B. Die geschichtliche Entwickelung Berlins.
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nach einem Brande von 1852 erneuerten KroU’sohen Etablissement traten das
Friedrieh-Wilhelmstädtische Theater (1850), das Vorstädtische Th., das Walluer-
Th., der Zirkus Renz (1856), das Viktoria-Th. (1859), sowie endlich mehre neue
Konzert- und Ball-Lokale verschiedenen Ranges. Desgleichen entstanden mit
zahlreichen neuen industriellen Etablissements wiederum mehre grosse Brauereien
mit entsprechenden Ausschank-Lokalen.
Einen stetigen Fortgang nahm auch der Wohnhausbau. Wenn die Zahl der
palastartigen Wohnhäuser nur wenig stieg — streng genommen sind nur das
Palais des Prinzen Adalbert und das Bier’sche Haus am Leipziger Platz, sowie
das 1857 umgebaute Kronprinzliche Palais als solche zu bezeichnen — so mehrten
sich desto stärker die eleganten städtischen Villen und die für höhere Ansprüche
eingerichteten „herrschaftlichen“ Miethhäuser. Als erstes Beispiel eines gross
artig und einheitlich disponirten Geschäfthauses verdient das Gersou’sche am
Werder’schen Markte besondere Erwähnung. Daneben nahm die Massen-Hcrstel-
luug gewöhnlicher Miethhäuser gegen das Ende der Regierung Friedrich Wilhelm’s
TV., zur Zeit der „Regentschaft“, bereits ziemlich bedeutende Dimensionen an.
Den Haupt-Schauplatz dieser Bauthätigkeit bildeten namentlich die der inneren
Stadt zunächst liegenden Terrains zur Seite des südlichen Schiffahrt-Kanals: die
Louiseustadt, das Sehöneberger und Tempelhofer Revier, die äussere Friedrich
stadt; doch wurde auch im Stralauer Revier, au der Schönhauser Allee und vor
dem Oranienburger Thore, wo die Tieck- und die Borsigstrasse neu entstanden
waren, lebhaft gebaut. In den westlichen Luxus-Quartieren wurden durch weitere
Theiluug der grossen Garten-Komplexe zwischen Kanal - und Thiergarten die Vik
toriastrasse, die Eegentenstr. und die Hobeuzollernstr. geschaffen. Das Innere
der Stadt wurde durch mehre Strasseudurchbrllche — von der Französischenstr.
nach dem Werder’scheu Markt, von der Junkerstr. nach der Ritterstr., von der
Alten-Jakobstr. nach der Neuenburgerstr., von der Köpenickerstrasse nach der
Wallstrasse — verbessert.
Unter den nach dem Jahre 1848 neugeschaffenen Verwaltungs-Einrichtungen
verdient, als besonders wichtig, die Organisation der Feuerwehr und des Strasseu-
reinigungs-Weseus hervorgehoben zu werden.
Mit der Regierung König Wilhelm’s begann im Jahre 1861 die letzte Epoche
m der Entwickelung Berlins. Wenn es für die Gegenwart , welche an allen Be
wegungen dieser Epoche Theil genommen hat und noch mitten in ihnen steht,
selbstverständlich unmöglich ist, bereits eine unbefangene, historische Würdigung
derselben zu gewinnen, so steht doch wohl soviel fest, dass sie an Bedeutung
alle früheren Phasen der Entwickelung Berlins weit überragt und dass dieses
noch niemals so gewaltige Veränderungen innerlicher und äusserlicher Art erlebt
hat, wie sie in unseren Tagen sich vollziehen.
So kurz der betreffende Zeitraum auch ist, so lassen sich in ihm bei näherer
Betrachtung doch drei Abschnitte deutlich unterscheiden, welche durch die grossen
politischen Ereignisse der Kriege von 1866 und 1870—71 getrennt werden.
Der erste derselben (1861—66) steht in unmittelbarstem Zusammenhänge mit
den vorhergehenden, gewöhnlich als die „Neue Aera“ bezeiehneteu Jahren der
hegentschaft. In diesen wurzeln nicht blos die geistigen Ursachen des neuen,
mächtigen Aufschwungs, welchen Berlin fortan nahm — das politische Vertrauen
und die Hebung des Selbstgefühls, welche der Bevölkerung den Muth zu grös-
Tfc. 1. r.