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II. Die geschichtliche Entwicklung Berlins.
und der Industrie, zur besseren Organisation der Verwaltung und Rechtspflege kann hier
ebenso wenig im einzelnen eingegangen werden, wie auf das, was er für das geistige Leben
der Stadt, für Kunst und Wissenschaft mittelbar und unmittelbar gethan hat. Es hat zum
Theil an anderer Stelle dieses Buches Berücksichtigung gefunden.
lieber den Stand der Bebauung von Berlin, wie er im Jahre 1778 erreicht war, giebt die
in Abb. XVI vorgeführte Nachbildung eines Planes von C. C. Oesfeld Auskunft. Man ersieht,
welche weiten Strecken innerhalb der Umwehrung noch landwirtschaftlichen Zwecken
dienten, wie dagegen an einzelnen Punkten aufserhalb derselben, insbesondere an den
Haupt-Landstrafsen und in dem Gebiete zwischen Thiergarten und Potsdamer Strafse die
Anfänge neuer Vorstadt-Bildungen sich zeigen. Als Ersatz eines Gesamtbildes der Stadt,
das aus jener Zeit nicht aufzutreiben war, mögen die in Abb. XVII—XX mitgetheiltcn
Ansichten dienen, deren im Märkischen Museum befindlichen Originale aus der Zeit
unmittelbar nach dem Tode Friedrichs des Grofsen stammen. Sie stellen den damaligen
Zustand von vier Plätzen der Stadt, des Spittelmarktes, des Neuen Marktes, des Opern
platzes und des Schlofsplatzcs dar. Interessant ist namentlich das Bild des Neuen Marktes,
dessen Nordseite danach damals noch mit Häusern aus dem 16. Jahrhundert, wenn nicht
aus noch früherer Zeit besetzt war. 1 )
Die Bevölkerungsziffer Berlins während der Regierung Friedrichs des Grofsen unterlag
starken Schwankungen. 1756 war sie auf 126000 angewachsen. Während des sieben
jährigen Krieges, in welchem die Stadt zweimal (1757 und 1760) vom Feinde besetzt wurde,
fiel sie bis auf 119 000 Seelen — eingerechnet die 19500 Köpfe starke Garnison. Doch
war bereits 1766 die Zahl von 1756 wieder erreicht und im Jahre 1784 wurden rund
145000 Einwohner gezählt, von denen allerdings 33386 zur Garnison (einschl. Frauen und
Kinder) gehörten. Es waren gleichzeitig 6644 Vorderhäuser und etwa 4000 Hinterhäuser
vorhanden, deren Feuerversicherungswerth zu 57,01 Milk Jk angenommen war. — Berlin
war mit dieser Bevölkerungsziffer in die zweite Stelle unter den Städten Deutschlands
gerückt und hatte sich einen Platz unter den europäischen Hauptstädten erobert. -—
Eine noch glänzendere Entwicklung sollten der Stadt die nächsten zwei Jahrzehnte
unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. (1786—1797) und Friedrich Wilhelms III.
(1797—1840) bringen, bis die Niederwerfung Preufsens durch Napoleon auch in der Haupt
stadt des gedemüthigten Staates einen schweren Rückschlag erzeugte. Verschiedene Ursachen
politischer wie wirthschaftlicher Art brachten gerade damals auf materiellem und geistigem
Gebiete einen mächtigen Aufschwung hervor, und es konnte nicht fehlen, dafs dieser auch
auf dem Gebiete baulicher Anlagen sich äufserte, obgleich er hier weniger hervor tritt.
Ucber Unternehmungen allgemeiner Art zur Ausgestaltung des Stadtplans ist auch
aus dieser Zeit wenig zu berichten. Als neue Strafsenanlagen wurden die Georgenstrafse
und die Husaren- (jetzt Hollmann-) Strafse geschaffen, die von der Lindenstrafse zu einer
neu erbauten Caserne (an der Alexandrinenstrafse) führte. Im Thiergarten wurden die sogen,
„englischen Particen“ an der „Rousseau-Insel“ angelegt, welche den bisher etwas vernach
lässigten südlichen Theil des Parkes in Mode brachten und es veranlafsten, dafs hier
am Saume desselben zahlreiche Landhäuser, Kaffeegälten usw. entstanden. Auch die Pots
damer Landstrafse, welche seit 1792 zugleich mit der Charlottenburger Landstrafse in eine
Chaussee — die erste des preufsischen Staates — umgewandelt worden war, wurde in
ähnlicher Weise besiedelt. Im Norden und Osten der Stadt wurde der bisherige Palisadcn-
zaun durch eine (erst 1802 vollendete) massive Mauer ersetzt, wie sie auf der linken Spree
seite schon seit Friedrich Wilhelm I. bestand; die Umschliefsungs-Linie wurde dabei an
einigen Stellen etwas weiter hinaus geschoben.
Unter den Monumentalbauten jener Jahre mögen zunächst einige Thorbauten genannt
werden, von denen diejenigen des Oranienburger, Hamburger und Rosenthaler Thores mit •
1) Die Originale zu den Abb. XVII, XVIII und XX sowie auch zu der im nächsten Abschnitte
mitzutheilenden Abb. XXVIII sind Kupferstiche von nicht wesentlich gröfseren Abmessungen, die
gewöhnlich kolorirt in den Handel kamen und besonders von Fremden gekauft zu werden pflegten, die
ein Andenken an ihren Besuch in Berlin mitnehmen wollten.