säulen stehen, zum 1. Juli 1880 frei zu legen und den städtischen Be 
hörden zur Disposition zu stellen. Hierbei ist die Frage wegen des 
Eigenthumsrechts an den Litfaß'schen Säulen unerörtert geblieben, da 
mitgetheilt wurde, daß die Litfaß'schen Erben, ivelche dies Recht für sich 
in Anspruch nehmen, sich dabei auf einen besondern Vertrag stützen, den 
sie mit dem Königlichen Polizei-Präsidium abgeschlossen haben. Der In 
halt dieses Vertrages aber ist diesseits unbekannt. 
Hicrnächst ist der Ausschuß in die Berathung des Entwurfs zu einer 
Polizeiverordnung über das öffentliche Anschlagwesen eingetreten. 
8- 1. 
Oeffentliche Anzeigen dürfen auf öffentlichen Straßen und 
Plätzen nur an die zu diesem Zweck bestimmten Vorrichtungen 
(Anschlagsäulen, Anschlagtafeln rc.) angeschlagen werden. 
Die Befugniß hiesiger öffentlicher Behörden, ihre Bekannt- 
machungcn, Erlasse und Anzeigen auch an anderen Orten an 
zuschlagen, wird hierdurch nicht berührt. 
Auch bleiben Grundstücksbesitzer und Miether berechtigt, An 
zeigen, ivelche lediglich ihr eigenes Interesse betreffen, an ihren 
Grundstücken oder Miethsräumen auszuhängen oder anzuschlagen. 
Bei der Berathung über diesen Paragraphen wurde in Anregung ge 
bracht, ob der gegenwärtige Zeitpunkt der Neuregelung des Anschagwesens 
nicht geeignet sein möchte, das Zugeständniß zu erhalten, daß auch Wahl 
zettel an die Säulen angeschlagen werden dürfen. Mit Rücksicht darauf 
jedoch, daß seit einer längeren Reihe von Jahren von der betreffenden Stelle 
keine Schwierigkeiten gemacht worden sind, dergleichen Zettel im Innern 
der Häuser an geeigneter stelle anzuheften, sobald nur die Zustimmung 
des Grundstücksbesitzers eingeholt ist, sowie mit Rücksicht auf die Kürze 
der gegebenen Zeit, welche es nicht angemessen erscheinen läßt, noch 
neue Bedingungen aufzustellen, die wiederum eingehende Verhandlungen 
mit dem Polizei-Präsidium erfordern und die rechtzeitige Ordnung der 
ganzen Angelegenheit in Frage stellen, glaubt die Majorität des Aus 
schusses, über die gegebene Anregung hinweggehen zu sollen. 
tz. 2. 
Die im §. 1 bezeichneten Vorrichtungen dürfe» nur unter 
gleichzeitiger Genehmigung des Polizei-Präsidiums, des hiesigen 
Magistrats und der städtischen Straßcnbanpolizei-Verwaltung 
errichtet werden. Einer gleichen Genehmigung bedürfen die Be 
stimmungen wegen des Formats der anzuschlagenden Anzeigen 
und wegen der für das Anschlagen derselben zu erhebenden Ge 
bühren. 
Hiesige öffentliche Behörden können für ihre Bekanntmachun 
gen, Erlasse und Anzeigen die unentgeltliche Ueberlassung des 
erforderlichen Raumes und den unentgeltlichen Anschlag der 
selben beanspruchen. 
Eine Ansinge, ob das Königliche Polizei-Präsidium, außer im ver 
kehrspolizeilichen Interesse, auch in Bezug auf die Baupläne für die 
Säulen, sowie den Tarif und das Placatwesen gehört werden müsse, 
fand ihre Beantwortung dahin, daß, wie jede andre bauliche Herstellung 
an und auf der Straße der Genehmigung des Polizei-Präsidiums und 
der städtischen Straßenbaupolizei-Berwaltung bedürfe, so auch die An 
schlagsäulen den Entschließungen dieser Instanzen unterworfen seien. In 
Bezug auf den Tarif und die Bestimmungen über die Placate fei das 
Reichspreßgesetz, sowie die Deutsche Gewerbeordnung maßgebend und nach 
diesen Gesetzen gehörten zu den Befugnissen des Polizei-Präsidiums auch 
die Festsetzungen hinsichtlich des Tarifs und des Formats der Placate. 
Das 2. Alinea des §. 2 gab insofern zu Bedenken Beranlasfung, 
als den hiesigen öffentlichen Behörden durch den allgemein zu gestattenden 
unentgeltlichen Anschlag eine weitgehende Befugniß eingeräumt werde, die 
bei der großen Menge der öffentlichen Behörden möglicherweise dahin 
führen könnte, daß dem Publikum für seine Placate kein Raum mehr 
übrig bleibt. In dieser Beziehung müßten also irgend welche beschrän 
kende Bestimmungen getroffen werden, vielleicht nach der Richtung hin, 
daß bestimmte Kategorien von Behörden bezeichnet werden oder daß den 
Behörden ein, zu dem Gesammtflächeninhalt der Säulen in entsprechendem 
Verhältniß stehender Theil unentgeltlich eingeräumt wird und das, was 
darüber ist, nach dem für das Publikum bestehenden Tarif bezahlt werden 
muß. Nur dann sei es möglich, dem Pächter eine gewisse Garantie zu 
geben, ohne welche derselbe nicht im Stande sei, seine Berechnungen auf 
zustellen. Auch das Interesse der Stadt erfordere eine genauere Präci« 
sinnig dieser Bestimmung, da sie einen wesentlichen Einfluß auf die Höhe 
des Pachtgebots ausübe. 
Entgegnet wurde hierauf, daß eine Declarirung der betreffenden 
Bestimmung lange Verhandlungen mit den zuständigen Behörden hervor 
rufen werde, denn cs sei doch überaus schwer, abzumessen, wie groß die 
Fläche für die öffentlichen Bekanntmachungen sein könne, ja, es sei sogar 
bei Eintritt eines ganz außerordentlichen Ereignisses nicht unmöglich, daß 
die ganze Säule einmal in Anspruch genommen wird. In der Theorie 
seien die Befürchtungen allerdings groß, in der Praxis stelle sich die 
Sache jedoch anders, da für den Druck der Placate bedeutende Geldmittel 
aufgewendet werden müßten. In dieser Beziehung seien die Behörden
	        
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