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Full text: Blickpunkt Integration (Rights reserved) Issue2011,2 (Rights reserved)

Integration 2 02/2011 Blickpunkt Aktueller Informationsdienst zur Integrationsarbeit in Deutschland Thema im Fokus Debatte um Willkommenskultur Integrationslandschaft Deutschland 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei Veranstaltungen Nürnberger Tage für Integration www.bamf.de Editorial Inhalt Liebe Leserin, lieber Leser, Thema im Fokus Herzlich willkommen! Das sagen wir vielleicht unseren Gästen, neuen Nachbarn oder Arbeitskollegen – aber sagen oder zeigen wir es auch Zu­ wanderern? Der Ruf nach einer „Willkommenskultur“ macht derzeit in der deutschen Migra­ tionsdebatte die Runde. Doch was steckt eigentlich hinter diesem Schlagwort? Ist es nur ein Modebegriff oder schlicht eine Notwendigkeit, um den gesellschaftlichen Zusammen­ halt zu stützen, zu stärken? 50 Jahre nach der Ankunft der ersten Gastarbeiter aus der Tür­ kei haben wir uns auf die Suche nach Wurzeln und Früchten der Willkommens- und Aner­ kennungskultur in Deutsch­ land gemacht. In den Fokus rückt dabei vor allem die Auf­ nahmegesellschaft: Denn um Integration langfristig erfolg­ reich zu gestalten, müssen wir eine Kultur aufbauen, die den Menschen auch den Eindruck vermittelt: Ihr seid hier will­ kommen. Erste Ideen und Pro­ jekte sprießen bereits aus dem Boden – wie etwa Welcome Center an Universitäten oder Kommunen. Einige Beispiele stellt die aktuelle Ausgabe des Blickpunktes Integration vor. Ich wünsche Ihnen eine unterhalt­ same Lektüre. Claudia Möbus Redaktionsleitung f f f f f f Gesucht: Willkommenskultur 3 „Ich atme Vielfalt und Weltoffenheit“ 6 Visitenkarten einer Stadt 7 Schifffahrt gibt Ideen für Willkommenskultur 8 Welcome Centre an der Universität 10 Projekte zur Vorintegration in der Türkei 11 Aktuelles aus dem Bundesamt f Integrationsbeauftragte im Bundesamt f 3 Fragen – 3 Antworten f Was hilft, was nicht? Studie zu Tandem­ projekten 12 13 14 Integrationslandschaft Deutschland f 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei f Austellung zu türkischer Migration nach Nürnberg f Vorbildliche Projektideen f Frische Ideen für den Zusammenhalt 15 17 18 19 Blick über die Grenzen f Österreich: Weniger Emotion, mehr Information f Einwanderung als Problem und Chance 20 21 Veranstaltungen f Nürnberger Tage für Integration f „Tag der offenen Tür“ der Bundesregierung 22 26 Literaturhinweise f Spagat zwischen Nikolaus, Osterhase und Opferfest f So vielfältig sind Projekte zur Integration f Mehr Migranten in die Hörsäle f Was tun? Handbuch zur Migrationsarbeit f Premiere für umfassendes Zahlenwerk 27 28 29 30 31 Kurz notiert 32 Impressum 32 Thema im Fokus Wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt: eine Willkommenskultur, die einen entspannten Umgang mit Vielfalt ermöglicht. Foto: Marion Vogel Gesucht: Willkommenskultur Den Inhalten eines neuen Modebegriffs auf der Spur Die deutsche Integrationsdebatte ist reich an bildhaften Begriffen: Sie schuf die „Gastarbeiter“, begab sich auf die Suche nach einer „deutschen Leitkultur“ und fürchtete sich vor „Parallelgesellschaften“. Und jetzt also „Willkommenskultur“? Der neue Begriff mag nicht so recht in die Reihe seiner Vorgänger passen. Er impliziert schließlich kein Integrationsdefizit der Migranten, sondern fragt im Gegenteil ganz offen nach der Integrationsleistung der Aufnahmegesellschaft. „Willkommenskultur“ steht für ein Um­ denken: Nicht nur Migranten sollen attraktiv werden für Deutschland, sondern auch die deutsche Ge­ sellschaft soll attraktiv werden für Menschen mit Migrationshintergrund. Kann es gelingen, den schil­ lernden Begriff mit konkreten Inhalten und Konzepten zu füllen? Schon beim Aufbau staatlicher Integrationsangebote ab dem Jahr 2005 wurde Integration als wechselseitiger Prozess verstanden, der sowohl Zuwanderer als auch Aufnahmegesellschaft einschließt. Allerdings war es zunächst vordringlich, diejenigen Maßnahmen und Programme zu etablieren, die darauf abzielen, Zuwanderern schnell notwendige Unterstützung zur selbstständigen Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu bie­ ten – zum Beispiel durch Integrationskurse oder Migrationsberatung. Die Aufnahmegesellschaft konnte erst in den Fokus rücken, nachdem sich diese Programme in der Praxis bewährt hatten. 3 Thema im Fokus Ein weiterer Grund für die späte Frage nach der Rolle der Auf­ nahmegesellschaft im Integra­ tionsprozess ist das Selbstver­ ständnis Deutschlands als starke Wirtschaftsnation. Lange ging man davon aus, für Zuwanderer ohnehin attraktiv zu sein. Doch angesichts des demografischen Wandels und der damit einher­ gehenden Prognose eines mögli­ chen Fachkräftemangels hat ein Diskussionsprozess eingesetzt, der die vermeintliche Attrakti­ vität Deutschlands als „Lebens­ standort“ grundlegend in Frage stellt. Deutschland scheint im Wettbewerb um die besten Köp­ fe deutliche Standortnachteile zu haben. Als Hürden werden unter anderem eine vergleichsweise schwierige Sprache, hohe Steuer­ sätze oder bürokratische Struktu­ ren genannt. Die Herausforderungen liegen aber nicht nur im strukturellen Bereich: Verschärft wurde die ne­ gative Wahrnehmung Deutsch­ lands durch die Integrationsde­ batte des vergangenen Jahres. Schließlich kann die Frage, ob Migration möglicherweise dazu beitragen würde, Deutschland „abzuschaffen“, kaum als beson­ deres Zeichen von Wertschät­ zung kultureller Vielfalt inter­ pretiert werden. Angesichts dieser Entwicklungen ist der Ruf nach einer Willkom­ menskultur mit der Hoffnung verbunden, Deutschland möge doch endlich „gewollt“ attraktive Rahmenbedingungen für Zu­ wanderer bereitstellen. Als Vor­ bild dienen immer wieder „klas- 4 Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Manfred Schmidt „Eine Willkommenskultur zeichnet sich aus durch gewollt attraktive Rahmensetzung für Zuwanderinnen und Zuwande­ rer. Wir brauchen aber auch eine Anerkennungskultur für all die Zuwanderer, die schon seit Jahren hier leben. Anerkennung der kul­ turellen Identität, der Fähigkei­ ten und Leistungen fördert auch das Gefühl des Dazugehörens.“ sische“ Einwanderungsländer wie Kanada. Dort können sich einheimische Familien beispiels­ weise im „Host Program“ als Inte­ grationslotsen für „Newcomers“ bewerben. Die Erstorientierung basiert damit auf dem Engage­ ment der Zivilgesellschaft und vermittelt ein persönliches Will­ kommen. Derartige Aktivitäten der „wel­ coming society“ beeindrucken Fachleute aus aller Welt. Doch sollte man bei aller Bewunde­ rung nicht vergessen, dass Kana­ da sehr klar formuliert, wer will­ kommen ist und wer nicht. Die Segnungen der Willkommens­ kultur sind vornehmlich qualifi­ zierten Fachkräften und ihren Fa­ milien vorbehalten. Dafür sorgt das kanadische Punktesystem. Die Immigrationsrealität in Deutschland ist dagegen geprägt von Zuwanderung aus humani­ tären Gründen – in der öffent­ lichen Wahrnehmung noch stärker als in den offiziellen Stati­ stiken. Gleichzeitig konzentriert sich die Debatte um eine Will­ kommenskultur fast ausschließ­ lich auf Hochqualifizierte. Ver­ treter von Wohlfahrtsverbänden sprechen daher bereits von einer „Auslese-Willkommenskultur“. Die Diskussion um Zielgruppen einer Willkommenskultur zeigt sich besonders deutlich, wenn man die Aktivitäten von Aus­ länderbehörden zum Thema betrachtet. Der Sachverständi­ genrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) nennt Ausländerbehörden in ei­ nem Gutachten die „Visitenkarte einer Stadt“, da sie für Ausländer meist den ersten Berührungs­ punkt mit den lokalen Behörden darstellen. Doch die Attraktivität dieser „Visitenkarten“ hält sich aus Sicht der meisten Zuwande­ rer eher in Grenzen. Um dieses Bild zu ändern, schla­ gen Ausländerbehörden im Wesentlichen zwei Wege ein: Einerseits entstehen zunehmend so genannte Welcome Center für hochqualifizierte Zuwanderer. Diese sind meist Teil der Auslän­ derbehörde und fungieren als „One-Stop-Shop“, also als allge­ meine Erstanlaufstelle mit einer Vielzahl an Informations- und Integrationsangeboten. Als na­ tionales Vorzeigemodell und als Inspiration für weitere Kommu­ nen dient dabei das „Hamburg Welcome Center“ (siehe Artikel auf Seite 8). Andere Ausländerbehörden verzichten dagegen auf einen speziellen Bereich für Fachkräfte Thema im Fokus und treiben stattdessen die inter­ kulturelle Öffnung der gesamten Behörde voran. Die BertelsmannStiftung hat hier mit dem Projekt „Ausländerbehörde – Ihr Part­ ner!“ einen Austausch ermög­ licht und erste Handlungsemp­ fehlungen entwickelt (siehe Arti­ kel auf Seite 7). Unabhängig von der gewählten Strategie zeigen die Entwicklun­ gen in Ausländerbehörden einen Ansatzpunkt zur Verwirklichung von Willkommenskultur, näm­ lich: die Bündelung und Vernet­ zung von Angeboten zur Erst­ orientierung und Erstintegra­ tion. Das Bundesamt wird diese Entwicklungen unterstützen und noch im Herbst 2011 eine entspre­ chende Arbeitsgruppe ins Leben rufen. Ziel sind Handlungsemp­ fehlungen für eine attraktive Ausgestaltung der Zusammenar­ beit von Migrations- und Arbeits­ beratung, Ausländerbehörden und Fachkräfteallianzen. Die Unterstützung einer Will­ kommenskultur beginnt jedoch nicht erst bei der Einreise nach Deutschland. Internetportale und so genannte Vorintegrati­ onsprojekte können bereits im Herkunftsland die Integration unterstützen, indem sie Sprachund Informationsangebote zur Verfügung stellen. Fachleute empfehlen, diese Angebote künf­ tig weiter auszubauen. Darauf weist auch die EU-Kommission in einem jüngst veröffentlich­ ten Strategiepapier hin. Zu einer realistischen Beurteilung der eigenen Chancen in Deutschland wird auch die Einführung eines Özlem Sarikaya, Bayerischer Rundfunk „Willkommenskultur ist für mich hauptsächlich eine emotionale Sache, also dass die Menschen, die hier sind, das Gefühl haben, hier­ her zu gehören, hier willkommen zu sein. Und dass wir hier auch endlich EINE Gesellschaft werden. Da sind wir leider noch viel zu oft zu weit weg.