B. Die geschichtliche Entwickelung Berlins.
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standen waren, die man im Falle eines Krieges unmöglich zerstören konnte, und
seitdem auch im Inneren der Werke, in den Bastious und ßavelins, ja selbst in
direkter Anlehnung an den Hauptwall der Courtinen, einzelne Gebäude und
ganze Häuserreihen immer zahlreicher sich angesiedelt hatten. Eine nur mit
enormen Kosten durchzufllhrende Erweiterung der Festung, wie sie Friedrich I.
projektirt hatte, lohnte sich kaum noch, seitdem die Macht der eifersüchtigsten
und gefährlichsten Nachbarn, Polens und Schwedens, gebrochen, Stettin eine
preussische Stadt geworden war und Preusseu ein so grosses, schlagfertiges Heer
besass. Der letzte Zweck endlich, den die seit 1713 nur noch mit halben Mitteln
unterhaltenen Werke im Dienste der Akzise und zur Verhinderung der Desertionen
von Soldaten zu erfüllen hatten, war mit der Ausführung der neuen Stadtmauer
verschwunden. So entschloss sich der König, die überflüssig gewordene Befestigung
ganz aufzugeben, um das Terrain derselben zu Strassen und Häusern ausnutzeu
zu können. Berlin wurde damit des Zwanggürtels, der seine homogene Ent
wickelung hemmte, um 50 oder 100 Jahre früher ledig, als andere deutsche
Städte, die sich in gleicher Lage befanden; es musste diese Gunst freilich auch
durch den Verzieht auf die Vortheile erkaufen, welche diese Städte aus einer ein
sichtvolleren Verwerthung des Festungsterrains, als sie zu jener Zeit möglich war,
gezogen haben.
Dass mau unter den Verhältnissen des damaligen Verkehrs und der damaligen
Lebensgewohnheiten ein Verständniss für die Bedeutung von Boulevards oder gar
eines Ringes von Parkanlagen hätte haben sollen, ist nicht wohl zu verlangen.
Die neuen, in der Linie der Umwallung entstehenden Strassen erhielten die dürftige
Breite, welche die durch frühere Bebauung der Wallseite entstandenen Anfänge
derselben zeigten. Dagegen ist immerhin anzuerkennen, dass die Verbindung der
inneren Stadttheile mit den äusseren nach einem wohlüberlegten Plane erfolgte.
Von den vorhandenen Thor-Passagen blieben die durch das Neue und das Köpenieker
Thor als Strassen erhalten, während die durch das Leipziger Thor führende ge
schlossen wurde. Statt der letzteren wurden der alte Weg über den Spittelmarkt,
sowie die Jäger- und Grünstrasse nach Aussen geöffnet und entsprechende neue
Brücken Uber den Graben geschlagen. Von ausserhalb wurden die Strassen der
Friedriehstadt bis an den Graben verlängert, während in der Köpenieker Vorstadt
aus den schon vorhandenen Häuserreihen an der Kontreskarpe, in der Verlängerung
der Jakobstrasse, ein peripheraler Strassenzug sich entwickelte. Als Plätze wurden
im Innern eines ehemaligen Bastions der Hausvoigteiplatz, vor dem Glacis der
zum Exerzierplatz bestimmte Dönhofplatz freigehalten. Die alten Thore wurden
abgebrochen; die Beseitigung des Walls und die allmälige Einschränkung des
Grabens bis auf seine gegenwärtige, geringe Breite dauerte jedoch noch mehre
Jahrzehnte.*) Das Hornwerk der Dorotheenstadt war schon in den ersten Regie-
rungsjahren Friedrich Wilhelm’s den Besitzern der au den Wall grenzenden Grund
stücke preisgegeben worden, doch blieb der offene Graben an der Behrenstrasse
noch bis gegen -das Ende der Regierung Friedrich’s des Grossen, wo er in einen
v ) Als einzige Reste der Festung auf dem linken Spreeufer sind heute noch der Hügel
m den Gartenanlagen hinter dem kölnischen Gymnasium (ein Stück des Walls) und das
Ihünnchendes sogenannten Wusterhausensohen Wehrs, an dem später eine Walkmühle angelegt
wurde, etwas unterhalb auf dem Hofe des Hauses Neue Jakobstrosse Nr. 10 erhalten.