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X. Kirchen.
Hälfte des 15. Jahrhunderts. 1 ) — Der jetzige Barockaltar, ein die ganze Breite des Chor
raumes einnehmender Säulenbau aus Holz, ist 1757 nach Entwürfen von A. Krüger be
gonnen, 1761 von B. Rode gemalt, 1762 eingeweiht. — Stundenglocke, aus einer alten
Glocke umgegossen, von Jakob Neuwart aus Berlin. Ein beachtenswerthes Werk mittel
alterlichen Erzgusses bildet ein spätgothischer Taufkessel strengen Stils vom Jahre 1473
(im Chor). — Die durch ihre Bildwerke hervorragende Kanzel aus Marmor wurde 1703
von Schlüter gefertigt. — Orgel in reichem Barockgehäuse vom Jahre 1722.
Epitaphien, Todtenschilder, Inschrifttafeln bilden hier, wie in der Nicolaikirche,
Denkmäler von geschichtlicher Bedeutung. Das Marmordenkmal des Feldmarschalls
Otto Christoph v. Sparr (Abb. 121), schon bei seinen Lebzeiten, 1663, vollendet, neben
dem Hauptaltar aufgestellt, ist das bedeutendste Kunstwerk der Kirche und nachweislich in
der Werkstatt des berühmten holländischen Bildhauers Artus Quellinus entstanden.
Nächst dem ist als umfangreichstes plastisches Monument am Chorende des nörd
lichen Seitenschiffes das von Röbel’sche Epitaphium zu erwähnen. Das Gitter vor
demselben gehörte ursprünglich zum Sparr’schen Epitaphium.
Die Wiederherstellungsarbeiten dieser Kirche, gleichfalls nach Plänen von Blanken
stein, und unter dessen Leitung 1893 und 1894 bewirkt, haben sich auf das gesamte
Aeufsere erstreckt, namentlich auf die Umgestaltung des Betsaales von 1729 an der Süd
seite, auf welchem man das Motiv des Staffelgiebels der alten Sakristei in zweimaliger
Wiederholung übertragen hat, auf die Wiederherstellung des Ostgiebels und im Innern
auf Beseitigung der späten Emporeneinbauten, Errichtung einer neuen massiv unterwölbten
Orgelempore, Ergänzung des Gewölbes in der Vorhalle, Einrichtung von Treppenanlagen
in dieser und endlich auf Auffrischung der Denkmäler.
3. Die Klosterkirche, gemeinhin „das graue Kloster“ genannt, mufs als das
bedeutendste Denkmal gothischer Baukunst des Mittelalters und als ältester erhaltener Backstein-
bau in Berlin angesprochen werden. Die um 1290
begonnene dreischiffige Basilika hat vier Langhaus
joche, einen zweijochigen Chor von der Breite des
Mittelschiffs, mit dem schönen über die Breite
des Vorchors heraustretenden sieben Zehntel Ab-
schlufs (Lichtmafse 52,40:23,53 m). Dieser Chor-
schlufs, dem der Johanniskirche in Stettin sowie
der Johanniskirche der Altstadt Brandenburg gleich,
steht auf einer weit vorgeschritteneren Entwick
lungsstufe der Gothik als das noch an romanische
Formenbildung anklingende Langhaus. Gleichwohl
mufs er, vermuthlich mit Abänderung eines ursprünglichen Entwurfs, im unmittelbaren
Anschlufs an den Langhausbau errichtet worden sein. Eine spätere Anfügung läfst sich
aus technischen Gründen nicht erweisen.
Die spitzbogigen Arkaden des Langhauses sind einfach gegliedert und ruhen auf
kräftigen, abwechselnd viereckig mit vier Halbsäulen und achteckig mit acht Halbsäulen
gegliederten Pfeilern. Die gleichfalls spitzbogigen Fenster haben zwei- und dreitheiliges
Pfostenwerk mit reichem Mafswerkschlufs im Chore. Hier ist ferner die untere Wand
durch Spitzbogennischen mit dreitheiligem, durch Kleeblattbogen geschlossenen Pfostenwerk
geschmückt. An der Westseite liegt das reich gegliederte Hauptportal. Die Klarheit und
Uebersichtlichkeit des Raumes, die guten Verhältnisse des Aufbaues und die fesselnde
Behandlung der Einzelformen des Backsteins in frühem Stil, besonders an den Pfeiler
kapitellen des Schiffes und den Consolen des Langhauses, kennzeichnen dieses Bauwerk
trotz seiner Einfachheit als mustergültigen Kirchenbau.
Die ehemaligen Klostergebäude gruppirten sich im Norden der Kirche um zwei
Höfe. Sie wurden ein Menschenalter nach Einführung der Reformation, im Jahre 1574, zu i)
[lHi|lllli i 1 1 )
Abb. 122. Klosterkirche, Grundrifs.
i) W. Lübke, „Der Todtentanz in der Marienkirche“, Berlin 1861, mit Abbildungen und Angabe
der Ergänzungen. — Th. Prüfer, „Der Todtentanz in der Marienkirche“, 1883, mit vier farbigen Abbildungen.