Integration
Quartal 02/2009
2
Blickpunkt
Aktueller Informationsdienst zur Integrationsarbeit in Deutschland
Anerkennung von
ausländischen
Berufsabschlüssen
Aktuelles aus dem Bundesamt
Integrationskursbilanz 2008:
Sprachförderangebot weiterhin
auf Erfolgskurs
Integrationslandschaft Deutschland
Qualifizierung für den Arbeitsmarkt:
Brandenburger Ärzteprojekt
Blick über die Grenzen
Neue Integrationsstrategie für
das Einwanderungsland USA
Veranstaltungen
Deutsche Islam Konferenz:
Neue Studie über muslimisches
Leben in Deutschland
vorgestellt
www.integration-in-deutschland.de
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
Zuwanderinnen und Zuwanderer müssen in Deutschland
häufig die Erfahrung machen,
dass sie nicht in ihren im Heimatland erlernten Berufen
arbeiten können, weil ihre
Ausbildungs- oder Studienabschlüsse nicht anerkannt werden. Viele arbeiten daher unter ihrem Qualifikationsniveau
oder sind arbeitslos – obwohl
Fachkräfte in vielen Bereichen
dringend benötigt werden.
Die aktuelle Ausgabe des
„Blickpunkt Integration“
beleuchtet das SchwerpunktThema „Anerkennung ausländischer Qualifikationen“
aus verschiedenen Perspektiven. Der Fokus-Beitrag geht
der Frage nach, warum es in
Deutschland für Migranten so
schwer ist, in ihrem erlernten
Beruf Fuß zu fassen, und zeigt
Wege auf, wie der Prozess der
Anerkennung ausländischer
Qualifikationen und der beruflichen Integration verbessert
werden kann.
Darüber hinaus stellt das Magazin ein konkretes Fallbeispiel aus der Anerkennungspraxis vor sowie wissenschaftliche Ergebnisse und einige
vielversprechende Projekte zur
beruflichen Integration von
Zuwanderinnen und Zuwanderern.
Ihre Redaktion
Inhalt
Thema im Fokus
ff Anerkennung ausländischer Qualifikationen:
Integration in den erlernten Beruf gelingt selten 3
ff Odyssee durch den Behördendschungel
5
ff Interesse an Anerkennung nimmt zu
6
ff Polnische Abschlüsse weniger anerkannt
7
Aktuelles aus dem Bundesamt
ff Mitgebrachte Kompetenzen stärken
ff Integrationskursbilanz 2008
ff Integrationspotenziale in kleinen Städten
und Landkreisen
ff Landeskunde für Imame
Integrationslandschaft Deutschland
ff Anerkennung ausländischer Abschlüsse
in Schleswig-Holstein
ff Qualifizierung für den Arbeitsmarkt:
Brandenburger Ärzteprojekt
ff Vom Heben verborgener Schätze
ff Chancen für Hochqualifizierte verbessern
ff Beim Theaterspiel Sprache erlernen
ff Kontakt mit Hand und Wort
9
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14
15
16
16
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Blick über die Grenzen
ff Berufliche Anerkennung für Bürger aus der EU
ff Neue Integrationsstrategie für das
Einwanderungsland USA
20
Veranstaltungen
ff Integration hat viele Facetten
ff „Coole Muslime“
ff SWR-Medienforum Migration
ff Deutsche Islam Konferenz
ff Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
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Literaturhinweise
Kurz notiert
Internetlinks
Impressum
26
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28
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Thema im Fokus
Anerkennung ausländischerQualifikationen:
Integration in den erlernten Beruf gelingt selten
Nur wenige gut qualifizierte Zugewanderte können in Deutschland in ihrem im Ausland erlernten Beruf arbeiten.
Zuwanderinnen und Zuwanderern, die ihren Berufs- oder
Hochschulabschluss im Ausland
erworben haben, gelingt es
häufig nicht, in Deutschland im
erlernten Beruf tätig zu werden.
Die Wissenschaftlerinnen Dr.
Bettina Englmann und Dr. Martina Müller kommen in ihrer Studie „Brain Waste“ aus dem Jahr
2007 zu dem Ergebnis, dass nur
16 Prozent der Zugewanderten
mit ausländischen Abschlüssen
ihren erlernten Beruf wieder aufnehmen. Nach einer Studie der
Uni Oldenburg zur beruflichen
Integration von Flüchtlingen
in Niedersachsen (2002) sind es
sogar nur 11 Prozent. Die Ursachen dafür sind unübersichtliche
Zuständigkeiten, die mangelnde
Einsehbarkeit von Anerkennungsverfahren sowie die eingeschränkte Verwertbarkeit von
Anerkennungsbescheiden zur
Nach- und Anpassungsqualifizierung oder zur Aufnahme einer
Arbeitsstelle.
Die Erschließung der mitgebrachten Qualifikationen von
Zuwanderern mit dauerhaftem
Aufenthalt in Deutschland ist
dabei nicht nur ein wichtiger
Beitrag zur beruflichen Integration. Vor dem Hintergrund des
bevorstehenden demografischen
Wandels und des steigenden
Fachkräftemangels ist die Anerkennung von im Ausland erworbenen (akademischen) Abschlüssen auch für die Volkswirtschaft
Foto: Paul Glaser
von wachsender Bedeutung. Bislang gilt: Wer keinen Abschluss
nachweisen kann, ist eine ungelernte Arbeitskraft. Das führt
dazu, dass viele zugewanderte
Akademikerinnen und Akademiker Berufe ausüben müssen, für
die sie überqualifiziert sind.
Labyrinth der Zuständigkeiten
Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge stellen vor allem die
Beratungsangebote zur beruflichen Integration die Weichen
für Erfolg und Misserfolg – lange
bevor ein Antrag auf berufliche
Anerkennung gestellt werden
kann oder eine Bewerbung beim
Arbeitgeber erfolgt. Die Vielzahl
der zuständigen Stellen erscheint
3
Thema im Fokus
Die Vielzahl der für die berufliche Anerkennung zuständigen Stellen ist für Zugewanderte
wie ein Labyrinth, in dem sie sich zurechtfinden müssen.
Foto: Paul Glaser
Zugewanderten häufig wie ein
unübersichtliches Labyrinth:
Ausländerbehörden, Migrationsberatungsstellen, Agenturen
für Arbeit, ARGEn, Bezirksregierungen, Kultusministerien,
Berufsverbände, Kammern und
Bildungsträger sind nur einige
der Stellen.
Viele Ansprechpartner
Die verschiedenen Einrichtungen beraten dabei zu ganz unterschiedlichen Fragestellungen
wie Arbeitsmarktperspektiven,
Anerkennungsverfahren oder
Angeboten der Nachqualifizierung. Die einzelne Stelle verweist
für weiterführende Fragen oft
auf weitere Ansprechpartner.
Das kostet Zeit und führt mitunter zu widersprüchlichen Informationen. Dies löst bei den Zuwanderern häufig Unverständnis
aus und hinterlässt den Eindruck,
dass eher ein untergeordnetes
Interesse an ihrer zeitnahen Integration in den Arbeitsmarkt besteht. Im Ergebnis kann es dazu
kommen, dass der Zugang zum
erlernten Beruf versperrt bleibt,
4
weil die notwendigen Informationen nicht erschlossen werden
können.
Mangelnde Transparenz
Die wesentlichen Probleme bei
der Verwertung ausländischer
Abschlüsse beginnen also bereits
bei der Arbeitsmarktberatung
und erstrecken sich über die für
Zuwanderer mangelnde Transparenz der Anerkennungsverfahren bis hin zur Verwertbarkeit
von Anerkennungsbescheiden
für die Nach- und Anpassungsqualifizierung oder die Einstellung in ein Arbeitsverhältnis.
Verschärft wird diese Situation
zudem durch die unzureichende
Vernetzung der zuständigen
Stellen der Arbeitsvermittlung
und Träger der Grundsicherung
mit Anerkennungsstellen und
Trägern der Nachqualifizierung.
Dies provoziert Brüche an den
Schnittstellen der beruflichen Integration, vor allem im Hinblick
auf die Verzahnung zwischen
Anerkennung und Nachqualifizierung.
Umfassender Beratungsansatz
Der Prozess der Anerkennung
ausländischer Qualifikationen
und der beruflichen Integration
kann durch einen umfassenden
Beratungsansatz verbessert werden, der einzelne Teilaspekte der
Arbeitsmarkt-, Anerkennungsund Anpassungsqualifizierung
sowohl zeitlich als auch inhaltlich sinnvoll miteinander verbindet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erarbeitet vor
diesem Hintergrund aktuell zur
Anerkennung und beruflichen
Integration Empfehlungen für
eine bessere Organisation und
Verzahnung der Beratungsangebote. Diese sollen im Rahmen des
bundesweiten Integrationsprogramms veröffentlicht werden.
Mit dem bundesweiten Integrationsprogramm wurde ein
langfristiger Prozess der Qualitätsentwicklung der Integrationsförderung in Deutschland
initiiert. Gesetzlicher Auftrag
des Bundesamtes ist, bestehende
Integrationsangebote von Bund,
Ländern, Kommunen und privaten Trägern festzustellen und
Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung vorzulegen.
Servicestelle im Saarland
Die Anerkennung ausländischer Qualifikationen für zugewanderte Fachkräfte ist nur
ein Teilschritt der beruflichen
Integration. Um die Potenziale zugewanderter Fachkräfte
besser auszuschöpfen, ist ein
umfassender Handlungsansatz
erforderlich, der auch die Beratung zur beruflichen Integration,
die Möglichkeiten zur Nach- und
Anpassungsqualifizierung sowie
die Verzahnung der verschiede-
Thema im Fokus
nen Angebote berücksichtigt.
Gemeinsam mit dem saarländischen Ministerium für Justiz,
Arbeit, Gesundheit und Soziales
sowie der ARGE Saarbrücken
richtet das Bundesamt ab Sommer 2009 in Saarbrücken als Modellprojekt daher eine Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen ein.
Vorrangiges Ziel ist dabei, ein
Dienstleistungsangebot für die
am beruflichen Integrationsprozess beteiligten Stellen wie Arbeitsverwaltung, Anerkennungsstellen von Ministerien und Kammern, Bildungsträgern und Universitäten zu schaffen. Durch die
Bildung eines Netzwerks soll für
mehr Transparenz gesorgt und
Möglichkeiten zur Kooperation
und Verzahnung der Angebote
aufgezeigt werden. Das Knowhow der Servicestelle soll zudem
für Zuwanderer mit ausländischen Abschlüssen zugänglich
gemacht werden. Ihnen soll ein
berufliches Coaching angeboten
werden. Aufbauend auf einem
Profiling soll gezielt an zuständige Stellen vermittelt werden. Die
dort erhaltenen Informationen,
beispielsweise zu Anforderungen
oder Ergebnissen von Anerkennungsverfahren, sollen gemeinsam ausgewertet und in eine
Gesamtstrategie zur beruflichen
Integration eingebettet werden.
Seit Herbst 2008 haben in Saarbrücken bereits zwei Veranstaltungen stattgefunden, um die
Stellen der Anerkennung und der
Arbeitsmarktberatung systematisch in die Konzeptentwicklung
einzubeziehen. Die Idee zur Einrichtung einer Servicestelle ist
dabei auf breite Unterstützung
gestoßen. Besonders die Anerkennungsstellen erwarten sich
dadurch eine Erleichterung ihrer
Arbeit.
Katharina Koch,
Referat bundesweites
Integrationsprogramm
Odyssee durch den Behördendschungel
Anerkennungsbemühungen einer zugewanderten Lehrerin
Mit welchen Schwierigkeiten Zuwanderinnen und Zuwanderer
kämpfen müssen, wenn sie sich um die Anerkennung ihrer im
Heimatland erworbenen Bildungsabschlüsse bemühen, zeigt das
Beispiel von Ivana Kulisch*. Die Spätaussiedlerin lebt seit 1998 in
Deutschland. Seitdem kämpft sie für die Anerkennung ihres russischen Lehrerdiploms in Deutsch und Englisch und die Möglichkeit,
ihren erlernten Beruf wieder ausüben zu können.