“ Gesetzes zur Anerkennung aus­ ländischer Berufsqualifikationen beitragen. Doch strukturelle Verbesserun­ gen alleine werden Menschen nicht langfristig an Deutschland binden können. So emigrieren immer wieder in Deutschland ausgebildete Menschen mit Mi­ grationshintergrund, weil sie das Gefühl haben, hier nicht wirklich „willkommen“ zu sein. Es muss also zusätzlich zu strukturel­ len Maßnahmen darum gehen, Menschen mit Migrationshinter­ grund als gleichberechtigten Teil dieser Gesellschaft anzuerken­ nen. Hier spricht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht von Willkommens-, son­ dern von „Anerkennungskultur“. Um diese zu fördern, ist es wich­ tig, die Integrationsdebatte zu versachlichen und Begegnungen zwischen Menschen verschiede­ ner Herkunft zu ermöglichen. Ein Instrument kann – neben vielen seit Jahren erfolgreich lau­ fenden Projekten und Maßnah­ men – die politische Bildung sein. Dabei gilt es, die Befürchtungen der Mehrheitsgesellschaft ernst zu nehmen. Das Bundesamt wird auch hier mit der Einrichtung eines Expertengremiums erste Impulse setzen. Integration ist ein wechselseiti­ ger Prozess und die Debatte um Willkommenskultur möglicher­ weise der Auftakt zu einer „nach­ holenden Integration“ unter be­ sonderer Berücksichtigung der Aufnahmegesellschaft. Es geht dabei keineswegs nur um Fach­ kräfte, sondern um die Stärkung des gesellschaftlichen Zusam­ menhalts insgesamt. Was zählt, Dr. Günther Schauenberg, Geschäftsführer Grundsicherung, Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern „Unsere ganze Arbeitslandschaft wird in Zukunft aufgrund des demografischen Wandels von Fachkräftemangel gekennzeich­ net sein. Wir merken sehr deut­ lich: ohne Willkommenskultur ist es sehr schwierig, Menschen dazu zu gewinnen, nach Deutschland zu kommen, um hier langfristig eine Existenz aufzubauen und damit auch für unseren Wohlstand mit­ zuarbeiten.“ ist die Attraktivität des „Lebens­ standortes“. Ein weiterer bildhaf­ ter Begriff – aber wir befinden uns ja auch mitten in der deut­ schen Integrationsdebatte. Hannes Schammann Referat Grundsatzangelegenheiten der Integration 5 Thema im Fokus „Ich atme Vielfältigkeit und Weltoffenheit“ Vom Flüchtlingskind zur erfolgreichen Trainerin für interkulturelle Kommunikation: Sosan Azad im Interview Heute erfolgreiche Trainerin für interkulturelle Kommuni­ kation: Sosan Azad, die als kleines Mädchen von Afghanistan nach Deutschland flüchtete. Fotos: Robert Ullinger 6 „ Heute arbeiten Sie mit dem Ziel Denn: Viele Missverständnisse einer besseren Integration von Zu­ liegen daran, dass wir uns zu wanderern in die Gesellschaft. Was wenig kennen und zu wenig in ist Ihr Leitge­ Kontakt sind. danke? Auf beiden Sei­ Sosan Azad: ten herrscht Integration funktioniert nur, „Integration manchmal die wenn sowohl Aufnahmege­ sellschaft als auch die Men­ funktioniert Erwartung: der schen, die hier her kommen, nur, wenn andere soll den aufeinander zugehen. sowohl Auf­ ersten Schritt nahmegesell­ machen.“ schaft als auch die Menschen, die hier her komWo sehen Sie kulturelle Unterschiemen, aufeinander zugehen. Diede zwischen Deutschland, Ihrem ses Aufeinander-Zugehen muss Herkunftsland und anderen Längut organisiert werden – damit dern? nicht falsche Erwartungen beste­ Sosan Azad: „Wenn ich Bekann­ hen und Missverständnisse ent­ te in Kanada besuche und nach stehen. Das sollte also professio­ Deutschland zurückkomme, nell begleitet werden; man muss denke ich mir oft: Ich atme hier Rahmenbedingungen und Kon­ Vielfältigkeit und Weltoffen­ zepte für Begegnungen schaffen. heit. Die Menschen setzen sich „ Was war Ihr Eindruck von Deutsch­ land, als Sie vor rund 20 Jahren ankamen – wie wurden Sie aufge­ nommen? Sosan Azad: „Mit einer Mi­ schung aus Mitleid, einer Art Hilflosigkeit, aber auch dem Bedürfnis, mir Schutz zu geben. Und mit der Frage: Was machen wir mit ihr jetzt? … (lacht). Es war aber eine gute Startposition für mich, weil ich noch sehr jung war und viel Unterstützung bekom­ me habe durch Behörden. Ich hatte die Möglichkeit, Deutsch zu lernen. Das war wichtig. Das ist auch das, was ich heute emp­ fehle: Jungen Menschen gleich am Anfang einen guten Rahmen, eine gute Orientierung geben, damit sie erst gar nicht in einer Verzweiflungsszene landen.“ Sie kam mit einer kleinen Tasche mit Kleidung, rund 80 Deutschen Mark und keiner Vorstellung davon, was sie erwartet: Als Sosan Azad 1984 aus dem Krieg in Afghanistan flüchtete und als so ge­ nannter unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in Deutschland Asyl beantragte, hatte sie zum ersten Mal überhaupt alleine ihr Dorf verlassen. Deutsch sprach sie nicht. Aus dem scheuen Mäd­ chen von damals ist eine selbstbewusste Frau geworden, die heute unter anderem als Trainerin für interkulturelle Kommunikation und anerkann­ te Mediatorin arbeitet. Dem Blickpunkt Integration hat sie in einem In­ terview Einblick gegeben in ihren faszinierenden Lebensweg, ihre Eindrücke von Deutschland und Ideen für eine Willkommenskultur. Thema im Fokus Eins, zwei, drei – und der Knoten ist gelöst. Mit kreativen Ideen will Sosan Azad auch Probleme zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft lösen. Denn: „Viele Missverständnisse liegen daran, dass wir uns zu wenig kennen.“ mit Ereignissen auch außerhalb ihres Landes auseinander. Auch das Zusammenleben von Deut­ schen und Migranten ist ein Thema, das bewegt. Ich nehme die Ernsthaftigkeit in der Aus­ einandersetzung mit wichtigen Themen wahr. An der deutschen Mentalität gefallen mir außer­ dem die gute Disziplin, eine ziel­ orientierte Haltung und der Qua­ litätsanspruch auf jeder Ebene im Leben. An der afghanischen Kultur schätze ich das Bestreben, aus jeder schwierigen Situation eine menschliche Situation zu machen.“ Was macht für Sie Willkommens­ kultur, wie sie derzeit immer wie­ der diskutiert wird, aus? Sosan Azad: „Es liegt in der Ver­ antwortung von Einheimischen und bereits gut integrierten Menschen mit Migrationshin­ tergrund, neuen Zuwanderern zu zeigen: Ihr seid willkommen. Wir – Migranten, die die Sprache gelernt haben, eine Ausbildung gemacht haben, Geld verdienen und beide Kulturen mit ihren Ressourcen und sensiblen Ecken kennen – wir sind wichtige Brü­ ckenbauer.“ Claudia Möbus, Referat Öffentlichkeitsarbeit Integration Visitenkarten einer Stadt Empfehlungen für serviceorientierte Ausländerbehörden Ausländerbehörden sind „Visi­ tenkarten“ ihrer Stadt und für Neuzuwanderer oft das „erste amtliche Gesicht“ einer Gemein­ de – daher sollten sie ihre Lot­ senfunktion besser zur Geltung bringen: Diese und andere Emp­ fehlungen haben Experten bei einer Tagung auf Anregung der Bertelsmann-Stiftung in Koope­ ration mit der Stadt Essen aufge­ stellt. Im Mittelpunkt stand die Frage: Wie können sich Auslän­ derbehörden (ABH) als service­ orientierte „Allroundbehörde“ aufstellen? Zunächst sollten Ausländerbe­ hörden einen Paradigmenwech­ sel hin zu einer Dienstleistungs­ behörde vollziehen – das heißt, von einer reinen Ordnungsbe­ hörde zum kommunalen Dienst­ leister für Menschen mit auslän­ dischem Pass werden. Außerdem gelte es, eine umfassende Will­ kommenskultur als kommunales Ziel zu etablieren. Dies könne sich vom gesamtstädtischen Leit­ bild bis hin zu symbolischen Will­ kommenszeichen und -gesten durchziehen. Die Tagungsteilnehmer hoben zudem hervor, dass eine serviceo­ rientierte Ausrichtung eine Füh­ rungsentscheidung sein sollte. Dabei waren sich die Experten einig, dass Motivation, Ressour­ censteuerung und die Ausschöp­ fung rechtlicher Handlungsmög­ lichkeiten durch klare Vorgaben erleichtert werden können. Die Einbeziehung der Verwaltungs­ mitarbeiter aller beteiligten Ak­ teure ermögliche außerdem die Berücksichtigung verschiedener Perspektiven und erleichtere die Akzeptanz und Einbindung in kommunale Netzwerke. Und wie kommt man vom Leit­ bild zur fachübergreifenden Ge­ samt-Strategie? Auch hierfür hat­ te die Runde einen Tipp: Aus Leit­ bild und datengestützter Analyse ließen sich konkrete Ziele und 7 Thema im Fokus Maßnahmen ableiten. Die räum­ liche Nähe von ABH und anderen Verwaltungsressorts, beispiels­ weise der Integrationsstelle oder dem Bürgerbüro, könne hierbei Vorteile bieten. Ein großes An­ liegen war der Servicegedanke: „Serviceorientierung heißt auch Service garantieren“, so das Mot­ to. Wenn zunächst Anliegen der Kunden durch qualifiziertes Personal präzise aufgenommen würden, könnten Gesprächspart­ ner besser vermittelt und die Vor­ bereitung des Beratungsgesprä­ ches erleichtert werden. Durch enge persönliche Zusam­ menarbeit mit dem örtlichen Jobcenter, der Agentur für Ar­ beit und Unternehmern werde die Möglichkeit, Menschen in Lehrstellen und Arbeitsplätze zu vermitteln, erleichtert. Diese Vermittlungsarbeit sollte durch Sprachförderung und Berufs­ orientierung für Jugendliche Servicegedanke und Freundlichkeit werden großgeschrieben: Die Ausländerbe­ hörde in Düren zeigt dies auch äußerlich durch „Willkommens-Schriftzüge“ auf den Eingangstüren. Foto: Kreisverwaltung Düren sowie eine zielgruppenorientier­ te Beratung und Qualifizierung flankiert werden. Darüber hin­ aus sind laut Expertenmeinung Schulungen zu Themen wie Bürgerfreundlichkeit und inter­ kulturelle Kompetenz Eckpunkte einer interkulturellen Orientie­ rung. