VIII. Die Wasserversorgung.
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bauten dem Betriebe übergeben werden. Damit waren die Wasserwerksbauten im Havel
becken zum Abschlüsse gebracht und imstande, 86400 cbm in 24 Stunden zu liefern,
während die ältere Anlage vor dem Stralauer Thor 60 000 cbm in derselben Zeit fördern
konnte. Die gesamte Leistungsfähigkeit der städtischen Wasserwerke betrug demnach in)
Jahre 1888 146400 cbm in 24 Stunden. Da nach den vorliegenden Erfahrungen der
Maximalverbrauch für den Kopf und Tag rd. 100 1 beträgt, so war mithin für eine Ein
wohnerzahl von rd. 1 460 000 genügend Wasser vorhanden. Diese Zahl wurde voraus
sichtlich bereits 1889 erreicht. Es mufste daher eine weitere Vergröfserung der Werke
schleunigst in Angriff genommen werden, zumal auch an das Eingehen des alten Werkes
vor dem Stralauer Thore gedacht werden mufste; denn das Wasser des Flusses daselbst
wurde infolge der sehr belebten Schiffahrt und der grofsen Anzahl von Fabriken, welche
sich oberhalb des Werkes angesiedelt hatten, immer mehr verschmutzt und konnte nur
mit grofsen Kosten gereinigt werden.
Um den bestechenden Gedanken, welcher der ursprünglichen Anlage am Tegeler
See zu Grunde gelegen hatte, nämlich die Entnahme des Wassers aus Brunnen, um die
kostspielige künstliche Filtration zu vermeiden, weiter zu verfolgen, war im Januar 1882
zugleich mit der nicht mehr zu verzögernden Genehmigung des Baues der ersten 10 Filter
für Werk Tegel eine besondere Commission für die Vornahme entsprechender Versuche
eingesetzt worden. Es wurden jetzt Wasserproben aus allen bekannten Tiefbrunnen in
der weiteren Umgegend von Berlin, deren einige eine Tiefe von 100 m erreichten, ent
nommen. Gleichviel, ob hierbei die Entnahme an der Sohle bezw. in deren Nähe, also
anscheinend ohne einen directen Zuzug des Wassers der oberen Schichten stattfand, oder
ob sie bei Brunnen erfolgte, deren Wandungen von oben bis zur Sohle wasserdurchlässig
waren, wurde in allen Fällen gefunden, dafs das Wasser entweder schon, als es zu Tage
gefördert wurde, trübe war, oder dafs es sich, wenn klar, bald nach Berührung mit der
Luft trübte. Der Ausschufs beschlofs daher, bei seinen Versuchen zur Gewinnung von
reinem Brunnenwasser nur Flachbrunnen ausführen zu lassen und beauftragte mit der Ober
leitung der Versuche den Baurath Dr. Ho brecht und den Director Gill.
Da der Havel mehr als 1 cbm in der Sekunde nicht entzogen werden durfte, so
konnte nur das Spreebecken oberhalb Köpenicks und der nördlichen Rieselfelder in Betracht
kommen. Es wurden daher am Müggelsee und am Langen See vier Versuchsstationen
eingerichtet und zahlreiche Bohrungen vorgenommen; jede dieser Stationen lieferte 1 cbm
Wasser in der Minute und stand drei Monate ununterbrochen im Betriebe. Die Ergeb
nisse waren dieselben wie am Tegeler See: auch hier war der Boden eisenhaltig und das
Wasser begann sich an der Luft zu trüben.
Die Erklärung dieser Erscheinungen, welche überall in der norddeutschen Ebene
unter ähnlichen Verhältnissen Vorkommen müssen, ist in folgendem gegeben: Die Brunnen
sind, um Wasser in genügender Menge zu gewinnen, durch den Jungalluvialsand in den
groben Sand (Grand) des Diluviums gesenkt worden. Beide Sandarten stammen von Ge
steinen her, welche unter ihren Bestandtheilen auch Eisen enthalten. Dieser Untergrund
ist mit einer Culturschicht überdeckt, in welcher sich eine Menge in Zersetzung begriffener,
organischer Substanzen befindet, wie solche an der Bodenoberfläche überall Vorkommen.
Das auf diese Fläche fallende und die darunter liegenden Schichten durchsickernde Regen- .
wasser hat schon bei seinem Entstehen aus atmosphärischen Niederschlägen Sauerstoff
und etwas Kohlensäure aufgenommen. Der Gehalt an letzterer wird aber wesentlich ver
mehrt, wenn es mit den überall auf dem Boden lagernden, in Verwesung begriffenen
Pflanzenstoffen in Berührung kommt; diese geben, aufser der Kohlensäure, auch organische
Bestandtheile an das sie durchfeuchtende Wasser ab. In diesem Zustande, ausgerüstet mit
Sauerstoff, Kohlensäure und organischer Substanz, bildet das Wasser ein chemisches Mittel
von so grofsem auflösenden und zersetzenden Einflüsse, dafs ihm auf die Dauer keine der
Gesteinsarten zu widerstehen vermag, welche in dem Diluvial- und Alluvialsande als
wesentliche Beimischungen des Quarzes Vorkommen. Das Ergebnifs dieser zersetzenden
Wirkung ist, dafs das aus solchen Ablagerungen gewonnene Wasser einen sehr wechseln
den , aber niemals fehlenden Eisengehalt in einer wenig gefesteten, an der atmosphärischen