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(561.)
Vorlage
für die
Stadtverordneten-Versammllmg zu Berlin.
561. Vorlage (I.-Nr. 604. P. D.) — zur Beschlußfassung
—, betreffend die Vertilgung der Maikäfer«
Engerlinge im Humboldthain.
Aus Sparsamkeitsgründen ist in diesem und dem vorigen Sommer
im Humboldihain das Gras nicht so kurg gehalten worden wie früher und
wie zur Erhaltung einer dichten, festen Rasennarbe nothwendig ist. Nach
dem nun in diesem Sommer das, in Folge der nassen Witterung und des
selteneren Mähens, lange Gras zum letzten Male beseitigt worden und
die frisch gemähten Flächen dem intensiven Sonnenlichte mehr als den
Sommer hindurch einige Zeit ausgesetzt waren, bemerkte man zuerst aus
den großen Rasenbahnen gelbe Stellen, welche, wie dies häufig in Folge
lange dauernder Beschattung durch die lang gewordenen Obergräser vor
kommt, wie verbrannt aussahen und auch mehrere Tage hindurch nach dem
Gutachten des Gartendirectors dafür gehalten wurden. Die Untersuchung
jedoch ergab, daß unter der Rasennarbe eine große Menge von Maikäfer-
Engerlingen, fast ausschließlich vorjähriger Vermehrung, lagen. In Folge
dessen wurden sämmtliche Rasenflächen des HainS untersucht, und man
fand wenige Stellen, welche frei von Larven waren. Von etwa 3 /g der
Gesammtrasenflächen ist die kleinere Hälfte sehr stark (12—15 Stück pro
Quadratfuß), die größere Hälfte dagegen weniger stark, immerhin aber für
den Rasen verderblich, mit Engerlingen besetzt.
Die Ausdehnung der bevorstehenden Arbeit und der zur Zeit noch
günstige Umstand, daß die Engerlinge sich fast ohne Ausnahme in der
etwa 3 Zoll unter der Rasenobeiflüche liegenden Schicht befinden, ließen
erkennen, daß sofort energisch vorgegangen werden müßte, wenn nicht der
Hain im künftigen Sommer anstatt Rasen verdorrte Flächen zeigen, auch
die Gehölzbestände, eine höchst werthvolle dendrologische Sammlung, in die
größte Gefahr gesetzt werden sollten. Deshalb ließ der Gartcndirector
sosort an der Vertilgung der Engerlinge arbeiten; die Park-Deputation,
deren Genehmigung er nachsuchte, überzeugte sich auf den Bericht von
Mitgliedern, welche die Verheerung in Augenschein genommen hatten, von
der Nothwendigkeit, die Vertilgungsmaßregeln fortzusetzen.
So sind nun seit einigen Wochen etwa 50 Frauen beschäftigt, den
Rasen an den am meisten von den Engerlingen heimgesuchten Stellen auf
zureißen und die Thiere abzulesen. Es ist dies eine verhältnißmäßig schnell
von Statten gehende Arbeit, welche, wenn die Engerlinge bei kälterer Wir
kung, auch noch im zeitigen Frühjahre, sich in tieferer Lage befinden,
bedeutend zeitraubender und auch kostspieliger wird. Auf einer 13 Morgen
gloßen Fläche sind bis jetzt gegen 4 Millionen der etwa gliedlangen Larven
vernichtet und dafür rund 2 500 <A(.. verausgabt worden. Sicherlich ist
"der mehr als die doppelte Arbeit zu leisten, wenn man mit Bestimmtheit
einem späteren Schaden vorbeugen will.
Die verschiedenen in Vorschlag gebrachten Mittel, welche zum Theil
dort, wo der Engerling im offenen Boden auftritt, von einigem Erfolg
>em mögen, erwiesen sich hier als vollständig nutzlos, weil die Substanzen,
' !len eS nun Lösungen oder pulverförmige, trotz vorherigen Durchhackens
mit der Harke, die Engerlinge nicht erreichen. Diese Mittel stark in An
wendung gebracht, würde» auch ganz sicher den Rasen zerstören und den
Boden auf einige Jahre für die Vegetation unbrauchbar machen. Es wurden
Versuche mii Lösungen von Staßsuriher Abraumsalzen, Chilisalpeter (1 Pfund
auf 6 Liter Wassei), Chlor. Kalilauge, Chlorkalk, gebranntem Kalk, GyPS,
Carbolsäure, Jauche von zerquetschten Krebsen rc. vorgenommen, ohne einen
nennenswerlhen Erfolg herbei<usühcn.
Wenn die obere Erdschicht für die Thiere dadurch unbrauchbar ge
worden war, gingen dieselben stellenweise tiefer, um in angemeffener Ent
fernung sich wieder den Graswurzeln zu nähern. Auch Bretter mit V, Zoll
von einander entfernten Nägeln in den Erdboden eingedrückt, brachten unter
30 Engerlingen einem eine Verwundung bei, die Uebrigen befanden sich
unversehrt in der Erde zwischen den Nägeln.
Der Vorschlag, die Maulwürfe zu vermehren, hat ebenfalls wenig
Aussicht auf Erfolg. Dieselben müffen wegen der werthvollen Gehölz-
excmplare, welche als Vortrupps im Rasen stehen und leicht von den Maul
würfen verdorben werden, in Schranken gehalten werden. Auch mögen
die Maulwürfe wohl in einem trockenen und lockeren Boden zur Vertil
gung der Engerlinge beitragen, jedoch in dem festen, feuchten Rasenboden,
wo sie die von ihnen unstreitig bevorzugten Rcgenwürmer in reichlichem
Maße finden, werden sie durch die Engerlinge wenig angelockt. Auf Rasen
flächen, an denen kein Engerling gewesen ist, hat man zahlreiche Maul
würfe gefunden, während auf derselben Fläche, in einer Entfernung von
20 Schritt, eine mit Engerlingen besetzte Stelle vollständig von denselben
ignorirt wurde. Ein eingefangener Maulwurf hat die ihm gegebenen
Regenwürmer verzehrt, dagegen die gleichzeitig in den Kasten gesetzten
Engerlinge mit Ausnahme einiger verschmäht.
Es war bis jetzt im Humboldthain noch kein Maikäfcrfraß bemerkt
worden und können die Eier, aus denen die Engerlinge entstanden sind,
nur von Maikäfern, die von außerhalb herangeflogen, auf der Rasenfläche
abgesetzt sein. Die Thiere finden hier zu dem belegten Geschäft in dem
lang gewordenen Grase und der damit zusammenhängenden Lockerung der
Rasennarbe die günstigen Vorbedingungen vor.
Es bleibt somit diesem Naturereignisse gegenüber, wie man die Enger
lingsplage hier nennen muß, nur übrig, den Rasen aufzunehmen und die
Engerlinge herauszusuchen, wozu eine Summe von 5 000 jfL erforderlich
sein wird.
Die Stadtverordneten-Versammlung ersuchen wir,
sich nachträglich mit der Verausgabung der bereits zur Vertilgung
der Engerlinge im Humboldkhain verwendeten Summe von
2 500 jfC einverstanden zu erklären und zu diesem Zwecke noch
die Summe von 2 500 zu bewilligen.
Berlin, den 25. October 1879.
Magistrat hiesiger König!. Haupt« und Residenzstadt,
gez. von Forckcnbeck.
Berlin, den 27. November 1879.
Der Stadtverordneten-Vorsteher.
vr. Straßmann.
Gedrucki bei Julius Sittenseld in Berlin.