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ABH sollten an entsprechenden Weiterbildungs­ angeboten teilnehmen, hieß es. Weitere Informationen unter www.bertelsmann-stiftung.de Hannes Schammann, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integration Schifffahrt gibt Ideen für Willkommenskultur Welcome Center will qualifizierte Arbeitskräfte locken Wedel an der Elbe vor den Toren Hamburgs begrüßt Schiffe kurz vor ihrer Einfahrt in den Hafen mit dem Willkomm-Höft, einer „Schiffsbegrüßungsanlage“. Ge­ spielt wird die jeweilige Natio­ nalhymne. In der Schifffahrt ist 8 schon lange bekannt, wie wich­ tig ein Begrüßungsritual und Willkommensgefühl für gute (Wirtschafts-)Beziehungen ist. Ein paar Kilometer elbaufwärts, beim Hamburger Rathaus, heißt Hamburg seit 2007 in den lich­ ten, großzügigen und modernen Räumlichkeiten des Hamburg Welcome Center (HWC) Neu­ bürgerinnen und Neubürger willkommen.Wie schon in den Vorjahren kamen 2010 mehr als 80.000 Menschen neu nach Thema im Fokus Hamburg. Ein Viertel davon zog aus dem Ausland zu. Der Netto-Zuwanderungsgewinn lag bei mehr als 10.000 Menschen. Brauchen diese wirklich eine Willkommenskultur? Und wenn ja, was versteht man darunter überhaupt? Google liefert zu die­ sem Stichwort ungefähr 32.500 Treffer - die wissenschaftlichen Bibliotheken in Hamburg keinen einzigen. Was macht diesen wei­ chen kulturellen Faktor also aus? Ein Beispiel: Die Amtssprache ist auch im Hamburg Welcome Cen­ ter Deutsch. Allerdings ist es dort ebenso selbstverständlich, alle Dienstleistungen auch in engli­ scher Sprache anzubieten, um Zuwanderern aus dem Ausland gerade in den ersten Tagen und Wochen sprachlich entgegen zu kommen. Nach Erledigung „al­ les Amtlichen“ dürfen sich die Kunden über ein „Welcomebag“ freuen und über die Einladung zum nächsten Hamburg Wel­ come Club, den das HWC monat­ lich veranstaltet. Standortstärken Es ist offensichtlich, dass in der Phase der ersten Orientierung die vermeintlich „kleinen“ Hilfe­ stellungen vieles erleichtern. Das HWC will damit vor allem Ham­ burgs Position im internationa­ len Wettbewerb um qualifizierte, kreative Arbeitskräfte und ihre Familien stärken. Neubürgerin­ nen und Neubürger finden in der Einrichtung Informationen und Beratung zu Fragen rund um den Start in Hamburg. Ausländische Fach- und Führungskräfte, Fir­ mengründer, Wissenschaftler, Gelebte Willkommenskultur durch fachliche Kompetenz und freundliches Ambiente: Im Hamburg Welcome Center erhalten Neubürgerinnen und Neubürger wichtige Informa­ tionen „aus einer Hand“. Foto: Hamburg Welcome Center Studierende, Hochqualifizierte, Künstler und Sportler können ihre Aufenthalts- und Meldean­ gelegenheiten in der One-StopAgency HWC erledigen. Geplant ist außerdem, dort eine „Zentrale Anlaufstelle zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse“ einzu­ richten. Auftreten und Verfahrenstrans­ parenz als Pluspunkte. Noch wichtiger ist den Kunden, dass das Team des HWC freundlich und verlässlich ist und sich trotz hohen Arbeitsdrucks offen für alle Mentalitäten und Fragen zeigt. Gelebte Willkommenskul­ tur eben. Kompetenz und Freundlichkeit Das Hamburg Welcome Center interpretiert damit Willkom­ menskultur im Überschnei­ dungsbereich von Rechtsstaats­ prinzip und Dienstleistungs­ orientierung. Das Feedback der Kunden bestätigt uns, dass dieses Angebot sinnvoll ist und gebraucht wird: Sie nennen fach­ liche Kompetenz, verbindliches Weitere Informationen im Internet unter: www.welcome.hamburg.de Birte Steller, Leiterin und Christian Steimker, Leitungsassistenz des Hamburg Welcome Center 9 Thema im Fokus Klimawandel, ja bitte! „Welcome Centre“ an der Universität Erlangen-Nürnberg schlüpft in Vorreiterrolle Sie sprießen vielerorts und wol­ len für einen Klimawandel der besonderen Art in Deutschland sorgen: bundesweit richten Hochschulen derzeit so genann­ te Willkommenszentren ein und präsentieren sich als weltoffe­ ne Einrichtung. Das „Welcome Centre“ der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg (FAU) nimmt dabei eine Vor­ reiterrolle ein. „Internationali­ sierung hat für die Universität Erlangen-Nürnberg Priorität. Unser Ziel ist es, herausragende Forscher aus dem Ausland zu uns an die Universität zu holen“, betont Hochschulpräsident Prof. Karl-Dieter Grüske. „Deshalb spielt das Welcome Centre für unsere Attraktivität bei Gastwis­ senschaftlern eine ganz wesentli­ che Rolle“. Ziel ist es, ausländischen For­ schern bei Startschwierigkeiten im neuen Umfeld unter die Arme zu greifen – diese Unterstützung nahm auch Katrina Binger dank­ bar an: Als die Australierin im April diesen Jahres nach Deutsch­ land kam, hatte sie den halben Globus umrundet, um ihre neue Arbeitsstelle anzutreten. Vor allem die eingeschränkten La­ denöffnungszeiten waren für die junge Frau aus Melbourne anfangs gewöhnungsbedürftig. „Manchmal war der Kühlschrank am Sonntag leer, weil ich verges­ 10 sen hatte, für das ganze Wochen­ ende einzukaufen“, erzählt sie lächelnd. „Dann musste ich mit­ tags und abends im Restaurant essen.“ Die vier Mitarbeiter des „Wel­ come Centre“ in Erlangen, das im Jahr 2007 eingerichtet wur­ de, wollen Neuankömmlingen die Umstellung auf die fremde Kultur erleichtern. „Wir vermit­ teln Kindergartenplätze, helfen bei der Wohnungssuche und dolmetschen bei der Kontoeröff­ nung“, erläutert Leiter Nikolas Kretzschmar. Die Einrichtung versteht sich als Dienstleister für alltägliche Probleme, berät aus­ ländische Forscher schon vor ih­ rer Ankunft – zum Beispiel in Fra­ gen rund um Visum, Einreise und Aufenthaltsrecht – und kümmert sich auch darum, soziale Kon­ takte zu vermitteln. „Wir stellen den Kontakt zu Landsleuten her, falls das gewünscht wird, weil wir gemerkt haben, dass diese Gemeinschaften bei der Einge­ wöhnung enorm hilfreich sein können. Außerdem veranstalten wir Stammtische, an denen sich unsere Gäste mit Einheimischen treffen können“, berichtet Kretz­ schmar. Für ihr Service-Konzept zur Be­ treuung ausländischer Forscher haben die Mitarbeiter des „Wel­ come Centre“ in Erlangen bereits einen mit 10.000 Euro dotierten Preis der Alexander-von-Hum­ boldt-Stiftung erhalten. „Den Preis verdanken wir dem per­ sönlichen Engagement unserer Angestellten – und der Tatsache, „Das Welcome Centre steigert unsere Attraktivität für Gastwissenschaftler“: der Hoch­ schulpräsident der Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Karl-Dieter Grüske (links) mit dem Vizepräsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Michael Gries­ beck (2. von links). Daneben: Kerstin Sommer, Mitarbeiterin des Welcome Centres der Universität , Dr. Brigitte Perlick, Leiterin des Referats für Internationale Angelegenheiten und Nikolas Kretzschmar, Leiter des Welcome Centres. Foto: Timo Weith Thema im Fokus dass wir über ausreichend Perso­ nal verfügen“, hebt Kretzschmar hervor. Wie wichtig der persönli­ che Einsatz ist, zeige sich immer wieder in der täglichen Arbeit. Beeindruckt von der individuel­ len Betreuung der Gäste zeigte sich vor Kurzem auch der Vize­ präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Michael Griesbeck, bei seinem Besuch im „Welcome Centre“ der FAU. „Es ist enorm wichtig, die richtigen Rahmenbedingun­ gen zu schaffen, damit sich Men­ schen aus dem Ausland bei uns wohlfühlen“, betonte er. Katrina Binger hat sich mittler­ weile ganz gut in ihrer neuen Umgebung eingelebt. Ihr Kühl­ schrank ist jetzt auch am Sonntag immer gut gefüllt. Eine pauscha­ le Einschätzung von Deutschen und Australiern möchte sie nicht vornehmen – eines sei ihr in den ersten Monaten aber schon auf­ gefallen. „Die Deutschen arbei­ ten sehr konzentriert, aber sie unterhalten sich wenig während der Arbeitszeit. In Australien haben wir auch hart gearbeitet, aber wir hatten trotzdem Zeit für eine kurze Unterhaltung“, erzählt sie. Vielleicht hilft also ab und an schon ein kleines Ge­ spräch für ein besseres Klima und eine „gelebte“ Willkom­ menskultur. Timo Weith, Freier Autor Mehr als Deutschlernen Wie sich junge Türken auf ihre neue Heimat vorbereiten Der Präsident des Bundesamtes, Dr. Manfred Schmidt, trifft engagierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Projektes zur Vorintegration in der Tür­ kei. „Erste Sprachkenntnisse und Infor­ mationen über das Leben in Deutschland noch vor der Einreise sind wichtig“, betont Dr. Schmidt. Foto: Mehmet Zagli Sie wollen meist zu ihrem Ehe­ mann oder ihrer Ehefrau nach Deutschland und dafür nicht nur Deutsch lernen, sondern sich schon vorab möglichst gut über das Land informieren: Junge Frauen und Männer bereiten sich in so genannten Vorintegrati­ onsprojekten, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Türkei fördert, auf die Einrei­ se in ihre neue Heimat vor. Der Präsident der Behörde, Dr. Man­ fred Schmidt, hat sich bei einem mehrtägigen Besuch im Septem­ ber in der Türkei selbst ein Bild von den Kursen gemacht. Einwanderungsrealität in Deutschland vermitteln Ausländer, die zu ihrem Ehepart­ ner nach Deutschland ziehen wollen, müssen vor der Einreise einfache Deutschkenntnisse er­ werben, um möglichst schnell Kontakte in Deutschland knüp­ fen und sich verständigen zu können. Aber nicht nur erste Sprachkenntnisse, auch Informa­ tionen über das Land sind hilf­ reich, um den Start in Deutsch­ land zu erleichtern. In Kursen, die die Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. (TGD) in Gazi­ antep im Südosten der Türkei durchführt, konnte sich 11 Thema im Fokus/Aktuelles aus dem Bundesamt Dr. Schmidt aus erster Hand ei­ nen Eindruck davon verschaffen, wie wichtig solche Angebote für die künftigen Zuwanderer sein können. Das mit Mitteln der EU und des Bundesamtes gemeinsam finan­ zierte Projekt zielt darauf, Ausrei­ sewilligen, die im Familiennach­ zug nach Deutschland ziehen möchten, neben den gesetzlich vorgeschriebenen Sprachkennt­ nissen auf freiwilliger Basis er­ gänzend Informationen über das Leben und die Lebensverhältnis­ se in Deutschland zu vermitteln. Neben Informationen über das politische System und die Gesell­ schaft stehen dabei auch ganz praktische Tipps zur Integration auf dem Programm. Auch die Schwierigkeiten, die sich bei der Eingewöhnung und Integration in Deutschland erge­ ben können, werden angespro­ chen. Ganz besonders profitieren die Teilnehmer von der eigenen Migrationserfahrung der Dozen­ ten. Das Projekt der TGD wird an fünf Standorten durchgeführt. wichtig, dass wir Migration und Integration in einem umfassen­ den Ansatz zusammendenken“, bilanzierte der Präsident des Bundesamtes die Erfahrungen der Gespräche in der Türkei: In zwei Vorintegrationskursen und bei der Vergabe der Ab­ schlusszertifikate an die Teilneh­ mer konnte Dr. Schmidt sich per­ sönlich von der Professionalität des Projekts und dem Engage­ ment der Teilnehmer überzeu­ gen. „Erste Sprachkenntnisse und In­ formationen über das Leben in Deutschland noch vor der Einrei­ se, eine schnelle Verbesserung der Deutschkenntnisse im Inte­ grationskurs und individuell ab­ gestimmte Beratung direkt nach der Ankunft sowie eine zügige Integration in den Arbeitsmarkt sind wichtige Schritte hierzu. Hinzukommen muss aber auch eine Willkommenskultur, die Neuzuwanderern signalisiert: ‚Ihr seid hier willkommen.’ Hier­ an müssen wir gemeinsam arbei­ ten.“ Katrin Hirseland, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integrationsförderung „Migration und Integration zusammendenken“ Beeindruckend war dabei insbe­ sondere auch der Enthusiasmus der zumeist jungen Teilnehmer, die mit ihrer Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, große Erwartungen für das eigene Vo­ rankommen in Bildung, Ausbil­ dung und Beruf verbinden. „Es ist Willkommenskultur gemeinsam voranbringen Integrationsbeauftragte Prof. Böhmer im Bundesamt „Das Thema Willkommenskul­ tur ist nicht nur ein Thema, das uns bewegt, sondern das wir gemeinsam voran bringen müs­ sen“: Das hat die Integrationsbe­ auftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, bei einem Besuch im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg betont. Auch das Bundesamt misst die­ sem Bereich besondere Bedeu­ tung bei. Es gehe dabei nicht nur darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken, sondern 12 vor allem darum, den Lebens­ standort Deutschland zu stär­ ken, hieß es im Gespräch . „Will­ kommenskultur bedeute auch, die interkulturelle Öffnung der Verwaltung voranzubringen“, betonte der Präsident des Bun­ desamtes, Dr. Manfred Schmidt. Bei dem Arbeitstreffen in Nürn­ berg vereinbarten der Präsident des Bundesamtes, Dr. Schmidt, und die Integrationsbeauftrag­ te auch, dass Mitarbeiter beider Häuser zu einem Erfahrungs­ austausch zur Entwicklung der Integrationsvereinbarungen zusammen kommen werden. In diesen Vereinbarungen, die an 18 Modellstandorten auf den Weg gebracht wurden, wird indivi­ duell festgehalten, mit welchen Voraussetzungen Zuwanderer nach Deutschland kommen und welcher Nachholbedarf besteht – etwa bei Spracherwerb, Ausbil­ dung oder Schulbesuch . Claudia Möbus, Referat Öffentlichkeitsarbeit Integration Aktuelles aus dem Bundesamt ?? 1. Vor Kurzem hat das neue Schul­ jahr begonnen – Eltern und Kinder starten mit Spannung in die Bil­ dungsreise. Denn Fakt ist: Väter und Mütter spielen eine Schlüsselrolle für den Bildungserfolg ihrer Kinder. Wo liegt die besondere Herausforde­ rung bei Eltern mit Migrationshin­ tergrund? Rosenbach: „Die Bedeutung der Eltern für den Bildungsweg und die Berufswahl ist enorm, das be­ legen Studien immer wieder – in Deutschland noch mehr als an­ derswo. Gerade für Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache lernen, ist die Unterstützung der Eltern besonders wichtig. Viele von ihnen zeigen dabei großes Engagement. Nicht alle jedoch haben ausreichende Sprachkennt­ nisse und nicht alle finden sich im deutschen Bildungssystem zurecht, es fehlen ihnen Informa­ tionen – über das Bildungssystem, aber auch über die Rechte und Pflichten, die sie als Eltern haben. Aber: wir sehen oft nur die Bei­ spiele, in denen es nicht klappt – dabei gibt es auch viele erfolgrei­ che Beispiele.“ 2. Wo setzt das BAMF an, um Unter­ stützung zu leisten – damit es noch mehr erfolgreiche Beispiele gibt? Rosenbach: „Wenn man sich die Integration als Perlenkette vorstellt, dann gibt es große und kleine Perlen – zu den großen 3 Fragen — 3 Antworten Integration und Bildung sind untrennbar — Wie werden Eltern einbezogen? Antworten von Michael Rosenbach, Gruppenleiter für Integrations­ förderung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge inhaltlichen Schwerpunkt auf Elternkompetenz: Ziel ist, Eltern zu informieren, wie Bildung und Schule in Deutschland funktionie­ ren. Was ist überhaupt der Eltern­ sprechtag? Und wieso ist es wich­ tig, dass Kinder an gemeinsamen Schulausflügen teilnehmen? Wo kann ich selbst mitwirken?“ 3. Ein wichtiger Partner sind Mi­ grantenorganisationen, wie der spanische Elternverein, die über jahrzehntelange Erfahrungen in der zählen beispielsweise die Integ­ Elternarbeit verfügen. Wie werden rationskurse oder das Programm diese eingebunden? „Integration durch Sport“. Der Rosenbach: „Migrantenorganisa­ Faden in der Mitte, der alle Perlen tionen haben ein enormes Poten­ zusammenhält, ist die Migrations­ zial. Und die Zusammenarbeit mit beratung. Hier wollen wir zu einer ihnen birgt einen doppelseitigen noch stärkeren Vernetzung der Effekt: die beiderseitige Gelegen­ Beratungsangebote für erwachse­ heit zur interkulturellen Öffnung ne und jugendliche Zuwanderer und das bessere Erreichen der oder Kinder kommen. Deshalb Eltern verschiedener Nationali­ starten das Bundesinnenministe­ tät als wichtige Zielgruppe. Wir rium, das Bundesfamilienminis­ wollen Eltern animieren, aktiv terium und das Bundesamt eine mitzuarbeiten. Damit investiere gemeinsame Aktion: Familienbe­ ich nicht nur in die Gegenwart, ratung aus einer Hand. Es ist wich­ sondern auch in die Zukunft: Ich tig, in der Migrationsberatung nehme die Eltern mit und erhöhe auch das Thema Bildung anzu­ gleichzeitig die Chance, dass ihre sprechen und die Weichen richtig Kinder erfolgreich Schule und zu stellen. In den Integrations­ Ausbildung meistern. Migranten­ kursen erfolgt der zweite Schritt: organisationen und Elternvereine Mit besseren Deutschkenntnissen sind dabei ganz wichtige Partner.“ können Eltern ihre Kinder auch sprachlich unterstützen. In einem Das Interview führte dritten Schritt setzen viele der Claudia Möbus, Referat Öffentlich­ Projekte, die wir fördern, ihren keitsarbeit Integration Michael Rosenbach, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Foto: Robert Ullinger 13 Aktuelles aus dem Bundesamt Was hilft, was nicht? Studie „Kooperation mit Migrantenorganisationen“ untersucht Integrationsarbeit vor Ort Probleme, etwa bei der zeitlichen Planung von Arbeitstreffen. Auch eine ungleiche Ausstattung mit Ressourcen ist eine Herausforde­ rung für eine echte Kooperation auf Augenhöhe, so ein Fazit der Wissenschaftler. Autor der Studie Dr. Uwe Hunger Universität Münster Wie können Kooperationen zwi­ schen Migrantenorganisationen und anderen Trägern erfolgreich und gleichberechtigt gestaltet werden? Dieser Frage ist eine Stu­ die im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge auf den Grund gegangen. In der von Dr. Uwe Hunger (Universität Münster) und Stefan Metzger erstellten empirischen Untersu­ chung wurden unterschiedliche Kooperationsformen und -pro­ jekte analysiert, die durch das Berliner Aktionsprogramm „Viel­ falt fördern – Zusammenhalt stärken“ unterstützt wurden. Sie reichten von Kooperationen im Dachverband, über fachliche Hil­ fe bei der Projektkonzeption oder der Qualifizierung bis hin zu en­ gen Kooperationen im Rahmen eines konkreten Projekts. „Was hilft? Was hindert?“ Diese zwei Fragen standen, vereinfacht gesagt, im Mittelpunkt der Stu­ 14 die. Ziel der Wissenschaftler war es, förderliche und hinderliche Faktoren für gelingende Koope­ rationen zu identifizieren und Empfehlungen für Fördermittel­ geber einerseits und für (poten­ zielle) Kooperationspartner an­ dererseits zu entwickeln. Ganz deutlich zeigt die Studie: „Kooperationsprojekte“ haben sich – trotz des damit verbun­ denen Aufwands für alle Part­ ner – bewährt. Um die positiven Lernprozesse auf beiden Seiten zu stärken, sollte auch künftig die Zusammenarbeit von Mi­ grantenorganisationen und anderen Akteuren der Integra­ tionsförderung durch Förder­ mittel unterstützt werden. Die Ehrenamtlichkeit vieler Migran­ tenorganisationen ist jedoch ein Aspekt, der die Kooperation mit Trägern, die hauptamtlich arbei­ ten, erschweren kann und stellt Partner auch vor ganz praktische Eine wachsende Zahl von Mi­ grantenorganisationen steht an der Schwelle zur Speziali­ sierung als Fachträger, etwa in der Jugendarbeit. Dieser Schritt kann durch eine Kooperation mit einem langjährigen Träger erleichtert werden. Auch der Partner kann dabei durch die Kooperation an Know-How hin­ zugewinnen, etwa im Bereich der interkulturellen Sensibilisie­ rung. Kooperationen zwischen Migrantenorganisationen und anderen Trägern können folglich bei gleichberechtigter Ausgestal­ tung ein Gewinn für beide Part­ ner sein. Die Studie ist ein Beitrag zur Umsetzung der Empfehlungen des bundesweiten Integrations­ programms (§ 45 Aufenthaltsge­ setz). Sie ist als Download erhält­ lich im Bereich Publikationen auf der Internetseite des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, www.bamf.de/Kooperationsstu­ die. Katrin Hirseland, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integrationsförderung Integrationslandschaft in Deutschland Koffer in der Hand und Hoffnung im Herzen 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei – Blick zurück und nach vorn Angekommen, angenommen: Vor 50 Jahren kamen die ersten so genannten Gastarbei­ ter aus der Türkei nach Deutschland. In diesen Tagen ist das Jubiläum vielerorts Anlass für Feierlichkeiten und Rückblicke. Foto: dpa/Picture Alliance, Beynelmilel Mit Koffern in der Hand und Hoffnungen im Herzen sind türkische Frauen und Männer vor fünfzig Jahren nach Deutschland gekom­ men. Gastarbeiter wurden sie genannt – rund 650.000 von ihnen sind seit der Unterzeichnung des Anwerbeabkommens mit der Tür­ kei 1961 bis zum Anwerbestopp 1973 nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Men­ schen“, stellte der Schweizer Schriftsteller Max Frisch einmal fest. „Heute sind wir froh und dankbar, dass diese Menschen geblieben sind und maßgeblich zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beigetragen haben und beitragen“ – sagt der Präsident des Bundes­ amtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Manfred Schmidt. Für den Blickpunkt Integration wirft er einen Blick zurück und nach vorn: 50 Jahre sind seit Unterzeich­ nung des Anwerbeabkommens vergangen – eine lange Zeit, in der sich vieles verändert hat – in Deutschland und der Türkei. 