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Eine nur oberflächliche Vergleichung derjenigen Anforderungen, welche
die Stadtgemeinde bei Abschluß des Vertrages von 1871/72 stellte, mit
denjenigen allgemeinen Bedingungen wie sie auS der Anlage zu ersehen
sind, und welche jetzt bei neuen Genehmigungen seit längerer Zeit gefordert
werden, läßt dies erkennen. Bon Jahr zu Jahr lehrte die Erfahrung
mehr, daß die ersten Anforderungen allein nicht genügen, um die Gefell,
schaff nicht nur. sondern auch andere Unternehmer in wirksamer Art zu
veranlassen, daß die durch den Bahnbau wie Betrieb verursachten Aus
nahmezustände in den Straßen der Allgemeinheit nicht uachiheilig wurden;
und so ist eS gekommen, daß die Anforderungen von Jahr zu Jahr sich
verschärften. DicS gilt insbesondere von der Herstellung des Pflasters; denn
während früher die Unternehmer nur verpflichtet waren, den zu pflasternden
ThcU der Straßenzüze mit demjenigen Material zu befestigen und zu unter«
halten, mit welchem die betreffenden Straßen zur Zeit der Bahnanlage
versehen waren, so wird jetzt mit Recht verlangt, daß sie auch für den
Fall der Neupflasterung einer Straße während der Dauer der Genehmi
gung mit besserem Material, den ihnen zugewiesenen Straßentheil mit
diesem Materral pflastern und unterhalten müssen. Diese Forderung,
welche erst in der neuesten Zeit aufgestellt wrd, ist von erheblicher pccu-
niärer Wichtigkeit, In den Genehmigungen früherer Zetten, namentlich
in den von oen Königlichen Behörden der Großen Berliner Pierdeeisenbahn-
Actien»G-sellschast erth-Uien, findet sich hie,über NrchiS. Wenn nun der
Gesellschaft nachträglich auch für die auf Grund dieser Genehmigungen ge
bauten Linien, welche die Mehrzahl bilden und sich zum größien Theil in
den alten früheren fiskalischen Straßen befinden, die vorangeführle Be.
dingung auferlegt wird, so ergiebl sich hieraus ein wesentlicher LonheL
für die Stadlgemeinde, da. wie bekannt, fast alle Straßen, welche früher
vom FiScuS unterhalten wurden, in kürzerer oder längerer Frist der Um
pflasterung und zwar mit besserem Material bedürfen.
Auch hinsichtlich der Reinigung der von den Unternehmern benutzten
Straßentheile finden sich Verschärfungen. Während früher die Bedingun-
zweifelhaft erscheinen ließen und deshalb zu vielfachen Differenzen
gaben, ob seitens der Unternehmer der Abraum nur zur Seite zu
schaffen war, sind letztere jetzt gehalten, denselben auch abzufahren. Diese
wenigen Punkte werden genügen, um erkennen zu lassen, ein wie wichtiges
Aequivalent es ist, wenn die den jetzigen allgemeinen Bedingungen zu
Grunde liegenden Normen der Gesellschaft auch für die früher schon ge
nehmigten Linien zur Richtschnur gegeben werden. ES wird dieserhalb
auf die E läuterungen zu den allgemeinen Bedingungen Bezug genommen.
Wir bemerken fchlichlich, daß wir beabsichtigen, diese Normen, wie
sie sich in den Erläuterungen und in den allgemeinen Bedingungen selbst
niedergelegt finden, nuch em wir daS Einverfiändniß der Stadlverordnelen-
Versammlung tür dieselben eingeholt haben werden, vo>behältlich der
Fassung und Festsetzuna, wie solche in jedem einzelnen Falle zur Wahrung
deS dadurch ausgesprochenen Grundsatzes nothwendig erscheint, ausnahmslos
bei zukünftig zu ertheilenden Genehmigungen zur Anwendung zu bringen,
so daß rin Gemeindebeschluß herbeizuführen sein würde, wenn eine oder
die andere diese- Bedingungen etwa im einzelnen Falle fortfallen oder prin
cipielle Abänderung erleiden soll. Ausgeschlossen wird hierdurch selbst
verständlich nicht, daß, wenn die Zukunft etwa die Nothwendigkeit anderer
Bedingungen zeigen sollte, auch diese bei neuen Genehmigungen berück»
sichtig! werden würden.
