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Erster Abschnitt.
seren baulichen Unternehmungen Zurückgaben — sondern auch die Anordnungen,
welche hierzu speziell mitgewirkt haben, die Aufstellung des Bebauungs
planes und die Erweiterung des städtischen Weichbildes, sind damals
geplant und vorbereitet worden.
Beide Schritte waren unabwoislieh geworden, nachdem die von Innen nach
Aussen fortschreitende Bebauung schon längst nicht nur die Grenzen der für
einzelne Bezirke aufgestellten Bebauungspläne überschritten hatte, sondern auch
an mehren Stellen weit über die Grenze des Stadtgebietes hinausgriff. Auf Grund
einer im Januar 1860 erlassenen Kabiuetordre wurden am 1. Januar 1861 die
Ortschaften Moabit, Wedding und Louisenbad, sowie namhafte Theile der Feld
marken von Charlottenburg, Schöneberg, Tempelhof, Eicksdorf u. a, dem Weich-
bildo von Berlin einverleibt. Im Jahre 1862 wurde der seit 1858 durch das
Engl. Polizei-Präsidium bearbeitete neue Bebauungsplan für Berlin und Charlot
tenburg publizirt.
Als eine unmittelbare Folge dieser Maassregeln, welche im Publikum die
übertriebensten Vorstellungen von dem Bedürfnisse nach expansiver Entwickelung
der Stadt erweckt und dadurch eine plötzliche Steigerung des Grundwerthes be
wirkt hatten, ist es zu betrachten, dass die ohnehin schon rege Thätigkeit des
Privatbaues im Beginn der 60-cr Jahre zu bisher unerhörten Anstrengungen
gereizt wurde. Im Jahre 1861 wurden 1008, 1862: 1680, 1863; 1413, 1864:
1149, 1865: 1250, 1866; 778 Bauerlaulmiss-Seheine für den Neubau von Wohn
häusern und Fabriken ertheilt.*) Der Ktteksehlag in dieser Bewegung, auf wel
chen die mitgetheilten Zahlen hindeuten, ward einerseits durch die politischen
Verhältnisse veranlasst; andererseits erklärt er sich durch die Ueberproduktipn an
Wohnungen, zu welcher die Bauspekulation, au der leider mehrfach schwindel
hafte Elemente Theil nahmen, sich hatte verleiten lassen. Unter der Einwirkung
des durch einige Hauseinstürzo im Jahre 1864 erzeugten Misstrauens entwickelte
sich hieraus in den Jahren 1865 und 1866 eine bedenkliche Krisis des Hypo
theken -Vcrkeh rs.
Das bleibende Eesultat jener intensiven Bauthätigkeit war trotzalledem ein
grossartiges und es ist für den betreffenden Abschnitt in der Entwickelung Berlins
das bezeichnendste Moment. Neben den bisher bevorzugten Revieren im Süden
und Westen der Stadt traten von jetzt ab auch die anderen Ausseubezirke,
namentlich das äussere Spandauer Revier, in eine lebhafte Entwickelung ein.
Nicht mehr in einzelnen, abgegrenzten und mit fertigen Strassen versehenen
Bezirken, sondern fast im ganzen Umfange der Stadt und auf Terrains, welche
meist unmittelbar dem Feldbau entzogen wurden, entstanden zu gleicher Zeit
ganze Bauviertel und grosse zusammenhängende Strassenzlige. Ja so fest war
die blinde Zuversicht auf den unaufhaltsamen Fortschritt Berlins, dass damals
nicht wenige Neubauten vereinzelt auf freiem Felde ausgeführt wurden, ehe die
Zukunftstrasse des Bebauungsplanes, an welche sie sich ansehlosseu, nur an
gelegt war. —
*) Das statistische Material ist leider mangelhaft, da viele bereits genehmigte Projekte
nicht zu Stande kommen und daher die Zahl der ortheilten Banerlaubniss-Scheine nicht die
Zahl der wirklich ausgeführten Bauten angieht. Erst seit 186G führt die Bau-Polizei Ver
zeichnisse über die von ihr bewirkten Rohbau-Abnahmen.