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Volume No. 66 (362-364), 9. Juni 1879

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1879 (Public Domain)

SM 66. 
(362—364.) 
Vorlagen 
für die 
Stadtverordneten-Versammlung zu Berlin. 
362. Vorlage — zur Beschlußfassung —, betreffend 
die Wahl von 7 Vertrauensmännern für das 
Amtsgericht im Bezirke des Landgerichts zu 
Berlin I. 
Nach den §§. 40, 41 und 42 des GerichtSverfassungsgeseycS für das 
Deutsche Reich tritt bei jedem Amtsgericht alljährlich ein Ausschuß zu 
sammen, welcher über die gegen die Urliste der Schöffen erhobenen Ein 
sprachen ,u entscheiden und aus der berichtigten Urliste für das nächste 
Geschäftsjahr die Schöffen und Hülfsschöffen zu wählen hat. Dieser Aus- 
schuß besteht aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden und einem von der 
Landesregierung (Regierungspräsidenten) zu bestimmenden Staatsverwal- 
tungsbeamien, sowie 7 Vertrauensmännern als Beisitzern. 
Die Vertrauensmänner sind aus den Einwohnern des Amtsgerichts 
bezirks zu wählen, und wir bemerken, daß nach der Verordnung vom 
26. Juli 1878 (G.-S. S. 275 ff.) im Bezirke des Landgerichts zu 
Berlin I., welches an die Stelle des jetzigen Stadtgerichts tritt, ein Amts 
gericht — als Gesammlbezeichnung der in unterster Instanz fungirenden 
Einzelgcrichte — constituirt wird. Dieses Amtsgericht wird also auch, 
Wenngleich bei demselben eine größere Anzahl von Schöffengerichten thätig 
sein wird, in Bezug auf organisatorische Fragen der vorliegenden Art als 
ein einheitliches zu betrachten sein, für dieses Amtsgericht I. auch nur 
Eine Urliste der Schöffen aufzustellen sein, aus welcher die Auswahl der 
Schöffen und Hülfsschöffen des jedesmaligen Geschäftsjahres durch den 
Ausschuß erfolgt. 
Die Wahl der hiernach erforderlichen 7 Vertrauensmänner des Aus 
schusses erfolgt durch die Kreisvcrtretungen der Gemeinden, also hier in 
Berlin durch die Stadtveroidneten-Versammlung und zwar nach der abso 
luten Mehrheit der Stimmen. 
Da die Angelegenheit eine dringliche ist, so ersuchen die Stadtver- 
ordneten-Versammlung wir auf Veranlassung des Präsidiums des Königlichen 
Kawmergerichts: 
noch vor Eintritt in die Ferien die 7 Vertrauensmänner, welche 
übrigens selbst die Qualification zu dem Amte eines Schöffen 
besitzen müssen, für das Amtsgericht im Bezirk des Landgerichts 
zu Berlin I. zu wählen und uns Namen, Stand oder Gewerbe 
und Wohnung der Gewählten mitzutheilen. 
Die über die Berufung zum Schöffenamte ergangenen Vorschriften, 
Welche auf die zu wählenden Vertrauensmänner entsprechende Anwendung 
stnden, sind in den g§. 31 bis 35 des Deutschen Gerichtsverfassungs- 
geletzes und im §. 33 des dazu erlassenen Preußischen Ausführungsgesetzes 
enthüllen und im Interesse der Uebersichtlichkeit in der Anlage beigefügt. 
Um außerdem die Bedeutung der vorzunehmenden Wahlen erkennbar 
zu machen, haben wir die §§. 27 und 75 des Deutschen Gerichtsversas- 
^MüksitzeS, aus welchen die sachliche Zuständigkeit der Schöffengerichte 
ersichtlich ist, gleichfalls in der Anlage beigefügt. 
Berlin, den 7. Juni 1879. 
Magistrat hiesiger König!. Haupt- und Residenzstadt, 
gez. Duncker. 
3« Nr. 362. 
A. 
Gerichtsverfassung-gesetz für das deutsche Reich. 
Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamt. 
^affelbe kann nur von einem Deutschen versehen werden. 
§. 32. 
Unfähig zu dem Amte eines Schöffen sind: 
1. Personen, welche die Befähigung in Folge strasgerichtlicher Ver- 
urtheilung verloren haben; 
2. Personen, gegen welche das Hauplversahren wegen eines Ver 
brechens oder Vergehens eröffnet ist, das die Aberkennung der 
bürgerlichen Ehrenrechte oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffent 
licher Aemter zur Folge haben kann; 
3. Personen, welche in Folge gerichtlicher Anordnung in der Ver 
fügung über ihr Vermögen beschränkt sind. 
8. 33. 
Zu dem Amte eines Schöffen sollen nicht berufen werden: 
1. Personen, welche zur Zeit der Ausstellung der Urliste das dreißigste 
Lebensjahr noch nicht vollendet haben; 
2. Personen, welche zur Zeit der Aufstellung der Urliste den Wohnsitz 
in der Gemeinde noch nicht zwei volle Jahre haben; 
3. Personen, welche für sich oder ihre Familie Armenunterstützung 
aus öffentlichen Mitteln empfangen oder in den drei letzten Jahren, 
von Aufstellung der Urliste zurückgerechnet, empfangen haben; 
4. Personen, welche wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zu 
dem Amte nicht geeignet sind; 
5. Dienstboten. 
§. 34. 
Zu dem Amte eines Schöffen sollen ferner nicht berufen werden: 
1. Minister; 
2. Mitglieder der Senate der freien Hansestädte; 
3. Reichsbeamtc, welche jederzeit einstweilig in den Ruhestand ver 
setzt werden können; 
4. Staatsbeamte, welche auf Grund der Landesgesetze jederzeit einst 
weilig in den Ruhestand versetzt werden können; 
5. richterliche Beamte und Beamte der Staatsanwaltschaft; 
6. gerichtliche und polizeiliche Vollstreckungsbeamte; 
7. Religionsdiener; 
8. Volksschullehrer; 
8. dem active» Heere oder der activen Marine angehörende Mi 
litärpersonen. 
Die Landesgesetzc können außer den vor bezeichneten Beamten höhere 
Verwaltungsbeamte bezeichnen, welche zu dem Amte eines Schöffen nicht 
berufen werden sollen. 
8- 35. 
Die Berufung zum Amte eine» Schöffen dürfen ablehnen: 
1. Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammlung; 
2. Personen, welche im letzten Geschäftsjahre die Verpflichtung eines 
Geschwornen, oder an wenigstens fünf Sitzungstagen die Ver 
pflichtung eines Schöffen erfüllt haben; 
3. Aerzte; 
4. Apotheker, welche keine Gehülfen haben; 
5. Personen, welche das sünfundsechSzigste Lebensjahr zur Zeit der 
Aufstellung der Urliste vollendet haben oder dasselbe bis zum 
Ablaufe des Geschäftsjahrs vollenden würden; 
6. Personen, welche glaubhaft machen, daß sie den mit der Aus 
übung des Amts verbundenen Aufwand zu tragen nicht ver 
mögen. 
Preußisches Ausführungsgesetz zu demselben. 
Schöffengerichte. 
8- »3. 
Zu dem Amte eines Schöffen sollen außer den in §. 34 deS deutschen 
Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Beamten nicht berufen werden:
	        
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