Ihre erste Anfrage stellt die heute 40-Jährige bei einer Arbeitsagentur in Bayern. Dort kann
man ihr nicht weiterhelfen. Ohne
auf Möglichkeiten einzugehen,
die sich durch ihre Qualifikation
eröffnen könnten, bietet man ihr
dort Umschulungsmaßnahmen
zur Friseurin oder Altenpflegerin
an. Auf Hinweis ihres deutschen
Mannes, der ebenfalls Lehrer
und mit den Strukturen des
deutschen Bildungswesens gut
vertraut ist, wendet sich Ivana
Kulisch an das niedersächsische
Kultusministerium, um sich
die allgemeine Hochschulreife
anerkennen zu lassen. Diese
bekommt sie am 30. März 1999
bescheinigt.
Auf einen weiteren Antrag bei
einer anderen Stelle wird ihre
universitäre Ausbildung vom
niedersächsischen Kultusministerium bewertet. Über den Anerkennungsbescheid wird ihr mitgeteilt, dass die Möglichkeit bestehe, über eine Kenntnisstandsprüfung die Gleichwertigkeit
ihres Deutschstudiums mit den
Anforderungen im Fach Deutsch
des ersten Staatsexamens nachzuweisen. Für ihr Nebenfach
Englisch bestehe diese Möglichkeit nicht. Für Ivana Kulisch, die
sich im deutschen Schulsystem
nicht auskennt, ist der Bescheid
nur schwer verständlich. Sie kann
die Unterscheidung zwischen
erstem und zweitem Staatsexamen nicht bewerten und ist sich
nicht bewusst, dass auch die Anerkennung eines Faches als erstes Staatsexamen lediglich eine
Teilanerkennung bedeutet, die
5
Thema im Fokus
keinen unmittelbaren Berufseinstieg ermöglicht. Da ihre Bemühungen um Anerkennung ihrer
russischen Abschlüsse erfolglos
zu bleiben scheinen, schreibt
sich Ivana Kulisch 1999 an einer
Fachhochschule für ein Architekturstudium ein und beendet
dieses erfolgreich. Die spätere
Jobsuche scheitert allerdings,
was einerseits auf die insgesamt
schlechte Arbeitsmarktsituation
für Architekten, andererseits
auf ihren familienbedingten
Wunsch, halbtags zu arbeiten,
zurückgeführt wird.
Ivana Kulisch macht daher einen
erneuten Versuch zur Anerkennung ihres Diploms beim Lehrerprüfungsamt (LPA). In einem weiteren Bescheid verweist man sie
zunächst an die Universität. Dort
lässt sich jedoch keine zuständige Stelle identifizieren. Allerorts
stößt sie auf Ratlosigkeit. Sie wendet sich daher wieder an das LPA
im Kultusministerium. Dort gibt
man ihr einen handgeschriebenen Zettel, unter Vorlage dessen
sie beim Immatrikulationsamt
der Universität in das 4. Semester
eingestuft wird. Auf die Frage,
welche Kurse sie nun zu belegen
hätte, verweist man sie an die
Professoren. Ihr erstes Semester
ist für Ivana Kulisch eine Odyssee durch Sprechstunden, die
im Ergebnis immer nur vage
mündliche Hinweise oder widersprüchliche Aussagen liefern.
So wird ihr beispielsweise von
einem Professor Überqualifika-
tion beschieden. Nach weiterem
energischem Vorsprechen beim
LPA des Kultusministeriums und
dem Prüfungsamt der Universität wird ihr letztendlich die Zwischenprüfung anerkannt. Dieser
Schritt ist für sie nicht nachvollziehbar, schließlich hatte Ivana
Kulisch in der Zwischenzeit
keinerlei weitere Prüfungsleistungen erbracht. Bis heute – zehn
Jahre nach ihrer Einreise – konnte die hochqualifizierte Zuwanderin keine Teilanerkennung bis
zum ersten Staatsexamen erreichen.
Katharina Koch,
Referat bundesweites
Integrationsprogramm
*Name geändert
Interesse an Anerkennung nimmt zu
Interview mit Dr. Knut Diekmann, Weiterbildungsexperte des DIHK
Für die Anerkennung von Berufsausbildungen sind in Deutschland die Industrie- und Handelskammern (IHKs) sowie die
Handwerkskammern (HwKs) zuständig. Die Wirtschaftskammern prüfen auch die Anträge auf Anerkennung ausländischer
Bildungsabschlüsse und bewerten im Ausland erworbene Qualifikationen. Über die derzeitige Anerkennungspraxis und die geplante Weiterentwicklung sprach der „Blickpunkt Integration“
mit Dr. Knut Diekmann, Referatsleiter Grundsatzfragen, Weiterbildungspolitik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).
Welche Bedeutung hat das Thema Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen für die
IHKs?
Die IHKs sind zusammen mit den
HwKs schon lange für die Anerkennung in der beruflichen Bildung tätig. Ihre Zuständigkeiten
sind nach Berufen und Abschlüssen aufgeteilt. Die IHKs arbeiten
auf Grundlage gesetzlicher
6
Bestimmungen (wie Bundesvertriebenengesetz). Aufgrund ihrer
Kompetenz in der Berufsbildung
erhalten sie zwischenzeitlich
aber auch informelle Anfragen,
zum großen Teil von Einzelpersonen, aber auch von Unternehmen selbst. Die IHKs können
dann Begutachtungen als Dienstleistung anbieten.
Welche Relevanz hat das Thema für die Wirtschaft und wie
wird sich diese verändern?
Noch ist die Anerkennung vor
allem ein Thema der Sozial- und
Einwanderungspolitik. Doch es
mehren sich die Anzeichen, dass
diese Dienstleistung vor dem
Hintergrund zunehmenden
Fachkräftemangels auch bei Unternehmen auf größeres
Aktuelles aus dem Bundesamt
Interesse stößt. Noch ist allerdings nicht abzusehen, ob Unternehmen formelle Anerkennungen benötigen, wenn sie Anstellungen vornehmen wollen. Es ist
zu vermuten, dass Anerkennungen eine Rolle spielen könnten,
soweit es um Fachkräfte geht.
Auf dem globalisierten Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte
werden solche Verfahren kaum
benötigt. Als wichtige Felder
verbleiben der Anerkennung die
sicherheitsrelevanten Berufe und
der öffentliche Dienst.
Wie ist die Anerkennung im Bereich der IHKs organisiert?
IHKs werden sehr unterschiedlich durch Nachfragen beansprucht. Das Anfrageaufkommen
ist abhängig vom regionalen
Arbeitsmarkt, der geografischen
Lage, der internationalen Verflechtung der lokalen Wirtschaft,
aber auch von der Größe der
jeweiligen IHK. Die Strukturen
haben sich dem angepasst: So
haben sich bereits Kompetenzzentren formiert (wie an Rhein
und Ruhr sowie im Saarland). Der
DIHK bildet für die IHK-Spezialisten eine Klammer, indem der
Erfahrungsaustausch systematisch vorangetrieben wird.
Welche Probleme ergeben sich
aus der derzeitigen Anerkennungspraxis?
Die Probleme sind vielfältig und
grundsätzlich in der Intransparenz begründet, dem Regelungsdickicht der gesetzlichen Grundlagen und den Wissenslücken
um die Herkunftsländer der Antragsteller. Gleichzeitig sind die
politischen Zuständigkeiten und
Interessen nicht nur vielfältig,
sondern teilweise auch gegensätzlich. Die Probleme sind bei
der sogenannten nachholenden
Integration viel gravierender als
bei der Anerkennung von Neuzuwanderern.
Welche Maßnahmen zur Weiterentwicklung der bestehenden Praxis wären sinnvoll?
Grundlage jeglicher Verbesserung ist eine fundierte Vorstellung von der tatsächlichen und
potenziellen Größenordnung.
Dann ist die thematische und
fachliche Aufarbeitung der
Grundlagen unerlässlich, wobei
die zuständigen Stellen in ihren
Bildungsbereichen – im Idealfall
über eine einheitliche Informationsbasis – vernetzt werden sollten. Auf ihre Machbarkeit und
Aussagekraft hin müssen Kompetenzfeststellungsverfahren und
individualisierte Nachqualifizierungen erst noch grundlegend
geprüft werden.
Andrea Mack-Philipp,
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Integration
Polnische Abschlüsse weniger anerkannt
Repräsentativbefragung ausgewählter Migrantengruppen
Die Anerkennungsquote im Ausland erworbener Berufs- und
Studienabschlüsse liegt zwischen 44 Prozent (polnische Zugewanderte) und 64 Prozent (italienische Zugewanderte). Das hat
die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2006/2007
durchgeführte Repräsentativbefragung „Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland“ ergeben. Befragt wurden türkische,
griechische, italienische und polnische Personen sowie Personen
mit einer Staatsangehörigkeit aus einem der Nachfolgestaaten
des ehemaligen Jugoslawien.
Hinsichtlich der Frage zur Anerkennung wurde die Selbsteinschätzung bei der Teilgruppe
der 1.059 Befragten, die einen
Berufs- oder Studienabschluss
aus dem Ausland mitbrachten
(siehe Grafik), erhoben. Nicht
erfragt wurde die genaue Berufsbezeichnung der im Ausland
erworbenen Qualifikation. Damit
kann nicht geprüft werden, ob
die im Ausland erworbene Qualifikation in einem in Deutschland
reglementierten Beruf liegt, für
den eine bestimmte Berufsqualifikation nachgewiesen werden
muss , oder in einem unreglementierten. Anhand der Selbsteinschätzung sind es insbesondere polnische und türkische Zugewanderte, die sagten, dass ihr
mitgebrachter Berufsabschluss
oder das Studium keine Anerkennung in Deutschland fand.
Betrachtet man alle im Ausland
geborenen Zuwanderinnen und
Zuwanderer (rund 3.300 Personen), dann sind zugewanderte
Polinnen und Polen mit einem
Durchschnittsalter von etwa 38
7
Aktuelles aus dem Bundesamt
Anerkennungsquote im Ausland abgeschlossener Berufsausbildungen oder Studien in Deutschland
52,7
Türken
47,3
45,5
Ehem. Jugoslawen
Italiener
54,5
35,7
Griechen
64,3
44,7
Polen
55,3
56,5
0%
10%
20%
43,5
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Berufsausbildung/Studium aus dem Ausland wurde in Deutschland nicht anerkannt
Berufsausbildung/Studium aus dem Ausland wurde in Deutschland anerkannt
Quelle: RAM 2006/2007, gewichtet. Ungewichtete Anzahl: 1059
(nur Zugewanderte mit abgeschlossener ausländischer Berufsausbildung
oder einem abgeschlossenen ausländischen Studium).
Jahren vergleichsweise jung.
Zugewanderte aus der Türkei
und dem ehemaligen Jugoslawien sind älter (rund 44 Jahre).
Griechische und italienische
Zuwanderinnen und Zuwanderer haben das höchste Durchschnittsalter (etwa 47 Jahre).
Durchschnittlich am längsten
lebten die polnischen Zuwanderer und die aus dem ehemaligen
Jugoslawien stammenden Personen im Ausland (26 bzw. 22
Jahre). Italienische, griechische
und türkische Zuwanderinnen
und Zuwanderer verbrachten
hingegen im Durchschnitt einen
geringeren Teil ihres Lebens außerhalb Deutschlands (19 bis 20
Jahre). Damit ist bei den letzten
8
drei Gruppen die Zeitspanne
geringer, die ihnen für eine Berufsausbildung oder ein Studium
im Ausland zur Verfügung stand.
16 Prozent der türkischen Zuwanderinnen und Zuwanderer,
21 Prozent der griechischen, 23
Prozent der italienischen sowie
42 Prozent der aus dem ehemaligen Jugoslawien zugezogenen
Personen und sogar 69 Prozent
der polnischen Zuwanderinnen
und Zuwanderer absolvierten
eine Ausbildung oder ein Studium im Ausland. Bei der Grafik wurden diese Teilgruppen,
die mit einer abgeschlossenen
Berufsausbildung oder einem
abgeschlossenen Studium nach
Deutschland kamen, als Basis
für die Berechnung des Anteils
der in Deutschland anerkannten
Berufsausbildungen/Studienabschlüsse herangezogen.
Weitere Informationen zur
Repräsentativbefragung „Türkische, griechische, italienische
und polnische Personen sowie
Personen aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien
in Deutschland. Working Paper
11“ gibt es auf der Internetseite
www.bamf.de unter Publikationen/Themenbereich Migration.
