II. Die Bauconstructionen.
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Urn den Deckenputz aufzubringen, werden die Balken von unten mit 20 mm starken, auf-
getrennten Brettern verschalt; die Verschalung überzieht man mit einem Rohrgewebe, auf
dem mit Kalkmörtel unter Gipszusatz geputzt wird. Das Gewicht der Balkendecken ein-
schliefslich Nutzlast nimmt die Baupolizei in Wohnhäusern zu 500 kg, in Fabrikgebäuden,
Tanzsälen und Wollspeichern zu 750 kg, in Getreidespeichern zu 850—1000 kg für
1 qm an.
Holztäfelungen dürfen nur in Landhäusern und in Gebäuden, die keine Feuer
stätten haben, unmittelbar an den Balken angebracht werden, sonst nur auf der Rohrputz
schalung. Unvcrkleidete Holzdecken in gröfserem Mafsstabe, und zwar sattelförmige mit
Bogenbindern, findet man in der St. Johanniskirche zu Moabit aus älterer Zeit und der
St. Simeonskirche aus neuerer Zeit, zeltdachartige auf vier sich durchdringenden gemauerten
Tragbogen in der Versöhnungs- und Samariterkirche.
In Geschäfts- und Lagerhäusern, in Fabrikgebäuden, Werkstätten und Speichern
werden massive Decken besonders bevorzugt, jedoch nicht gewölbte, deren Verwendungs
gebiet aufserordentlich zusammengeschrumpft ist. Wie schon erwähnt, wählt man selbst
für Keller, sobald sie über dem Erdboden hervorragen, der besseren Wohnlichkeit oder
auch nur der Billigkeit wegen Balkendecken, die in Vorrathsräumen mit Wellblech bekleidet
werden. Die einst so beliebte, auf eisernen Trägern quergelegte preufsische Kappe wird
jetzt sogar unter den Hausdurchfahrten von anderen Constructionen verdrängt. Nur in tiefer
gelegenen Kellern hat sie noch volle Geltung; oberirdisch ist sie bis in die neueste Zeit
hinein nur noch in den Flurgängen öffentlicher Gebäude ausgeführt worden, auch in Treppen
räumen zum feuersicheren und in Pferdeställen zum dunstsicheren Abschlüsse gegen die
Dachräume. Um derartigen Decken, die in Kranken- und Lagerhäusern, in den Sud
häusern der Brauereien ausgedehnte Verwendung gefunden haben, eine vollkommene Feuer
sicherheit zu verleihen, verkleidete man später die Träger durch Ummauerung, wie z. B.
im Industriegebäude der Beuthstrafse und im Erweiterungsbau der Reichsdruckerei ge
schehen ist. Schöner wirkende Längskappen findet man in den Flurgängen, z. B. der alten
Bau-Akademie und der Gertraudt-Stiftung usw., gewölbte Deckenkehlen zur Einrahmung der
Oberlichte in der National-Galerie. Andere Gewölbe, wie böhmische Kappen, zeigen die
Umgänge des Glashofes im Kunstgewerbe-Museum und des Festsaales in der Flora zu
Charlottenburg, sowie sämtliche Flurgänge im Reichskanzleramt usw., Kreuzgewölbe in
dreifachen Reihen die Ruhmeshalle, der Umgang in der Flurhalle des Museums für Völker
kunde usw., Gewölbe fast jeder Art das Neue Museum. Die Kirchen sind vorwiegend
überwölbt, und zwar meistens die Schiffe der Langbauten mit Kreuzgewölben, die Vie
rungen und die Centralbautcn mit Sterngewölben, Flachkuppeln oder kuppelförmigen Stern
gewölben, die z. B. in der Neuen Kirche und in der Dankeskirchc von Oberlichten durch
brochen sind. Ueber der Vierung der Thomaskirche erhebt sich eine Tambourkuppel und
das kuppclförmige Sterngewölbe der Emmauskirche trägt in der Mitte noch eine Oberlicht
kuppel. Ein mächtiges, etwa 20 m weit gespanntes Sterngewölbe überdeckt die Vierung
in der dem Gedächtnisse des Kaisers Wilhelm gewidmeten Kirche zu Charlottenburg. Massive
Thurmhelmc haben die Apostel-, Zions-, Dankes-, Emmaus- und Lutherkirche. Ueber
der Centralkirche zum Heiligen Kreuz steigt ein 81 m hoher massiver Kuppelthurm empor.
Zu Gunsten der freien Wölbekunst sind also die auf Eisenrippen gemauerten Kreuzgewölbe
im Keller des Circus Renz und die ebenso gewölbte Kuppel der Markuskirche ohne weitere
Nachfolge geblieben. In die Häuserreihe eingebaute Gotteshäuser, deren Gewölben kein
ausreichendes Widerlager gegeben werden kann, erhalten Verankerungen und Verklam
merungen in Eisenconstruction, und zwar ganz versteckte, wie die Synagogen in der
Oranienburger und in der Lindenstrafse, oder zum Theil sichtbare, wie die Friedenskirche
in der Ruppincr Strafse. Tonnengewölbe sind selten geworden; sie kommen fast nur noch
in Eiskellern und Brauereien zur Ausführung; ein künstlerisch hervorragendes Tonnen
gewölbe von 12,50 m Spannweite ist neuerdings im Anbau der Reichsbank mit glasirten,
trogartig ausgehöhlten Thonsteinen, die auch für scheitrechte Decken daselbst Verwendung
gefunden haben, gemauert worden. Den statischen Berechnungen legt die Baupolizei
folgende Belastungsannahmen zu Grunde: für gewölbte Decken aus porigen Steinen in