Path:

Full text: Berlin und seine Bauten (Public Domain) Issue1896,1 Einleitendes - Ingenieurwesen (Public Domain)

II. Die Bauconstructionen. 
43 Ö 
Urn den Deckenputz aufzubringen, werden die Balken von unten mit 20 mm starken, auf- 
getrennten Brettern verschalt; die Verschalung überzieht man mit einem Rohrgewebe, auf 
dem mit Kalkmörtel unter Gipszusatz geputzt wird. Das Gewicht der Balkendecken ein- 
schliefslich Nutzlast nimmt die Baupolizei in Wohnhäusern zu 500 kg, in Fabrikgebäuden, 
Tanzsälen und Wollspeichern zu 750 kg, in Getreidespeichern zu 850—1000 kg für 
1 qm an. 
Holztäfelungen dürfen nur in Landhäusern und in Gebäuden, die keine Feuer 
stätten haben, unmittelbar an den Balken angebracht werden, sonst nur auf der Rohrputz 
schalung. Unvcrkleidete Holzdecken in gröfserem Mafsstabe, und zwar sattelförmige mit 
Bogenbindern, findet man in der St. Johanniskirche zu Moabit aus älterer Zeit und der 
St. Simeonskirche aus neuerer Zeit, zeltdachartige auf vier sich durchdringenden gemauerten 
Tragbogen in der Versöhnungs- und Samariterkirche. 
In Geschäfts- und Lagerhäusern, in Fabrikgebäuden, Werkstätten und Speichern 
werden massive Decken besonders bevorzugt, jedoch nicht gewölbte, deren Verwendungs 
gebiet aufserordentlich zusammengeschrumpft ist. Wie schon erwähnt, wählt man selbst 
für Keller, sobald sie über dem Erdboden hervorragen, der besseren Wohnlichkeit oder 
auch nur der Billigkeit wegen Balkendecken, die in Vorrathsräumen mit Wellblech bekleidet 
werden. Die einst so beliebte, auf eisernen Trägern quergelegte preufsische Kappe wird 
jetzt sogar unter den Hausdurchfahrten von anderen Constructionen verdrängt. Nur in tiefer 
gelegenen Kellern hat sie noch volle Geltung; oberirdisch ist sie bis in die neueste Zeit 
hinein nur noch in den Flurgängen öffentlicher Gebäude ausgeführt worden, auch in Treppen 
räumen zum feuersicheren und in Pferdeställen zum dunstsicheren Abschlüsse gegen die 
Dachräume. Um derartigen Decken, die in Kranken- und Lagerhäusern, in den Sud 
häusern der Brauereien ausgedehnte Verwendung gefunden haben, eine vollkommene Feuer 
sicherheit zu verleihen, verkleidete man später die Träger durch Ummauerung, wie z. B. 
im Industriegebäude der Beuthstrafse und im Erweiterungsbau der Reichsdruckerei ge 
schehen ist. Schöner wirkende Längskappen findet man in den Flurgängen, z. B. der alten 
Bau-Akademie und der Gertraudt-Stiftung usw., gewölbte Deckenkehlen zur Einrahmung der 
Oberlichte in der National-Galerie. Andere Gewölbe, wie böhmische Kappen, zeigen die 
Umgänge des Glashofes im Kunstgewerbe-Museum und des Festsaales in der Flora zu 
Charlottenburg, sowie sämtliche Flurgänge im Reichskanzleramt usw., Kreuzgewölbe in 
dreifachen Reihen die Ruhmeshalle, der Umgang in der Flurhalle des Museums für Völker 
kunde usw., Gewölbe fast jeder Art das Neue Museum. Die Kirchen sind vorwiegend 
überwölbt, und zwar meistens die Schiffe der Langbauten mit Kreuzgewölben, die Vie 
rungen und die Centralbautcn mit Sterngewölben, Flachkuppeln oder kuppelförmigen Stern 
gewölben, die z. B. in der Neuen Kirche und in der Dankeskirchc von Oberlichten durch 
brochen sind. Ueber der Vierung der Thomaskirche erhebt sich eine Tambourkuppel und 
das kuppclförmige Sterngewölbe der Emmauskirche trägt in der Mitte noch eine Oberlicht 
kuppel. Ein mächtiges, etwa 20 m weit gespanntes Sterngewölbe überdeckt die Vierung 
in der dem Gedächtnisse des Kaisers Wilhelm gewidmeten Kirche zu Charlottenburg. Massive 
Thurmhelmc haben die Apostel-, Zions-, Dankes-, Emmaus- und Lutherkirche. Ueber 
der Centralkirche zum Heiligen Kreuz steigt ein 81 m hoher massiver Kuppelthurm empor. 
Zu Gunsten der freien Wölbekunst sind also die auf Eisenrippen gemauerten Kreuzgewölbe 
im Keller des Circus Renz und die ebenso gewölbte Kuppel der Markuskirche ohne weitere 
Nachfolge geblieben. In die Häuserreihe eingebaute Gotteshäuser, deren Gewölben kein 
ausreichendes Widerlager gegeben werden kann, erhalten Verankerungen und Verklam 
merungen in Eisenconstruction, und zwar ganz versteckte, wie die Synagogen in der 
Oranienburger und in der Lindenstrafse, oder zum Theil sichtbare, wie die Friedenskirche 
in der Ruppincr Strafse. Tonnengewölbe sind selten geworden; sie kommen fast nur noch 
in Eiskellern und Brauereien zur Ausführung; ein künstlerisch hervorragendes Tonnen 
gewölbe von 12,50 m Spannweite ist neuerdings im Anbau der Reichsbank mit glasirten, 
trogartig ausgehöhlten Thonsteinen, die auch für scheitrechte Decken daselbst Verwendung 
gefunden haben, gemauert worden. Den statischen Berechnungen legt die Baupolizei 
folgende Belastungsannahmen zu Grunde: für gewölbte Decken aus porigen Steinen in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.