Dr. Christian Babka
von Gostomski, Referat
Migrations- und Integrationsforschung: Schwerpunkt Empirie
Aktuelles aus dem Bundesamt
Mitgebrachte Kompetenzen stärken
Ein Schwerpunkt der Projektförderung des Bundesamtes
Integration bedeutet auch, aus dem Herkunftsland mitgebrachte Qualifikationen, Kompetenzen und Fähigkeiten der Zuwanderinnen und Zuwanderer anzuerkennen und zu stärken. Daher
fördert das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schwerpunktmäßig Integrationsprojekte mit ressourcenorientiertem
Integrationsansatz. In diesen Projekten werden die Talente und
besonderen Fähigkeiten der Zugewanderten aufgegriffen und
ihnen zur optimalen Entfaltung verholfen. Dabei stehen vor
allem die Stärkung des Selbstwertgefühls, die Aktivierung der
Selbsthilfepotenziale und die Förderung des bürgerschaftlichen
Engagements im Vordergrund.
Ein gutes Beispiel für die Arbeit
in diesem Förderschwerpunkt ist
das Projekt „Entdeckungsreise
– Mädchen und ihre Eltern werden aktiv“ des Interkulturellen
Bildungszentrums in Mannheim.
Ausgangsbasis dieses Anfang
September 2008 gestarteten Projekts bildet der seit 1999 bestehende offene Treff „QuiSt“ (Qualifizierung im Stadtteil) für Jugendliche mit Migrationshintergrund im Stadtteil NeckarstadtWest in Mannheim. Die Anbindung an „QuiSt“ gewährleistet
den Zugang zur Zielgruppe des
Projekts „Entdeckungsreise“:
Mädchen und junge Frauen mit
Migrationshintergrund zwischen
13 und 20 Jahren, die Einrichtungen im Stadtteil wenig nutzen,
sowie deren Eltern.
Die Maßnahmen sollen die Mädchen und ihre Eltern ermutigen,
die bisherigen traditionellen
Vorstellungen der Frauenrolle zu
überdenken und die engen Grenzen nachbarschaftlicher sozialer
Kontrollen zu überschreiten. Ziel
ist dabei, Mädchen den Über-
gang in Ausbildung oder höhere
Schulbildung gemeinsam mit
den Eltern zu ebnen, um ihnen
dadurch stabile Perspektiven für
eine selbstbestimmte Zukunft zu
eröffnen.
Das Angebot für die Mädchen
umfasst mehrere Bausteine: Mit
einem Theaterprojekt sollen
die sozialen, kommunikativen
und kreativen Kompetenzen der
Mädchen gefördert werden. Angeleitet durch Sozialpädagogen
und Künstler sollen sie (Konflikt-)
Themen aus ihrer Umgebung zu
Theaterstücken verarbeiten und
diese in ihrem Stadtteil zeigen.
Ein Werkstattprojekt verfolgt
ähnliche Ziele, dient aber stärker
der beruflichen Orientierung der
Mädchen über stereotype Berufsfelder hinaus. Die Auseinandersetzung mit handwerklichen
Berufen ist dort Thema. Besuche
von Handwerksbetrieben, des
Berufsinformationszentrums
und Gespräche mit Handwerkerinnen sind geplant. Hinzu
kommen Ausflüge und Wochen-
endübernachtungen außerhalb
Mannheims, die den Erfahrungshorizont der Mädchen öffnen
sollen. Dadurch, dass sie zwar mit
Erlaubnis, aber ohne Eltern oder
ältere Brüder an Veranstaltungen teilnehmen, sollen die Mädchen an Freiheit gewinnen.
Eine wesentliche Voraussetzung
für den Erfolg der Maßnahmen
ist die Zusammenarbeit mit
den Eltern. Diese werden als die
„Fachleute ihrer Kinder“ miteinbezogen und in die Verantwortung genommen. Unterschiedliche Angebote wie Hausbesuche,
Elternabende, Mütterfrühstück
und Begleitung der Eltern und
ihrer Kinder bei Ämterbesuchen
helfen, Vertrauen aufzubauen
und ihre Erziehungskompetenz
zu stärken.
Ein bedeutender Faktor für den
Erfolg des Projektes ist auch die
Interkulturalität im „QuiSt“Team: Dort arbeiten eine Migrantin türkischer Herkunft und
eine deutsche Sozialpädagogin.
Die muttersprachliche Mitarbeiterin findet leichter Zugang zu
Migrantenfamilien und auch die
langjährige deutsche Mitarbeiterin genießt mittlerweile das
Vertrauen der Zugewanderten
im Stadtteil.
Andreas Martin,
Referat Förderung
von Integrationsprojekten
für Zuwanderer
9
Aktuelles aus dem Bundesamt
Integrationskursbilanz 2008:
Sprachförderangebot weiterhin auf Erfolgskurs
2008 war für die Integrationskurse ein erfolgreiches Jahr: Neben der im Vergleich
zum Vorjahr auf 155.504 gestiegenen Zahl
an neu ausgestellten Teilnahmeberechtigungen (2007 waren es 141.591), haben
im vergangenen Jahr auch mehr Personen
(121.275) einen Integrationskurs begonnen
als in 2007 (114.365).
Erfreulich ist zudem, dass deutsche Staatsangehörige mit geringen Sprachkenntnissen, die
seit August 2007 vom Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge
zum Integrationskurs zugelassen werden können, rege davon
Gebrauch machen. Von den vom
Bundesamt ausgestellten 76.405
Teilnahmeberechtigungen
gingen 19.198 an Deutsche und
15.411 Deutsche haben in 2008 einen Integrationskurs begonnen.
Rechtsänderungen im Jahr 2007
haben zu verbesserten Rahmenbedingungen bei den Integrationskursen geführt, die sich
positiv auf die Zahlen ausgewirkt
haben. Zu den wesentlichen Änderungen gehört beispielsweise
die Erhöhung des Stundenkontingents der Integrationskurse
für spezielle Zielgruppen (Jugendliche, Eltern, Frauen und
Analphabeten). Dafür stehen
jetzt 945 Stunden statt bisher
645 Stunden zur Verfügung.
Seither ist der Anteil an speziellen Kursen weiter gestiegen. Am
größten ist die Nachfrage nach
Eltern- bzw. Frauenintegrationskursen sowie Alphabetisierungskursen. Deren Anteil an der Gesamtzahl der Kurse beläuft sich
zusammen auf 27 Prozent.
10
Die Integrationskurse haben sich als unverzichtbares Instrument der
Integrationsförderung etabliert.
Foto: Claus Felix
Ein wichtiger Faktor für die
positive Entwicklung bei den
Teilnehmerzahlen ist zudem die
Neuregelung zur Erstattung der
Fahrtkosten. So werden allen
finanziell bedürftigen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern
die notwendigen Fahrtkosten
voll erstattet oder zumindest ein
Fahrtkostenzuschuss gewährt.
Im Jahr 2008 wurden 90.169
und damit über dreizehnmal
mehr Fahrtkostenanträge als im
Vorjahr gestellt. Davon konnten
mehr als 80 Prozent auch bewilligt werden.
Neu ist auch die Möglichkeit,
den Aufbausprachkurs mit 300
Unterrichtsstunden einmal zu
wiederholen, wenn trotz ordnungsgemäßer Teilnahme das
Sprachniveau B1 nicht erreicht
wurde. Letztes Jahr wurden
30.277 Kurswiederholer zugelassen. Davon haben sich 20.396
Personen zur Wiederholung des
Aufbausprachkurses angemeldet.
Wer innerhalb von zwei Jahren
nach Ausstellen der Teilnahmeberechtigung die Abschlussprüfung erfolgreich besteht,
kann die Hälfte des gezahlten
Kostenbeitrages zurückerhalten.
Dies ist nicht nur ein Anreiz, am
Integrationskurs teilzunehmen,
sondern vor allem auch die Prüfung zu absolvieren. Dies spiegelt
sich in der positiven Statistik der
Prüfungsteilnehmenden wider.
So ist im Jahr 2008 der Anteil
der Kursabsolventen, die an der
Prüfung teilgenommen haben,
im Vergleich zum Vorjahr von
65 Prozent auf rund 83 Prozent
gestiegen. Mehr als die Hälfte der
Kursabsolventen (50,9 Prozent)
hat die Sprachprüfung „Zertifikat
Deutsch“ bestanden. Dies entspricht einer Steigerung von 6,8
Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Katja Carstens,
Referat Steuerung der
Integrationskurse
Aktuelles aus dem Bundesamt
Forschungs-Praxis-Projekt mit Workshop gestartet:
Integrationspotenziale in kleinen Städten und Landkreisen
Erstmals wird die Situation von Migrantinnen und Migranten in
den kleineren Städten der ländlich geprägten Räume bundesweit vergleichend untersucht. In zwölf ausgewählten Klein- und
Mittelstädten aus acht Landkreisen sollen exemplarisch die
Bedingungen für Integration in den Kommunen des ländlich geprägten Raums analysiert und die jeweiligen Potenziale für die
Integration von Zuwanderern ermittelt werden. Den Auftakt für
das Forschungs-Praxis-Projekt „Integrationspotenziale in kleinen
Städten und Landkreisen“ bildete ein Workshop, der Ende Mai
2009 in Nürnberg stattfand.
Verfolgen aufmerksam die Eröffnungsvorträge des Auftaktworkshops (v.l.n.r.): Der
Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Dr. Michael Griesbeck,
und die Mitglieder des Lenkungskreises, Kenan Kücük, Sprecher des Forums der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband, Detlef Bröker, Referatsleiter
im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, und Dr. Gerhard Lehnguth, Abteilungsleiter
im Bundesinnenministerium a.D.
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch einen Vortrag von
Prof. Dr. Roland Roth, Hochschule Magdeburg-Stendal, über
„Zuwanderung im ländlichen
Raum – Annäherung an das Themenfeld“ und Ausführungen
von Prof. Dr. Karin Weiss, Integrationsbeauftragte des Landes
Brandenburg, zum Thema „Migration und Integration in Ostdeutschland“. Nach einer Diskussion über Herausforderungen,
Potenziale und Perspektiven der
Integration in kleinen Städten
und Landkreisen stellten Vertreterinnen und Vertreter der am
Projekt beteiligten Städte und
Landkreise den Teilnehmenden
aus Wissenschaft und Praxis die
einzelnen Regionen, insbesondere unter dem Blickwinkel der
Integration, vor.
Das Projekt steht unter der
Schirmherrschaft des Bundesinnenministers und der Integrationsbeauftragten der Bundesre-
gierung. Projektträger und -koordinator ist die Schader-Stiftung.
Sie führt das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge,
dem Deutschen Städte- und
Gemeindebund und dem Deutschen Landkreistag durch. Das
über drei Jahre (2009 bis 2011)
laufende Projekt wird mit Mitteln
aus dem Europäischen Integrationsfonds und der Projektförderung des Bundesamtes gefördert.
Die Begleitforschung wird vom
Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, Dortmund,
in Kooperation mit dem LeibnizInstitut für Regionalentwicklung
und Strukturplanung, Erkner,
durchgeführt.
Drei Ziele stehen dabei im Mittelpunkt: Die strukturellen Bedingungen für Integration sollen
verbessert, das Zusammenleben
von Einheimischen und Zugewanderten gefördert und die
Teilhabe der Zuwanderer am gesellschaftlichen und politischen
Leben erhöht werden. Unter dem
Motto „voneinander lernen“ ist
der Erfahrungsaustausch der
Städte und Landkreise untereinander ein zentraler Baustein der
Projektarbeit. Die Erkenntnisse
und Handlungsempfehlungen
werden über Veranstaltungen,
Publikationen und ein Internetforum öffentlich zur Diskussion
gestellt.
Detlef Bröker,
Referat Koordinierung der
fachlichen Steuerung
der Regionalkoordinatoren
11
Aktuelles aus dem Bundesamt
Landeskunde für Imame
Projekte vermitteln Kompetenz für Berlin und München
Imame sind auch Ansprechpartner für Alltagsfragen und Probleme. In Seminaren wird
ihnen dafür das entsprechende Wissen vermittelt.
Foto: Marion Vogel
Rund fünfzig Imame und Seelsorger, darunter auch einige Frauen, beschäftigten sich in den vergangenen Monaten mit „ihrer“
Stadt. Auf dem Stundenplan der
„Imamseminare“, die seit Herbst
2008 in Berlin und München
durchgeführt werden, standen
jedoch keine Besuche im Englischen Garten oder des Berliner
Fernsehturms, sondern Einblicke
in das deutsche Bildungssystem,
in kommunale Beratungsstellen
und Stadtverwaltungen – harte
Arbeit also.
