II. Die Bauconstructioncn.
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die aus je zwei in der Dicke der Mauer hinter einander gereihten und vermittelst eines
durchbrochenen Steges mit einander verkoppelten, viereckigen Pfeilern bestehen. Solche
Pfeiler bilden z. B. an dem Eckhause der Leipziger und Wilhclmstrafse mit den Ver
riegelungen der Decken ein durch zwei Geschosse reichendes, kunstvoll behandeltes Rahm
werk. Im allgemeinen aber zieht man Steinpfeiler vor, und zwar mauert man sic meistens
aus Klinkern in Gement, da die Feuersicherheit von Kalkstein und von Granit in Zweifel
gezogen wird. Wo es bei beschränktem Raum auf hohe Tragfähigkeit ankommt, werden
Verstärkungen aus Schmiedeeisen in Form von Blech- und Kastenstützen angeordnet, nament
lich für Frontpfeiler, wenn sie mit Werksteinen verkleidet werden sollen. Aehnliche Con-
structionen dienen zum Tragen der Erker und Balcons, die im Ringbahngebiet 1,30 m und
in den Vororten 1 m weit vor die Bauflucht vorspringen dürfen. Da, wo Vorgärten sich
befinden, können die Vorsprünge bis 2,50 m bezw. 1,30 m betragen. Ebenso werden die
sogen. Galerien, überdeckte offene Gänge an den Hinterfronten, aus Eisen gefertigt. Nur
in den Landhausgebieten ist Holz zu Vorbauten aller Art, wie Unterfahrten, Balcons,
Erker, Galerien, Veranden, zulässig.
Erkcranlagen sind in Berlin noch nicht allzulange heimisch; neuerdings wird kaum
ein Haus mehr ohne Erker erbaut, hauptsächlich in der Absicht, das dahinter liegende
Zimmer zu vergröfsern, in rechteckiger oder aus drei Seiten eines ungleichseitigen Acht
ecks gebildeter Grundform, seltener nur als Auslug in dreieckiger Grundform. Die Trag-
construction bildet einen dazu passenden Rahmen, zu dem die ins Mauerwerk gerade oder
schräg verlegten und bis zur nächsten Mittelmauer reichenden Seitenträger durch Front
träger vermittelst Winkellaschen und Bolzen verbunden werden. Die so vorgestreckten
Tragrahmen mehrerer Geschosse verbindet man an den Ecken noch durch Rundeisenstangen
mit einander. Ebenso allgemein haben sich die Balcons eingebürgert, die gern in den
geschützten Ecken der Erker oder sonstiger Vorbauten angebracht werden. Seitdem es
gelungen ist, die Träger fast beliebig zu biegen, passen sich die Balcons leicht jeder er
wünschten Grundform an. Sie werden meistens mit schmiedeeisernen Geländern umfriedigt.
Sämtliche Constructionstheile aus Eisen müssen nach polizeilicher Vorschrift solche
Abmessungen erhalten, dafs rechnungsmäfsig durch das Gewicht des Aufbaues samt der
Nutzlast die Druckfestigkeit des Gufseisens höchstens mit 500 kg auf 1 qcm, die Zug- und
Druckfestigkeit des Walzeisens höchstens mit 750 kg auf 1 qcm in Anspruch genom
men wird.
5. Decken.
In Wohnhäusern überwiegen noch immer die gestakten Balkendecken. Die auf
die üblichen Zimmertiefen von 5,60 bis 6,30 m freitragenden Ganzholzbalken werden 21/26
bis 24/29 cm stark gewählt und in Abständen von 85 cm bis 1 m von Mitte zu Mitte ver
legt. Sobald die freitragende Länge 6 m überschreitet, verlangt die Baupolizei einen
statischen Nachweis über die Tragfähigkeit, der eine Beanspruchung von 60 kg auf 1 qcm
zu Grunde zu legen ist. Die Balkenfelder schliefst man gewöhnlich durch Stakhölzer, die
in Balkenfalze eingeschoben werden; vereinzelt sind auch Gipsdielen auf seitwärts an die
Balken genagelten Latten verlegt worden. Die Staken müssen so tief liegen, dafs die
Fache 13 cm hoch mit unverbrennlichem Material ausgefüllt werden können. In dieser
Bestimmung ist die Ursache zu suchen, warum man aufgehört hat, die über 6,30 m Tiefe
hinausreichenden Balkenlagen, wie eine Zeit Jang üblich war, durch Kreuzstakung auszu
steifen. Dafür tritt jetzt die gezimmerte Kreuzverstrebung in der Mitte der Balkenlagen mit
durchgehendem Zuganker ein. Armirte Balken, wie sie zu der alten Bau-Akademie verwendet
worden sind, kommen kaum mehr vor. Ueber die Stakung wird zunächst eine Lage Stroh
lehm gestrichen; im übrigen die Füllung der Balkenfache mit den bei der Maurer- und
Putzarbeit verbliebenen Abfällen, nämlich mit trockenem Sand, häufiger mit Koksasche,
seltener mit Lehm bewirkt. Zum Fufsboden nimmt man gewöhnlich 26 — 30 mm starke,
gespundete Bretter; Parkett- oder Stabboden werden auf einem sogen. Blindboden verlegt.