76
IV. Wasserstrafsen und Häfen.
der in der Ausführung befindlichen grofsen künstlichen Schiffahrtsstrafse zur Verbindung des
Rheins mit der Weser und dem Wassergebiet der Elbe, die letztere erreichen.
Ebenso wie die Hohensaaten- Spandauer Wasserstrafse hat auch die Havel von
Spandau bis zur Elbe einschliefslich des Plauer Canales in neuerer Zeit grofse Umgestal
tungen und wichtige Verbesserungen erfahren. Hier aber begannen die Arbeiten wesentlich
später als dort, weshalb für dieselben im Anschlufs an die erfreulichen Erfolge der Elbe- und
Oder-Regulirung die Ziele viel weiter gesteckt werden konnten, als es noch vor 20 Jahren
der Fall war. In den Jahren 1880—1889 sind die sämtlichen in Betracht kommenden
Schleusen theils durch Neubauten, theils durch Umbauten auf 65 m nutzbare Länge, 8,60 m
lichte Weite in den Thoren und 2 m Wassertiefe auf den Drempeln mithin so erweitert
worden, dafs sie den gröfseren Elbkähnen bis zu 10000 Ctr. Tragfähigkeit den Durchgang
gestatten. Die gleichzeitig stattgehabten Regulirungen und Erweiterungen der Havel, des
Plauer Canals und des Canals Sacrow - Paretz entsprachen eben diesen Abmessungen, und so
wurde nach erfolgter Canalisirung der Unterspree, von welcher weiterhin ausführlich die Rede
sein wird, die Möglichkeit gewonnen, einen mächtigen Grofsschiffahrtsverkehr, der meist mit
Schleppdampfern betrieben wird, von der Elbe nach Berlin zu leiten. Durch Vermittelung
der neuen Schleuse am Mühlendamm mit dem Oder-Spree-Canal findet dieser Verkehr
seinen weiteren Weg nach der Oder und aus dieser bis Breslau und Oberschlesien. Die
soeben angegebenen Schleusenabmessungen sind inzwischen auch für die vorerwähnte grofse
Canalverbindung vom Rhein nach der Elbe mafsgebend geworden, nur dafs man hier die
Tieflage der Schleusendrempel noch vergröfsert hat.
4. Die Spree in und unterhalb Berlins.
Wie die dem ersten Abschnitte dieses Buches über die geschichtliche Entwicklung
Berlins beigegebenen Kärtchen ersehen lassen, wurde die tief gelegene Niederung, in der
sich die ersten Anfänge der Stadt entwickelten, von zwei, den Stadttheil Köln umschliefsen-
den Armen durchströmt, von welchen der nördliche der Hauptarm war und noch ist. Beide
Arme sind jedenfalls schon in sehr früher Zeit behufs des Betriebes von Mühlenanlagen,
welche gegenwärtig als solche eingegangen sind, angestaut worden. Von diesen Anlagen
waren diejenigen im nördlichen Arme, am Mühlendamm belogenen, die älteren, die Werder-
schen Mühlen im südlichen Arm, zwischen dem Schlofsplatz und dem Werder’schen Markt,
stammten aus späterer Zeit. Der noch jetzt bestehende Stau wird von der Schiffahrt mittels der
„Stadtschleuse“ überwunden, oberhalb deren der südliche Spreearm den Namen „Schleusen
canal“ führt, während er unterhalb derselben „Kupfergraben“ genannt wird. Die ursprüng
lich von Holz erbaute Stadtschleuse wurde unter dem Kurfürsten Friedrich III., nachmaligem
König Friedrich I., im Jahre 1694 durch einen Massivbau ersetzt, ein Ereignifs, welches
durch eine Erinnerungsmedaille mit dem Bildnifs des Fürsten und der Aufschrift „Ligneam
invenit, lapideam reliquit“ gefeiert wurde. An die Stelle dieses Bauwerks ist im Jahre 1861
ein abermaliger Neubau von gröfseren Abmessungen getreten. Bei der Befestigung von
Berlin im 17. Jahrhundert wurden noch zwei Verbindungen zwischen der Ober- und Unter
spree als Festungsgräben angelegt, nämlich nördlich der „Königsgraben“, auch „Zwirn
graben“ genannt, den Stadttheil Alt-Berlin, südlich der „Grüne Graben“, die Stadttheile
Friedrichswerder und Neu-Köln umschliefsend, beide mit Stauanlagen für den Mühlenbetrieb
versehen. Aus Veranlassung des Baues der Berliner Stadtbahn ist in den siebziger Jahren
der Königsgraben zugeschüttet worden, da er aber zugleich als Vorfluthweg für die Hoch
wasser der Spree diente, mufste für ihn anderweitig Ersatz geschaffen werden. Dies geschah
dadurch, dafs das Gerinne der ehemaligen Werder’schen Mühlen entsprechend erweitert, ver
tieft und als Fluthgraben eingerichtet wurde. Demnächst ist auch der Grüne Graben ver
schüttet worden, nachdem er sowohl seines unschönen Aussehens halber, als auch wegen
der Übeln Gerüche, die er verbreitete, lange genug eine Plage der Stadt gewesen. — Von
der weiteren Umgestaltung des Kupfergrabens in der Umgebung des Königlichen Schlosses
durch die Errichtung des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. wird am Schlüsse dieses
Abschnittes die Rede sein.