Mit diesen Modellprojekten
sollen die Imame bei ihrer Arbeit in den Moscheegemeinden
unterstützt werden. Das Aufgabengebiet eines Imams umfasst
viel mehr als die Leitung der täglichen Gebete und die Freitagspredigt. Die Imame sind auch als
Ansprechpartner für alltägliche
Fragen und Probleme von ihren
Gemeindemitgliedern gefordert. Sie werden als Vermittler
12
bei familiären oder schulischen
Fragen angesprochen und sollen
wenn möglich auch im interreligiösen und interkulturellen
Dialog tätig sein. Für dieses breite Aufgabenspektrum und die
damit zusammenhängende integrationsfördernde Rolle bringen
die wenigsten schon alle Voraussetzungen mit. Der Großteil von
ihnen ist in der Türkei, Bosnien,
Ägypten oder Afghanistan sozialisiert. Auch wenn die meisten
teilnehmenden Imame gut
deutsch sprechen können, haben
bisher vertiefte Informationen
über Abläufe der kommunalen
Verwaltung, Beratungsangebote
und Ansprechpartner gefehlt.
Um diese Situation zu verbessern, haben die Muslimische
Akademie in Berlin und die Stelle
für interkulturelle Arbeit der
Stadt München ein Programm
entwickelt, in dem Referenten
verschiedener Institutionen,
sei es die Stadtverwaltung, der
Bund oder freie Träger, einmal im
Monat am Vormittag Informationen vermitteln. Themen sind
unter anderem Geschichte und
Gegenwart der Stadt, das politische System in Deutschland,
das Bildungssystem, berufliche
Bildung und Ausbildung, Familie
und familiäre Konflikte, Gesundheits- und Altersvorsorge sowie
kommunale Strukturen.
Nachmittags steht dann ein
Besuch zum Beispiel einer Beratungsstelle an. Gerade das
gegenseitige Kennenlernen, sich
auszutauschen und gemeinsam
mit anderen Stellen Projekte und
Verbesserungsmöglichkeiten zu
diskutieren, ist den Imamen besonders wichtig. Auch scheinbar
heikle Themen, wie Gewalt in der
Familie, werden thematisiert.
Besonders spannend ist dabei die
entstehende Gruppendynamik,
da die Teilnehmer nicht nur vielfältige Hintergründe, sondern
auch ein breites Meinungsspektrum mitbringen, das von liberal
bis konservativ reicht.
Welche konkreten Ergebnisse
diese Projekte gebracht haben
und was noch verbessert werden
kann, wird die Evaluation zeigen.
Das Projekt „Berlinkompetenz“
endet im Juni 2009 und „Münchenkompetenz“ im Juli 2009.
Beide Projekte werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und dem Europäischen
Integrationsfonds gefördert.
Steffi Redmann,
Referat Religiöse und
weltanschauliche Aspekte
der Integrationsförderung
Integrationslandschaft in Deutschland
Leitfaden gibt Orientierungshilfe
Anerkennung ausländischer Abschlüsse in Schleswig-Holstein
Die Anerkennung ihrer im Herkunftsland erworbenen Schulund Berufsabschlüsse stellt für Migrantinnen und Migranten
nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung ihrer beruflichen Integration in Deutschland dar, häufig aber auch die
größte Hürde. Dies betrifft insbesondere Menschen, mit
deren Herkunftsländern die Bundesregierung keine entsprechenden Vereinbarungen getroffen hat oder deren Ausbildungssysteme hier nicht bekannt sind. Doch selbst in den
Fällen, in denen eindeutige Vorgaben existieren, sind die Zuständigkeiten und Verfahren für die Betroffenen und oftmals
auch für die Beraterinnen und Berater unübersichtlich und
Informationen nur verstreut an unterschiedlichen Stellen
zugänglich.
Einen an der Praxis orientierten
Leitfaden zu den Verfahren der
Anerkennung von im Ausland
erworbenen Abschlüssen hat
das Projekt „access“ beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein publiziert. Der Leitfaden entstand
in enger Kooperation mit dem
Projekt „Integrationslotse Hamburg“ in Trägerschaft des Diakonischen Werks, das einen ähnlichen Leitfaden bereits zuvor für
die Hansestadt entwickelt hatte.
Access (Agentur zur Förderung
der Bildungs- und Berufszugänge
für Flüchtlinge- und MigrantInnen in Schleswig-Holstein) ist ein
Transferprojekt des Kompetenzzentrums NOBI (Norddeutsches
Netzwerk zur beruflichen Integration von Migrantinnen und
Migranten), das seit 2008 aus
Mitteln des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales und der
Bundesagentur für Arbeit gefördert wird. NOBI ist norddeutscher Partner im bundesweiten
„Netzwerk IQ – Integration durch
Qualifizierung“.
In dem überarbeiteten Leitfaden
sind Informationen zu Anerkennungsverfahren von Schulabschlüssen (Voraussetzungen,
Zuständigkeiten, Antragsverfahren) und Berufsqualifikationen
(Grundprinzipien der Anerkennung, Regelungen und Sonderregelungen, Anerkennung von
betrieblichen und außerbetrieblichen Ausbildungen etc.) in
unterschiedlichen Berufsfeldern
in Schleswig-Holstein gebündelt. Darüber hinaus enthält der
Leitfaden Informationen zum
Zugang zum Hochschulstudium,
zur Ausübung von akademischen
Berufen und zur Anerkennung
von Titeln und Diplomen sowie
detaillierte Informationen zu
den jeweils zuständigen Stellen.
Der Wegweiser schafft mehr
Übersichtlichkeit und Transparenz und unterstützt so Beraterinnen und Berater dabei,
Migrantinnen und Migranten
den Weg zur Anerkennung ihrer
Abschlüsse zu erleichtern, und
bietet ihnen eine Orientierungs-
hilfe im Wirrwarr der Zuständigkeiten. Nachdem die Erstauflage
schnell vergriffen war, wurde
Ende 2008 eine Neuauflage herausgegeben, in der auch aktuelle
Gesetzesänderungen und neue
Regelungen berücksichtigt sind.
Seit 2009 gibt es den Leitfaden
auch auf Türkisch, Englisch und
Russisch.
Der „Leitfaden zur Anerkennung ausländischer Schul- und
Berufsabschlüsse in SchleswigHolstein“ kann kostenlos bezogen werden bei: Projekt access,
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, Oldenburger Str. 25, 24143
Kiel, oder auf der Internetseite
www.access-frsh.de heruntergeladen werden.
Farzaneh Vagdy-Voß,
Projekt access
Rainer Biermann,
Regionalstelle Lübeck
13
Integrationslandschaft in Deutschland
Qualifizierung für den Arbeitsmarkt
Brandenburger Ärzteprojekt findet bundesweit Beachtung
Für viele zugewanderte Ärztinnen und Ärzte, insbesondere aus
Nicht-EU Staaten, ist der Einstieg
in den Beruf in Deutschland
mit großen Hürden verbunden.
Die fehlende Anerkennung des
Berufsabschlusses, sprachliche
und fachliche Kompetenzdefizite sowie in der jeweiligen
persönlichen Lebenssituation
begründete Problemlagen verhinderten bisher eine qualifikationsadäquate Beschäftigung
in der Bundesrepublik Deutschland. Das Land Brandenburg hat
deshalb gemeinsam mit der Otto
Benecke Stiftung ein spezifisches
Berufseintrittsprojekt für zugewanderte Ärztinnen und Ärzte
entwickelt, für die eine erfolgreiche Berufsintegration bisher
nicht möglich war.
Mit dem Projekt sollten die Zugewanderten, die aus ihrem
Herkunftsland meist schon
langjährige ärztliche Berufserfahrung mitbringen, bei der
Vorbereitung auf die für ihre
Berufsanerkennung notwendige
Prüfung durch die Ärztekammer
unterstützt und in Kliniken und
Arztpraxen des Landes Brandenburg vermittelt werden. Die Qualifizierungsmaßnahme fand vom
1. März bis zum 31. Dezember
2008 statt und wurde aus Mitteln
des Europäischen Sozialfonds
und des Landes Brandenburg
gefördert.
Nach der Bundesärzteordnung
müssen ausländische Ärztinnen
und Ärzte eine Prüfung zur Anerkennung der Gleichwertigkeit
14
Die Teilnehmenden des Ärzteprojektes zu Besuch bei Dagmar Ziegler, der Ministerin für
Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg (8.v.l.), sowie der Integrationsbeauftragten Prof. Dr. Karin Weiss (3.v.l.)
Foto: Grünert, MASGF
ihres im Herkunftsland erworbenen Berufsabschlusses ablegen.
Voraussetzungen für das Bestehen der Kenntnisstandsprüfung
sind gute deutsche Sprachkenntnisse und medizinische Fachkenntnisse, die dem deutschen
Standard entsprechen, für viele
eine hohe Hürde. Das zehnmonatige Qualifizierungsprojekt war
genau darauf zugeschnitten. So
wurden in den ersten drei Monaten vor allem medizinische Fachsprachkenntnisse und Deutsch
für den medizinischen Berufsalltag vermittelt. In dem sich anschließenden Praktikum konnten
im Verlaufe von vier Monaten
berufspraktische Kenntnisse
erworben werden. Von Oktober
bis Dezember 2008 erfolgte dann
eine gezielte Vorbereitung auf
die Prüfung. An dem Kurs nahmen 21 Ärztinnen und Ärzte teil,
die zumeist als jüdische Immigranten sowie als Spätaussiedler
zugewandert sind. Träger des
Qualifizierungsprojektes war die
Otto Benecke Stiftung in Kooperation mit der Gesellschaft für
berufsbildende Maßnahmen in
Berlin. Anfang 2009 haben 17 der
Teilnehmenden die Prüfung vor
der Ärztekammer bestanden.
Das Brandenburger Ärzteprojekt
hat bundesweit große Beachtung
gefunden. Das Ministerium für
Arbeit, Soziales, Gesundheit und
Familie hatte bereits 2006 in der
bundesweiten integrationspolitischen Debatte darauf hingewiesen, dass Deutschland zunehmend auf die Zuwanderung
qualifizierter Migrantinnen und
Migranten angewiesen ist und
die bisherigen Möglichkeiten
für deren berufliche Integration
nicht ausreichend sind.
Prof. Dr. Karin Weiss,
Integrationsbeauftragte des
Landes Brandenburg
Regina Weiz,
Otto Benecke Stiftung
Integrationslandschaft in Deutschland
Vom Heben verborgener Schätze
Kompetenzbilanz hilft bei beruflicher Neuorientierung
Für viele Menschen bedeuten Brüche in
der beruflichen Entwicklung – wie Arbeitslosigkeit, Erwerbspausen oder auch
die Migration in ein anderes Land – eine
Um- oder Neuorientierung der eigenen
Ziele. Kompetenzfeststellungsverfahren
können dabei eine wichtige Hilfestellung
bieten und Stärken und Kompetenzen
sichtbar machen.
Ellen Wild-Blom, Laufbahnberaterin
bei „Tür an Tür“ (links), entwickelt im
Gespräch mit Lizar Mai berufliche
Perspektiven mittels der Kompetenzbilanz.
Foto: Tür an Tür
Damit der Erfahrungsreichtum
und Kompetenzschatz, den
Migrantinnen und Migranten
mitbringen, nicht weiter ungenutzt bleibt, hat das Deutsche
Jugendinstitut in München unter
anderem in Kooperation mit „Tür
an Tür – Integrationsprojekte“
die „Kompetenzbilanz für Migranten/innen“ entwickelt, die seit
2002 eingesetzt wird. Mit diesem
Instrument können formelle
und informelle Kompetenzen
erkannt und dokumentiert werden.
Die Kompetenzbilanz ist ein subjektorientiertes, ganzheitliches
Verfahren. Sie stellt das Individuum mit seinen Bedürfnissen in
den Mittelpunkt und beinhaltet
einen stark beratenden Anteil.
Im Fokus steht die Steigerung der
individuellen Beschäftigungsfähigkeit durch die Aktivierung
von Kompetenzen, Fähigkeiten
und Fertigkeiten über die eigentliche fachliche Qualifikation hinaus. Im Sinne einer ressourcen-
orientierten Laufbahnberatung
werden langfristige Perspektiven
für ein Leben in Deutschland entwickelt. Zentral ist vor allem das
Erfassen (im Sinne von wahrnehmen, sichtbar machen) und Bewusstwerden von Kompetenzen.