1961 wurde in Deutschland die Berli­ ner Mauer gebaut und die Türkei hatte gerade einen Militärputsch hinter sich. Heute sind Deutsch­ land und die Türkei erfolgreiche Nationen mit zahlreichen Ver­ flechtungen, seien sie wirtschaft­ licher, kultureller oder menschli­ cher Art. Zum „Wirtschaftswunder“ ha­ ben die heute rund 2,5 Millionen Menschen türkischer Herkunft in Deutschland einen erhebli­ chen und oft nur unzureichend gewürdigten Beitrag geleistet. Die Gastarbeiter der ersten Stun­ de kamen mit dem Ziel nach Deutschland, für ihre Familien und ein besseres Leben aufzu­ bauen. Das haben die meisten von ihnen geschafft, auch wenn viele anfänglich nicht gedacht hatten, dass dieses Leben in Deutschland stattfinden würde. Wie auch? Hier mussten die ers­ ten Gastarbeiter viele Strapazen und Entbehrungen auf sich neh­ men: schwere körperliche Arbeit in Berg- und Stahlbau oder an den Fließbändern der Autoindus­ trie. Die Familie war weit weg, viele Kinder wuchsen ohne ihre Eltern auf. Integrationskurse, Migrations­ beratungsstellen, Integrations­ projekte oder die Entwicklung einer Willkommenskultur – all das, was heute Integrationspro­ zesse unterstützen soll und was das Bundesamt heute zu seinen Kernaufgaben zählt, gab es nicht. Damit haben wir erst mit dem Zuwanderungsgesetz 2005 be­ gonnen, fast 44 Jahre nach dem Beginn der Arbeitsmigration aus der Türkei. Viele der ersten Gastarbeiter sind zu dieser Zeit bereits aus dem aktiven Arbeits­ 15 Integrationslandschaft in Deutschland leben ausgeschieden und teilwei­ se in die Türkei zurückgekehrt. Viele sind aber geblieben, da mittlerweile ihre Kinder und En­ kelkinder in Deutschland leben und sie sich hier eine neue oder zweite Heimat aufgebaut haben. Vieles hat die erste Generation erreicht, was jetzt von der zwei­ ten, dritten und vierten Generati­ on fortgeführt wird. So ist beispielsweise ein deutli­ cher Bildungsaufstieg der nach­ folgenden Generationen zu verzeichnen, es gibt über 80.000 türkischstämmige Unternehmer, erfolgreiche Politiker, inzwi­ schen auch Minister und Partei­ vorsitzende und eine Vielzahl an Kulturschaffenden. Unaufgeregt und pragmatisch sollten die Her­ ausforderungen der Integration gemeinsam gelöst werden. Kaum eine andere Gruppe von Zuwanderern ist wissenschaft­ lich in Deutschland so gut er­ forscht wie die der türkischen Migranten. Die Forschungsergeb­ nisse des Bundesamtes zeigen beispielsweise, dass Bildungsni­ veau und Erwerbsquote türki­ scher Migranten leider noch hin­ ter dem anderer Gruppen liegen. Sprachliche Schwierigkeiten, der Zugang zu Bildung und Arbeit, aber auch bewusste oder unbe­ wusste Benachteiligung zählen zu den wesentlichen Ursachen. Hier will das Bundesamt für Mi­ gration und Flüchtlinge unter dem Stichwort „nachholende Integration“, unter anderem mit türkisch geprägten Organisatio­ nen, in den kommenden Jahren weiterhin einen gemeinsamen 16 „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen“ – so stellte der Schriftsteller Max Frisch einmal fest. Rund die Hälfte aller zwischen 1961 und 1973 angeworbenen Ar­ beitskräfte aus der Türkei blieb in Deutschland. Foto: dpa/Picture Alliance, Hermann Schlosser Beitrag zur Verbesserung dieser Situation leisten. Vieles ist hierzu schon auf den Weg gebracht. An den Integra­ tionskursen des Bundesamtes haben seit 2005 mehr als 740.000 Menschen teilgenommen; davon rund 140.000 türkische Staatsan­ gehörige. Zahlreiche Projekte zur Integrationsförderung laufen erfolgreich mit vielen türkisch­ stämmigen Teilnehmern und türkischen Organisationen als Partnern, sei es im Bereich der Sprach- und Bildungsförderung, Zusammenarbeit mit Eltern oder der Gewinnung von Migranten für bestimmte Berufe. Deutsche Islam Konferenz Einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei die Integration der rund vier Millionen Muslime in Deutschland, von denen im­ merhin 63 Prozent türkischer Herkunft sind. Auch hier lassen sich zahlreiche Erfolge auf­ zählen. Diese Entwicklung wird auch durch die Einrichtung der Deutschen Islam Konferenz un­ terstützt, ein institutionalisier­ tes Dialogforum zwischen dem deutschen Staat und Muslimen. All dies zeigt, dass wir 50 Jahre nach Beginn der Arbeitsmigrati­ on trotz einiger Schwierigkeiten und Versäumnisse insgesamt auf einem guten Weg sind. Feh­ ler der Vergangenheit wurden erkannt und pragmatische Lö­ sungsansätze erarbeitet, die es jetzt kontinuierlich weiterzu­ verfolgen gilt. Ich hoffe, dass die vielen Feiern in diesem Jahr ihren Beitrag zu noch mehr Ver­ ständnis und auch Sensibilität im Umgang miteinander leisten werden. Dr. Manfred Schmidt, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Integrationslandschaft in Deutschland 50 Jahre türkische Migration nach Nürnberg Ausstellung von Bundesamt und Stadtarchiv Nürnberg geht auf Zeitreise in die Vergangenheit „Dageblieben! Zuwanderung nach Nürnberg gestern und heute“: so lautet der Titel ei­ ner aktuellen Ausstellung des Stadtarchivs Nürnberg unter Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Sie wird zunächst bis Januar 2012 im Stadtarchiv Nürnberg, anschließend im Bundesamt in Nürnberg gezeigt. Anlass ist das 50-jährige Bestehen des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei. Mit dem Abkommen aus dem Jahr 1961 begann auch die tür­ kische Arbeitswanderung nach Nürn­ berg und die durch den Anwer­ bestopp 1973 ausgelöste Famili­ enmigration in den 1980er und 1990er Jahren. Die Ausstellung soll diese Migration in ihrer gesellschaftlichen, wirtschaft­ lichen und sozialen Bedeutung für die Kommune darstellen. Zu dieser Ausstellung steht ein Ausstellungskatalog zur Verfü­ gung – ein Artikel beschäftigt sich mit dem Einfluss der Migra­ tion und Integration von Türkin­ nen und Türken sowie türkisch­ stämmigen Deutschen auf die wirtschaftliche, soziale und ge­ sellschaftliche Entwicklung und den Strukturwandel in der Stadt Nürnberg. Dieser Beitrag unterstreicht: Fünfzig Jahre türkische Zuwan­ Blick auf türkische Zuwanderer in Nürnberg: Eine Ausstellung in Stadtarchiv und Bundes­ amt zeigt in einer Zeitreise auch alte Fotos wie dieses eines türkischer Gemüsehändlers in Lichtenhof. Foto: Horst Schäfer 1996, Stadtarchiv Nürnberg derung ist eine Erfolgsgeschichte für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland und in der Tür­ kei insgesamt. Dieses Ergebnis bedeutet auf Nürnberg und dar­ über hinaus auf die Europäische Metropolregion bezogen mehr Wertschöpfung für die lokale Wirtschaft und mehr Offenheit der Stadtgesellschaft. Davon pro­ fitierten die Arbeitsmigranten mit ihren Familien, wie auch alle Ansässigen, so dass man mit Fug und Recht insgesamt von einer Situation sprechen kann, in der alle Beteiligten gewannen. Spürbare Defizite und weitere Anpassungslasten, vor allem im städtischen Bildungs- und be­ ruflichen Ausbildungsbereich, bleiben trotz längerfristiger Fortschritte bei der strukturel­ len Integration noch zu bewäl­ tigen. Hier liegen viele unaus­ geschöpfte Potenziale, die mit ressourcenorientierten Ansätzen schon kurzfristig zum Abbau des zunehmenden konjunkturbe­ dingten Fachkräftemangels und längerfristig auch zur Abfede­ rung der demografischen Her­ ausforderungen einer alternden Stadtbevölkerung sowie zur Ver­ meidung von sonst drohenden sozialen und gesellschaftlichen Kosten der Nicht-Integration ge­ hoben werden sollten. Dr. Hans-Dietrich von Loeffelholz, Forschungsfeld III, Wirtschaftswis­ senschaftliche Zusammenhänge 17 Integrationslandschaft in Deutschland Kreativität schafft Selbstvertrauen Vorbildliches Projekt: Interkulturelles Freizeitangebot für Mädchen in Berlin Sie sind Spitze: Aus der großen Zahl bundesge­ förderter Projekte zur sozialen und gesellschaft­ lichen Integration von Zuwanderern hat das Bundesamt 29 Maßnahmen ausgewählt, die be­ sonders erfolgreich arbeiten, und sie in seinem „Projektjahrbuch“ speziell gekennzeichnet . In einer neuen Serie stellt der Blickpunkt Integration nun einige dieser vorbildlichen Ideen vor. Den Auftakt macht das Projekt „Al Banat“ (ara­ bisch „die Mädchen“) des Evangelischen Jugendund Fürsorgewerks, das Mädchen und junge Frauen mit arabischen Wurzeln im Berliner Be­ zirk Nord-Neukölln durch kreative und weiterbil­ dende Freizeitangebote fördert und unterstützt. Arabischstämmige Mädchen und junge Frauen haben oftmals Vor­ behalte gegenüber deutschen Institutionen, weiß Projektleite­ rin Warkaa Al-Radhi. Das Projekt Al Banat versucht daher, ihnen einen Raum zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen und ihre Wün­ sche frei äußern können. Das Deutsch-Arabische Zentrum für Bildung und Integration (DAZ) in Neukölln, wo das dreijährige Pro­ jekt seit Herbst 2009 angesiedelt ist, bietet dafür ein vertrautes Umfeld. Ziel ist, das Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit der Mädchen zu stärken und eine Veränderung der Haltung der Familien gegenüber den Lebensentwürfen ihrer Töchter zu errei­ chen. Darüber hinaus setzt sich 18 Erfolgreiches Konzept: Durch künstlerische Aktivitäten entwickeln die Mädchen im Projekt „Al Banat“ Selbstvertrauen. Fotos: Warkaa Al-Radhi Al Banat für die Gleichberechti­ gung der Mädchen und jungen Frauen in allen gesellschaftli­ chen Bereichen ein. Das Projekt umfasst zwei Mäd­ chengruppen und eine Frauen­ gruppe, die von arabischspre­ chenden Sozialarbeiterinnen ge­ leitet und von rund 40 Mädchen und Frauen regelmäßig besucht werden. Die Mädchengruppen bieten Aktivitäten, die ganz nach den Wünschen der Mädchen gestaltet werden. Sie erkunden gemeinsam Berlin, gehen tan­ zen, schwimmen, kochen oder lernen, mit dem Computer um­ zugehen. In der Frauengruppe werden Vorträge zu Themen wie Ge­ sundheits- oder Schulsystem in Deutschland, frühkindliche Ent­ wicklung und Erziehung sowie Beratung und lebenspraktische Hilfen wie ein Nähkurs angebo­ ten. Im Projekt wird auch großer Wert auf eine künstlerische Frei­ zeitgestaltung gelegt. So fand ein Kreativ-Workshop mit dem an­ gesehenen Neuköllner Künstler Ercan Arslan statt. Die Mädchen haben erstmals ge­ lernt, ihre Kreativität zu nutzen und Kunst als expressive Aus­ drucksweise zu sehen. Bei der ersten Sitzung, in der ein Selbst­ bildnis erstellt wurde, war die jüngste Teilnehmerin Scheima (7) anfangs nicht von ihrem Kön­ nen überzeugt. „Das sieht doch blöd aus“, sagte sie deprimiert. Als die Mädchen jedoch ermutigt wurden, aus den Farbresten und Integrationslandschaft in Deutschland den misslungenen Bildern neue, kreative und abstrakte Kunstwer­ ke zu schaffen, änderte sich die kritische Haltung. Sie fingen an, aus den zum Teil wirren Bildern ganze Geschichten zu erzählen und Landschaften zu entdecken. Die anfängliche Skepsis und das geringe Selbstvertrauen in ihre Fähigkeit, ein Kunstwerk selbst zu erstellen, konnten bereits nach den ersten Sitzungen abge­ legt werden. Warkaa Al-Radhi, Deutsch-Arabisches Zentrum Berlin „Kneten für die Integration“: Ein vorbildliches Projekt für Mädchen mit Migrationshinter­ grund in Berlin stellt das Bundesamt im Projektjahrbuch näher vor. Frische Ideen für den Zusammenhalt Bundesamt fördert auch im Jahr 2012 innovative Projekte Den interreligiösen Dialog vo­ ran bringen und Migrantenor­ ganisationen stärken: Das sind zwei Ziele in der Projektförde­ rung des Bundesamtes für Mig­ ration und Flüchtlinge im kom­ menden Jahr. Frische Projektideen für den Förderzeitraum sind bereits eingegangen und werden der­ zeit begutachtet – rund 50 neue Jugend- bzw. altersunabhängi­ ge Projekte zur gesellschaftli­ chen und sozialen Integration von Menschen mit Migrations­ hintergrund sollen im Jahr 2012 unterstützt werden. Insgesamt werden bundesweit rund 400 In­ tegrationsprojekte gefördert. Im Mittelpunkt steht das soziale Miteinander vor Ort. Dabei wird zwischen „Jugendprojekten“ und „altersunabhängigen Projekten“ unterschieden. Die Schwerpunk­ te der kommenden Förderperi­ ode für den Jugendbereich sind die Stärkung des Selbstbewusst­ seins und der Selbstentwicklung junger Menschen mit Migrati­ onshintergrund. Die altersun­ abhängigen Projekte sollen vor allem auf die Etablierung einer Willkommenskultur und die Unterstützung interkultureller Öffnungsprozesse abzielen. Mit diesen Schwerpunkten wird die Einbeziehung der Aufnahme­ gesellschaft in den Integrati­ onsprozess betont. Nähere Informationen zur Pro­ jektförderung des Bundesam­ tes gibt es unter www.bamf.de/ Projektfoerderung. Monika Seiler, Referat Förderung von Integrationsprojekten 19 Blick über die Grenzen Weniger Emotion, mehr Information Der Österreichische Integrationsfonds setzt bei der interkulturellen Öffnung der Aufnahmegesellschaft auf sachliche Aufklärung Migranten auch die österreichi­ sche Aufnahmegesellschaft als Zielgruppe zu verstehen. Ange­ sichts der oft polemisch geführ­ ten Integrationsdebatte ist es dabei unser Ziel, den Diskurs mit nüchterner Information zu ver­ sachlichen. Autorin: Mag. Ursula Schallaböck Österreichischer Integrationsfonds Fotos: ÖIF Die Österreicher stehen der In­ tegration in ihrem Land skep­ tisch gegenüber. Dass diese eher schlecht oder sogar sehr schlecht funktioniere, denken laut einer Umfrage des Marktforschungsin­ stituts GfK Austria 54 Prozent der Bevölkerung. Gefragt nach den wichtigsten Voraussetzungen für gelungene Integration, nennen die Teilnehmer „mehr konkrete Hilfe beim Deutsch-Lernen und Sich-Zurechtfinden“ (90 Prozent), gefolgt von „mehr Offenheit und Verständnis“ bei der Mehrheits­ bevölkerung (80 Prozent). Für den Österreichischen Inte­ grationsfonds (ÖIF) ergibt sich daraus die Aufgabe, neben sei­ nen zahlreichen Angeboten für die sprachliche, berufliche und gesellschaftliche Integration von 20 Ein Beispiel: Das Thema „Asyl“ ist in Österreichs Medien sehr prä­ sent: Flüchtlinge sind pauschal Täter oder Opfer, Asyl erscheint vielen als Integrationsherausfor­ derung Nummer Eins. Die tat­ sächlichen Zahlen sprechen eine andere Sprache: Von den insge­ samt 1,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund – mit 18,6 Prozent knapp ein Fünftel der Bevölkerung – sind nur weni­ ge Zehntausend oder unter 1 Pro­ zent im Rahmen eines Asylverfah­ rens nach Öster­ reich gekommen. Für gelungene Integration wäre es wichtiger, etwa über die Proble­ me der zweiten Generation ex­ jugoslawischer oder türkischer Gastarbeiter zu diskutieren. Um die Debatte auf eine sachliche Grundlage zu stellen, veröffent­ licht der ÖIF relevante Zahlen und Integrationsindikatoren in einem Statistischen Jahrbuch. Enthalten sind über 100 Statis­ tiken zu den Themen Bevölke­ rung, Wanderung, Sprache und Bildung, Beruf, Soziales und Ge­ sundheit, Sicherheit, Wohnen, Identifikation, subjektive Einstel­ lungen sowie Bundesländersta­ tistiken. Um das Jahrbuch als Ba­ sis einer sachlichen Integrations­ debatte zu verbreiten, schicken wir es nicht nur allen Interessier­ ten kostenlos zu, sondern bewer­ ben es offensiv unter Medien und Multiplikatoren. 2011 erschien erstmals ein Ableger des Jahr­ buchs mit Statistiken nur zu Frau­ en mit Migrationshintergrund. Mit gut aufbereiteten Informationen – auch in Broschüren, Dos­ siers und Zeitungsartikeln – will der Österreichische Integrati­ onsfonds zu einer sachlicheren Integrationsdebatte beitragen. Blick über die Grenzen An besonders Interessierte, etwa Studenten oder Journalisten, richten sich die ÖIF-Dossiers und Länderinfos. In diesen wissenschaftlichen OnlinePublikationen widmen wir uns unterschiedlichen Aspekten des Integrationsthemas, zuletzt etwa der Lebenssituation alt gewor­ dener Gastarbeiter. Speziell an Unternehmen richtet sich eine aktuelle Broschüre für den sen­ siblen Umgang mit Mitarbeitern muslimischen Glaubens.Direkt an den sprichwörtlichen „Mann von der Straße“ richtet sich wie­ derum „Integration im Fokus“. Die Zeitungsbeilage erscheint vierteljährlich im „Kurier“, einer großen Tageszeitung. Mit einer Auflage von 200.000 Stück infor­ mieren wir eine breite Öffentlich­ keit sachlich über Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. So haben wir zuletzt den Dauerbrenner „Integration im Klassenzimmer“ aufgegrif­ fen und anhand neuer Zahlen Klischees wie „Migranten sind gewalttätiger“ oder „Migranten haben weniger Ehrgeiz“ hinter­ fragt. Mag. Ursula Schallaböck, Pressesprecherin des Öster­ reichischen Integrationsfonds, dem zentralen Integrationsdienst­ leister der österreichischen Bundesregierung Einwanderung als Problem und Chance Studie gibt Aufschluss über Einstellungen in der Bevölkerung Einwanderung wird in Europa und Nordamerika mehrheitlich als Problem wahrgenommen. Das ist ein Ergebnis der inter­ nationalen Vergleichsstudie „Transatlantic Trends: Immig­ ration 2010“. Die repräsentative Studie der amerikanischen Stif­ tung „German Marshall Funds“ beleuchtet die Einstellungen der einheimischen Bevölkerung zu Zuwanderung und Integration in den folgenden Ländern: USA, Kanada, England, Frankreich, Ita­ lien, Deutschland, Niederlande und Spanien. So betrachten beispielsweise 65 Prozent der einheimischen Be­ völkerung in England und 52 Prozent der Befragten in den USA Einwanderung als Problem. In Deutschland stimmen dieser Aussage 44 Prozent der Befrag­ ten zu. Deutschland liegt mit diesem Wert im euro­ päischen Mittel (48,8 Pro­ zent). In den USA und Europa überschätzte die Mehrheit der Befragten auch die Zahl der Einwanderer im eigenen Land. Amerikaner glauben, dass knapp 40 Prozent ihrer Mitbürger aus dem Ausland stam­ men. Die tatsächliche Zahl be­ trägt nur 14 Prozent. Deutsche glauben, dass 24 Prozent ihrer Mitbürger im Ausland geboren sind – tatsächlich liegt der Anteil bei 13 Prozent. Mehr als die Hälfte der Befragten in Europa bewerten die Integra­ tion von Einwanderern als nicht gelungen. Im Gegensatz dazu war die Mehrheit der Befragten in Kanada (65 Prozent) und den USA (rund 60 Prozent) der An­ sicht, dass Einwanderer sich gut in die Gesellschaft integrieren. Befragt wurden in jedem Land rund 1000 Männer und Frauen durch computergestützte Tele­ foninterviews. Dr. Ebru Tepecik, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integration 21 Veranstaltungen Mittendrin und doch aneinander vorbei? Thematischer Volltreffer: „Nürnberger Tage für Integration“ „Spannende Integrationsdebatte in Nürnberg“: so lautete nicht nur die Schlagzeile einer Zeitung, ein solches Fazit haben auch viele der rund 200 Teilnehmer der zweiten „Nürnberger Tage für Integration“ gezogen. „Mittendrin und doch aneinander vorbei?“ – unter diesem prägnanten Titel griff das Bundes­ amt für Migration und Flüchtlinge vor einigen Wochen das breit diskutierte Thema des gesellschaftli­ chen Zusammenhalts auf. Mit der Auswahl des Themas und gleichermaßen unterhaltsamen wie kom­ petenten Rednern und Diskutanten stieß die Veranstaltung auf großes Interesse. Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Migrantenorganisationen und Integrationspraxis im In- und Ausland beleuchteten dabei vor allem Aspekte einer interkulturellen Öffnung der Aufnahme­ gesellschaft und der Willkommens- und Anerkennungskultur. Die Ergebnisse von insgesamt fünf Workshops spiegeln die Bandbreite der Themen wider: Workshop 1: „Willkommenskultur“ Das Thema bot reichlich Spiel­ raum für interessante Diskus­ sionen – am Ende schließlich waren sich die Teilnehmer des Workshops einig: Eine Willkom­ menskultur kennzeichnet eine Gesellschaft, die „gewollt“ at­ traktive Rahmenbedingungen für Zuwanderer bietet. Mit dem Begriff „Willkommenskultur“ wird das integrationspolitische Ziel formuliert, Deutschland als attraktiven „Lebensstandort“ für Menschen mit Migrationshinter­ grund zu profilieren. Das Thema steht auch weiterhin auf der Agenda des Bundesamtes und wird Gegenstand eines Ex­ pertenforums im Rahmen eines „Runden Tisches“ sein, den das Bundesamt bis Ende des Jahres einberufen wird. bereits heute einen relevanten Beitrag zur interkulturellen Öff­ nung leistet. Die Themen Mig­ ration / Integration sind bereits Bestandteil von Trägerprogram­ men. Allerdings wurden auch ei­ nige Bedarfe festgestellt: Es fehle beispielsweise an einer Gesamt­ schau der bisherigen Praxis hin­ sichtlich Angeboten, erreichten Zielgruppen und Maßnahmeer­ folg beziehungsweise Nachhal­ tigkeit. Darüber hinaus mangelt es nach Ansicht der WorkshopTeilnehmer im Bereich der po­ litischen Erwachsenenbildung an einer Gesamtstrategie, einem systematischen Ansatz, der auch innovative Formate und Formate der Begegnung einschließt. Es wurde daher als notwendig erachtet, eine Strategie zu entwi­ ckeln, wie politische Bildung ins­ gesamt gesellschaftlich breiter verankert werden kann. Migran­ Workshop 2: tenorganisationen sollten dabei „Potenziale politischer Bildung“ stärker als bisher in die politische In der Diskussion stellte sich he­ Bildungsarbeit einbezogen wer­ raus, dass die politische Bildung den. 22 Prominenter Gast bei den „Nürnberger Tagen für Integration“ – die deutsch­ vietnamesische Schauspielerin Minh-Khai Phan-Thi: „‘Du bist Deutschland‘ ist ein Lebensgefühl, das manchmal schwer ist zu leben.“ Workshop 3: „Umgang mit religiöser Vielfalt“ Nach Vorträgen zum religiösen Pluralismus in Deutschland und zum Umgang mit dem „Kultur­ begriff“ in der öffentlichen De­ batte erarbeiteten die Teilneh­ mer einen konkreten Vorschlag: Strategien aus der AntirassismusArbeit sollen zu einer gleichbe­ Veranstaltungen rechtigten Wahrnehmung des Islams in der Öffentlichkeit bei­ tragen. Denn „Islamophobie“ oder „Muslimfeindlichkeit“ stellt nach Meinung einiger Teilneh­ mer durch die Zuschreibung einer kollektiven, nicht ablegba­ ren Identität, auch eine gewisse Form des Rassismus dar. Der Staat könne hier Signale setzen sowie eine offene Debattenkultur anre­ gen, in der auch Problempunkte thematisiert werden. Als mögliche Handlungsfelder zum Abbau von Vorbehalten gegenüber religiösen Minder­ heiten, insbesondere Muslimen, kristallisierten sich folgende Punkte heraus: persönliche Be­ gegnungsmöglichkeiten von Menschen unterschiedlicher re­ ligiöser Zugehörigkeit schaffen – und zwar vor Ort, auf Augenhö­ he und dauerhaft sowie Multipli­ katoren zur Wissensvermittlung fortbilden. Workshop 4: „Chancen und Nutzen von Vielfalt in Wirtschaft und Verwaltung“ Zuwanderer sorgen für neue Ide­ en und vermitteln Wissen und Kenntnisse über Bedarfe in an­ deren Ländern: Dieses Fazit zog der Workshop 4. Eine mangelnde Vielfalt am Arbeitsmarkt aber be­ deute oft den Verlust von Ideen, Erneuerung und Dynamik. Damit werde Vielfalt zu einer „Standort­ frage“ für Deutschland, der sich noch nicht alle Unternehmen ge­ stellt hätten. Dies verringere den Entwicklungsvorsprung der Bun­ desrepublik Deutschland, waren sich die Teilnehmer der Runde einig. Wür­ den Poten­ ziale der Zuwande­ rer nicht in angemesse­ nem Maße anerkannt, so könnte dies dazu führen, dass Arbeits­ Angeregte Diskussionen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusam­ suchende menhalts: Die Workshops der „Nürnberger Tage“ gaben neue Impulse. beispiels­ weise im Herkunftsland ihrer Eltern ihre ehrenamtliches Engagement von in Deutschland erworbenen Qua­ Bürgern war ein Kernthema des lifikationen gewinnbringender Workshops. Ebenfalls diskutiert einsetzen können. In das dem­ wurden die Möglichkeiten der nächst in Kraft tretende Aner­ politischen Partizipation, des kennungsgesetz für im Ausland Engagements unterhalb der Ebe­ erworbene Berufsabschlüsse ne des kommunalen Wahlrechts würden daher hohe Erwartun­ durch Beteiligungsformen wie gen gesetzt, hieß es. einer Bürgerplattform sowie die Rolle der Lokalpolitik. Einige He­ Gleichzeitig wurde deutlich: Die rausforderungen, mit denen sol­ interkulturelle Öffnung von Un­ che Projekte vor Ort konfrontiert ternehmen und der Verwaltung sind, stellten die Teilnehmer als ist eine grundlegende Voraus­ typisch für Projekte im Bereich setzung für die Erschließung von Engagementförderung fest: Ressourcen. Ebenso wichtig ist sie auch für einen besseren Um­ „ eine geringe finanzielle Aus­ gang mit „Diversity“ am Arbeits­ stattung und ein Mangel an platz, so dass sich Mitarbeiter un­ verfügbaren Ressourcen, terschiedlicher Hintergründe an „ fehlendes ehren- oder haupt­ ihrem Arbeitsplatz wohl fühlen. amtliches Engagement, Interkulturelle Öffnung sollte „ zum Teil geringe politische nach Ansicht der Workshop-Teil­ Unterstützung und nehmer als Chefsache behandelt „ bürokratische Hindernisse, werden. zum Beispiel verschiedene Zu­ ständigkeiten innerhalb einer Workshop 5: Behördenstruktur. „Stärkung des gesellschaftli­ chen Zusammenhalts vor Ort“ Claudia Möbus, Die Verbesserung von Lebens­ Referat Öffentlichkeitsarbeit qualität im direkten Lebensum­ Integration feld durch gemeinsames, 23 Veranstaltungen Impressionen von den „Nürnberger Tagen für Integration“ Integration vermitteln: Politologin Dr. Naika Foroutan im Gespräch mit einer Tagungs­ teilnehmerin (Bild links), Mode­ ratorin Claudia Möbus (Bild unten). Wissenswertes: „Markt der Möglichkeiten“ mit Informationsständen 24 Gespräche und Teamarbeit: Abteilungsleiterin Integration, Regina Jordan, und Mitarbeiter im Gespräch mit Prof. Heitmeyer (Bild oben). Teamarbeit als Grundla­ ge für eine gelungene Organisation der „Nürnberger Tage“ – die Mitarbeiter nach erfolgreichem Abschluss der Tagung (Bild unten). Veranstaltungen Austausch: Der Präsident des Bundesamtes, Dr. Manfred Schmidt, und Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly (Bild links). Musiker als Spiegelbild kultureller Vielfalt: Abendprogramm mit der Band „Town Under“ Vortrag: Prof. Wilhelm Heitmeyer, Universität Bielfeldt, referierte zum Thema „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ Polit-Prominenz: Staatssekretär im Bundesinnen­ ministerium, Klaus-Dieter Fritsche Kamera läuft: Der Präsident des Bundesamtes, Dr. Manfred Schmidt, im Fernsehinterview. Diskussion: Pitt von Bebenburg (Frankfurter Rundschau) in der Diskus­ sionsrunde mit Cigdem Akkaya, Gründerin des RückkehrerStammtisches in Istanbul Fotos: Michael Schmider, Kurt Völkel, Robert Ullinger 25 Veranstaltungen Blick hinter die Kulissen 13. „Tag der offenen Tür“ der Bundesregierung – Mitarbeiter des Bundesamtes mit Infostand vor Ort Ein kompetentes Team gab beim „Tag der offenen Tür“ der Bundesregierung in Berlin Einblicke in die Arbeit des Bundesamtes. Von links: Antje Krüger, Viola Ketzel (Außenstelle Berlin), Präsident Dr. Manfred Schmidt, Jennifer Baumbach, Gabriele Höllriegl (beide Referat Öffentlichkeitsarbeit Integration). Foto: Robert Gölz Einmal im Jahr lässt das Bundes­ ministerium des Inneren, ge­ meinsam mit seinen nachgeord­ neten Behörden, in Alt-Moabit Interessierte hinter die Kulissen blicken: Am „Tag der offenen Tür“ im August konnten Besu­ cher an Gebäudeführungen teil­ nehmen, Bootsfahrten mit dem Technischen Hilfswerk auf der Spree gewinnen oder sich durch ein bunt gemischtes Programm mit Tanz, Musik und Kabarett unterhalten lassen. 26 Schon traditionsgemäß nahm auch das Bundesamt für Migrati­ on und Flüchtlinge – als eine der Behörden im Geschäftsbereich des Ministeriums – die Gelegen­ heit wahr, sich zu präsentieren. Gedankenaustausch und Quiz Mitarbeiter aus der Abteilung Integration sowie der Präsident des Amtes persönlich informier­ ten Besucherinnen und Besucher über die Spannbreite des Auf­ gabengebietes und ließen sich auf einen Gedankenaustausch zu Fragen rund um Themen der Migration und Integration von Zuwanderern ein. Besonders gro­ ßen Anklang fand das Integra­ tionsquiz, bei dem es für richtig ausgefüllte Bögen Preise zu ge­ winnen gab. Gabriele Höllriegl / Jennifer Baumbach, Referat Öffentlichkeitsarbeit Integration Literaturhinweis Spagat zwischen Nikolaus, Osterhase und Opferfest 50-mal „Happy End“: Geschichten erfolgreicher Integration Die Integration von Türken in die deutsche Gesellschaft ist gelungen: Das möchten der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, und Stuttgarts Oberbürgermeister Wolf­ gang Schuster als Herausgeber des Sammelbands „Mitten in Deutschland. Deutsch-Türkische Erfolgsgeschichten“ zeigen. Sie lassen 50 türkischstämmige Menschen zu Wort kommen, die über ihre Erlebnisse in der deutschen Gesell­ schaft berichten. Die Lebensgeschichten vieler Autoren im Buch ähneln ein­ ander: Meist kamen sie als Kinder von türkischen Gastarbei­ tern ins Land oder wurden hier geboren. Einige mussten sich gegen Widerstände in einer fremden Kultur und Sprache durchsetzen. Weil sie bald besser deutsch sprachen als ihre berufstätigen Eltern, halfen sie ihnen beim Schriftverkehr mit Ämtern oder Banken. Einige mussten Integrationshemmnisse über­ winden und sind schließlich Autoren und Künstler, Politiker und Unternehmer geworden. Trotzdem stellt sich auch für manche der deutsch-türkischen Autoren selbst die Frage nach ihrer Identität und ihrer Ak­ zeptanz in der Aufnahmegesellschaft. Autorin und Pädago­ gin Betül Durmaz und