Wir beantragen demgemäß, zu beschließen:
Die Stadtverordneten-Versammlung erklärt sich einverstanden, daß
I. der zwischen der Großen Berliner Pserdeeisenbaha-Actien»
Gesellschaft und der Sladtgemeinde unterm 26. Juni 1871
bezw. 15/19. Februar 1872 zu Stande gekommene Vertrag
für aufgehoben erachtet wird;
II. «in neuer Vertrag geschlossen wird für alle der genannten
Gesellschaft bereits genehmigten und bis zum Ende des Jahres
1880 noch zu bauenden Linien (einschließlich der Verbin-
düngen Gesundbrunnen-Pankow und Tiepiow-Rixdorf), unter
Zugrundelegung der in den anliegenden »allgemeinen Be.
dingungen" und dazu gegebenen Erläuterungen auSgcsvrochenen
G'undsätze, wodurch der Pserdebahn-Gesellschaft die Dauer der
Genehmigung bis Ende 1910 verlängert wird, wenn
a) sie sich verpflichtet, bis spätestens Ende 1885 die Der»
bindungen zwischen den Linien nach Gesundbrunnen und
Pankow, sowie nach Treptow und Rixdorf her
zustellen,
b) sich wegen sämmtlicher bereits genehmigten und bis
Ende 1880 noch zu bauenden Linien (einschließlich der
ad a. gedachten) denjenigen Grundsätzen unterwirft,
welche auS den allgemeinen Bedingungen und den
dazu gehöiigen Erläuterungen hervorgehen;
III. in Zukunft die letzigcdachten Grundsätze bei Erlheilung neuer
Genehmigungen auch an andere Unternehmer zur Anwendung
kommen.
Berlin, den 28. Februar 1879.
Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt,
gez. von Forckenbeck.
Zu Nr 131.
Erläuterungen.
Bei Ertheilung von Genehmigungen zur Anlage von Pferdebahnen
sind hauptsächlich folgende Grundsätze zu beachten:
1. Durch die Anlage oder den Betrieb der Bahn dürfen der Stadt-
gemeinde keinerlei Kosten erwachsen. Hieraus folgt, baß folgende Veran.
staltungcn auf Kosten der Unternehmer zu verlangen sein werden:
a) jede durch die Anlage oder den Betrieb nothwendig werdende
Veränderung an dem Straßenkörper und an den auf, unter
oder neben letzterem befindlichen Anstalten darf nur auf Kosten
deS Unternehmers geschehen (§, 1);
b) auch die Reinigung des Bahnkörpers muß vom Unternehmer
verlangt werden, was eigentlich schon in dem Worte »Unter
haltung" mit inbegriffen sein sollte. Wenn die Sladtgemeinde
auch verpflichtet erscheint, beim Nichtvorhandensein der Bahn
den von der bestehenden Bahn benutzten Straßentheil zu reini
gen, so rechtfertigt sich dennoch die Anforderung, daß diese Rei
nigung vom Unternehmer besorgt wird, da durch die Bahn-
anlage (Pserdebetrieb) auf der fraglichen Straßcnstrecke eine
giößere Kehrichtmasse sich ansammelt, als wenn die Bahn nicht
vorhanden wäre (§. 8 am Ende deS eisten Absatzes, der zweite
Absatz enthält nur eine früher streitig gewesene Interpretation
und der dritte Absatz muß im öffentlichen Jnlereffe gefordert
werden);
o) die Sladtgemeinde darf in ihrem freien VersügungSrecht des
SlraßenterramS durch die Bahnanlage nicht beschränkt und nicht
mit Kosten belastet werden. Wenn also eine Veränderung am
Slraßenierrain vorzunehmen ist, welche — sei sie dauernd oder
vorübergehend — mit dem Interesse der Bahnanlage kollldirt, so
muß letztere ohne Entschädigung weichen (§§. 10 und 14).
