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Volume No. 29 (151-154), 3. März 1879

Full text: Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin (Public Domain) Issue1879 (Public Domain)

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Eine nur oberflächliche Vergleichung derjenigen Anforderungen, welche 
die Stadtgemeinde bei Abschluß des Vertrages von 1871/72 stellte, mit 
denjenigen allgemeinen Bedingungen wie sie auS der Anlage zu ersehen 
sind, und welche jetzt bei neuen Genehmigungen seit längerer Zeit gefordert 
werden, läßt dies erkennen. Bon Jahr zu Jahr lehrte die Erfahrung 
mehr, daß die ersten Anforderungen allein nicht genügen, um die Gefell, 
schaff nicht nur. sondern auch andere Unternehmer in wirksamer Art zu 
veranlassen, daß die durch den Bahnbau wie Betrieb verursachten Aus 
nahmezustände in den Straßen der Allgemeinheit nicht uachiheilig wurden; 
und so ist eS gekommen, daß die Anforderungen von Jahr zu Jahr sich 
verschärften. DicS gilt insbesondere von der Herstellung des Pflasters; denn 
während früher die Unternehmer nur verpflichtet waren, den zu pflasternden 
ThcU der Straßenzüze mit demjenigen Material zu befestigen und zu unter« 
halten, mit welchem die betreffenden Straßen zur Zeit der Bahnanlage 
versehen waren, so wird jetzt mit Recht verlangt, daß sie auch für den 
Fall der Neupflasterung einer Straße während der Dauer der Genehmi 
gung mit besserem Material, den ihnen zugewiesenen Straßentheil mit 
diesem Materral pflastern und unterhalten müssen. Diese Forderung, 
welche erst in der neuesten Zeit aufgestellt wrd, ist von erheblicher pccu- 
niärer Wichtigkeit, In den Genehmigungen früherer Zetten, namentlich 
in den von oen Königlichen Behörden der Großen Berliner Pierdeeisenbahn- 
Actien»G-sellschast erth-Uien, findet sich hie,über NrchiS. Wenn nun der 
Gesellschaft nachträglich auch für die auf Grund dieser Genehmigungen ge 
bauten Linien, welche die Mehrzahl bilden und sich zum größien Theil in 
den alten früheren fiskalischen Straßen befinden, die vorangeführle Be. 
dingung auferlegt wird, so ergiebl sich hieraus ein wesentlicher LonheL 
für die Stadlgemeinde, da. wie bekannt, fast alle Straßen, welche früher 
vom FiScuS unterhalten wurden, in kürzerer oder längerer Frist der Um 
pflasterung und zwar mit besserem Material bedürfen. 
Auch hinsichtlich der Reinigung der von den Unternehmern benutzten 
Straßentheile finden sich Verschärfungen. Während früher die Bedingun- 
zweifelhaft erscheinen ließen und deshalb zu vielfachen Differenzen 
gaben, ob seitens der Unternehmer der Abraum nur zur Seite zu 
schaffen war, sind letztere jetzt gehalten, denselben auch abzufahren. Diese 
wenigen Punkte werden genügen, um erkennen zu lassen, ein wie wichtiges 
Aequivalent es ist, wenn die den jetzigen allgemeinen Bedingungen zu 
Grunde liegenden Normen der Gesellschaft auch für die früher schon ge 
nehmigten Linien zur Richtschnur gegeben werden. ES wird dieserhalb 
auf die E läuterungen zu den allgemeinen Bedingungen Bezug genommen. 
Wir bemerken fchlichlich, daß wir beabsichtigen, diese Normen, wie 
sie sich in den Erläuterungen und in den allgemeinen Bedingungen selbst 
niedergelegt finden, nuch em wir daS Einverfiändniß der Stadlverordnelen- 
Versammlung tür dieselben eingeholt haben werden, vo>behältlich der 
Fassung und Festsetzuna, wie solche in jedem einzelnen Falle zur Wahrung 
deS dadurch ausgesprochenen Grundsatzes nothwendig erscheint, ausnahmslos 
bei zukünftig zu ertheilenden Genehmigungen zur Anwendung zu bringen, 
so daß rin Gemeindebeschluß herbeizuführen sein würde, wenn eine oder 
die andere diese- Bedingungen etwa im einzelnen Falle fortfallen oder prin 
cipielle Abänderung erleiden soll. Ausgeschlossen wird hierdurch selbst 
verständlich nicht, daß, wenn die Zukunft etwa die Nothwendigkeit anderer 
Bedingungen zeigen sollte, auch diese bei neuen Genehmigungen berück» 
sichtig! werden würden. 
