VII. Die Locomotiveisenbahnen.
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am 17. Juli 1871. Indessen wurde doch sehr bald der Personenverkehr eingerichtet. Dia
Züge gingen vom Lehrter Bahnhofe über Moabit und von dort über den Wedding, den
Osten und Süden Berlins nach Schöneberg, setzten dort um, um auf den Gleisen der
Potsdamer Bahn in deren Bahnhof zu gelangen, in umgekehrter Richtung legten sie den
gleichen Weg zurück. Anfänglich war der Verkehr nur sehr gering. Bei der bedeutenden
Entwicklung Berlins seit der Betriebseröffnung dieser Bahn kann es kein Wunder nehmen,
wenn unablässig an ihr gebaut und erweitert worden ist. Im Laufe der 1870er Jahre
wurde der Ring durch den Bau der Strecke von Schöneberg über Wilmersdorf, Halensee,
Westend bis Moabit geschlossen. An Anschlüssen kamen hinzu: Dresdener Bahnhof,
Westend-Lehrter Bahn, Nordbahnhof und die Anschlüsse an die Rangirbahnhöfe in
Tempelhof, Rummelsburg, Lichtenberg und Grunewald. Vom gröfsten Einflüsse auf die
weitere Entwicklung der Ringbahn war der Bau der Stadtbahn, der zu neuen bedeutsamen
Erweiterungen und Umbauten seit dem Jahre 1880 führte, trotzdem die Bahn als Voll
bahn durchweg zweigleisig ausgebaut worden war und Anschlüsse an alle Fernbahnhöfe
hatte. Die Annahme, dem Verkehrsbedürfnisse auf absehbare Zeiten genügt zu haben,
erwies sich als trügerisch.
1. Erweiterungsbauten auf dem Nordring.
Bald nach der Eetriebseröffnung der Stadtbahn und der damit verbundenen
Vermehrung der Ringzüge zeigte es sich, dafs die zwei Gleise des Nordrings nicht mehr
ausreichten, um den Personen- und Güterverkehr zu bewältigen. Es verkehrten damals
auf dem Nordringe in jeder Richtung 20 Personenzüge und 39 Güterzüge, also stündlich
bis zu sechs Zügen. Der Uebergang der Personenzüge auf die Stadtbahn machte die
peinlichste Innehaltung des Fahrplans nothwendig. Die Güterzüge mufsten aber infolge der
Unzulänglichkeit der Nebengleise auf den Bahnhöfen vielfach Rangirbewegungen auf den
Hauptgleisen ausführen. Der regelmäfsige Lauf der Züge konnte nicht eingehalten werden
und die Betriebssicherheit war gefährdet. Eine Erweiterung der bestehenden Bahnhöfe würde
den Uebelständen nur theilweise abgeholfen haben, man entschlofs sich deshalb für beide
Verkehrsarten besondere Gleise auf der ganzen Strecke zu erbauen. Bereits während des
Baues der Stadtbahn waren auf dem östlichen Theile des Nordrings wegen des Anschlusses
des Personenverkehrs an die Stadtbahn besondere Personengleise von Stralau-Rummelsburg
bis zur Landsberger Allee zur Ausführung gekommen, während die vorhandenen Gleise aus-
schliefslich für den Güterverkehr in Benutzung genommen wurden und Anschlufs an die
Bahnhöfe Centralviehhof, Lichtenberg-Friedrichsfelde und Rangirbahnhof Rummelsburg
erhielten. 1887 begann die Bauthätigkeit für die Weiterführung der Personengleise von
Landsberger Allee bis Wedding. Vier Jahre später, noch vor Vollendung dieser Strecke wurde
der viergleisige Ausbau des Ringes zwischen Wedding und Westend in Angriff genommen.
Der Umbau des Bahnhofs Westend, mit welchem im Jahre 1894 vorgegangen wurde, bildet
den Schlufs der Erweiterungsbauten auf dem Nordringe. Die Ausführung der Bauten bei
ununterbrochenem Eisenbahnbetrieb und inmitten belebter Stadtviertel bedingte ein schritt
weises Vorgehen. Die Vollendung sämtlicher baulichen Anlagen wird erst im laufenden
Jahre (1896) erfolgen, hat also einen Zeitraum von ungefähr neun Jahren beansprucht. Die
umfangreichen und durchgreifenden Umbauten haben erhebliche Mittel erfordert. Es sind
bewilligt worden:
für die Anlage des dritten und vierten Gleises zwischen Lands
berger Allee und Wedding . 3 5P° 000
desgl. zwischen Wedding und Westend 3 900 000 ,,
für den Umbau des Bahnhofes Westend 1 15° 000 »
zusammen 8550000 JL
Die für die Ausführung mafsgebenden Grundsätze sollen nachstehend kurz wieder
gegeben werden.