2. Die Anlage oder der Betrieb der Bahn darf den Verkehr der
übrigen Benutzer de« Straßenterrains nicht hindern. Hieraus folgt:
a) daß dem Unternehmer die Art der Pflasterung des Bahnkörper-,
die Schienenlage u. s. w. vorgeschrieben wird und zwar nicht
blos bei der ersten Anlage, sondern auch während der Dauer
der Genehmigung (§§, 2—4, die §§. 5—6 enthalten eine eigent«
liche sich von selbst ergebende Bestimmung);
b) daß der Unternehmer die durch die Bahnanlage nothwendig wer-
denden Anlagen am Straßenkörper (Ueberbrückungen, Schutz
schwellen, Entwässerungsanlagen, einschließlich selbstverständlich
des Pflasters im Bahnkörper) während der Dauer der Geneh.
wigung zu unterhalten hat (§§. 8 und 9);
c) daß er sich jedenfalls die Kreuzung, unter Umständen sogar die
Mitbenutzung seiner Schienen seitens einer anderen Bahn ge
fallen lassen muß (§. 15).
3. Das Interesse der Stadtgemeinde erfordert aber auch, daß eine
einmal genehmigte Bahnanlage nicht nur zur Ausführung kommt, sondern
auch m Betrieb erhalten bleibt, event, muß Sicherung dagegen geschaffen
werden, daß weder der Bau noch der Betrieb ausgesetzt werde (tz. 11 in
Verbindung mit §. 22, §§. 12, 13 und 18). Hiermit hängt zusammen
die Frage
4. WaS werden soll, wenn die Genehmigungsdauer abgelaufen rst.
In dieser Beziehung ist die im §. 20 festgesetzte Bestimmung dem ursprüng
lichen Vertrage entsprechend schon zur feststehenden Praxis geworden.
5. Der §. 16 nimmt Bedacht auf Benutzung der Bahnanlage auS
verfchtedenen öffentlichen Interessen; eine bestimmte Festsetzung kann noch
nicht getroffen werden, da die Möglichkeit und dann der Umfang der Be-
Nutzung sich noch nicht übersehen läßt, wogegen § 7 — ebenfalls im öffent
lichen Interesse — «ine Bedingung enthält, die sich als nothwendig herauS-
estellt hat und der sich die Unternehmer bisher willig unterworfen
aben.
6. Hinsichtlich der Dauer der Genehmigung wird überall die Zahl
30 festzuhalten sein. Sie ist allgemein üblich geworden und die Unter«
nehmer setzen sie regelmäßig bei der Berechnung der aufzuwendenden Capi
talien und deren Amortisation voraus. Sollte — wie z. B. bei dem
jetzt vorliegenden Fall — ein Unternehmer, weil er zu alten Linien ein
System neuer Lmren hinzufügt, Verlängerung über diese 30 Jahre hinaus
verlangen, so wird dies späterer Abmachung zu überlassen sein (§. 18).
7. Damit nicht mit den ertheilten Genehmigungen Handel getrieben
wird, die Stadtgemeinde vielmehr stets die Verhältnisse de« Unternehmers
genau zu prüfen in der Lage bleibt, ist eine Bestimmung aufzunehmen
dahin, daß die Uebertragung der Genehmigung an eine dritte Persou ohne
Einwilligung der Stadtgemeinde nicht zulässig ist (§. 19).
8. Endlich sind Cautionen zu verlangen, deren Höhe sich in jedem
einzelnen Falle anders bemessen wird, und sind Bestimmungen über den
Verfall derselben zu treffen (§§. 20 und 23).
3u Nr. 151.
Bedingungen
für die Anlage der Straßeneisenbahn von . . .
A. Allgemeine Bedingungen.
I. Aenderungen an vorhandenen Anlagen.
8- i.
Die in Folge Anlegung der Bahn erforderlich werdenden Verbreite-