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Der Hochbau II. Öffentliche Bauten XX. Besserungsanstalten

Full text: Berlin und seine Bauten (Public Domain) Issue1896,2/3 Der Hochbau (Public Domain)

XX. Besserungsanstalten, 
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Erziehungshauses für verwahrloste Knaben überlassen, in einem anderen wurde eine Station 
für geschlechtskranke Weiber eingerichtet. 
Die ganze Anlage zerfällt in mehrere durch Mauern getrennte Abtheilungen. Der 
vordere Theil, durch eine niedrige durchbrochene Mauer und in der Mitte durch ein schmiede 
eisernes Gitter gegen die Strafse abgeschlossen, enthält die Wohnungen der verheiratheten 
Beamten und den Begräbnifsplatz. In der zweiten Abtheilung liegen die Kirche und rechts 
davon zwei Gebäude, von denen eins jetzt mit geschlechtskranken Weibern und das 
andere mit 100 männlichen Hospitaliten belegt ist; links befinden sich zwei gleiche Gebäude 
für weibliche Hospitaliten und Corrigenden mit gesonderten Spazierhöfen. Die dritte Ab 
theilung enthält die Wirthschaftsgebäude; in der Mitte steht das Maschinenbaus, in dem 
gleichzeitig die Bäder eingerichtet sind, rechts davon die Kochküche mit der Bäckerei, 
links die Waschküche und an der Grenzmauer im Osten die Werkmeisterei und das Stall 
gebäude. Dann folgt, von einer 3,20 m hohen Mauer umschlossen und durch die zwischen 
beiden Thorwegen belegene Wache gesichert, die Abtheilung für die männlichen Corrigen 
den mit einem Gebäude für 184 Personen, dem Lazarethgebäude und einem grofsen Hof 
und Arbeitsplatz mit Werkzeug- und Holzschuppen. In dem östlichen, nachträglich durch 
eine hohe Mauer von der Umgebung vollständig abgeschlossenen Gebäude ist das Zwangs 
erziehungshaus für verwahrloste Knaben untergebracht. In der südlichen Ecke des Grund 
stücks liegt das Leichenhaus mit besonderer Einfahrt von der Strafse und westlich davon 
das in den Jahren 1893—1894 errichtete Arresthaus mit 39 Zellen. Der Bodenstreifen zwischen 
der Mauer und dem See dient zum Ausladeplatz für Materialien, namentlich für Brennholz. 
Die Anstalt hat einen aus zwei Ausfahrten bestehenden Hauptzugang an der Strafse, einen 
zweiten für alle Wirthschaftsfuhren vom Seitenweg zwischen der Werkmeisterei und dem 
Stallgebäude, und einen dritten neben dem Leichenhause. Die Ausführung der Gebäude ist 
durchaus einfach, nur beim Verwaltungshaus sind feinere Verblendsteine verwendet und 
den Beamtenhäusern ist durch Vorsprünge mit Giebeldächern und Vorbauten ein freundliches 
Ansehen verliehen. Sämtliche sechs Gebäude für die Häuslinge und Hospitaliten sowie das 
Lazarethgebäude sind mit Holzcementdach versehen, die Wohngebäude und Kirche dagegen 
mit Schiefer, die Wirthschaftsgebäude mit Dachpappe eingedeckt. 
Die Gebäude und Höfe haben Gasbeleuchtung aus den städtischen Werken; die 
Anstalt hatte früher ihr eigenes Wasserwerk. Das aus einem Brunnen und dem Rummels 
burger See entnommene Wasser erwies sich aber zeitweise als so schlecht, dafs es zu 
Wirthschaftszwecken und namentlich zum Trinken nicht geeignet war, daher wurde die 
Anstalt gleichzeitig mit dem benachbarten Waisenhause an die städtische Wasserleitung an 
geschlossen. Sämtliche Haus- und Küchenwässer sowie die Abflüsse aus den Hofaborten 
werden in ein nahe dem Maschinenhause gelegenes Sammelbecken geleitet und von 
hier aus nach dem neben der Anstalt gelegenen rd. 3 ha grofsen Rieselfeld gedrückt. Das 
Regenwasser der ganzen Anstalt wird in den Rummelsburger See abgeführt. Die sehr 
grofsen Gebäude werden durch Luftheizung und das Lazarethgebäude vom Kesselhause aus 
durch Dampfheizung erwärmt. Die Baukosten ausschliefslich Inventar haben 1 942 000 J6. 
betragen, also rd. 1942 J6 für den Kopf der Belegung. 
Die Zwangserziehungs-Anstalt für verwahrloste Knaben in Lichten 
berg. Die Zahl der nach dem Gesetz vom 13. März 1878 dem Communalverband Berlin 
durch Beschlufs des Königlichen Amtsgerichts I zur Zwangserziehung überwiesenen Kinder 
beträgt durchschnittlich jährlich 60 Knaben und 10Mädchen, sodafs bei der gewöhnlich langen 
Dauer der Erziehung rd. 300 Kinder gleichzeitig unterzubringen sind. Die gröfsere Zahl 
der Knaben und fast sämtliche Mädchen wurden früher in auswärtige Kostpflege gegeben, 
während die älteren und rückfälligen Knaben, die der Zucht einer Anstalt unterworfen 
werden müssen, dem „grünen Haus“, dem evangelischen Johannisstift und dem katholischen 
Waisenhaus in Moabit zur Erziehung anvertraut wurden. Auf die Dauer konnte jedoch 
eine eigene Anstalt nicht entbehrt werden. Es wurde daher im Jahre 1886 ein städtisches 
Erziehungshaus für verwahrloste Knaben dadurch begründet, dafs von dem Arbeiterhaus in 
Rummelsburg ein Pavillon abgezweigt und den Anstaltszwecken durch Anlage verschiedener 
Berlin und seine Bauten. II. 59
	        
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