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V. Wohnhausbauten.
herrührende) Haus Markgrafenstrafse 47 am Gensdarmenmarkt, das lange Zeit Sitz der
General-Lotterie-Direction war und heute Sitz des Oberverwaltungsgerichts ist.
Vertreter der in Rede stehenden Gebäudegattung aus der Zeit König Friedrich
Wilhelms II. sind endlich das 1788—1790 für den Geh. Kriegsrath Kolbe errichtete Haus
Schützenstrafse 26 (zur Zeit Sitz des Consistoriums und des Provinzial-Schulcollegiums)
und das im Jahre 1792 und 1793 von Titel für Frau v. Massow erbaute Haus Behren-
strafse 66, welches gegenwärtig dem Kaiserlichen Militärcabinet eingeräumt ist.
Eine entsprechende Erwähnung der ansehnlichsten, nach ihrer äufseren Erscheinung
häufig palastartig wirkenden Bürgerhäuser aus älterer Zeit dürfte zu weit führen. Trotz
aller Zerstörungen ist ihre Zahl noch immer eine nicht unbeträchtliche. Das Interesse,
welches sie gewähren, heftet sich aber in noch ausschliefslicherer Weise an ihre Fagadcn,
als dies bei den eigentlichen Palais der Fall ist, weil diese, namentlich unter Friedrich
dem Grofsen und seinem Nachfolger auf Königliche Kosten „zur Embellirung der Stadt“
ausgeführten stattlichen Fagaden meist eine Maske sind, der das ärmliche Innere der
Häuser durchaus nicht entspricht. Um wirkliche „Patricierhäuser“ entstehen zu lassen,
waren die Verhältnisse, wie sie in nachmittelalterlicher Zeit, besonders aber seit dem
dreifsigjährigen Kriege in der Berliner
Bürgerschaft bestanden, nichts weniger
als geeignet. Das werthvollste ältere
Privathaus der Stadt ist jedenfalls das
im Jahre 1761 von dem Armeelieferan
ten Damm errichtete, seit 1825 im
Besitze der Familie Ermeler befindliche
Haus Breitestrafse 11, das im Treppen
hause und einigen Vorderzimmern
noch die alte gediegene Ausstattung
mit Wand- und Deckenbildern, ge
schnitzten Täfelungen usw. besitzt.
Während der ersten sechs Jahr
zehnte unseres Jahrhunderts hat die
durch die napoleonischen Kriege her-
beigefuhrte tiefe Erschöpfung des Lan
des den Bau vornehmer Wohnhäuser in der Hauptstadt wenig begünstigt. Aus der langen
Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. ist nur eine einzige Anlage dieser Art zu verzeichnen:
Das Palais des Grafen Redern, Unter den Linden 1, an der Ecke des Pariser
Platzes (Abb. 229 u. 230). Aber auch diese im Jahre 1833 vollendete Schöpfung Schinkels
ist kein vollständig neues Werk, sondern aus dem Umbau eines älteren, 1736 von
Grael errichteten Palais entstanden, dem ein neues Obergeschofs und eine neue Fagadc
gegeben wurden. Die letztere, den Formen florentinischer Paläste angenähert, ist ein Putz
bau mit einzelnen Terracotten-Gliederungen an Portal, Balcons und Gesims; die Festsäle
des Obergeschosses erhielten eine streng architektonische Decoration in Gold und Weifs.
Die Gestaltung des Grundrisses, bei welcher allerdings auf gute Unterbringung der Gemälde
galerie des Bauherrn Rücksicht zu nehmen war, zeigt, welche geringen Ansprüche damals
noch an den inneren Zusammenhang und die Zugänglichkeit der Räume gestellt wurden. —
Im Erdgeschofs des Hauses hat neuerdings die Gemäldehandlung von E. Schulte ihre Aus
stellungsräume sich eingerichtet.
In den vierziger und fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts, unter der Regierung
Friedrich Wilhelms IV., regte sich im Wohnhausbau zwar frischeres Leben, doch kam dieses
mehr der Entwicklung des Miethshauses zu gute als der des anspruchsvolleren Einzelhauses.
Was an Einzelhäusern entstand, war zumeist sehr einfacher Art und gehörte ganz überwiegend
der Gattung der vorstädtischen Villa an. Die von Eduard Knoblauch ausgeführten Palais
der Grafen Arnim - Boytzenburg, Pariser Platz 4, und Behr - Negendank, Wilhelm
platz 7, sowie das von Hitzig erbaute Palais des Grafen von Pourtales, Königsplatz 4
Erstes O bergesch o fs: 1. Salon. 2. u. 3. Vorzimmer. 4. Eintritts-
Raum. 5. Tanzsaal. 6. Nebenzimmer. 7. Bildersaal. 8. Speisesaal.
9. Bibliothek. 10. Haupttreppe. 11. Nebenzimmer. 12. Garderobe,
Wohn - und Schlafzimmer.
Abb. 229. Palais des Grafen Redern. Unter den Linden i.
Architekt Schinkel.