„Tür an Tür – Integrationsprojekte“ bietet für Migrantinnen und
Migranten berufliche Beratung,
Coaching, Laufbahnberatung,
Kompetenzfeststellung oder
Qualifizierung an. Die Kompetenzbilanzierung erfolgt in
mehreren Sitzungen über einen
längeren Zeitraum. Der individuelle Lebensweg wird reflektiert,
die zentralen Lernerfahrungen
identifiziert und die eigenen
Stärken herausgearbeitet. Mit
der Beraterin oder dem Berater
werden darauf aufbauend Ideen
und Möglichkeiten für den weiteren beruflichen Werdegang
entwickelt.
Dabei berücksichtigt die Kompetenzbilanz die Bedürfnisse von
Migrantinnen und Migranten:
Mehrsprachigkeit wird erfasst
und visualisiert.
Migrationserfahrung sowie Migrationshintergrund werden als
eigene Punkte behandelt und die
daraus gewonnenen Kompetenzen reflektiert.
Die Anerkennung von ausländischen Qualifikationen wird thematisiert.
Interkulturelle Kompetenz ist ein
wichtiger Bestandteil des gesamten Bilanzierungsprozesses.
Der Fragenkatalog für die Kompetenzbilanz liegt in deutscher
und englischer Sprache vor. Zur
Durchführung wird ein Kenntnisstand B2 des Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmens
für Sprache empfohlen. Für Multiplikatoren, die das Instrument
einsetzen wollen, bietet „Tür an
Tür – Integrationsprojekte“ Schulungen an.
Martina Früchtl,
Tür an Tür - Integrationsprojekte
15
Integrationslandschaft in Deutschland
Chancen für Hochqualifizierte verbessern
Informatik-Studienprogramm für zugewanderte Akademiker
Die deutsche Wirtschaft
beklagt einen großen Mangel an Fachkräften. Auf der
anderen Seite sind viele
hochqualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer mit
ausländischen Hochschulabschlüssen arbeitslos. Die Universität Oldenburg hat diese
paradoxe Situation bereits
vor Jahren erkannt und als
erste deutsche Hochschule
spezielle Studienangebote
für hochqualifzierte Migrantinnen und Migranten entwickelt, die laufend ausgebaut
werden.
Das jüngste, deutschlandweit
bislang einmalige Angebot ist
ein Studienprogramm „Informatik für Migranten und Migrantinnen“, das seit dem Wintersemester 2008/2009 vom Department
für Informatik in Zusammenarbeit mit dem „Interdisziplinären
Zentrum für Bildung und Kom-
munikation in Migrationsprozessen“ angeboten wird. Zielgruppe
des Programms sind Migrantinnen und Migranten, die in ihrem
Heimatland einen Hochschulabschluss in Informatik oder in einem verwandten Fachgebiet, wie
etwa Mathematik, erworben haben, deren Studium in Deutschland aber nicht anerkannt wurde. Fachkenntnisse, die im Vorfeld – also im Ausland – erworben
wurden, werden im Studienprogramm berücksichtigt. In
wenigen Semestern werden den
Studierenden fehlende beziehungsweise aktuelle Kenntnisse
der Informatik vermittelt. Damit
können sie die bundesweit anerkannten Abschlüsse „Bachelor of
Science“ oder „Master of Science“
in Informatik erreichen. Besonderheit des Studienangebotes ist
die individuell zugeschnittene
Studienplanung und –begleitung
durch einen persönlichen Berater. Dieser hilft bei allen Fragen
rund um das Studium oder der
persönlichen Integration.
Professor Rolf Meinhardt von
der Universität Oldenburg
schätzt, dass etwa 500.000 der
in Deutschland lebenden Zu-
wanderinnen und Zuwanderer
– in erster Linie jüdische Kontingentflüchtlinge und (Spät-)
aussiedler – über einen hohen
Bildungsabschluss verfügen. Diejenigen, die ihre Abschlüsse im
Ausland erworben haben, sehen
sich allerdings mit deutlichen
Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse konfrontiert und haben damit auch
Probleme in den Arbeitsmarkt
einzutreten. Angesichts dieses
Potenzials an hochqualifizierten
Zuwanderern ist das Thema auch
für das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge von besonderer
Bedeutung. Aus diesem Grund
pflegt das Bundesamt vielfältige Kontakte zur Universität
Oldenburg und einen regen Informationsaustausch zu Themen
der Integration. Beispielsweise
besuchen Studiengruppen der
Universität die Regionalstelle des
Bundesamtes und informieren
sich dort über die Arbeit der Behörde. Einige Studenten haben
auch schon ein Praktikum im
Integrationsbereich des Bundesamtes absolviert.
Udo Jaeger,
Regionalstelle Oldenburg
Beim Theaterspiel Sprache erlernen
Zschopauer Projekt geht neue Wege beim Deutscherwerb
Ein wesentlicher Bestandteil,
wenn nicht sogar der Schlüssel
zur Integration von Zugewanderten ist das Erlernen der deutschen Sprache. Um den Lern-
16
prozess beim Spracherwerb zu
intensivieren, ist der Verein „Zentrum Neue Arbeit - Mittleres Erzgebirge“ in Zschopau neue Wege
gegangen. Im Rahmen des vom
Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge geförderten Projekts
„Zschopauer Integrationsportal“
(ZIP) wurde eine Theatergruppe
gegründet.
Integrationslandschaft in Deutschland
Pädagogin waren auch weitere
einheimische Frauen an der Vorbereitung und Durchführung
von Proben und Auftritten beteiligt. So entstand ein Team, in dem
sich Verständnis für die jeweils
andere Lebenssituation und Herkunftsmentalität entwickelte.
Loriot hilft Sprachbarrieren abzubauen: Die Mitglieder der Theaterwerkstatt des Projekts
Zschopauer Integrationsportal haben Loriot-Sketche einstudiert. Im Bild das Stück „Der
Feierabend“.
Foto: ZIP
In Zschopau und Umgebung
leben rund 350 Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, die zum
Teil nur geringe deutsche Sprachkenntnisse haben. Das soll mit
dem Projekt „Zschopauer Integrationsportal“ geändert werden:
durch Sprachunterricht, Angebote zum kreativen Arbeiten, sportliche Aktivitäten, Schülerhilfe
und Exkursionen. Ein neuer und
Erfolg versprechender Ansatz zur
Verbesserung der Sprachfähigkeit ist die im September 2008
eingerichtete Theaterwerkstatt.
Bei der Entwicklung der Idee
kam den Initiatoren entgegen,
dass spontan mehrere Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer ihre Bereitschaft erklärten,
sich zu engagieren und mitzuarbeiten. Erfreulicherweise waren
das Spätaussiedlerinnen und
Spätaussiedler der fortgeschrittenen Jahrgänge, die meist mehr
Sprachanpassungsprobleme haben als jüngere. Unter Anleitung
einer Theaterpädagogin wurden
die ersten Schritte in Angriff
genommen. Für die mindestens
zweimal wöchentlich stattfindenden Proben mussten Texte
auswendig gelernt, Bewegungen
und Mimik angepasst und über
die zu spielende Rolle diskutiert
werden.
Die Theaterarbeit bietet unterschiedliche Kommunikationsstrukturen an, wie Kommunikation in der Gruppe, im Spiel
miteinander, in der Auseinandersetzung mit der zu spielenden
Rolle und im Kontakt mit dem
Publikum. So lassen sich gezielt
Sprachprobleme weiter abbauen. Dazu kommt die Spielfreude,
die sich bei den Mitgliedern der
Theatergruppe mit jeder gelungenen Übungsstunde oder
Aufführung erhöhte. Neben der
Ihre ersten öffentlichen Auftritte bestritten die Mitglieder der
Theatergruppe bei Weihnachtsfeiern im Dezember 2008. Dabei
wurden zwei kleine Stücke nach
Loriot „Das Frühstücksei“ und
„Der Feierabend“ erfolgreich
aufgeführt. Den Darstellerinnen
und Darstellern gelang es, ihre
Rollen sowohl spielerisch als
auch sprachlich zu meistern.
Als Fazit kann festgestellt werden, dass mit der Theaterwerkstatt wichtige Ziele erreicht
wurden: Die Teilnehmenden
machten erkennbare Fortschritte
im Gebrauch der deutschen Sprache und wurden dazu motiviert,
weitere Schritte zur gesellschaftlichen Integration in der Region
zu unternehmen. Hinzu kommt,
dass sich die Integrationsbemühungen beider Seiten verbessert
haben. Die Projektverantwortlichen gehen davon aus, dass
durch das Theaterspiel auch ein
beträchtlicher Effekt für die Entwicklung der Persönlichkeit, die
Erhöhung des Selbstbewusstseins
und die fortschreitende Integration der Spätaussiedlerinnen und
Spätaussiedler erreicht wurde.
Annelie Kunz
Projektkoordinatorin ZIP
17
Integrationslandschaft in Deutschland
Kontakt mit Hand und Wort
Muslimische Frauen lesen im katholischen Seniorenheim vor
Türkische Frauen mit Kopftuch sind im katholisch
geleiteten Wohnpark St. Franziskus in Ehingen eher
eine Seltenheit. Hier, mitten im Schwäbischen, ist
man in dem Seniorenheim eher den Anblick von betriebsamen Ordensschwestern im Habit gewöhnt.
Doch seit einigen Monaten wandelt sich das Bild.
Denn türkische Frauen kommen ins Haus und lesen
den Senioren vor. Und alle Beteiligten profitieren
davon.
Die alten Menschen bekommen
geistige Anregungen und herzliche Umarmungen. Die Türkinnen wenden ihre Lernerfolge
im Deutschen praktisch an und
können sich in einem geschützten Raum wie dem Altenheim an
Öffentlichkeit gewöhnen.
Die Idee zu dem Projekt kam aus
einem Integrationskurs an der
Volkshochschule, zu dem sich
zwölf Frauen freiwillig angemeldet hatten. „Ich will nicht immer
zu Hause bleiben“, begründet
die Türkin Emete Özdemir ihre
Teilnahme. „Ich möchte auf dem
Elternabend meiner Kinder die
Lehrerin verstehen und nicht
immer mit einem Dolmetscher
ins Rathaus gehen“, sagt sie.
Die Mutter von drei Kindern
hat bei ihrer Dozentin Meltem
Madenschi bereits mehr als 600
Stunden Sprach- und 45 Stunden
Orientierungskurs absolviert.
Zunächst erst vorsichtig, dann
immer sicherer, erkundeten die
Türkinnen ihr neues „Arbeitsfeld“. Einfache Märchen waren
das Medium zwischen den Seniorinnen und den jungen Frauen. Auch im Türkischen gibt es
Figuren wie „Hänsel und Gretel“
18
Menschen, die voneinander profitieren: In Ehingen lesen türkische Frauen den Bewohnerinnen in einem Seniorenheim aus
Märchenbüchern vor.
Foto: Christina Kirsch
oder „Schneewittchen“. Manche
Seniorinnen tauten so weit auf,
dass sie „ihrer“ Vorleserin die
deutschen Märchen erklärten.
Zu Hause sprechen die Türkinnen
auch mit ihren Kindern nur türkisch. Das erschwert das Erlernen
der deutschen Sprache. Aber der
Sprachkurs habe ihr geholfen,
die Hausaufgaben ihrer Kinder
wenigstens ein bisschen zu verstehen, erläutert Yeter Özyürek.
„Aber wir lesen nicht nur, sondern reden hier mit den alten
Damen auch über Familie oder
andere Sachen“, erklärt sie.
„Seitdem die Frauen an dem Kurs
teilnehmen, wagen sie es, ihre
Angelegenheiten wie Gespräche
im Kindergarten selber in die
Hand zu nehmen“, berichtet die
Lehrerin Meltem Madenschi. Der
Lernerfolg sei enorm. „Die kommen ganz happy in den Kurs und
berichten, dass sie das erste Mal
ohne ihren Mann zum Frauenarzt gegangen sind“, erzählt sie.
In Ehingen läuft das Vorlesen in
Staffeln jeweils als Abschlussprojekt des jeweiligen Kurses. Im Al-
tenheim St. Elisabeth in Senden
bei Neu-Ulm machen die Türkinnen mit den Heimbewohnern
mittlerweile selber aus, wann sie
zum Vorlesen wieder kommen.