Wir beantragen demgemäß, zu beschließen: 
Die Stadtverordneten-Versammlung erklärt sich einverstanden, daß 
I. der zwischen der Großen Berliner Pserdeeisenbaha-Actien» 
Gesellschaft und der Sladtgemeinde unterm 26. Juni 1871 
bezw. 15/19. Februar 1872 zu Stande gekommene Vertrag 
für aufgehoben erachtet wird; 
II. «in neuer Vertrag geschlossen wird für alle der genannten 
Gesellschaft bereits genehmigten und bis zum Ende des Jahres 
1880 noch zu bauenden Linien (einschließlich der Verbin- 
düngen Gesundbrunnen-Pankow und Tiepiow-Rixdorf), unter 
Zugrundelegung der in den anliegenden »allgemeinen Be. 
dingungen" und dazu gegebenen Erläuterungen auSgcsvrochenen 
G'undsätze, wodurch der Pserdebahn-Gesellschaft die Dauer der 
Genehmigung bis Ende 1910 verlängert wird, wenn 
a) sie sich verpflichtet, bis spätestens Ende 1885 die Der» 
bindungen zwischen den Linien nach Gesundbrunnen und 
Pankow, sowie nach Treptow und Rixdorf her 
zustellen, 
b) sich wegen sämmtlicher bereits genehmigten und bis 
Ende 1880 noch zu bauenden Linien (einschließlich der 
ad a. gedachten) denjenigen Grundsätzen unterwirft, 
welche auS den allgemeinen Bedingungen und den 
dazu gehöiigen Erläuterungen hervorgehen; 
III. in Zukunft die letzigcdachten Grundsätze bei Erlheilung neuer 
Genehmigungen auch an andere Unternehmer zur Anwendung 
kommen. 
Berlin, den 28. Februar 1879. 
Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt, 
gez. von Forckenbeck. 
Zu Nr 131. 
Erläuterungen. 
Bei Ertheilung von Genehmigungen zur Anlage von Pferdebahnen 
sind hauptsächlich folgende Grundsätze zu beachten: 
1. Durch die Anlage oder den Betrieb der Bahn dürfen der Stadt- 
gemeinde keinerlei Kosten erwachsen. Hieraus folgt, baß folgende Veran. 
staltungcn auf Kosten der Unternehmer zu verlangen sein werden: 
a) jede durch die Anlage oder den Betrieb nothwendig werdende 
Veränderung an dem Straßenkörper und an den auf, unter 
oder neben letzterem befindlichen Anstalten darf nur auf Kosten 
deS Unternehmers geschehen (§, 1); 
b) auch die Reinigung des Bahnkörpers muß vom Unternehmer 
verlangt werden, was eigentlich schon in dem Worte »Unter 
haltung" mit inbegriffen sein sollte. Wenn die Sladtgemeinde 
auch verpflichtet erscheint, beim Nichtvorhandensein der Bahn 
den von der bestehenden Bahn benutzten Straßentheil zu reini 
gen, so rechtfertigt sich dennoch die Anforderung, daß diese Rei 
nigung vom Unternehmer besorgt wird, da durch die Bahn- 
anlage (Pserdebetrieb) auf der fraglichen Straßcnstrecke eine 
giößere Kehrichtmasse sich ansammelt, als wenn die Bahn nicht 
vorhanden wäre (§. 8 am Ende deS eisten Absatzes, der zweite 
Absatz enthält nur eine früher streitig gewesene Interpretation 
und der dritte Absatz muß im öffentlichen Jnlereffe gefordert 
werden); 
o) die Sladtgemeinde darf in ihrem freien VersügungSrecht des 
SlraßenterramS durch die Bahnanlage nicht beschränkt und nicht 
mit Kosten belastet werden. Wenn also eine Veränderung am 
Slraßenierrain vorzunehmen ist, welche — sei sie dauernd oder 
vorübergehend — mit dem Interesse der Bahnanlage kollldirt, so 
muß letztere ohne Entschädigung weichen (§§. 10 und 14). 