ihr deutscher Mann beispielsweise schaffen den Spagat zwischen Orient und Okzident, zwi­ schen Christentum und Islam: Sie feiern Zuckerfest, Niko­ laus, Opferfest, Ostern und Weihnachten – zur Freude ihres Sohnes, der sich somit über zahlreiche Geschenke freuen darf. Timo Weith, Freier Autor 27 Literaturhinweis So vielfältig sind Projekte zur Integration Projektjahrbuch gibt Überblick über bundesweites Engagement Sie lotsen Zuwanderer durch den Alltag, fördern die Erziehungskompetenz von Eltern mit Migra­ tionshintergrund oder verbessern die interkultu­ relle Kompetenz: Zahlreiche Integrationsprojekte engagieren sich für ein gutes Zusammenleben von Einheimischen und Migranten. Eine Übersicht über die Vielfalt der vom Bundes­ amt für Migration und Flüchtlinge geförderten Projektarbeit in Deutschland gibt das Projekt­ jahrbuch 2010. Aus den rund 400 Projekten zur sozialen und gesellschaftlichen Integration von Zuwanderern hat das Bundesamt 29 Maßnahmen ausgewählt, die sich als besonders erfolgreich er­ wiesen haben und im Jahrbuch als „Best Practice“ gekennzeichnet sind. Damit will das Bundesamt zur Verbreitung heraus­ ragender Ansätze beitragen und Orientierungshil­ fe für die Entwicklung neuer Projektideen geben. Das Projektjahrbuch des Bundesamtes ist als Download verfügbar oder kann bestellt werden unter: www.bamf.de Vorgestellt werden auch spezielle Maßnahmen, denen das Bundesamt bei der Integrationsförde­ rung einen hohen Stellenwert beimisst. Dazu gehö­ ren Modellprojekte im Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms, integrationskursergän­ zende Maßnahmen, Projekte zur Integration von Zuwanderern mit jüdischem oder muslimischem Hintergrund sowie Projekte, die aus Mitteln des Eu­ ropäischen Integrationsfonds gefördert werden. Andrea Mack-Philipp, Referat Grundsatzangelegenheiten der Integrationsförderung 28 Literaturhinweis Mehr Migranten in die Hörsäle Universitäten engagieren sich für Integration – Workshop zur Vernetzung Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind an deutschen Hochschulen unterrepräsentiert und schließen ihr Studium seltener erfolgreich ab als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Diese Beobachtungen geben Anlass zur Auseinanderset­ zung mit der Frage: Welche spezifischen Ansätze existieren an Hochschulen, um die Bildungserfol­ ge dieser Gruppe zu fördern? Das Bundesamt veranstaltete daher den Workshop „Integration von Studierenden mit Migrationshin­ tergrund an Hochschulen – Bestandsaufnahme und Vernetzung“ in Kooperation mit der Stiftung Universität Hildesheim. Er beinhaltete eine IstAnalyse der Situation von Studierenden mit Mig­ rationshintergrund sowie der Initiativen zur indi­ viduellen Steigerung ihrer Bildungschancen auf Hochschulebene. Der Workshop bot ein Forum für interessierte Hochschulen, Stiftungen und andere, engagierte Akteure. Die Teilnehmenden stellten verschiede­ ne Ansätze vor, diskutierten zukünftig wichtige Themen im Bereich der Hochschulintegration und bekamen die Gelegenheit, sich untereinander zu vernetzen. Die vorliegende Dokumentation umfasst die Inhal­ te der Fachvorträge und Projektpräsentationen. Sie ist unter www.bamf.de als Download erhältlich oder kann über integrationsprogramm@bamf. bund.de als Printversion bestellt werden. Nadya Srur, Referat Bundesweites Integrationsprogramm, Integration durch Bildung und Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse 29 Literaturhinweis Was tun? Handbuch Migrationsarbeit gibt Empfehlungen zur gesellschaftlichen Teilhabe Zugewanderter dargestellt. Zum einen wird die Migrantenbevöl­ kerung anhand soziodemografischer Merkmale beschrieben, zum anderen wird die soziale und politische Teilhabe näher erläutert. Ein weiterer Artikel befasst sich mit gesellschaftlicher Teilhabe als Indikator für Integration. Es folgen zwei weitere Aufsätze zur interkulturellen Arbeit und zu Migran­ tenorganisationen als Motoren der Integrationsar­ beit. Obwohl viele Zugewanderte schon lange in Deutschland leben, ist die gesellschaftliche Teilha­ be und Chancengleichheit für Migrantinnen und Migranten nicht immer gegeben. Damit stellen sich stets aufs Neue folgende Fragen: Wie können Benachteiligungen abgebaut werden? Und welche Maßnahmen müssen in den einzelnen Lebensbe­ reichen ergriffen oder verändert werden, um eine Integration durch gesellschaftliche Partizipation zu erreichen? Diesen Fragen geht ein kürzlich von der Erzie­ hungswissenschaftlerin Britta Marschke und dem Politologen Heinz Ulrich Brinkmann herausgege­ benes „Handbuch Migrationsarbeit“ in mehr als 30 Artikeln und Praxisberichten nach. In einem ersten theoretisch-statistischen Teil wer­ den Fakten zur Situation von Zugewanderten 30 Im zweiten Teil wird auf die Aktivierung von Zuge­ wanderten in verschiedenen sozialen Bereichen eingegangen. Der größte Block befasst sich mit dem Thema Bildung. Behandelt werden die frühkind­ liche, schulische und berufliche Bildung sowie die Elternbildung. Es folgen die Bereiche Freizeit, Islam und ethische Erziehung, Altenarbeit sowie politi­ sche Bildung. In ihrem Fazit stellen die Herausge­ ber die Handlungsansätze einer gelungen Integra­ tion heraus, wobei der Integration durch politische Bildung besondere Bedeutung zukommt. Ein alle Artikel umfassendes Literaturverzeichnis, eine Auf­ listung der Autorinnen und Autoren sowie ein Per­ sonen- und Sachregister runden den Band ab. Das Handbuch zeigt Gründe für Benachteiligungen auf und gibt Empfehlungen für die praktische Um­ setzung von Konzepten, deckt ein weites Feld der sozialen Praxis ab und befasst sich mit Kindern und Älteren gleichermaßen. Es verknüpft theoretische Handlungsansätze mit Praxisbeispielen sowie Ide­ en zur Nachahmung. Der Band wendet sich damit an Personen, die wissenschaftlich, administrativ und praktisch in der Integrationsarbeit tätig sind. Insofern kann das Handbuch einem weiten Leser­ kreis empfohlen werden. Dr. habil. Peter Schimany, Internationale Forschungskontaktstelle Literaturhinweis Premiere für umfassendes Zahlenwerk Broschüre „Das Bundesamt in Zahlen 2010“ erschienen Erstmalig bietet eine neue Broschüre des Bundes­ amtes für Migration und Flüchtlinge einen umfas­ senden Überblick über relevante Daten im Bereich Migration und Integration. Wie viele Asylbewerber kommen nach Deutschland? Wie viele Menschen wandern aus? Wie viele Migranten besuchen Integ­ rationskurse? Antworten auf diese und weitere Fra­ gen gibt die 128-seitige Publikation „Das Bundes­ amt in Zahlen 2010 – Asyl, Migration, ausländische Bevölkerung und Integration“. In dem Bericht werden die bisherigen Publikatio­ nen „Asyl in Zahlen“, „Ausländerzahlen“ sowie die so genannte Integrationskursbilanz, in der Infor­ mationen zur Teilnahme und zum Erfolg der Be­ sucher von Integrationskursen vermittelt wurden, miteinander verschmolzen. Neu hinzugekommen ist ein Kapitel zur Zu- und Abwanderung, in dem auf entsprechende Auswer­ tungen des Ausländerzentralregisters (AZR), ins­ besondere zu den Zwecken des Aufenthalts, Bezug genommen wird. Das Werk soll – in Ergänzung zum jährlich erscheinenden Migrationsbericht der Bun­ desregierung – eine Grundlage für eine sachliche Diskussion um das Migrations- und Integrationsge­ schehen in Deutschland bilden. Der Bericht ist unter www.bamf.de abruf- und be­ stellbar. In diesem Kontext sei auf die jeweils aktu­ ellen Statistiken hingewiesen: www.bamf.de/DE/ Infothek/Statistiken/statistiken-node.html. Dr. Harald Lederer, Migrationsforschung 31 Kurz notiert Zukunft zählt - nicht Herkunft Mehr Lehrer und Journalisten mit Migrationshin­ tergrund, Kita-Pflicht ab drei Jahren und Steuer­ vorteile für Unternehmen mit gutem Diversity Ma­ nagement: Das sind einige der Ideen, die 125 junge Leute nach mehrmonatiger Diskussion zum The­ ma „Miteinander in Vielfalt in Deutschland“ Mitte September vorgestellt haben. Das Projekt „Junges Forum - Generation Zukunft“ wurde vom Bundes­ innenministerium und der Bertelsmann- Stiftung unterstützt. Das Motto: „Zukunft zählt - nicht Her­ kunft“. In einer zweitägigen Schlussrunde in Berlin hatten sich die Teilnehmer – davon etwa zwei Drittel mit Migrationshintergrund – auf zehn besonders dring­ liche Vorschläge geeinigt. Sie wurden dem Parla­ mentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Ole Schröder, übergeben: „Integrati­ on ist das Zukunftsthema. Ich finde es toll, dass eine so große und heterogene Gruppe am Ende ein ge­ meinsames Ergebnis erzielt hat.“ Komödie „ALMANYA“ auf DVD Die Komödie „ALMANYA – Willkommen in Deutsch­ land“ hat sich in diesem Jahr in die Herzen vieler Zuschauer gespielt und wurde mit dem deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Am 13. Oktober kommt die DVD / Blu-ray des Films in den Handel. Der Film der beiden deutsch-türki­ schen Regisseurinnen Yasemin und Nasrin Sam­ dereli erzählt mit Humor und Einfühlungsvermö­ gen die Geschichte von Hüseyin Yilmaz und seiner Familie, die ihre Heimat Türkei verlassen, um als Gastarbeiter das deutsche Wirtschaftswunder zu unterstützen. 32 Impressum Blickpunkt Integration 02/2011 Herausgeber: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Referat 313, Öffentlichkeitsarbeit Integration 90343 Nürnberg Tel: 0911 - 943 - 5313 Fax: 0911 - 943 - 5007 E-Mail: info.buerger@bamf.bund.de Internet: www.bamf.de Redaktion: Claudia Möbus (verantwortliche Leiterin) Hannes Schammann Schlussredaktion: Marianne Lotter-Keim Bildredaktion: Robert Ullinger, Marianne Lotter-Keim Layout: Gertraude Wichtrey Druck: Bonifatius GmbH Druck-Buch-Verlag Karl-Schurz-Str. 26 33100 Paderborn Titelfoto: Marion Vogel Auflage: 9000 Exemplare Die Artikel von Gastautoren und Gastautorinnen drücken deren persönliche Meinung aus und müssen nicht den Positionen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge entsprechen.
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