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I. Bier- und Kaffeehäuser.
1) Architektonisches Skizzenbuch. 1880. HeftI, Bl. 5 u. Heft V, Bl. 3.
untergebracht. Die beliebte Verwandlung des Hofes in einen „Garten“ mittels einiger
Oleandertöpfe, Epheukisten und grün gestrichener Stackete sowie eines mehr oder minder
ausgedehnten Zeltdaches ist weit berüchtigt und wird auch heute noch geübt.
Die damalige Zeit sträubte sich noch dagegen, Frauen in die Wirthsstuben zu
führen; noch anfangs der siebziger Jahre war es in vielen Kreisen verpönt, überhaupt
Damen in ein Bierhaus zu führen; nur in den Gartenlocalen erschien der Berliner mit
seiner Familie.
Eine für die Pflege häuslicher Geselligkeit nicht eben vortheilhafte Wandlung
hierin geschaffen zu haben, ist das Verdienst der „echten“ Biere, oder genauer gesagt,
des Münchener Bieres. — „Erlanger“, „Kitzinger“ und „Kulmbacher“ auf Flaschen fand
man in den besseren, mit Vorliebe im ersten Stock untergebrachten Bierhäusern schon vor
dem französischen Kriege; „Siechen“ und der „schwere Wagner“, die Nürnberger Bier
vom Fafs verzapften, fanden nur eine verhältnifsmäfsig kleine, freilich desto begeistertere
und sefshaftere Gemeinde. Erst das leichtere „Münchener“, und zwar zunächst das
Pschorrbräu, seit 1882 in dem seiner Zeit berühmten Printz’schen Local in der Tauben-
strafse 10 ausgeschenkt, dann das Hofbräu im alten Local in der Leipziger Strafse 85,
leiteten einen förmlichen Bier-Culturkampf zwischen dem eingeführten und dem der
Verbesserung bedürftigen und mit der Zeit theilhaftig gewordenen einheimischen Gebräu ein.
Man darf behaupten, dafs dieser Bier-Culturkampf in der Architektur seinen monumentalen
Niederschlag gefunden hat. Vom Rathskeller zum Tucherbräu liegt ein Stück Berliner
Architektur- und Culturgeschichte!
Dafs es sich bei einem Bierhause auch um schönheitliche Raumschöpfungen handeln
könne, empfand die Menge der Berliner zuerst gelegentlich der Gewerbeausstellung von 1879,
bei welcher die trefflichen Holzbauten des „nassen Dreiecks“, vor allem aber die in zwei
Stadtbahnbögen hineingebauten überaus reizvollen Schöpfungen einer Wein- und einer
Bierstube 1 ) von Johannes Otzen allgemeine Anerkennung fanden und das Bedürfnifs nach
„stilvollen“ Bierstuben lebendig machten.
Dem damaligen „Zuge der Zeit“ entsprechend mufsten jene, seit Anfang der acht
ziger Jahre immer zahlreicher auftretenden Locale die Formen der deutschen Renaissance
zeigen, sollten diese sich auch nur in einem hölzernen Paneel mit Bordbrett auf knuffigen
Consolen in krausem und derbem „Eisenbeschlagornament“ an der Decke offenbaren, die
Butzenscheiben als Symbol der alterthümelnden Liebhaberei nicht zu vergessen. Es mag
gleich hier eingeschaltet werden, dafs neben diesen „stilvollen Kneipen“ oder Bräus sich
für die in Berlin verhältnifsmäfsig seltenen Weinstuben ein eigener Typus nicht heraus
bildete. Es können daher die wenigen künstlerisch in Betracht kommenden Locale bei
den stilverwandten Bierhäusern mit erwähnt werden. Nur einer, in ihrer Alterthümlichkeit
anheimelnden Einrichtung aus vergangener Zeit sei hier einschaltungsweise gedacht, der
Habel’schen ^A/einstube in dem Hause Unter den Linden 30. Das Haus ist im
Jahre 1800 erbaut und im Aeufsern wenig verändert. Seine bemerkenswerthe Zier bildet ein
Fries mit Masken, Vasen und Weinlaub-Ornament über den Fenstern des Erdgeschosses. —
Die rechts vom Flur belegene Trinkstube zeigt noch die ursprüngliche, in ihrer Bescheiden
heit mit den modernen Anforderungen stark contrastirende Ausstattung. An den Wänden
befindet sich ein gemalter Fries, einen Bacchuszug darstellend, im Reliefstil in braunen
Tönen in etwas harter Modellirung.
Höheren Ansprüchen an moderne stilistische Durcharbeitung vermochte zuerst der
von Armin Wegner 1882 ausgeführte Neubau des Siechen’schen Bierhauses (Abb. 2)
in der Behrenstrafse, eine für ihre Zeit vortreffliche Leistung, zu genügen. Im Aeufsern
des mit Architekturgliedern — dem damaligen Geschmack entsprechend — reich bedachten
Frontbaues wird durch die grofsen dreigetheilten Fenster des Erdgeschosses deutlich charak-
terisirt, dafs sich dort Räume zu ruhigem, vom Geschäftstreiben der Grofsstadt abgewandten
Behagen den Durstigen öffnen. Die Ausstattung des Innern, ebenso der im ersten Stock
belegenen Zimmer für geschlossene Gesellschaften — die übrigen Geschosse werden zu