2. Die Anlage oder der Betrieb der Bahn darf den Verkehr der 
übrigen Benutzer de« Straßenterrains nicht hindern. Hieraus folgt: 
a) daß dem Unternehmer die Art der Pflasterung des Bahnkörper-, 
die Schienenlage u. s. w. vorgeschrieben wird und zwar nicht 
blos bei der ersten Anlage, sondern auch während der Dauer 
der Genehmigung (§§, 2—4, die §§. 5—6 enthalten eine eigent« 
liche sich von selbst ergebende Bestimmung); 
b) daß der Unternehmer die durch die Bahnanlage nothwendig wer- 
denden Anlagen am Straßenkörper (Ueberbrückungen, Schutz 
schwellen, Entwässerungsanlagen, einschließlich selbstverständlich 
des Pflasters im Bahnkörper) während der Dauer der Geneh. 
wigung zu unterhalten hat (§§. 8 und 9); 
c) daß er sich jedenfalls die Kreuzung, unter Umständen sogar die 
Mitbenutzung seiner Schienen seitens einer anderen Bahn ge 
fallen lassen muß (§. 15). 
3. Das Interesse der Stadtgemeinde erfordert aber auch, daß eine 
einmal genehmigte Bahnanlage nicht nur zur Ausführung kommt, sondern 
auch m Betrieb erhalten bleibt, event, muß Sicherung dagegen geschaffen 
werden, daß weder der Bau noch der Betrieb ausgesetzt werde (tz. 11 in 
Verbindung mit §. 22, §§. 12, 13 und 18). Hiermit hängt zusammen 
die Frage 
4. WaS werden soll, wenn die Genehmigungsdauer abgelaufen rst. 
In dieser Beziehung ist die im §. 20 festgesetzte Bestimmung dem ursprüng 
lichen Vertrage entsprechend schon zur feststehenden Praxis geworden. 
5. Der §. 16 nimmt Bedacht auf Benutzung der Bahnanlage auS 
verfchtedenen öffentlichen Interessen; eine bestimmte Festsetzung kann noch 
nicht getroffen werden, da die Möglichkeit und dann der Umfang der Be- 
Nutzung sich noch nicht übersehen läßt, wogegen § 7 — ebenfalls im öffent 
lichen Interesse — «ine Bedingung enthält, die sich als nothwendig herauS- 
estellt hat und der sich die Unternehmer bisher willig unterworfen 
aben. 
6. Hinsichtlich der Dauer der Genehmigung wird überall die Zahl 
30 festzuhalten sein. Sie ist allgemein üblich geworden und die Unter« 
nehmer setzen sie regelmäßig bei der Berechnung der aufzuwendenden Capi 
talien und deren Amortisation voraus. Sollte — wie z. B. bei dem 
jetzt vorliegenden Fall — ein Unternehmer, weil er zu alten Linien ein 
System neuer Lmren hinzufügt, Verlängerung über diese 30 Jahre hinaus 
verlangen, so wird dies späterer Abmachung zu überlassen sein (§. 18). 
7. Damit nicht mit den ertheilten Genehmigungen Handel getrieben 
wird, die Stadtgemeinde vielmehr stets die Verhältnisse de« Unternehmers 
genau zu prüfen in der Lage bleibt, ist eine Bestimmung aufzunehmen 
dahin, daß die Uebertragung der Genehmigung an eine dritte Persou ohne 
Einwilligung der Stadtgemeinde nicht zulässig ist (§. 19). 
8. Endlich sind Cautionen zu verlangen, deren Höhe sich in jedem 
einzelnen Falle anders bemessen wird, und sind Bestimmungen über den 
Verfall derselben zu treffen (§§. 20 und 23). 
3u Nr. 151. 
Bedingungen 
für die Anlage der Straßeneisenbahn von . . . 
A. Allgemeine Bedingungen. 
I. Aenderungen an vorhandenen Anlagen. 
8- i. 
Die in Folge Anlegung der Bahn erforderlich werdenden Verbreite-
	        
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