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Zweiter Abschnitt.
In dem anstossenden Gymnasium zum grauen Kloster existiren noch aus
mittelalterlicher Zeit:
1) der zweischiffige, durch eine Mittelstutzenreibe von 4 Eund-Pfeilcm getragene,
kreuzgewölbte Kapitelsaal; insehriftlich 1471—74 vom Meister Bernhard;
2) der einschiffige, in spätgothischen Stilfonnen mit Sterngewölben erbaute Kon
ventsaal, inschriftlich von 1516—18 erbaut.
Eine mehrjährige Restauration (nach 1840) hat das Aeussere mit 2 Treppen
thürmen und einem Giebelreiter mehr bereichert als verschönert; das Innere ist
intakter geblieben. Um die stattgefundene Strassenerhöhung architektonisch zu be
grenzen, ist längs der Kloster-Strasse ein rundbogiger Arkadengang mit Seiten
nischen nach Entwürfen von v. Quast erbaut worden.
4. Kapelle zum heiligen Geist.*) Der am Spandauer Heerwege be-
legene Annonhof, zu dem sie gehörte, wird 1272 urkundlich erwähnt; gleich da
rauf muss die Kapelle erbaut sein. Im Jahre 1474—76 wurde sie überwölbt und
mit einem ThUnuchen ausgestattet, welches durch Abbruch im vorigen Jahrhun
dert wieder beseitigt worden ist.
Kleiner einschiffiger, oblonger Bau mit einfach, aber gut gegliederter Ostfacade
(altgothisch) und schönem Sterngewölbe von 3 Jochen. Lichtmaasse: 9,4 m zu 16,78 m .
5. Kapelle St. Gertraud. Vor dem Teltower Thore Köln’s als Hospital
kirche 1405—11 gegründet, hat sie viele Veränderungen (1711, 34, 77, 90), zuletzt
1833 einen umfassenden ßestaurationsbau erfahren. Ihre ursprüngliche Erschei
nung (nur aus Abbildung und analytischer Prüfung herstellbar) lässt einen ein
schiffigen, strebopfeilerbesetzten Gewölbebau erkennen, mit zweitheiligen Spitzbogen-
Fenstern und % Chore. Wegen der von Jahr zu Jahr sieh steigernden Frequenz
au dieser Stelle wird sie bald verschwinden.
II. Kirchen des 17. und des 18. Jahrhunderts.
Der einzige der Epoche der Frühreuaissance angehörige Kirchenbau Berlins
war der grossartige Umbau der alten, 1296 gegründeten Dominikaner Kirche zur
Dom- und Gruftkirehe der Hohenzollem unter Joachim II. von c. 1536—40.
Durch ihn wurde die altgothische, dreischiffige mit polygongeschlossenem Langchore
versehene Brüderkirche in eine stattliche Kreuz-Kirche mit stolzem Thurmpaare
an der Westfront verwandelt. Nach dem 1747 erfolgten Abbruch dieses werth-
vollen Denkmals ist ein sicheres ürtheil, ob und inwieweit die Formen der Friih-
renaissanco in dem (äusserlich spätgothiseh gehaltenen) Bau Verwendung gefunden
hatten, nicht mehr möglich.
Dem Joaehim’schen Dombau folgte ein fast ISOjähriger Stillstand in der
kirchlichen Baidamst.
Diese Thatsache beruht auf verschiedenen Gründen. Einmal war die Erb
schaft des Mittelalters gross genug, um mit kleinen Abänderungen (Beseitigung
der Lettner, Einziehung von Emporen etc.) den Ansprüchen des neuen Kultus
und der schwach auwachscndeu Einwohnerzahl zu genügen. Dann waren die im
Schoosse des Protestantismus selbst ausbrechenden und zuletzt in Pfaffengezänk
ausartenden Streitigkeiten wenig geeignet, Enthusiasmus für den Kirchenbau im
*) Abbild, b. Adler 1. c. Bl. 72.