Auch dort schuf Meltem Madenschi die Initialzündung.
Manche Bewohnerin kann sich
nach der Vorlesestunde zwar
nicht mehr erinnern, was sie
vorgelesen bekam, aber alle
freuen sich schon auf das Wiedersehen. Denn die Bewohnerinnen genießen nicht nur die
Zuwendung durch das Lesen,
sondern auch den Körperkontakt. Ganz selbstverständlich
nehmen die jungen Türkinnen
die alten Menschen bei der
Hand oder legen ihnen den Arm
um die Schulter. „Körperkontakt
ist in unserer Kultur sehr wichtig“, erklärt Meltem Madenschi.
Sprechen, Hören, Lesen und
Fühlen sind bei dem Projekt eine
ganzheitliche Verbindung zu
mehr Verständnis eingegangen.
Christina Kirsch,
freie Journalistin
Blick über die Grenzen
Berufserfahrung zählt
Berufliche Anerkennung für Bürger aus der Europäischen Union
Die berufliche Anerkennung
innerhalb der Europäischen
Union erfolgt auf Grundlage
der im Jahr 2005 verabschiedeten Richtlinie 2005/36/EG
über die Anerkennung von
Berufsqualifikationen. Diese
ist bei beruflichen Tätigkeiten anzuwenden, die innerhalb der Europäischen Union
und dem Europäischen Wirtschaftsraum reglementiert
sind. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist im Oktober 2007
hat die Richtlinie 15 Richtlinien ersetzt, die bislang in diesem Bereich existierten.
Reglementierte Berufe sind
Tätigkeiten, bei der die Aufnahme der Berufstätigkeit durch
Rechtsvorschriften an bestimmte
Berufsqualifikationen gebunden ist. Erhalten die nationalen
Behörden einen Antrag auf Anerkennung einer Qualifikation
im Hinblick auf den Zugang zu
einem reglementierten Beruf,
erfolgt die Prüfung dieser Qualifikation ausschließlich auf der
Grundlage des durch die Richtlinie geschaffenen Systems, das
wie folgt beschrieben werden
kann:
Bei Berufen, deren Ausbildungsanforderungen harmonisiert wurden (Ärzte,
Krankenschwestern und Krankenpfleger, Hebammen, Tierärzte, Zahnärzte, Apotheker
sowie Architekten) erfolgt die
Anerkennung der Qualifikationen automatisch, das heißt
ohne Prüfung der individuellen Ausbildungsinhalte.
Bei reglementierten künstlerischen, Handwerks- und
Industrieberufen beruht die
Anerkennung in erster Linie
auf der Berufserfahrung. Sobald die Migrantin oder der
Migrant Berufserfahrung hat,
deren Dauer in der Richtlinie
vorgeschriebenen ist, erfolgt
die Anerkennung ebenfalls
automatisch. Die vorgeschriebene Zeitspanne der Berufserfahrung kann in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich
sein.
Für Berufstätige in den Bereichen Kunst, Handwerk und
Industrie – ohne die in der
Richtlinie geforderte Berufserfahrung – und für alle Berufe, deren Ausbildungsanforderungen nicht harmonisiert
wurden, erfolgt die Anerkennung grundsätzlich ebenfalls
automatisch, wenn keine
wesentlichen Unterschiede
in den Ausbildungsgängen
der einzelnen Mitgliedstaaten bestehen. Weist eine im
Ausland absolvierte Ausbildung dagegen wesentliche
Unterschiede zur Ausbildung
des Aufnahmestaates auf, die
nicht durch Berufserfahrung
ausgeglichen werden können,
kann die Anerkennung mit
einer Auflage verbunden sein.
Dies kann ein Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung sein. Gemäß dieser
sogenannten „allgemeinen
Regelung“ ist dafür ein Vergleich der Qualifikationen
erforderlich. In der Richtlinie 2005/36/EG wurden fünf
Qualifikationsniveaus festgelegt, in die
die Qualifikationen für diesen
Vergleich einzustufen sind.
Die zuständige Behörde des
Aufnahmestaats ist nicht nur
verpflichtet, Qualifikationen
anzuerkennen, die im gleichen Niveau eingestuft sind
wie die nationale Qualifikation, sondern auch Qualifikationen, die im nächstniedrigeren
Niveau der Richtlinie eingestuft sind.
Informationen über die Anerkennung von Berufsqualifikationen
aus der EU vermitteln die jeweiligen nationalen Informationsstellen, die so genannten ENIC–
NARIC–Zentren. In Deutschland
ist das die in Bonn ansässige
„Zentralstelle für ausländisches
Bildungswesen im Sekretariat
der Ständigen Konferenz der
Kultusminister der Länder in der
Bundesrepublik Deutschland“.
In Frankreich besteht die Besonderheit, dass das ENIC–NARIC–
Zentrum seit September 2004
an das Internationale Zentrum
für pädagogische Studien angegliedert ist. Dadurch ist es in der
Lage, landesweit alle Anträge auf
Anerkennung ausländischer Diplome direkt zu bearbeiten und
darüber zu entscheiden, was die
internationale Mobilität im akademischen Bereich erleichtert.
Bettina Scheer,
Referat Grundsatzangelegenheiten
und konzeptionelle Fragen der
Integration
19
Blick über die Grenzen
Vielfalt in der Einheit
Neue Integrationsstrategie für das Einwanderungsland USA
Obwohl die USA ein klassisches Einwanderungsland
sind, war die Integration von
Migrantinnen und Migranten
bis vor kurzem kaum ein gesellschaftspolitisches Thema.
Mit Hilfe von Familienangehörigen und Nichtregierungsorganisationen lernten
Einwanderinnen und Einwanderer Englisch und sich an die
amerikanische Lebensweise
anzupassen, ohne dass die
Regierung sich darum in besonderer Weise bemüht hat.
Warum also eine Amerikanisierungsbewegung wie im
frühen 20. Jahrhundert - der
Zeit der großen Einwanderungsströme - initiieren?
In den Vereinigten Staaten liegt
der Ausländeranteil derzeit bei
rund 12,6 Prozent. Anfang des 20.
Jahrhunderts betrug er knapp 15
Prozent. Nach einem Rückgang
des Ausländeranteils ist seit den
1990er Jahren wieder ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.
Amerikanische Bevölkerungsstatistiker schätzen, dass der bisherige Höchststand von 15 Prozent
in den Jahren zwischen 2020
und 2025 überschritten wird. Bis
2050 wird ein Ausländeranteil
von 19 Prozent erwartet. Hinzu
kommt eine Veränderung in den
20
Siedlungsgewohnheiten der Zuwanderinnen und Zuwanderer.
Seit Jahrzehnten zieht es Einwanderer in die großen Einwanderungsstaaten wie Kalifornien
und New York. Allerdings werden inzwischen auch andere USStaaten für Zuwanderer attraktiver, vor allem im Süden und Westen der USA, beispielsweise South
Carolina, Nevada, Arkansas und
andere Bundesstaaten mit wenig
Zuwanderungsgeschichte.
Task Force gegründet
Mit Blick auf den stetigen Zuwachs von Einwanderinnen
und Einwanderern und den
genannten Veränderungen im
Siedlungsverhalten wurde im
Jahr 2006 die „Task Force on New
Americans“ gegründet. Darin
sind 20 Bundesbehörden vertreten. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Einwanderer seitens der
Regierung unterstützt werden
können, sich mit den Werten der
amerikanischen Zivilgesellschaft
zu identifizieren, Englisch zu lernen, und letztlich Amerikanerinnen und Amerikaner zu werden.
Ende 2008 hat die per Präsidentenerlass eingerichtete Task
Force US-Präsident Bush ihren
Abschlussbericht vorgelegt.
Dieser Bericht mit dem Titel
“Building an Americanization
Movement for the Twenty-first
Century” ist das Ergebnis von
zwei Jahren Beratung mit Vertretern der Zivilgesellschaft. Er gilt
als Wegweiser für Politiker und
Meinungsbildner.
Der Bericht nimmt Bezug auf die
amerikanische Geschichte. Er
weist darauf hin, dass die Amerikaner als Volk nicht durch ethnische Herkunft oder Religion
verbunden sind, sondern durch
die Grundwerte der Demokratie
sowie durch Rechtstaatlichkeit
und Menschenrechte. Aus diesem Befund werden im Bericht
zwei Grundprinzipien abgeleitet,
die die amerikanische Einwanderungsgeschichte prägen:
Diversity within Unity (Vielfalt in
der Einheit): Vielfalt macht die
USA stark, aber Einigkeit macht
den Erfolg Amerikas aus.
Staatsangehörigkeit ist eine Frage der Identität und nicht eine
Frage bloßer individueller Vorteile: Wenn ein Zuwanderer sich
selbst als Amerikaner fühlt und
von der Mehrheitsgesellschaft als
Amerikaner betrachtet wird, ist
dies ein wichtiger Indikator für
Integration.
Empfehlungen vorgelegt
Vor diesem Hintergrund hat die
Task Force dem Präsidenten einige Empfehlungen vorgelegt.
Die Hauptthese ist, dass die USA
eine Art Amerikanisierungsbewegung für das 21. Jahrhundert
benötigen, um alle Bereiche der
Zivilgesellschaft zu motivieren,
Einwanderer willkommen zu heißen und sie beim Spracherwerb
und der politischen Bildung zu
unterstützen. Nur mit gemeinsamer Anstrengung aller Bereiche
der Zivilgesellschaft und mit
Koordination durch die Bundesregierung können sich Einwanderer erfolgreich integrieren.
Veranstaltungen
Weiterhin wird vorgeschlagen,
eine bundesweite Infrastruktur
von koordinierenden Integrationsräten auf Ebene der Bundesstaaten aufzubauen. Diesen
soll die Aufgabe zufallen, Fördermittel zu verwalten und best
practice zu koordinieren und zu
ermöglichen. Hinzu kommen
Vorschläge zur Aufwertung
von amerikanischen Einbürge-
rungsfeiern, für Initiativen zum
Ausbau von Sprachförderprogrammen und allgemein für ein
stärkeres Engagement der Gesellschaft im Bereich Integration.
Insgesamt betrachtet, hat die
Task Force mit ihrem Bericht
Bausteine einer Integrationsstrategie für die USA vorgelegt – für
ein Einwanderungsland, das sich
lange Zeit nicht mit der Frage der
Integration befassen musste.
Der komplette Bericht ist in
englischer Sprache im Internet
verfügbar: www.uscis.gov/files/
nativedocuments/M-708.pdf.
Adam Hunter,
U.S. Department of Homeland
Security
Integration hat viele Facetten
Tagung des Bundesamtes und der Evangelischen Akademie Tutzing
Integration ist in der politischen
Diskussion inzwischen ein Thema mit vielen Facetten. Nicht
allein ausreichende Sprachkenntnisse, sondern auch persönliche Erfahrungen und Vorstellungen von Integration, religiöse Haltungen und kulturelle
Identität spielen eine wichtige
Rolle im Eingliederungsprozess
von Zuwanderern. Diesen unterschiedlichen Einflussfaktoren auf
Integrationsprozesse widmete
sich Ende Mai eine gemeinsame
Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Dabei kamen sowohl die
Perspektive der Aufnahmegesellschaft als auch die persönlichen
Erfahrungen von Migranten zur
Sprache.
Ein Themenblock setzte sich mit
Fremdheitserfahrungen auseinander. Prof. Marina Münkler von
der Humboldt-Universität zu Berlin skizzierte dabei exemplarisch
Wahrnehmung und Verarbeitung von Fremdheit an historischen Beispielen aus dem Mittelalter. So sind bereits von Teil-
nehmern der Kreuzzüge Berichte
überliefert, die Anpassungsprozesse europäischer Christen im
zunächst für sie fremden Orient
beschreiben. Seine in Form von
Gedichten und Erzählungen verarbeiteten persönlichen Fremdheitserfahrungen stellte Nevfel
A. Cumart, Lyriker und Schriftsteller aus Bamberg, vor.
Prof. Dr. Elisabeth Beck-Gernsheim von der Universität Erlangen kritisierte die zuweilen starke Vereinfachung und Defizitorientierung in der Berichterstattung der Medien. Das Migrantenbild sei in Deutschland im Wesentlichen vom „Problemblick“
geprägt. So würde beispielsweise
der Bildungserfolg von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
nicht ausreichend gewürdigt. In
Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten, die eine
erfolgreiche Bildungskarriere
vorweisen, hätten dies in erster
Linie durch „Selbstplatzierung“,
das heißt ohne Unterstützung
ihrer oftmals bildungsfernen
Eltern, erreicht.
