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Zweiter Abschnitt.
gerichtete Hotels, die architektonisch beachtenswert!! sind, besitzt Berlin vorläufig
nur in den 3 Bauten des Hotel d’Angleterre, des Hotel de Home und des Kaiser-
hofes, auf die im Folgenden näher eiugegangen ist. Die Schwierigkeiten, mit
denen eine neue Hotel-Anlage zu kämpfen hat, bestehen zum grossen Theil darin;
in der Mitte der Stadt ein ausreichend grosses und gut gelegenes Terrain zu
finden, dessen Preis nicht von vorn herein die Rentabilität der Anlage in Frage
stellt; man hat sie in dem letztgenannten Beispiele dadurch zu beseitigen gesucht,
dass man den Maasstab des mit den Mitteln einer Aktien-Gesellschaft begründeten
Unternehmens möglichst gross angenommen hat. Andere Projekte für grossartige
Hotelbauten in Berlin befinden sich in der Schwebe, sind jedoch durch die Ver
hältnisse der letzten Zeit derart zurtickgedrängt, dass sich eine Besprechung der
selben vorläufig nicht empfiehlt.
Nach einem amtlichen Schema, das auf der früheren Feststellung bestimmter
Taxen für die in den Wirthsbäusern zu zahlenden Preise durch die Polizei beruht,
werden die Gasthöfe noch immer als solche erster, zweiter und dritter Klasse
* (letztere sogen. „Ausspannungen“) unterschieden. In der vor etwa 100 Jahren
erschienenen 2. Auflage der Nicolai’schen Beschreibung von Berlin werden in diesen
3 Klassen bezw. 8, 14 und 16, zusammen 42 Gasthöfe angeführt; 1806 war deren
Zahl auf bezw. 11, 17 und 22, zusammen auf 50 gestiegen, während gegenwärtig
59 G. I. Kl., 17 G. II. Kl. und 26 G. HI. KL, zusammen also 102 Gasthöfe be
stehen. Die Vermehrung derselben ist demnach eine verhältnissmässig geringe
gewesen, wobei freilich zu berücksichtigen ist, dass die neueren Gasthöfe grösseren
Umfang haben als die alten und dass neben denselben noch 63 sogen. Hotels
garais (ohne „Table d’höte“) bestehen. — Ihrer Lage nach sind die Gasthöfe
Uber die ganze Stadt zerstreut. Die reuommirteu Hotels ersten Ranges konzeu-
triren sich Unter den Linden und in der westlichen Friedrichstadt, die Gasthöfe
niederen Rauges vorzugweise in der Nähe der nördlichen und östlichen Bahnhöfe.
Anordnung und Eintheilung der Räume ist in den besseren Hotels überein
stimmend so erfolgt, dass im Souterrain die Küchen- und Wirthschaft-Eäume, im
Erdgeschoss der Speisesaal, häufig auch ein im Zusammenhänge mit dem Hotel
bewirtschaftetes Restauration-Lokal, das Bureau, und die Wohnung des Wirths
liegen, während die oberen Geschosse durchweg zu Fremdenzimmern ausgenutzt
sind. Die zur Abhaltung von Hochzeit-Festlichkeiten, Bällen etc. bestimmten
Fest-Lokalitäten einzelner Gasthöfe, deren bereits im vorigen Abschnitt Erwähnung
geschah, sind zumeist so angelegt, dass ihre Benutzung den Verkehr der im Hotel
wohnenden Gäste möglichst wenig stört. —
1. Das Hotel d’Angleterre, am Schinkelplatz 2*), 1858 durch den Archi
tekten Eduard Titz erbaut, ist als der erste speziell für Hotel-Zwecke geschaffene
Neubau Berlins zu betrachten, wenngleich auch hier Theile eines älteren Baues
benutzt werden mussten. Wie der hier mitgetheilte Grundriss des Erdgeschosses
ergiebt, ist die — durch ihre freie Lage an 3 Strassen sehr begünstigte — An
lage, welche aus Erdgeschoss und 3 Stockwerken besteht, ziemlich einfacher
Art, jedoch in einem Maasstabe durehgeführt, der über die bei Miethhäusern
üblichen Abmessungen hinausgeht. Dementsprechend hält sich auch die architek-
*) Pnblizirt in: Ed. Titz’s Entwürfen zu öffentlichen und Privat-GebUuden,
herausg. v. H. Kämmerling. Heft 1. Berlin 1859.