Mit Blick auf die Bedeutung der
Religion für die Integration von
Migranten identifizierte Prof.
Dr. Wolfgang Stegemann von
der Hochschule Neuendettelsau
religiöse Rituale und Praktiken
als Problembereiche. Er forderte
eine Auseinandersetzung mit
der Frage, bis zu welchem Punkt
hier Muslimen Einschränkungen
und Verzicht abverlangt werden können und wo für sie die
Grenze liege, die sie nicht ohne
Identitätsverlust überschreiten
können.
Der Frage der politischen Integration widmete sich Prof. Dr.
Heinrich Oberreuter, Direktor
der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Seiner Ansicht
nach setzen das Grundgesetz,
insbesondere die Grund- und
Menschenrechte, den Maßstab
für die von Zuwanderern zu
erbringende Integrationsleistung. In diesem Rahmen hätten
Migranten ein Anrecht darauf,
ihre kulturelle Identität leben zu
dürfen. Dr. Michael Griesbeck,
Vizepräsident des Bundesamtes,
wies darauf hin, dass zukunfts-
21
Veranstaltungen
orientierte Integrationsarbeit
nicht nur Integrationsleistungen
von Zuwanderern, sondern auch
Veränderungsleistungen der
Aufnahmegesellschaft erfordert.
Die Bevölkerung sei bislang zu
wenig auf Vielfalt vorbereitet
worden. Erforderlich sei es, Ängste und wechselseitige Vorurteile
abzubauen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion betonte der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Martin
Neumeyer die Notwendigkeit
zur Etablierung einer Anerkennungskultur für gelungene Integrationsprozesse in Deutschland.
Auf der anderen Seite dürfe es
keine Tabuisierung in der Debatte um Migration und Integration
geben. Andernfalls würden sich
Rechtsextremisten des Themas
annehmen.
Dr. Oliver Steinert,
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Integration
„Coole Muslime“
Tagung zeigt Vielfalt muslimischer Jugendorganisationen auf
Muslimische Jugendorganisationen präsentierten sich während
einer Tagung der evangelischen
Akademie in Loccum als sehr
vielfältig. Die Bandbreite der
Jugendorganisationen, die sich
Mitte Mai 2009 vor der Kulisse
eines evangelischen Klosters
zusammenfanden, reichte von
einer islamisch motivierten
Organisation mit Charity-Elementen wie den „Lifemakers
Germany“ über eine klassische
(religiöse) Jugendorganisation
wie der „Muslimischen Jugend in
Deutschland“ (MJD) hin zu einer
Hochschulgruppe wie dem „Rat
der muslimischen Studierenden
und Akademiker“ – um nur einige Beispiele zu nennen.
Die „Lifemakers Germany“ engagieren sich im Sinne des Pfadfindermottos „Jeden Tag eine gute
Tat”. Eine der ersten und immer
noch beliebtesten Aktionen ist
es, gemeinsam Butterbrote zu
schmieren und diese an Obdachlose zu verteilen. Begonnen hat
die Bewegung im Jahr 2004 in
Bonn – mittlerweile gibt es Ortsgruppen in vielen deutschen
Großstädten. Der Name der
Gruppe stammt aus einer vielbe-
22
So vielfältig wie die muslimischen Jugendlichen selbst sind auch die muslimischen Jugendorganisationen, in den sie sich engagieren.
Foto: Katy Otto
achteten Sendereihe des ägyptischen Fernsehpredigers Amr
Khaled. „Lifemaker“-Gruppen
gibt es in vielen europäischen
und arabischen Ländern, allerdings sind die Gruppen nach
eigenen Angaben nicht organisatorisch verbunden. Die „Lifemakers Germany“ wollen aus
der Opferrolle der Muslime heraustreten und etwas tun gegen
das negative Bild der Muslime in
weiten Teilen der deutschen Gesellschaft.
Die „Muslimische Jugend in
Deutschland“ macht klassische
Jugendarbeit mit Jugendgruppen und Zeltlagern. Sie wird vom
Verfassungsschutz beobachtet
und hat daher Schwierigkeiten
Fördergelder zu beantragen.
Allerdings bemühen sich insbesondere in Baden-Württemberg
sowohl der Verfassungsschutz als
auch die MJD um einen Dialog.
Heiß diskutiert wurde immer
wieder das Thema der interkul-
Veranstaltungen
turellen Öffnung von Behörden
und Jugendorganisationen, wie
etwa dem Landesjugendring
in NRW. Die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer waren sich
einig, dass die interkulturelle
Öffnung wichtig sei und dass den
Behörden und Organisationen
in Deutschland noch ein weiter
Weg bevorstehe. Ein immer wiederkehrendes Thema war die
Durchführung der Aktivitäten
für Jugendliche auf rein ehrenamtlicher Basis – daher fehle es
häufig an Zeit und Geld.
Professor Hans-Jürgen von Wensierski und Claudia Lübcke von
der Universität Rostock stellten
ihre Studie „Jugendkulturen
junger Muslime in Deutschland“
vor, die die Vielfältigkeit muslimischer Jugendlicher bestätigt.
In der Studie stehen persönli-
che Biografien muslimischer
Jugendlicher im Vordergrund,
die verschiedenen Jugendkulturen zugeordnet werden. Ein
Ergebnis ist zum Beispiel, dass
muslimische Jugendliche in der
Punk-Szene nur selten zu finden
sind – aber eben doch auch dort
vertreten sind.
Iris Exo,
Religiöse und weltanschauliche
Aspekte der Integrationsförderung
Zuwanderung hat Programme verändert
11. Medienforum Migration beim Südwestrundfunk in Stuttgart
Diskutierten die Frage, ob Integration gescheitert ist: (v.l.n.r.) Dr. Reiner Klingholz (Direktor Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung), Kenan Kolat (Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland), Gari Pavkovic (Integrationsbeauftragter der Stadt
Stuttgart), Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun (Integrationsbeauftragter des SWR), Ulrich Neuwöhner (SWR Medienforschung), Filiz Kükrekol
(SWR Zentrale Information) und Bodo Flaig (Sinus Sociovision).
Foto: Marko Lederer/SWR International
„60 Jahre Bundesrepublik Deutschland –
60 Jahre Einwanderungsland Deutschland“
lautete das Motto des 11. Medienforums Migration, das Mitte Mai 2009 vom Südwestrundfunk (SWR) in Stuttgart veranstaltet wurde. In
„Integration ist kein Nischenthema, sondern hat seinen
Platz in der Mitte unseres Programms“, betonte SWR-Intendant Peter Boudgoust bei der
Eröffnung der traditionsreichen
Fachtagung. Der demografi-
verschiedenen Gesprächsforen zogen namhafte
Experten eine Bilanz zur Einwanderungspolitik
in den vergangenen Jahrzehnten und erörterten
die Bedeutung von Migration für Medien, Politik
und Gesellschaft.
sche Wandel und die steigende
Mobilität von Menschen werde
dazu beitragen, dass die Zahl der
Menschen mit Migrationshintergrund weiter steige. Deshalb sei
es für die ARD selbstverständlich,
wie Boudgoust erklärte, dass sie
auch dieses Publikum mit einem
vielfältigen Programmangebot
erreichen müsse.
Die Integrationsbeauftragten der
Länder Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz, Professor Ulrich
23
Veranstaltungen
Goll und Maria Weber, hoben die
Bedeutung der Medien bei der
Integration hervor. „Deutschland
ist längst ein Einwanderungsland. Diese Erkenntnis ist auch
wichtig, um allen Menschen
unabhängig von Herkunft und
Kultur gleiche Chancen zu bieten“, sagte Goll. Für Maria Weber
ist die Teilhabe hier lebender Migrantinnen und Migranten eine
Hauptaufgabe für Politik und
Gesellschaft.
Kontrovers diskutiert wurde
die Frage, ob die Integration in
Deutschland gescheitert ist. Im
Mittelpunkt der Diskussion standen die Forschungsergebnisse
von zwei neueren Studien des
Berlin-Instituts für Bevölkerung
und Entwicklung sowie des Heidelberger Instituts Sinus Sociovision. Auf Kritik stieß vor allem
die Studie „Ungenutzte Potenziale – Zur Lage der Integration
in Deutschland“ des Berlin-Instituts. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem die Herkunft
über den Integrationserfolg entscheidet, wie Reiner Klingholz,
Direktor des Berlin-Instituts,
erläuterte. Mit Abstand die
schlechtesten Integrationswerte
wurden den Zuwanderinnen
und Zuwanderern mit türkischem Migrationshintergrund
bescheinigt. „Die Studie hat die
Vorurteile der Gesellschaft wissenschaftlich belegt, dass Türken
integrationsunwillig sind“, kritisierte Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der türkischen Gemeinde
in Deutschland. Er bemängelte
vor allem, dass bei der Auswahl
der 20 Indikatoren für Integration keine sozialen Indikatoren
berücksichtigt worden sind.
Dass Migrantinnen und Migranten keine homogene Gruppe
sind, diese Schlussfolgerung
zieht die von Bodo Flaig vorgestellte Sinus-Milieu-Studie.
Darin werden acht verschiedene
Migranten-Milieus unterschieden, bei denen weniger die
ethnische Herkunft als gemein-
same Wertvorstellungen und
Lebensstile eine Rolle spielen.
Die Konsequenzen dieser Studie
für die Medien erläuterte Ulrich
Neuwöhner von der SWR Medienforschung. Bei einer Sonderauswertung der Sinus-Studie für
den SWR wurde festgestellt, dass
die verschiedenen MigrantenMilieus bei der Mediennutzung
- abhängig von Bildung und
sozialer Lage - deutlich auseinanderdriften. Damit unterscheiden
sich die Migranten kaum von der
deutschen Bevölkerung.
Professor Karl-Heinz MeierBraun, Leiter der Redaktion SWR
International, konnte im Rahmen des 11. Medienforums auch
ein persönliches Jubiläum feiern:
Er wurde dafür geehrt, dass er
seit 30 Jahren im Dienste der hier
lebenden Migrantinnen und Migranten forscht und arbeitet.
Andrea Mack-Philipp,
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Integration
Muslimisches Leben in Deutschland
Neue Studie bei der Deutschen Islam Konferenz veröffentlicht
Am 25. Juni 2009 hat das Plenum der Deutschen Islam Konferenz
den Dialog zwischen Muslimen und deutschem Staat fortgesetzt
– zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode. Die Konferenz
habe viel bewegt, sagte Dr. Angela Merkel, als sie alle rund 100
Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einem Empfang im Bundeskanzleramt begrüßte. Unter der Leitung von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble beriet das Plenum, bestehend aus 15
staatlichen und 15 muslimischen Teilnehmern, über die im vergangenen Jahr von den Arbeitsgruppen erarbeiteten Vorschläge.
Bei der anschließenden Pressekonferenz wurden unter anderem
Empfehlungen zur besseren Integration in der Schule und zur
Ausbildung von Imamen und religiösem Personal an deutschen
Hochschulen vorgestellt.
24
Veranstaltungen
Bislang konnten
überwiegende Mehrsich die Teilnehmer
heit (93 Prozent) musder Deutschen Islimischer Mädchen
lam Konferenz bei
nimmt am gemischtihrer Arbeit kaum
geschlechtlichen
auf empirische DaSport- und Schwimmten stützen. Mit der
unterricht teil.
vom Bundesamt
Nur circa 20 Prozent
für Migration und
der Muslime sind in
Flüchtlinge im Aufreligiösen Vereinen
trag der Deutschen
und Gemeinden orgaIslam Konferenz
nisiert und weniger als
Das
Plenum
der
Deutschen
Islam
Konferenz
tagte
am
25.
Juni
2009
in
Berlin.
erstellten Studie
25 Prozent der MusliFoto: Katy Otto/Deutsche Islam Konferenz
„Muslimisches Leme fühlen sich ohne
ben in Deutschland“ liegt nun
rationshintergrund sind bereits
Einschränkung von den in der
die erste repräsentative Datendeutsche Staatsangehörige. DefiDeutschen Islam Konferenz präbasis vor. Sie gibt mit rund 6.000
zite ermittelt die Studie vor allem senten islamischen Verbänden
befragten Personen aus 49 musim Bereich der strukturellen Invertreten.
limisch geprägten Herkunftstegration. Insbesondere mit Blick Die Studie belegt, dass auch
ländern einen umfassenden
auf höhere Schulabschlüsse und
weiterhin ein Dialogprozess notÜberblick über die Anzahl der
Erwerbstätigkeit besteht noch
wendig ist, der die Vielfalt musliMuslime in Deutschland, GlauNachholbedarf. Bei den nachfolmischen Lebens in Deutschland
bensrichtungen, religiöse Praxis
genden Generationen, vor allem
widerspiegelt. Die muslimischen
und verschiedene Aspekte der
bei jungen Musliminnen, ist
und staatlichen Teilnehmer haIntegration.
jedoch bereits ein deutlicher Bilben sich für die Fortsetzung der
Ausgehend von einer Telefondungsaufstieg festzustellen.
Deutschen Islam Konferenz ausbefragung unter Einbeziehung
Die soziale Integration ist besgesprochen.
des Ausländerzentralregisters
ser, als vielfach angenommen
Die Ergebnisse der DIK finden Sie
konnte erstmals verlässlich die
schlussfolgern die Autorinnen
unter www.deutsche-islam-konZahl der Muslime in Deutschland Dr. habil. Sonja Haug, Dr. Anja
ferenz.de und die Studie unter
geschätzt werden. Zwischen 3,8
Stichs und Stephanie Müssig.
www.bamf.de/forschung.
und 4,3 Millionen Muslime leben
Mehr als die Hälfte aller über
Steffi Redman, Nilden Vardar,
demnach in Deutschland, fast
16-Jährigen sind Mitglieder in
Bundesamt für Migration
die Hälfte der Muslime mit Migdeutschen Vereinen und die
und Flüchtlinge
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) und das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
verstärken ihre Zusammenarbeit.
Im Mittelpunkt eines eintägigen Workshops in
Nürnberg stand die Bedeutung der emotionalen
Dimension für die Integrationsarbeit und die Frage,
wie die Aufnahmegesellschaft besser erreicht und
in den Integrationsprozess miteinbezogen werden
kann. Unter dem Titel „Gesellschaftlicher Zusammenhalt – Parameter und Impulse“ erörterten Expertinnen und Experten von BAMF und ÖIF gemeinsame Herausforderungen und Lösungsstrategien.
Österreich und Deutschland haben aufgrund vergleichbarer Zuwanderergruppen ähnliche Aufgaben
beim Thema Integration zu bewältigen. Deswegen
sei der verstärkte Austausch von großer Bedeutung,
waren sich Dr. Michael Griesbeck, Vizepräsident
des BAMF, und ÖIF-Geschäftsführer Alexander Janda einig. Im Herbst wird der Erfahrungsaustausch
fortgesetzt. Dann treffen sich Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter von ÖIF, BAMF und dem Bundesamt für
Migration der Schweiz in Wien, um über Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation mit Migranten und
Aufnahmegesellschaft zu diskutieren.
25
Literaturhinweis
Das Integrationspanel
Das Working Paper 23 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge untersucht im Rahmen des Forschungsprojekts „Integrationpanel“ die Fortschritte
der Integrationskursteilnehmerinnen und -teilnehmer hinsichtlich ihrer alltagsrelevanten Sprachfertigkeiten und Sprachkompetenzen im Kursverlauf.
Im ersten Teil wird analysiert, in welchen Bereichen der alltagsrelevanten
Sprachfertigkeiten starke Zuwächse zu verzeichnen sind (zum Beispiel dabei
sich selbst vorzustellen) und welche Bereiche den Teilnehmern eher schwer
fallen (beispielsweise telefonieren). Der zweite Teil betrachtet die Entwicklung
der allgemeinen Sprachkompetenz. Dabei wird der Einfluss wichtiger Faktoren
wie Alter, Schulbildung, soziale Kontakte und Herkunftsland auf die Sprachkompetenz zu Kursbeginn, am Kursende und hinsichtlich des Zuwachses an Sprachkompetenz untersucht.
Abschließend werden Handlungsempfehlungen gegeben, in welchen Bereichen die Kursteilnehmenden
stärker gefördert werden sollten.
Ausbildung von Migranten
Einen umfassenden Überblick zu den beruflichen Qualifikationen von Zuwanderinnen und Zuwanderern im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung gibt das Working Paper 22 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit dem Titel „Berufliche und akademische Ausbildung von Migranten
in Deutschland“. Untersucht wird darin die Beteiligung von jungen Ausländerinnen und Ausländern im dualen System der Berufsausbildung, ihre
Präsenz an beruflichen Schulen sowie an (Fach-) Hochschulen und Universitäten in Deutschland. In allen Bereichen zeigt sich, dass bei der beruflichen
Qualifikation nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen zugewanderter
und einheimischer Bevölkerung bestehen.
Die Publikationen stehen unter www.bamf.de zum Download bereit oder können über den
Publikationsservice des Bundesamtes angefordert werden.
Zwei Jahrzehnte Politik
für Aussiedler
Allein während der letzten beiden Jahrzehnte wurden 3 Millionen
Aussiedlerinnen und Aussiedler - circa 2,2 Millionen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und 800.000 aus den ostmitteleuropäischen Staaten - in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen.
Ihr zentraler Ansprechpartner ist der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, der sich
durch zahlreiche Fördermaßnahmen für ihre Integration einsetzt. Der
Band dokumentiert die Referate und Diskussionen der Tagung „Zwei
Jahrzehnte Politik für Aussiedler und nationale Minderheiten – Bilanz
und Perspektiven“, die anlässlich des Jubiläums des Aussiedlerbeauftragten im September 2008 in Berlin stattfand.
26
Christoph Bergner;
Matthias Weber (Hg.)
Ausssiedler- und Minderheitenpolitik
in Deutschland
Bilanz und Perspektiven
Oldenbourg Verlag, 2009
350 Seiten, 34,80 Euro
Literaturhinweis
Deutsch-türkische Kulturgeschichte
Türkheim, Türkenstraße oder Türkeiplatz – türkische Spuren sind in
vielen deutschen Städten allgegenwärtig. Auf den ersten Blick scheint
die Geschichte der Türken in Deutschland eine sehr junge zu sein,
denn die Mehrzahl der heute in Deutschland lebenden türkischstämmigen Menschen kam im letzten halben Jahrhundert als „Gastarbeiter“. Doch bei genauem Hinsehen reichen die türkischen Spuren
rund 500 Jahre zurück. Wo diese Spuren sichtbar werden und welche
geschichtlichen Ereignisse damit verbunden sind, zeigt der Autor an
vielen Beispielen anschaulich auf. Mit seinem zweisprachigen Buch
will der in der Türkei geborene und heute in Deutschland lebende
Historiker Latif Celik eine Brücke bauen und zu einem besseren Verständnis zwischen Deutschen und Türken beitragen.
Latif Celik
Türkische Spuren in Deutschland
Logophon Verlag, 2008
268 Seiten, 15,95 Euro
Perspektivenwechsel
Ulrike Bartels,
Daniela Ristau,
Claudia Heib
Deutschland mit anderen Augen
Erfahrungsberichte von Menschen
mit Migrationshintergrund
Horlemann-Verlag
14,90 Euro
„Deutschland mit anderen Augen“ macht sich auf die Suche nach
„deutschen Identitäten“ und fragt nach, was Deutschland heute im
Vergleich mit und im Kontext anderer Länder und Kulturen ist. Es
enthält zwanzig Porträts von Menschen mit Migrationshintergrund,
die aus Ländern wie dem Senegal, Nepal, China, Bolivien und Russland stammen. In persönlichen Erfahrungsberichten erzählen die
Menschen davon, wie und warum sie ihr Heimatland verlassen haben, welche Vorstellungen von Deutschland sie dabei hatten und wie
sie sich in ihrer neuen Heimat Deutschland etabliert und integriert
haben. Die Porträtierten sind Akademiker und Studierende, Männer
und Frauen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren. Viele von ihnen sind
dabei im interkulturellen Bereich tätig, die Arbeit an interkultureller
Verständigung und Kommunikation gehört somit zu ihrer täglichen
Aufgabe.
Ein- und Auswanderung in
Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg leben etwa 2,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Damit liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in Baden-Württemberg
mit 25 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt
mit 19 Prozent. Die Zuwanderung hat im Südwesten
Tradition. Wanderungsbewegungen haben von jeher
die Geschichte Südwestdeutschlands geprägt. Am Beispiel Baden-Württembergs werden zentrale Themen
der Ein- und Auswanderung beschrieben.
Karl-Heinz Meier-Braun;
Reinhold Weber
Kleine Geschichte der
Ein- und Auswanderung
in Baden-Württemberg
DRW-Verlag
192 Seiten, 16,90 Euro
27
Kurz notiert
EU-Integrationsportal
Seit Kurzem ist die neue Website www.integration.
eu der Europäischen Kommission online. Sie will
Informationen aus ganz Europa bieten und zur
Vernetzung der Akteure der Integrationsarbeit
beitragen. Auf der Internetseite können Besucher
bewährte Integrationsansätze austauschen, neue
Finanzierungsmöglichkeiten erkunden, sich über
aktuelle Entwicklungen in der EU, auf nationaler
und lokaler Ebene informieren und mit anderen
Akteuren Kontakt aufnehmen. Parallel dazu wurde
auch das Europäische Integrationsforum online gestellt. Diese nicht allgemein zugängliche Seite bietet Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen
Gelegenheit, sich zu Fragen der Integrationspolitik
zu äußern und untereinander zu diskutieren.
Jugendintegrationspreis
Für ihr Engagement für die Integration von Menschen aus Zuwandererfamilien und für Chancengleichheit sind 16 Projekte mit dem Jugendintegrationspreis „respekt 2009“der Bundesregierung ausgezeichnet worden. Aus jedem Bundesland wurde
eine Initiative ausgewählt, die sich für ein gutes
Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft einsetzt. Die Bandbreite der Siegerprojekte
reicht von Sprachintegrationskursen für minderjährige Flüchtlinge über Patenschaften für Kinder
aus Zuwandererfamilien bis zur selbstproduzierten
Radiosendung. Insgesamt hatten sich mehr als
4.000 Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland mit 250 Projekten am Wettbewerb beteiligt.
Kulturmagazin
Internetlinks
>> Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse:
Studie Brain Waste
www.berufliche-anerkennung.de/brain-waste.html
Studie der Uni Oldenburg:
www.ibkm.uni-oldenburg.de/download/Soziale_und_berufliche_Integration_hoeher_qualifizierte_Fluechtlinge_in_Niedersachsen_durch_die_Aktivierung_von_Humanressourcen.doc
www.berufliche-anerkennung.de
www.kmk.org/zab.html
>> Berufliche Anerkennung in der EU:
www.ec.europa.eu/internal_market/qualifications/
index_de.htm
www.ciep.fr/de/enic-naricfr/
Impressum
Blickpunkt Integration 02/2009
Erscheinungsweise vierteljährlich
Herausgeber:
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
90343 Nürnberg
Redaktion:
Dr. Oliver Steinert
(verantwortlicher Leiter)
Andrea Mack-Philipp
Katja Carstens
Jan Entrich
E-Mail:
„Puzzle“ heißt das erste interkulturelle Kulturmagazin im deutschen Fernsehen, das seit 2009 einmal im Monat vom Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird. Unter dem Motto „Viele Kulturen – ein
Land“ stellt die Journalistin Özlem Sarikaya Kulturschaffende mit Zuwanderungsbiografien vor, die
mit ihrer Kunst und ihrem Wirken die Kultur dieses
Landes mitprägen. Präsentiert werden aktuelle
Themen aus unterschiedlichen Kunstgattungen
wie Musik, Tanz, Theater und Literatur. Die nächste
Sendung ist am 13. August 2009 um 23.00 Uhr im
Bayerischen Fernsehen zu sehen.
28
info.buerger@bamf.bund.de
Internet:
www.integration-in-deutschland.de
Layout:
Gertraude Wichtrey
Druck:
Bonifatius GmbH
Druck-Buch-Verlag
Karl-Schurz-Str. 26
33100 Paderborn
Titelfoto:
Claus Felix
Auflage:
8000 Exemplare